2206/J XXVI. GP

Eingelangt am 06.11.2018
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Anfrage

 

der Abgeordneten Dr. Stephanie Krisper, Kolleginnen und Kollegen

an den Bundesminister für Inneres

betreffend Vorgehensweise bei Abschiebungen von Familien mit Kleinkindern

 

Am 28. Oktober 2018 wurde die Abschiebung einer dreiköpfigen armenischen-iranischen Familie in Sulzberg im Bregenzerwald eingeleitet. Die Polizei erschien um fünf Uhr morgens in der Wohnung der kleinen Familie, um die schwangere Mutter, ihren dreijährigen Sohn und den Vater abzuholen. Berichten zufolge wurde die Wohnungstür von den Polizisten eingetreten. Die im fünften Monat schwangere Frau erlitt durch den durch die Amtshandlung ausgelösten Stress einen Kollaps und wurde wegen einer drohenden Frühgeburt ins Krankenhaus Bregenz gebracht. Während die Frau im Landeskrankenhaus behandelt wurde, wurden der dreijährige Bub und der Vater nach Wien ins Polizeianhaltezentrum gebracht. Der Anwalt der Familie wurde daran gehindert vor dem Abtransport vom LKH noch mit dem Vater zu sprechen, indem die Scheibe des Polizeiautos hochgefahren wurde. Am 29. Oktober 2018 wurden Vater und Sohn am Nachmittag wieder aus der Schubhaft in Wien entlassen, allerdings wurde seitens der Polizei kein Rücktransport nach Vorarlberg zur Mutter organisiert, sie mussten sich daher selbst um einen kindgerechten Rücktransport kümmern.

Die Familie lebt seit fast fünf Jahren in Sulzberg, ist bestens integriert und engagiert sich in der Gemeinde, in der Kirche bzw. in Vereinen. Die Frau spricht Deutsch auf C2-Niveau und unterrichtet sogar im wöchentlichen Deutschkurs, der Mann spricht Deutsch auf B2-Niveau, der kleine Sohn ist in Österreich geboren.

Die Volksanwaltschaft kritisierte in ihren Parlamentsberichten der vergangenen Jahre bereits, dass bei Abschiebungen bzw. Rückführungen Familien getrennt werden und beim Zeitpunkt von Rückführungen zu wenig Rücksicht auf das Kindeswohl und insbesondere die Bedürfnisse von Kindern, insbesondere von Kleinkindern, genommen wird (vgl. etwa PB 2017, 180 f; PB 2015, 157 f; PB 2014, 143 f). Die Volksanwaltschaft empfiehlt im Sinne des durch Artikel 8 EMRK gewährleisteten Schutzes der Kinder und des Familienlebens bei Abschiebungen bzw. Rückführungen die Trennungen von Familien und Abholungen von Kindern in der Nacht bzw. in der frühen Morgenstunden zu vermeiden. Zudem sollten Kinder nicht ohne den zur Obsorge berechtigten Elternteil abgeschoben bzw. rückgeführt werden.

Die unterfertigenden Abgeordneten stellen daher folgende

Anfrage:

 

1.    Welche Stelle erteilte die Weisung, die Familie abzuschieben?

2.    Welche weiteren Weisungen, egal ob mündlich oder schriftlich, ergingen seit Ankunft der Beamt_innen bei der Familie?

3.    Auf welche Rechtsgrundlage stützen sich die Weisungen jeweils?

4.    Ist es Teil der üblichen Vorgehensweise vor Einleitung einer Abschiebung bzw. Rückführung zu prüfen, ob die Frist für die freiwillige Ausreise bereits abgelaufen ist?

a.    Wenn nein, warum nicht?

5.    In wie vielen Fällen wurde in den Jahren 2015 bis 2018 eine Abschiebung bzw. Rückführung eingeleitet, obwohl die Frist für die freiwillige Ausreise noch nicht abgelaufen war? Bitte um Aufschlüsselung nach Jahr.

a.    Welche Maßnahmen setzt das BMI, um dies zu vermeiden?

b.    Sollten keine Daten dazu vorliegen, kann ein derartiges Vorgehen aufgrund einer entsprechenden internen Regel bzw. Anweisung ausgeschlossen werden?

6.    Warum wurde im gegenständlichen Fall die Abschiebung bzw. die Festnahme der Familie angeordnet, obwohl die Frist für die freiwillige Ausreise noch nicht abgelaufen war?

7.    Wurde im gegenständlichen Fall ein Festnahmeauftrag ausgestellt?

a.    Wenn ja, von wem, wann und auf welcher rechtlichen Grundlage?

b.    Wenn nein, inwiefern war die Festnahme von Vater und Sohn rechtskonform?

