2263/J XXVI. GP
Eingelangt am 12.11.2018
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Anfrage
der Abg. Mag. Jörg Leichtfried, Genossinnen und Genossen
an den Bundeskanzler
betreffend „massive Überschreitungen der gesetzlich erlaubten Wahlwerbungs-ausgaben durch ÖVP um 6 Millionen Euro und FPÖ um 3,7 Millionen Euro – Täuschung der Wählerinnen und Wähler durch ÖVP Parteivorsitzenden Sebastian Kurz – gesetzwidrige Beeinflussung des Wahlergebnisses der Nationalratswahl 2017“
Im Jahr 2012 wurde nach langen Verhandlungen das Parteiengesetz 2012 erlassen. Damit wurde unter anderem eine Beschränkung der Wahlwerbungsausgaben auf 7 Millionen Euro gesetzlich verankert. Im allgemeinen Teil der Erläuterungen zur damaligen Regierungsvorlage wurde folgendes ausgeführt:
„Die vorgeschlagenen Bestimmungen sind Teil des von Bundesregierung in ihrer Klausur vom 27. April 2012 beschlossenen Transparenzpakets. Das Parteiengesetz 2012 soll die seit vielen Jahren auf wissenschaftlicher und politischer Ebene geäußerten Defizite der geltenden Parteifinanzierungsregelungen beseitigen. Zugleich sollen mit den vorliegenden Maßnahmen die von der vom Europarat eingesetzten „Staatengruppe gegen Korruption“ (GRECO) – deren völkerrechtlicher Grundlage Österreich 2006 beigetreten ist – festgestellten Mängel aufgegriffen und beseitigt werden (GRECO – Evaluierungsbericht Österreich vom 9. Dezember 2011). Während die Fördertätigkeit des Bundes in ihrem Umfang gesetzlich klar umrissen ist, bedarf es wesentlich mehr an Transparenz und Kontrolle der aus dem öffentlichen Haushalt stammenden Mittel sowie der Präzisierung der Zulässigkeit und Offenlegung von Spenden an Parteien.
Zur Effektivierung der Vorschriften werden Sanktionen vorgesehen, die von einem neu eingerichteten „Unabhängigen Parteien-Transparenz-Senat“, dessen Mitglieder auf Vorschläge der Präsidenten der österreichischen Höchstgerichte zurückzuführen und weisungsfrei gestellt sind, in Form von Geldbußen zu verhängen sind. Der Senat kann auf Grund der Mitteilung des Rechnungshofs Geldbußen bis zu 100.000 Euro bzw. in Höhe des dreifachen rechtswidrig erlangten Betrags auferlegen. Sanktioniert sind insbesondere auch Verstöße gegen die gesetzliche Beschränkung der Wahlwerbungsausgaben.“
Damit sollten zunächst Fairness und gleiche Bedingungen für die wahlwerbenden Parteien geschaffen werden. Darüber hinaus dienten die Bestimmungen der Herstellung von Transparenz, um das Vertrauen der Bürgerinnen und Bürger in das politische System zu stärken.
Der Erstredner der ÖVP, Karlheinz Kopf, in der Zweiten Lesung der Regierungsvorlage: „Es sind solche Dinge wie Korruption oder auch nur der Verdacht, dass es irgendwo korruptes Verhalten gibt, insbesondere an der Schnittstelle von Politik zur Wirtschaft, von Politik zu einzelnen Personen außerhalb der Politik, es ist also selbst der Verdacht von Korruption geeignet, das Vertrauen in die Demokratie und in den Rechtsstaat zu untergraben. Das heißt, wir haben schon deswegen alles zu tun, um, wie gesagt, dieses Vertrauen zu stärken, aber auch – und Kollege Cap hat es schon gesagt –, um all jene zu schützen, die in diesem Land auf Gemeindeebene, auf Bezirksebene, auf Landesebene oder eben auf der Bundesebene oder auf der europäischen Ebene versuchen, Demokratie hochzuhalten, die versuchen, nach demokratischen Spielregeln Entscheidungen herbeizuführen, und zwar im Auftrag der Bevölkerung, die sie dazu gewählt und legitimiert hat.“ (27. Juni 2012)
Die SpitzenrepräsentantInnen der ÖVP, Sebastian Kurz und Elisabeth Köstinger, nahmen öffentlich zur Wahlkampffinanzierung und insbesondere der Verwendung von Geldern durch die ÖVP im Rahmen des Wahlkampfes Stellung. Beide versicherten den Wählerinnen und Wählern, dass sich die ÖVP präzise an den Gesetzesauftrag halten werde.
