2409/J XXVI. GP

Eingelangt am 11.12.2018
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Anfrage

 

 

 

der Abgeordneten Dr. Stephanie Krisper, Kolleginnen und Kollegen

an den Bundesminister für Inneres

betreffend wettbewerbswidrige Ausschreibungen zugunsten der privaten Staatsdruckerei

 

Am 20. März 2018 wurde die Republik Österreich in der Rechtssache C-187/16, einer Vertragsverletzungsklage nach Art. 258 AEUV der Europäischen Kommission, wegen Auftragsvergaben für Ausweise wie Reisepässe oder Führerscheine an die Österreichische Staatsdruckerei (OeSD) ohne vorherige Ausschreibungen, durch den EuGH verurteilt.

Im Zuge des Verfahrens und auch danach wurde und wird von den zuständigen Ministerien argumentiert, dass nur durch eine Direktvergabe an die (private) Österreichische Staatsdruckerei die Sicherheit der Ausweise gewährleistet werden könne.

Die Österreichische Staatsdruckerei GmbH (OeSD) geht auf die 1804 gegründete "k.k. Hof- und Staatsdruckerey" zurück. Diese wurde gegründet, um den wachsenden Bedarf an behördlichen Formularen, Gesetzesblättern und anderen Behördendrucksorten zu decken.

1981 wurde mit dem Staatsdruckereigesetz die Staatsdruckerei aus der Hoheitsverwaltung herausgelöst und so ein eigener Wirtschaftskörper im Eigentum der Republik geschaffen.

Österreichische Staatsdruckerei wurde 1997 in eine Aktiengesellschaft (Österreichische Staatsdruckerei AG) umgewandelt und die im Eigentum des Bundes stehenden Aktien zwecks Privatisierung der Österreichischen Industrieholding Aktiengesellschaft (ÖIAG) übertragen. Im September 1999 erfolgte die Abspaltung und Übertragung des Teilbetriebes Wert- und Sicherheitsdruck auf die neu gegründete Österreichische Staatsdruckerei GesmbH (OeSD).

Im Dezember 2000 wurde die Staatsdruckerei GmbH von der ÖIAG an zwei branchenfremde aber politiknahe österreichische Unternehmer verkauft. Vier Monate später – im Mai 2001 – wurde das Staatsdruckereigesetz (in einem Budgetbegleitgesetz) novelliert. Diese Novelle bestätigte das Monopol der OeSD für Sicherheitsdruckerzeugnisse der Republik.

Das Staatsdruckereigesetz regelt, für welche Druckerzeugnisse des Staates diese herangezogen werden muss. § 10 des selben Gesetzes berechtigt das Unternehmen zu dem, seiner "Firma oder der Abkürzung seiner Firma das Bundeswappen beizusetzen.“ Die Staatsdruckerei führt also als privates Unternehmen neben ihrer auffälligen "Firmenbezeichnung" das österreichische Staatswappen (nicht etwa eine staatliche Auszeichnung) und erscheint dadurch in ihren Außenauftritt irreführend wie eine Behörde der Republik.

Dieses, normalerweise Hoheitsträgern der Republik zustehende Privileg, hält die Staatsdruckerei nun schon seit fast 20 Jahren, die seit der Privatisierung vergangen sind, inne und zieht daraus beträchtliche Wettbewerbsvorteile, die anderen Bewerbern aus dem In- wie Ausland fehlen. Es sollte daher offen darüber nachgedacht werden, ob dieses Privileg von der Staatsdruckerei zeitlich unbegrenzt weitergeführt werden darf, oder fast 20 Jahren nach der Privatisierung einmal auslaufen sollte und somit die bevorzugte Wettbewerbssituation einmal zu beenden.

In den Folgejahren nach der Privatisierung wurden von der Republik Österreich ohne Ausschreibung Aufträge in Millionenhöhe für Sicherheitsdruckerzeugnisse an das zu 100 % privatisierte Unternehmen vergeben. Immer mit der gleichlautenden Begründung: „Es ist im Staatsdruckereigesetz festgeschrieben, dass ein derartiger Auftrag von der Staatsdruckerei ausgeführt werden muss.“

Diese, der EU-Vergaberichtlinie widersprechenden Ausschreibungen, waren dann auch Anlass für die eingangs erwähnte und 2015 von der Kommission gegen die Republik eingebrachte Vertragsverletzungsklage, die dann 2018 auch zu dem besagten Urteil führte.

