2076/J XXVI. GP

Eingelangt am 24.10.2018
Dieser Text ist elektronisch textinterpretiert. Abweichungen vom Original sind möglich.

Anfrage

der Abgeordneten Rainer Wimmer, Genossinnen und Genossen
an die Bundesministerin für Digitalisierung und Wirtschaftsstandort
betreffend Erlass der Risikobewertungsausnahmeverordnung (RAV)

Gewerbetreibende haben laut Geldwäsche-Richtlinie angemessene Schritte zu setzen, um bestehende Risiken der Geldwäsche und Terrorismusfinanzierung zu ermitteln und zu bewerten. Diese Schritte sind aufzuzeichnen und auf Anfrage der Behörde zur Verfügung zu stellen (unter Berücksichtigung der Risikofaktoren, auch in Bezug auf Kunden, Länder oder geografische Gebiete, Produkte, Dienstleistungen, Transaktionen oder Vertriebskanäle). In den §§ 365 m bis 365 z der Gewerbeordnung erfolgt die nationale Umsetzung von Maßnahmen zur Verhinderung von Geldwäsche und Terrorismusfinanzierung, die aufgrund der 4. Geldwäsche-Richtlinie notwendig wurden.

Laut Richtlinie gelten diese Bestimmungen für folgende Berufsgruppen: Handelsgewerbetreibende, Immobilienmaklerlnnen, UnternehmensberaterInnen und Unternehmensorganisationen, einschließlich Büroservicebetrieb, sowie VersicherungsvermittlerInnen.

Laut §365n1 Abs. 2 GewO sind Sie ermächtigt, per Verordnung jene Sektoren festzulegen, in denen einzelne aufgezeichnete Risikobewertungen nicht erforderlich sind („weil die in dem Sektor bestehenden konkreten Risiken klar erkennbar sind und sie verstanden werden“). Davon haben Sie im Begutachtungsentwurf zur Risikobewertungsausnahmeverordnung Gebrauch gemacht, und Immobilienmaklerlnnen ausgenommen, obwohl gerade die Immobilienbranche als Risikosektor in Bezug auf Geldwäsche gilt. Daher ist inhaltlich nicht nachvollziehbar, warum diese Branche von einer erhöhten Berichts- und Sorgfaltspflicht ausgeklammert werden sollte.

Die Begutachtungsfrist endete am 08.06.2018, die Verordnung wurde allerdings noch nicht erlassen.

Die abgegebenen Stellungnahmen fielen äußerst kritisch aus. So führt die Rechtsanwaltskammer in ihrer Stellungnahme an, dass die Ausnahme der Immobilienmaklerlnnen aufgrund der Vorgaben der 4. Geldwäsche-Richtlinie (Art 2 Abs 1 Z 3 lit. d) nicht zulässig ist. Außerdem wird auf die zentrale Rolle der Immobilienmaklerlnnen bei der Verhinderung von Geldwäsche hingewiesen, damit sei eine Befreiung sachlich nicht gerechtfertigt.

Es liegt daher nahe, dass hier bewusst ein Sektor ausgenommen wurde, weil er im Vorfeld nicht nur gezielte Lobbying-Arbeit geleistet hat, sondern auch für den Wahlkampf von Sebastian Kurz gespendet hat.

Die unterzeichnenden Abgeordneten stellen daher folgende

Anfrage

Zum Erlass der Risikobewertungsausnahmeverordnung und Berücksichtigung der eingegangenen Stellungnahmen

1.    Wann soll die Verordnung erlassen werden?

2.    Warum wurde sie bisher nicht erlassen?

3.    Welche Schritte waren notwendig, die eine Verzögerung des Erlasses zwischen Ende der Begutachtungsfrist und tatsächlichen Erlass von mindestens vier Monaten erklären könnten?

4.     Welche Stellungnahmen werden berücksichtigt, und welche nicht?

(Bitte um detaillierte Aufgliederung der einzelnen Kritikpunkte bzw. Verbesserungsvorschläge jeder eingelangten Stellungnahme und Begründung warum diese berücksichtig oder nicht berücksichtigt wurden).

5.    Die Rechtsanwaltskammer ortet ein mögliches europarechtliches Problem. MaklerInnen zählen laut der 4. Geldwäsche-Richtlinie ausdrücklich zu den Verpflichtenden. Mit welcher rechtlichen Begründung orten Sie nationale Spielräume, die eine Ausnahme dieser dezidiert genannten Gruppe EU-rechtskonform möglich machen würde?

a.    Haben Sie dazu eine rechtliche Einschätzung von Europarechtsexpertlnnen eingeholt? Wenn ja, bitte um Veröffentlichung dieser Rechtseinschätzung.

b.    Fürchten Sie ein Vertragsverletzungsverfahren? Bitte um ausführliche Begründung ihrer rechtlichen Einschätzung.

Zum Zustandekommen des Begutachtungsentwurfs:

6.    Wer hat Ihnen geraten, diese Risikoausnahmeverordnung zu erlassen?

7.    Wer hat Ihnen geraten, die Immobilienmaklerlnnen in diese Ausnahmeverordnung aufzunehmen?

8.    Warum wurden Immobilienmaklerlnnen ausgenommen?

9.    Gab es dazu einen Austausch mit VertreterInnen der Immobilienbranche?

a.    Wen haben Sie seit ihrem Amtsantritt getroffen, der in dem Sektor tätig ist? (Bitte um detaillierte Auflistung der Termine, mit den teilnehmenden Personen und Gegenstand der Unterhaltungen, insbesondere ob über die Umsetzung der 4. Geldwäscherichtlinie gesprochen wurde)

b.    Haben Sie seit ihrem Amtsantritt den Österreichischen Verband der Immobilienwirtschaft getroffen?