„Wir haben klar gesagt, dass wir planen die Wahlkampfkosten-Obergrenze einzuhalten und sie liegt bei uns bei sieben Millionen Euro. Und wir sind sehr gut im Plan.“ (Elisabeth Köstinger bei der Präsentation von ÖVP-Wahlplakaten, ATV aktuell, 28.9.2017)
„Wir halten uns an alle Regelungen, die es derzeit gibt“, beteuert Kurz am 27.9. bei einer Pressekonferenz, als er auf seine Ausgaben im Wahlkampf angesprochen wird. Das ist nicht einmal drei Wochen vor der Wahl.
Wie sich nun herausstellt, dürfte aber die ÖVP diese Grenzen von 7 Millionen Euro um 6 Millionen Euro überschritten haben und damit die gesetzlich gedeckten erlaubten Ausnahmen um das Doppelte überschritten haben. Dies muss den beiden SpitzenrepräsentantInnen auch drei Wochen vor der Wahl bekannt gewesen sein. Die Wählerinnen und Wähler wurden von Sebastian Kurz und Elisabeth Köstinger vorsätzlich getäuscht.
Damit hat die ÖVP aber auch gegen die Chancengleichheit der politischen Parteien bei der Nationalratswahl absichtlich verstoßen und dadurch das Wahlergebnis zugunsten der ÖVP beeinflusst.
Eine solche Vorgehensweise würde in entwickelten westlichen Demokratien zum sofortigen Rücktritt der Betroffenen führen. Anders in Österreich: Sebastian Kurz schweigt, wie bei vielen anderen demokratiepolitischen Skandalen dieser Bundesregierung auch.
Aus den erwähnten Gründen stellen die unterzeichnenden Abgeordneten an den Bundeskanzler folgende
Anfrage:
1. Wie man an diesen Vorgangsweisen sieht, ist die Abschreckung vor solchen Gesetzesbrüchen nach geltendem Recht nicht ausreichend. Werden Sie als Bundeskanzler und damit für die Vollziehung des Parteiengesetzes zuständiges Regierungsmitglied eine Novelle zum Parteiengesetz vorbereiten, die ein solches strafbares Verhalten sowohl durch eigene Strafbestimmungen pönalisieren soll, aber darüber hinaus auch zu einer Strafzahlung bei Überschreitungen der Wahlkampfkostengrenze von 7 Millionen Euro führt, die tatsächlich abschreckend wirkt (zB Strafzahlung in der doppelten Höhe der Überschreitung, was im Fall der ÖVP eine Strafzahlung von 12 Millionen Euro bewirken würde)?
a.Wenn nein, warum nicht?
b.Wenn ja, wann werden Sie diesen Entwurf in Begutachtung schicken?
2. Bei Überschreitungen von beinahe der doppelten Grenze der gesetzlich erlaubten Wahlkampfkosten durch eine wahlwerbende Partei werden die anderen wahlwerbenden Parteien in ihrer Chancengleichheit geschädigt und die Wahl rechtswidrig beeinflusst. Welche gesetzlichen Maßnahmen werden Sie als Bundeskanzler vorschlagen, damit das gleiche, freie Wahlrecht in Österreich gewährleistet wird und welche Konsequenzen sollen für politische Parteien, die solche schweren Rechtsbrüche vornehmen, in Zukunft vorgesehen werden?
a.Wenn keine Maßnahmen vorgesehen werden, warum nicht?
3. Noch schwerer wiegt, dass im konkreten Fall die österreichischen Wählerinnen und Wähler durch bewusste Falschaussagen des Spitzenkandidaten der ÖVP sowie der damaligen Generalsekretärin grob getäuscht wurden. Werden Sie als Bundeskanzler und für das Parteiengesetz zuständiges Regierungsmitglied Sanktionen vorschlagen, die für PolitikerInnen bei solchen vorsätzlichen Falschaussagen strafrechtliche Sanktionen vorsehen?
a.Wenn nein, warum nicht?
4. Schließlich war im Nationalratswahlkampf 2017 eine Amerikanisierung des Wahlkampfes festzustellen; dies betraf insbesondere den Bereich Spenden. Werden Sie als Bundeskanzler und für das Parteiengesetz zuständiges Regierungsmitglied vorschlagen, dass Spendenobergrenzen für Spenden eingezogen werden?
a.Wenn nein, warum nicht?
b.Wenn ja, wie hoch soll diese Grenze sein?