1619/J XXVI. GP

Eingelangt am 07.09.2018
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Anfrage

 

der Abgeordneten Josef Schellhorn, Kolleginnen und Kollegen

an den Bundesminister für Finanzen

betreffend Gemeinnützigkeit im Steuerrecht

Wenn Vereine einen gemeinnützigen Zweck erfüllen, sind diese im Steuerrecht besser gestellt. Das ist auch vernünftig. Problematisch wird es allerdings, wenn nicht sichergestellt werden kann, dass diese Besserstellung nicht ausgenutzt wird. Wenn eine steuerliche Besserstellung bei Tätigkeiten besteht die nicht dem Gemeinwohl dienen, ist das BMF verpflichtet tätig zu werden. Dies ist aber nicht immer der Fall, wie auch der Rechnungshof aufgezeigt.

Nur Vereine die gemeinnützige, mildtätige oder kirchliche Zwecke verfolgen, können unter bestimmten Voraussetzungen begünstigt werden.

"Gemeinnützige Zwecke" heißt nur, dass diese die Allgemeinheit fördern. Eine Förderung der Allgemeinheit liegt dann vor, wenn der Verein das Gemeinwohl auf geistigem, kulturellem, sittlichem oder materiellem Gebiet selbstlos fördert. Dazu zählen beispielsweise die Förderung der Kunst, Wissenschaft, Musik oder des Sports. In der Bundesabgabenordnung wird der Begriff dann breiter gefasst: Die Bundesabgabenordnung (BAO) nennt unzählige Beispiele für gemeinnützige Zwecke (§ 35 Abs. 2 BAO).

Der RH zählt hier zahlreiche fragwürdige Abläufe im Umgang des Finanzministeriums (BMF) mit den abgabenbegünstigten Vereinen auf.

Im Bericht aus 2015 hält der Rechnungshof fest, dass im BMF für die Steuerbegünstigung im Zusammenhang mit der Verfolgung gemeinnütziger Zwecke kein Konzept vorlag, welches konkret formulierte Ziele und messbare Kriterien enthielt. Eine systematische Beobachtung, Messung und Analyse der Wirkungen der Steuerbefreiung führte das BMF auch nicht durch. Dem BMF war daher die Höhe der - für die öffentlichen Haushalte damit verbundenen - Einnahmeausfälle nicht bekannt.

Aus unserer Sicht ist die Verbesserung der Datenlage aus diesem Grunde besonders wichtig. Denn derzeit sind wir nicht im Stande eine ordentliche Kosten-Nutzen-Analyse durchzuführen oder gar evidenzbasierte Verbesserungen vorzunehmen.

Bezüglich der zugänglichen Informationen schriebt der Rechnungshof folgendes in dessen Zusammenfassung: „Vereine waren grundsätzlich nur bei Verwirklichung abgabenrechtlich relevanter Sachverhalte oder bei Ausübung steuerpflichtiger Tätigkeiten steuerlich erfasst. Gegenüber den mehr als 100.000 im zentralen Vereinsregister eingetragenen Vereinen lag der Anteil der steuerlich erfassten Vereine zwischen 8,4 % (2012 in Niederösterreich) und 17,5 % (2011 in Vorarlberg). Der RH konnte allerdings mangels entsprechender Informationen nicht beurteilen, ob tatsächlich alle steuerlich relevanten Vereine erfasst waren.“

Der Rechnungshof kritisiert auch, dass die Prüfung der Finanz, ob ein Verein als „gemeinnützig“ anzuerkennen ist, nicht klar und nachvollziehbar geregelt ist. Ist der Verein einmal anerkannt, kommt es im Nachhinein meist zu keiner weiteren Überprüfung. Ob die Tätigkeit des Vereins nach Jahren immer noch zum Wohle der Allgemeinheit ist, wird schlichtweg nicht mehr kontrolliert. Ob die Gemeinnützigkeit in Folge einer Richtlinien-Verletzung abzuerkennen wäre, interessiert das Finanzministerium als zuständige Aufsichtsbehörde offenbar wenig.

Der gesamte Bericht zeichnet das Bild einer gewissen Willkür in der Erteilung der Gemeinnützigkeit. Was wiederum den Schluss zulässt, dass es sich um eine politisch gesteuerte „Beliebigkeit“ handelt.

Im Nachfrageverfahren im Jahr 2016 kam der RH zum Schluss, dass zahlreiche Empfehlungen offen blieben. Genauer heißt es: "Offen bleiben hingegen die Empfehlungen des RH im Hinblick auf eine klare und präzise Formulierung der Gesetzesmaterien insbesondere im Zusammenhang mit den Begriffen der Gemeinnützigkeit und des Gemeinwohls, weil diese einen Auslegungsspielraum offen ließen. Ebenfalls offen blieb die Empfehlung des RH betreffend die Festlegung qualitativer und quantitativer Zielvorgaben für Steuerbegünstigungen im Zusammenhang mit der Gemeinnützigkeit. Dem BMF blieb deshalb eine Beurteilung der Zweckmäßigkeit der Steuerbegünstigung und der Frage, ob eine Beibehaltung noch erforderlich ist, verwehrt."

