2315/J XXVI. GP

Eingelangt am 21.11.2018
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Anfrage

 

der Abgeordneten Dr. Stephanie Krisper, Kolleginnen und Kollegen

an die Bundesministerin für Europa‚ Integration und Äußeres

betreffend Versagen der Bundesregierung im Zusammenhang mit dem Migrationspakt der Vereinten Nationen

Die Bundesregierung hat beschlossen, dem Migrationspakt der Vereinten Nationen (http://www.un.org/depts/german/migration/A.CONF.231.3.pdf), der Mitte Dezember von der VN-Generalversammlung angenommen werden soll, nicht beizutreten. Nach den USA und Ungarn zieht sich nun auch Österreich von dieser Vereinbarung zurück, auf die sich mehr als 190 Staaten der Welt geeinigt haben, um einem gemeinsamen Vorgehen in der Migrationspolitik den Weg zu ebnen.

Konkret heißt die rechtlich nicht bindende politische Absichtserklärung der Staaten "Globaler Pakt für eine sichere, geordnete und reguläre Migration". Der rechtlich nicht bindende Pakt, unter Verhandlungsführung von Mexiko und der Schweiz vom VN-Flüchtlingshochkommissariat (UNHCR) erarbeitet, beinhaltet vier große Ziele. Es geht darum, den Migrationsdruck auf die Aufnahmeländer zu vermindern, um Zugang zu geordneten Resettlement-Programmen und die Förderung von Bedingungen, die Migrant_innen eine baldige Rückkehr in ihr Heimatland ermöglichen.

Gemäß den Zahlen der Vereinten Nationen von Ende 2017 gibt es weltweit fast 260 Millionen Migrant_innen, also 3,4 Prozent der Weltbevölkerung. Das ist ein Anstieg um 49 Prozent seit 2000. Der von den VN angestrebte Pakt soll ihrem Schutz dienen und zwar besonders in ihren Herkunftsländern, so es sich um Binnenflüchtlinge handelt und auch in den Nachbarstaaten ihrer Herkunftsländer in der Region.

Diese Verbesserungen der Bedingungen vor Ort sollen eine Bekämpfung der Fluchtgründe darstellen und zu weniger illegaler Migration führen.

Österreich lehnt 17 Punkte ab: von der Erleichterung von Familienzusammenführungen über Ansiedlungsoptionen für Klimaflüchtlinge bis zum Verbot von Sammelabschiebungen. Besonders angesichts der Tatsache, dass Österreich gerade für drei Jahre in den Menschenrechtsrat der Vereinten Nationen gewählt wurde, ist ein solches Verhalten auf internationaler Bühne beschämend. Österreichs Weigerung, sich diesbezüglich an internationaler Zusammenarbeit zu beteiligen, erntete im In- und Ausland viel Kritik von Expertinnen und Experten. Österreich stellte sich damit erneut als unverlässlicher Partner auf Ebene der Vereinten Nationen dar. Das Vorgehen der Bundesregierung isoliert unser Land zunehmend im internationalen Kontext und trägt nicht zur Lösung internationaler Herausforderungen im Bereich Migration bei.

Die unterfertigenden Abgeordneten stellen daher folgende

Anfrage:

 

Verhandlung des Paktes und Vorbereitungsprozess auf Ministerienebene

1.    Wann stieg Österreich in die Verhandlungen zum Migrationspakt der Vereinten Nationen ein?
a) Was war zu diesem Zeitpunkt die allgemeine Prioritätensetzung bezüglich der Verhandlungen?

2.    Welche Beamt_innen welcher Ressorts waren für Österreich in den Verhandlungen eingesetzt?
a) Wie lautete ihr Verhandlungsmandat?
b) Gab es darüber hinaus besondere Weisungen darüber, welches Verhandlungsergebnis zu erzielen sei?
c) Wenn ja welche, von wem, an wen und wann?

3.    Wie funktionierte die Kommunikation zwischen den zuständigen Beamt_innen und der politischen Ebene?
a) Zu welchen Daten jeweils wurden Kabinette der Minister_innen über den Stand der Verhandlungen informiert? Bitte um Aufschlüsselung nach Ressort.
b) Gab es Reaktionen der Kabinette? Wenn ja, welche und wann?

4.    Wie erfolgreich waren die österreichischen Verhandler_innen bezüglich der ihnen vorgegebenen Ziele? Welche Ziele wurden erreicht und welche nicht?