8.    Wird danach getrachtet, bei Festnahme, Inschubhaftnahme und sonstigen Verfahrensschritten bei einer Abschiebung bzw. Rückführung von Familien mit Kindern auf das Kindeswohl Rücksicht zu nehmen?

a.    Wenn ja, inwiefern wird dies gewährleistet?

b.    Wenn nein, warum nicht?

9.    In wie vielen Fällen wurde in den Jahren 2015 bis 2018 Abschiebungen bzw. Rückführungen von Familien mit minderjährigen Kindern in der Nacht bzw. in den frühen Morgenstunden durchgeführt? Bitte um Aufschlüsselung nach Jahr.

a.    Welche Maßnahmen setzt das BMI, um ein derartiges Vorgehen und damit eine Beeinträchtigung des Kindeswohls zu vermeiden?

b.    Sollten keine Daten dazu vorliegen, kann ein derartiges Vorgehen aufgrund einer entsprechenden internen Regel bzw. Anweisung ausgeschlossen werden?

10. Warum wurde im gegenständlichen Fall die Familie mit schwangerer Frau und dreijährigem Kind um fünf Uhr morgens von der Polizei abgeholt?

11. Ist dem BMI bekannt, dass bei der Amtshandlung die Wohnungstür der Familie von den Polizisten eingetreten wurde?

a.    Wer erteilte dazu die Weisung und auf welcher Rechtsgrundlage?

b.    Handelt es sich dabei um eine übliche Vorgehensweise?

c.    Erachtet das BMI dieses Vorgehen als verhältnismäßig?

d.    Welche Maßnahmen setzt das BMI, um derartige Vorgehensweisen zu vermeiden?

12. Wird danach getrachtet, bei Abschiebungen bzw. Rückführungen die Trennung von Familien zu vermeiden?

a.    Wenn ja, inwiefern wird dies gewährleistet?

b.    Wenn nein, warum nicht?

13. In wie vielen Fällen wurden bei Abschiebungen bzw. Rückführungen von Familien mit minderjährigen Kindern in den Jahren 2015 bis 2018 Familienmitglieder getrennt? Bitte um Aufschlüsselung nach Jahr.

a.    Welche Maßnahmen setzt das BMI, um ein derartiges Vorgehen und damit eine Beeinträchtigung des Kindeswohls zu vermeiden?

b.    Sollten keine Daten dazu vorliegen, kann ein derartiges Vorgehen aufgrund einer entsprechenden internen Regel bzw. Anweisung ausgeschlossen werden?

14. Warum wurden im gegenständlichen Fall Vater und Sohn ins PAZ nach Wien gebracht, um abgeschoben zu werden, obwohl dies eine Trennung der Familie und damit eine Verletzung von Artikel 8 EMRK bedeutet hätte?

15. Warum wurde mit der Abschiebung von Vater und Sohn zunächst nicht bis auf eine Besserung des Gesundheitszustandes der Mutter gewartet, um eine Trennung der Familie zu vermeiden?

16. Ist dem BMI bekannt, dass der Rechtsanwalt der Familie vor Abtransport von Vater und Sohn vom LKH daran gehindert wurde mit dem Vater zu sprechen?

a.    Wer erteilte dazu die Weisung und auf welcher Rechtsgrundlage?

b.    Handelt es sich dabei um eine übliche Vorgehensweise?

c.    Erachtet das BMI dieses Vorgehen als verhältnismäßig?

d.    Welche Maßnahmen setzt das BMI, um die Einhaltung der Verfahrensrechte der Betroffenen bei Abschiebungen bzw. Rückführungen zu gewährleisten?

17. Wird danach getrachtet, bei Abschiebungen bzw. Rückführungen die Trennungen von Kindern von dem zur Obsorge berechtigten Elternteil zu vermeiden?

a.    Wenn ja, inwiefern wird dies gewährleistet?

b.    Wenn nein, warum nicht?

18. In wie vielen Fällen wurden in den Jahren 2015 bis 2018 bei Abschiebungen bzw. Rückführungen Kinder von dem zur Obsorge berechtigten Elternteil getrennt? Bitte um Aufschlüsselung nach Jahr.

a.    Welche Maßnahmen setzt das BMI, um ein derartiges Vorgehen und damit eine Beeinträchtigung des Kindeswohls zu vermeiden?

b.    Sollten keine Daten dazu vorliegen, kann ein derartiges Vorgehen aufgrund einer entsprechenden internen Regel bzw. Anweisung ausgeschlossen werden?