Darin heißt es: Die Republik verstößt gegen ihre unionsrechtlichen Verpflichtungen, "indem sie Dienstleistungsaufträge über die Herstellung von Reisepässen mit Chip, Notpässen, Aufenthaltstiteln, Personalausweisen, Führerscheinen im Scheckkartenformat und Zulassungsbescheinigungen im Chipkartenformat ohne vorherige Ausschreibung auf Ebene der Europäischen Union unmittelbar an die Österreichische Staatsdruckerei GmbH vergeben hat und indem sie nationale Vorschriften beibehalten hat, nach denen die öffentlichen Auftraggeber diese Dienstleistungsaufträge ohne vorherige Ausschreibung auf Unionsebene unmittelbar an diese Gesellschaft vergeben müssen."

Im Juli 2018 erfolgte tatsächlich eine Ausschreibung dieser Aufträge durch die Republik Österreich (BMI, BMVIT und BMEIA) vertreten durch die Bundesbeschaffung GmbH. Die Umstände dieser Ausschreibung bestärken aber die Annahme, dass es weiterhin zu einer unsachlichen Begünstigung der privaten „Österreichischen Staatsdruckerei“ kommt.

In dieser Ausschreibung heißt es: "Alle bisher vom Dienstleister (Anm.: „Österreichische Staatsdruckerei“) erbrachten Leistungen sollen nun im bisherigen Umfang neu vergeben werden". Diese umfassen Passprodukte, Vignetten, Scheckkartenausweise sowie verschiedene Papierdruckprodukte (wie etwa den Europäischen Waffenpass oder Sicherheitsdokumentenvordrucke).

International ist es sehr unüblich, eine gemeinsame Ausschreibung für eine derart breite Palette von Sicherheitsdruckprodukten vorzunehmen.

Da die Anzahl von potentiellen Bewerben, die das gesamte Produkt-Spektrum anbieten können, logischerweise sehr klein sein wird, hat dies einen deutlich geringeren Wettbewerb und automatisch höhere Preise für die Republik zur Folge.

Aus diesem Umstand ergeben sich in Bezug auf die vom Bundesministerium für Inneres in Auftrag zu gebenden Sicherheitsdrucksorten eine Reihe von Fragen:

Die unterfertigenden Abgeordneten stellen daher folgende

Anfrage:

 

1.    Ein System der Ausweiserstellung kann ein Staat gänzlich privat, gänzlich staatlich oder in einem Mischsystem organisieren. Ebenso kann die Personalisierung der Ausweise zentral oder dezentral erfolgen. Österreich hat derzeit ein Mischsystem mit zentraler Personalisierung. Gab es jemals eine Evaluierung bzw. ein Konzept des Gesamtsystemes "Ausweise" unter den Aspekten Sicherheit, Praktikabilität sowie Kosteneffizienz in Österreich?

a.    Wenn ja, bitte um Übermittlung dieses Konzeptes.

2.    Wurde dieses Konzept mit Sicherheits- und Organisationskonzepten anderer Länder verglichen?

a.    Wenn ja, in welcher Form und mit welchen Ländern?

3.    Die Identitätsaufnahmen erfolgen derzeit durch die Behörden (BH/MA). Wobei die Pass/Ausweisfotos privat angefertigt werden müssen und dann im Amt eingescannt werden. Was geschieht mit den Print-Fotos für Reisepässe oder Ausweise nachdem diese eingescannt werden? Werden diese geschreddert oder eingelagert?

4.    Welche Kosten verursacht diese Vorgehensweise jährlich?

5.    Wurde jemals überlegt einen effizienteren Ablauf für dieses Prozedere einzurichten? (zB.: die Fotos werden digital im Amt angefertigt)

6.    Wie lange und wo werden die digitalen Fotos (getrennt aufgelistet je Ausweisart) gespeichert?

7.    Auch bei einer zeitgleichen Beantragung von verschiedenen Ausweisen (zB. Führerschein und Personalausweis) müssen jeweils Print-Fotos der (den) Behörde(n) von den Antragsteller_Innen übergeben werden. Warum können nicht von bei den Behörden schon vorhanden Fotos Ausweise erstellt werden?

8.    International gibt es einen Trend zu Multifunktionsausweisen (zB.: Personalausweis und Führerschein auf einem Scheckkartenausweis). Wurde dies jemals für Österreich in Betracht gezogen?

a.    Wenn ja – was sind die Gründe die gegen die Einführung von Multifunktionsausweisen sprechen?

9.    Hat es eine Evaluierung (unter den Aspekten Sicherheit, Praktikabilität sowie Kosteneffizienz) der Gesamtausschreibung im Vergleich zu getrennten Ausschreibungen der Teilbereiche Passprodukte, Scheckkartenausweise sowie „gewöhnlichen“ Sicherheitsdruck für Vordrucke gegeben?

a.    Wenn ja, bitte um Übermittlung dieser Evaluation.

b.    Wenn nein, weshalb gab es solch eine Evaluierung nicht?