5.    Zu welchem Zeitpunkt war klar, dass das Ergebnis für die österreichische Bundesregierung nicht zufriedenstellend sein würde?
a) Wann wurde dieser Umstand von wem an wen kommuniziert und welche Reaktion zog dies nach sich?

6.    Wie lautete die Empfehlung der eingebundenen Sektionsleiter_innen des BMEIA bezüglich Beitritt zum Pakt?
a) Warum wurde dieser Empfehlung nicht Folge geleistet?

7.    Gab es im Vorfeld der Entscheidung eine Debatte auf Minister_innenebene?
a) Wenn ja wann und mit welchem Ergebnis?
b) Wenn ja, wie erklären Sie sich die Kritik durch BM Faßmann diesbezüglich?
c) Wenn nein, warum nicht?

8.    Gab es zu irgendeinem Zeitpunkt während der österreichischen Ratspräsidentschaft Gespräche mit anderen Mitgliedstaaten über den Migrationspakt?
a) Wenn ja, wann, mit welchem Ergebnis und wer war daran beteiligt?
b) Hat Österreich zu irgendeinem Zeitpunkt versucht, seinen Ratsvorsitz dazu zu nutzen, die Entscheidung anderer Staaten bezüglich Beitritt zu diesem Pakt zu beeinflussen? Wenn ja, in welcher Form?

Inhalt des Pakts

In der Begründung zur Ablehnung des Pakts heißt es: "Die Republik Österreich ist ein Rechtsstaat mit einer funktionierenden Gerichtsbarkeit. Alle gerichtlichen und verwaltungsrechtlichen Entscheidungen der Republik erfolgen unter Einhaltung der in innerstaatlichen Gesetzen und völkerrechtlichen Verträgen festgehaltenen Menschenrechte. Die Republik entscheidet souverän über die Zulassung von Migration nach Österreich. Ein Menschenrecht auf Migration ist der österreichischen Rechtsordnung fremd. Die Schaffung der nicht existenten völkerrechtlichen Kategorie des "Migranten" ist zurückzuweisen."

9. Welche konkreten Punkte des Migrationspakts sehen Sie nicht durch innerstaatliche Gesetze und bereits für uns gültige völkerrechtliche Verträge ohnehin schon abgedeckt?
a) Welche konkrete Verpflichtung, die Gerichte oder Verwaltungsebene in Österreich beträfe, würde sich aus dem Pakt ergeben, die Österreich nicht ohnehin schon jetzt hat?
10. Schafft der Pakt nicht viel eher gewisse Mindeststandards für Migrant_innen, um Menschenrechte und Menschenwürde zu wahren als ein Recht auf Migration?
a) Auf welche Rechtsmeinung stützen Sie Ihre Befürchtung, ein Menschenrecht auf Migration könne entstehen?

"Österreich unterscheidet klar zwischen legaler und illegaler Migration. Eine Verwässerung dieser Unterscheidung, wie sie der Globale Pakt für sichere, geregelte und planmäßige Migration (VN-Migrationspakt) vornimmt, wird abgelehnt."

11. Worin besteht für Sie die Verwässerung der Unterscheidung zwischen legaler und illegaler Migration im Pakt?

"(...) Der VN-Migrationspakt darf in diese gesetzlichen Vorschriften keinesfalls eingreifen, jegliche in diese Richtung zielende Absichten werden strikt zurückgewiesen. Das gilt auch für die Schaffung neuer Ansprüche und Rechte für Migranten im Wege des VN-Migrationspaktes. Insbesondere lehnt Österreich folgende Punkte des VN-Migrationspaktes ab, soweit sie über die geltende österreichische Rechtslage hinausgehen:

Erleichterung des Statuswechsels regulärer-irregulärer Migrant, Familienzusammenführung soll erleichtert werden, verbesserte Inklusion in den Arbeitsmarkt, Schaffung einer Übertragung von Ansprüchen in die Sozialversicherung, Zurverfügungstellung einer Grundversorgung, Zurverfügungstellung von Schulressourcen, Zugang zu höherer Bildung, Anerkennung von formal nicht erworbenen Qualifikationen, Erleichterung von Unternehmensgründungen, Zugang zum Gesundheitssystem, Ansiedlungsoptionen für Klimaflüchtlinge, Übernahme von Best-practices in der Integration, Verfolgung von Hassverbrechen, Aufklärung über rechtliche Verfolgungsmöglichkeiten zugunsten der Opfer von Hassverbrechen (Anzeigen, Schadenersatz), Verhinderung von Täterprofilerstellungen aufgrund der Rasse, Ethnie oder Religion, Motivierung zur Aufdeckung von Intoleranz, Verhinderung von Internierungen und das Verbot von Sammelabschiebungen"