Wenn ja, was war Gegenstand des Termins?

Wurde über die Umsetzung der 4. Geldwäscherichtlinie gesprochen?

c.     Wen haben Sie von nachstehender Liste der WahlkampfspenderInnen von Sebastian Kurz aus der Immobilienbranche seit Amtsantritt getroffen? (Bitte um detaillierte Auflistung der Termine und Gegenstand der Unterhaltungen, insbesondere ob über die Umsetzung der 4. Geldwäscherichtlinie[1] gesprochen wurde)


 


 

10. Wurde an Sie von einer Interessensgruppe oder von Unternehmen der Wunsch

herangetragen, dass Immobilienmaklerlnnen im Rahmen der RAV ausgeklammert werden?

a.    Wenn ja, durch wen?

(Bitte um detaillierte Darstellung der Wünsche.)

b.    Wenn nein, warum haben Sie dennoch die Immobilienmaklerlnnen durch die Verordnung ausgenommen?

² https://kontrast.at/das-sind-die-kurz-spender/


11. War der Bundeskanzler in die Entstehung der RAV eingebunden?

a. Wenn ja, gab es inhaltliche und politische Eckpunkte, die von Ihnen berücksichtigt wurden?

12. War der Vizekanzler in die Entstehung der RAV eingebunden?

a. Wenn ja, gab es inhaltliche und politische Eckpunkte, die von Ihnen berücksichtigt wurden?

13. War der Finanzminister in die Entstehung der RAV eingebunden?

a.    Wenn ja, gab es inhaltliche und politische Eckpunkte, die von Ihnen berücksichtigt wurden?

b.    Gab es eine diesbezügliche Empfehlung der ExpertInnen aus dem Finanzministerium zur Bekämpfung von Geldwäsche und Terrorfinanzierung?

Zur Einschätzung des Risikos der Immobilienwirtschaft in Bezug auf Geldwäsche

14. Mit welchen ExpertInnen zu Geldwäsche- und Terrorismusbekämpfung haben Sie sich diesbezüglich ausgetauscht?

a.    Was wurde Ihnen geraten?

b.    Welche Risikoeinschätzung zur Immobilienwirtschaft für Geldwäsche wurde Ihnen vorgelegt?

15. Nachforschungen des Bundeskriminalamts, der Wirtschaftsprüfungsgesellschaft Deloitte und Finanzwissenschafterlnnen der Universität Halle[2] sehen gerade in der Immobilienbranche einen „Hochrisikosektor“ für internationale Geldwäsche:

Vom jährlichen Volumen der Immobilientransaktionen von 250 Milliarden Euro könnten in Deutschland gut zehn Prozent aus Geldwäschegeschäften stammen (25 Mrd. Euro)[3] Diese ohnehin hohen Risiken werden durch die unzureichende Umsetzung der Sorgfaltspflichten und sehr geringe Bereitschaft der Immobilienmakler zu Verdachtsmeldungen erheblich erhöht.

a.    Welche Einschätzung würden Sie für Österreich treffen?

b.    Wie hoch schätzen Sie das Volumen aus Geldwäschegeschäften in der österreichischen Immobilienwirtschaft?

16. In einer Stellungnahme gegenüber dem Profil vom 18.06.2018 heißt es von Ihnen, dass Immobilienmakler bereits anderen gesetzlichen Sorgfaltspflichten in Sachen Geldwäsche unterworfen seien und keine weitere Bewusstseinsbildung brauchen: "Im Bereich der Immobilienmakler ist durchaus das Bewusstsein entwickelt, dass der Immobiliensektor einem Geldwäsche-Risiko ausgesetzt ist", so die Stellungnahme.

a.    Welche anderen gesetzlichen Sorgfaltspflichten sind diese und warum ersetzen diese eine Risikoanalyse und weitere Bewusstseinsbildung?

b.    Welche Indikatoren aus der Branche lassen den Schluss zu, dass bei den Immobilienmaklerlnnen dieses Bewusstsein so weit entwickelt ist, dass es keiner rechtlichen Regelung bedarf?

17. Aus dem Bericht der Geldwäschemeldestelle geht hervor, dass Immobilienmaklerlnnen kaum Verdachtsfälle melden (im Jahr 2016 wurde kein einziger Verdacht gemeldet).

a.    Warum werden der Einschätzung ihres Ressorts nach wenige bzw. keine Verdachtsfälle gemeldet?

b.    Immobilienmaklerlnnen erfahren aufgrund ihrer Vermittlerposition zwar nicht zwingend Details über den späteren Transaktionsmodus, es werden aber von ihnen in der Praxis dennoch Fragen zur Finanzierung gestellt, da die Maklerprovision vom Verkaufspreis abhängig ist.

Sie sind damit Sorgfaltspflichtige, haben aber auf Grund der genannten Zahlen offensichtlich keine Bereitschaft dazu, Verdachtsmeldungen zu erstatten.

Warum sind Sie dagegen, dass etwa durch die Erstellung eines Risikokonzeptes samt Schulungen, die Bereitschaft für solche Meldungen erhöht wird?



[1] https://eur-lex.europa.eu/legal-content/DE/ALL/?uri=celex%3A32015L0849

[2] Siehe Zb: http://wcms.itz.uni-halle.de/download.php?down=41244&elem=3005640

[3] https://www.zeit.de/wirtschaft/2017-12/geldwaesche-immobilienmakler-auswirkungen-welt