Der Bericht wurde außerdem im Rechnungshofausschuss behandelt. In diesem machte sich Rechnungshofpräsidentin Margit Kraker nochmals für eine klarere Definition der Gemeinnützigkeit stark. Kritik übten die Prüfer auch an der Vorgangsweise bei der Erfassung steuerlich relevanter Vereine. Kraker äußerte außerdem die Empfehlung, dass die Gemeinnützigkeit eines Vereins in den Grunddaten gekennzeichnet werden soll. Bei der Neuaufnahmen von Vereinen sollte das Ressort einheitlich vorgehen und auf ein ausgewogenes Verhältnis zwischen gleichmäßiger Besteuerung und vertretbarem Verwaltungsaufwand achten, betonte Kraker weiter.

Auch die damalige Oppositionspartei FPÖ (Jessi Lintl) äußerten sich kritisch. Sie forderten klarere gesetzliche Grundlagen bei der steuerlichen Begünstigung der Gemeinnützigkeit und unterstrichen den Vorschlag des Rechnungshofs auf Zusammenarbeit zwischen Finanzressort und Landesregierungen bei Entscheidungen über gemeinnützige Bauvereinigungen.

Die unterfertigenden Abgeordneten stellen daher folgende

Anfrage:

1.    Kam es seit dem Bericht 2015, aus Sicht des BMF, zu einer Klarstellung und Präzisierung (insb. betreffend Gemeinnützigkeit und Gemeinwohl) in Gesetzen und Verordnungen rund um die Bundesabgabenordnung (BAO) und das Wohnungsgemeinnützigkeitsgesetz (WGG)?

a.    Wenn ja, welche im Detail?

b.    Wenn nein, warum sind die Empfehlungen des RH bis dato noch nicht umgesetzt?

2.    Kam es seit dem Bericht 2015, aus der Sicht des BMF, zu einer Festlegung des BMF um für die Steuerbegünstigung i.Z.m. der Gemeinnützigkeit qualitative und quantitative Zielvorgaben mit messbaren Indikatoren, welche die Zielerreichung, die Wirkung und die Treffsicherheit untersuchen und danach beurteilen, ob die Beibehaltung der Begünstigung noch erforderlich ist?

3.    Kam es seit dem Bericht 2015 zur Erfassung der fehlenden ZVR-Zahlen von Vereinen (fortlaufende Vereinsregisterzahl) in den Grunddaten?

4.    Kam es seit dem Bericht 2015 zur Festlegung einer einheitlichen Vorgehensweise bei den Neuaufnahemen von Vereinen?

5.    Kam es seit dem Bericht 2015 zu einer Überprüfung im BMF, ob eine Konzentration der Vereine auf wenige BV-Teams (Team Betriebsveranlagung/-prüfung) pro Finanzamt vorteilhaft wäre?

6.    Kam es seit dem Bericht 2015 zu Intensivierungen des BMF in der Zusammenarbeit mit den Ämtern der Landesregierung bei Fragen der Gemeinnützigkeit von gemeinnützigen Bauvereinigungen (GBV) durch institutionalisierten Wissens- und Erfahrungsaustausch?

7.    Kam es seit dem Bericht 2015 zur Erfassung von Ausnahme- und Feststellungsanträgen der GBV sowie den dementsprechenden Bescheiden in den elektronischen Veranlagungsakten, um diese für die Beurteilung der Körperschaftssteuerpflicht und der Richtigkeit der Abgabenerklärungen entsprechend berücksichtigen zu können?

8.    Kam es seit dem Bericht 2015 zu einer Vereinbarung des BMF mit dem Revissionsverband über eine verpflichtende sowie jeweils aktuelle Meldung der Mitgleidsnummern von GBV?

9.    Kam es seit dem Bericht 2015 zu einer steuerlichen Kennzeichnung von GBV um diese für die Finanzämter elektronisch auswertbar zu machen?

10. Kam es seit dem Bericht 2015 zur lückenlosen Übermittlung der Prüfberichte über die Jahresabschlüsse der GBV bzw. wurden die fehlenden - wie im RH-Bericht empfohlen - umgehend eingemahnt und übermittelt?

11. Kam es seit dem Bericht 2015 zur elektronischen Erfassung der Prüfberichte über die Jahresabschlüsse der GBV in den elektronischen Veranlagungsakten oder wurde dort zumindest ein entsprechender Vermerk gesetzt?

12. Kam es seit dem Bericht 2015 für Vereine und GBV bundesweit - und in unregelmässigen und angemessenen Intervallen - zu Schwerpunktprüfungen auch im Hinblick auf die Gemeinnützigkeit, um die Gleichmäßigkeit der Besteuerung sicherzustellen und Maßnahmen der General- und Spezialprävention zu setzen?

13. Wie viele gemeinnützige Vereine gibt es in Österreich? (bitte um Auflistung nach Bundesländer für die Jahre 2008-2018)

14. Gibt es eine Analyse zur Wirkung der Steuerbefreiung für gemeinnützige Vereine?

15. Wie hoch ist der mit den gemeinnützigen Vereinen verbundene steuerliche Einnahmeausfall? (Bitte um jährliche Auflistung für die Jahre 2008-2018)