12. Der Pakt sagt eindeutig, dass das vorliegende Dokument sowohl die Souveränität der Staaten, als auch deren völkerrechtliche Verpflichtungen wahrt. Inwiefern ist diese Zeile für Sie unglaubwürdig?
13. Welche über die geltende österreichische Rechtslage hinausgehende Pflichten in den oben genannten Bereichen befürchten Sie durch den Pakt?
14. Gibt es Ihrer Ansicht nach in den oben genannten Bereichen Aufholbedarf Österreichs oder sehen Sie in diesen Bereichen bereits die höchste Ambition Österreichs erreicht?

Weiters finden sich in der Begründung zur Ablehnung die folgenden Punkte: "Österreich erklärt ausdrücklich den VN-Migrationspakt als völkerrechtlich nicht verbindlich. Der VN-Migrationspakt soll weder für Rechtsüberzeugung noch für Staatenpraxis zur Entstehung von Völkergewohnheitsrecht, noch zur Ableitung eines allgemeinen Rechtsgrundsatzes gedeutet werden; Österreich wäre in diesem Fall als "persistent objector" anzusehen. Im Falle, dass eine Norm auf der Grundlage des VN-Migrationspaktes entstehen oder angenommen werden sollte, beansprucht Österreich, an eine solche Norm völkerrechtlich nicht gebunden zu sein."

15. Wenn Österreich ohnehin als "persistent objector" agieren würde, sollte der unwahrscheinliche Fall eintreten, dass der Migrationspakt zu internationalem Gewohnheitsrecht würde, worauf stützen sich dann die Befürchtungen, dass Österreich an etwaige aus dem Migrationspakt abgeleitete Rechtsgrundsätze oder Normen gebunden wäre?

Weitere Maßnahmen

16. Welche Maßnahmen gedenken Sie als Bundesregierung zu setzen, um all jene Probleme und Herausforderungen, die die Vereinten Nationen durch den Migrationspakt zu adressieren versuchen, außerhalb dieser internationalen Allianz zu lösen?

17. Welche Maßnahmen gedenken Sie zu setzen, um das Vertrauen in Österreich als Verhandlungspartner und internationaler Allianzpartner wiederherzustellen?

18. Ein Punkt des Pakts ist auch das Schaffen sicherer und legaler Migrationswege, um illegale, ungeordnete, lebensgefährliche und chaotische Migration zu verhindern. Ist dieses Ziel für Sie ein erstrebenswertes?
a) Wenn ja, inwiefern herrscht dazu Konsens innerhalb der Bundesregierung?
b) Wenn nein, warum nicht?

19. Welche Lehren ziehen Sie aus der offenbar gescheiterten Verhandlungsstrategie Österreichs in diesem Fall?

Parteipolitische Überlegungen und Kommunikation

20. Waren politische Überlegungen zum Bedienen von Interessen des Wählerklientels der Regierungsparteien jemals Gegenstand von Gesprächen zum Thema Migrationspakt, an denen Sie oder Mitarbeiter Ihres Kabinetts teilgenommen haben?
21. Welche Richtlinien für die Kommunikation der Entscheidung seitens des Ministeriums existieren im BMEIA? Bitte um Vorlage.
a) Wurde die Kommunikation mit dem BKA abgestimmt? Wenn ja, in welcher Form?
22. Unterliefen Mitarbeiter_innen des BMEIA oder des BKA bei der Kommunikation Ihrer Analyse nach möglicherweise irgendwo kleinere oder größere Fehler, die zu einer nicht ganz richtigen Darstellung des Inhaltes des Pakts in den Medien führten?
a) Wenn ja, welche?
b) Wenn nein, versuchte die Presseabteilung des BMEIA, inhaltliche Fehler in der Berichterstattung mit den Vertreter_innen der Medien aufzuklären?
c) Wenn nein, warum nicht?