10. Laut Ausschreibung ist eine Betriebsstätte in Österreich gefordert. Die Anforderungen an diese Betriebsstätte sind den bestehenden Gegebenheiten der Betriebsstätte der Österreichischen Staatsdruckerei angepasst. Warum wurde diese Vorgangsweise gewählt?

11. Hat es eine Evaluierung (unter den Aspekten Sicherheit, Praktikabilität sowie Kosteneffizienz) der Anforderungen an eine Betriebsstätte in Österreich gegeben?

a.    Wenn ja, bitte um Übermittlung dieser Evaluation.

b.    Wenn nein, weshalb gab es solch eine Evaluierung nicht?

12. Am 11.6.2018 erklärte der Vertreter der Europäischen Kommission in Österreich, Jörg Wojahn: "Vertraulichkeit von Daten und Fälschungssicherheit von Pässen können bei allen spezialisierten Druckereien – und nicht nur bei heimischen – sichergestellt werden." Er betonte: "Es liegt alleine in den Händen des Auftraggebers – also der Bundesregierung –, in der Ausschreibung besondere Vertraulichkeits- und Sicherheitsmaßnahmen vorzuschreiben und damit die Sicherheit für die Bürgerinnen und Bürger zu garantieren." Diese Ausschreibung wurde notwendig da die Republik Österreich aufgrund einer Klage der EU-Kommission vor dem EuGH verurteilt wurde.
Wurde diese Ausschreibung mit der EU-Kommission akkordiert um eine neuerliche Klage zu vermeiden?

13. Wurde für die Personalisierung aller Ausweise und Pässe (bzw. für die Passbuchproduktion) eine EU-vergaberechtskonforme sogenannte Inhousevergabe/lösung im (im ursprünglich auch dafür um kolportierte 330 Mio. Euro errichteten) Sicherheitsdruckzentrum der Nationalbank geprüft?

a.    Wenn ja, bitte um Übermittlung dieser Evaluation.

b.    Wenn nein, warum wurde diese Prüfung nicht durchgeführt, wenn doch eine Passbuchproduktion und Personalisierung der Pässe und Ausweise in Österreich gewünscht wird?

14. Laut Ausschreibungsbedingungen ist der Fertigungstiefe in der Betriebsstätte in Österreich nur die Herstellung und Personalisierung der Pässe sowie die Personalisierung der Kartenausweise gefordert. Alles andere kann vom Dienstleister zugekauft werden. Diese Anforderungen entsprechen der derzeitigen Fertigungstiefe der Österreichischen Staatsdruckerei. Warum wurde diese Vorgangsweise gewählt?

15. Hat es eine Evaluierung (unter den Aspekten Sicherheit, Praktikabilität sowie Kosteneffizienz) der Anforderungen an die Fertigungstiefe (in Österreich) gegeben?

a.    Wenn ja, bitte um Übermittlung dieser Evaluation.

b.    Wenn nein, weshalb gab es solch eine Evaluierung nicht?

16. Laut Ausschreibungsbedingungen ist bei österreichischen Passprodukten eine Personalisierung mittels „Inkjet Verfahren“ gefordert. Sehen sie diese Technologie unter den Aspekt der Sicherheit als die Fortschrittlichste?

a.    Warum wurde dieses Verfahren ausgewählt?

17. Die Hersteller von Passprodukten, Vignetten, Scheckkartenausweisen sowie „gewöhnlichen“ Sicherheitsdruckprodukten stehen international in hartem Wettbewerb. Dies hat auch einen permanenten Preisverfall für diese Produkte zur Folge. Deshalb ist es international üblich, Ausschreibungen für diese Produkte für einen befristeten Zeitraum abzuschließen um bei einer neuerlichen Ausschreibung einen Preisvorteil zu lukrieren. Auch ist es durch die technologische Entwicklung möglich, bei einer neuerlichen Ausschreibung ein anspruchsvolleres Produkt (Sicherheitsaspekt) zu geringeren Kosten zu bekommen. Laut Ausschreibungsbedingungen plant aber der Auftraggeber einen unbefristeten Rahmenvertrag (mit einem fünfjährigen Kündigungsverzicht) abzuschließen“. Warum wurde diese Vorgangsweise ausgewählt?

18. Wurden zur Erstellung dieser Ausschreibung Dienstleister neben der (oder von der) Bundesbeschaffung GmbH zugezogen?

a.    Wenn ja, welche Dienstleister wurden zugezogen,

b.    Wenn ja, wann und für welchen Zeitraum wurden zu gezogen?

c.    Wenn ja, welchen präzisen Auftrag hatten diese Dienstleister?

d.    Wenn ja, welchen welche Kosten waren damit verbunden?