2556/J XXVI. GP
Eingelangt am 08.01.2019
Dieser Text ist elektronisch textinterpretiert. Abweichungen vom Original sind
möglich.
Anfrage
der Abgeordneten Kai Jan Krainer,
Genossinnen und Genossen
an den Bundesminister für Finanzen
betreffend: ÖVP Finanzminister zerbröseln die Finanztransaktionssteuer
Sehr geehrter Herr Finanzminister!
In der Sitzung des ständigen Unterausschusses in Angelegenheiten der Europäischen Union vom 14.11.2018 war unter anderem der Stand der Verhandlungen zur Finanztransaktionssteuer auf der Tagesordnung.
Der Vorschlag der Kommission für eine Richtlinie zu einer gemeinsamen Besteuerung von Finanztransaktionen wurde im September 2011 vorgelegt, im Juni 2012 wurde festgestellt, dass die Initiative keine einstimmige Unterstützung gefunden hätte, weshalb sich elf Mitgliedstaaten, darunter Österreich, als teilnehmende Mitgliedstaaten zu einer verstärkten Zusammenarbeit entschlossen haben aus der sich im März 2016 Estland wieder zurückgezogen hat. Die Leitung der verstärkten Zusammenarbeit für die Finanztransaktionssteuer (FTT/FTS) hatte bis Ende 2017 der ehemalige ÖVP Finanzminister Schelling inne, ab Juni 2018 waren Sie Vorsitzender dieser Gruppe.
Kernbestandteil der FTT ist die Besteuerung von Aktien- und Derivatentransfers, sie würde den börslichen und außerbörslichen Handel erfassen[1]. Der Entwurf sieht eine Besteuerung von 0,1% für Nicht-Derivate (Aktien, Anleihen) und 0,01% für Derivatenkontrakte vor, die EK schätzte das Aufkommen im Jahr 2013[2] EU27-weit auf ca. 57 Mrd. € und für die EU 11 auf rd. 34 Mrd. €, umgerechnet auf Österreich (3,36% der EU 11) wären das knapp 1 Mrd. €. Das Verhältnis zwischen Aktien/Anleihen und Derivaten beim Aufkommen wäre ca. 2:3.
Die EK hatten den Richtlinienentwurf damit begründet, dass
„Der Finanzsektor hat bei der Auslösung der Wirtschaftskrise eine wichtige Rolle gespielt, während die Staaten und allgemein die europäischen Bürger die Kosten getragen haben ",
und das Ziel verfolgt, dass mit dem Vorhaben gewährleistet sein soll,
„dass die Finanzinstitute einen angemessenen und substanziellen Beitrag zu den Kosten der jüngsten Krise leisten[…]".[3]
In einer Pressemitteilung vom 28.09.2011 war die EK noch deutlicher. Unter dem Titel[4] „Finanztransaktionssteuer: Der Finanzsektor wird zur Kasse gebeten" wurden die Gründe für die Finanztransaktionssteuer, insbesondere die Kosten durch die Finanzkrise und die Steuervorteile des Finanzsektors hervorgehoben:
„Infolge der Krise stieg die öffentliche Verschuldung in allen 27 Mitgliedstaaten von weniger als 60 % des BIP im Jahr 2007 in den darauffolgenden Jahren auf 80 % an. Der Finanzsektor erhielt erhebliche finanzielle Unterstützung vonseiten der Regierungen. Die EU-Mitgliedstaaten wendeten im Verlauf der Krise 4,6 Billionen EUR zur Rettung des Finanzsektors auf. Zusätzlich hat der Finanzsektor in den vergangenen Jahren von niedrigen Steuern profitiert. So kommt der Finanzsektor aufgrund der Mehrwertsteuerbefreiung auf Finanzdienstleistungen jährlich in den Genuss von Steuervorteilen in Höhe von ca. 18 Milliarden EUR. Eine neue den Finanzsektor belastende Steuer würde sicherstellen, dass die Finanzinstitute einen Beitrag zu den Kosten der Bewältigung der Wirtschaftskrise leisten, und sie von riskanten und unproduktiven Handelsgeschäften abhalten."[5]
Sie persönlich sorgten in der Ausschuss-Sitzung vom 14.11.2018 mit einer Aussage für etwas Verwunderung, sinngemäß meinten Sie, sie hätten als Finanzminister einen Verhandlungsstand bezüglich der Bemessungsgrundlage zur Finanztransaktionssteuer übernommen, bei dem Österreich kein signifikantes Aufkommen mehr zu erwarten hätte.
Die unterzeichnenden Abgeordneten stellen daher nachstehende
Anfrage:
1. Es wird darum gebeten Ihre Aussage in der Sitzung des ständigen Unterausschusses in Angelegenheiten der Europäischen Union vom 14.11.2018 näher auszuführen und zu präzisieren, insbesondere zu welchem Stand (Details zur Bemessungsgrundlage) haben Sie die Verhandlungen übernommen und wie hoch wäre zu diesem Zeitpunkt das für Österreich zu erwartende Aufkommen (in Mio. €) gewesen?
2. Wie hoch schätzte das Finanzministerium das Aufkommen aus der Finanztransaktionssteuer für Österreich im Jahr 2011 als der ursprüngliche Vorschlag der Kommission vorgestellt wurde?
3.
Wie hoch schätzte das
Finanzministerium das Aufkommen aus der Finanztransaktionssteuer für
Österreich im Jahr 2013 als die Kommission den Vorschlag
,,COM (2013)71 final" vorlegte?
4. Aus welchen Gründen weicht die Aufkommensschätzung vom Vorschlag aus 2011 ab (Steuersatz? Bemessungsgrundlage?)?
5. Wie hoch schätzte das Finanzministerium das Aufkommen aus der Finanztransaktionssteuer für Österreich zum Zeitpunkt Ihrer Amtsübernahme als Finanzminister?
6. Wie hoch schätzt das Finanzministerium das Aufkommen aus der Finanztransaktionssteuer für Österreich zum Zeitpunkt der Beantwortung gegenständlicher Anfrage?
7. Bitte um eine kurze tabellarische jahresweise Darstellung der Verhandlungsergebnisse/Verhandlungsstände zur Finanztransaktionssteuer auf Europäischer Ebene (EU 27 bzw. EU 28 und EU11 bzw. EU10) von 2011, 2012, 2013, 2014, 2015, 2016, 2017, 2018 aus der hervorgeht:
a. Umfang der Bemessungsgrundlage der Finanztransaktionssteuer (was wäre nach dem Verhandlungsstand erfasst gewesen bzw. was ist im Verhandlungsprozess herausgefallen),
b. wer war Österreichische/r FinanzministerIn in diesem Zeitraum und
c. wie hoch war das vom BMF zu dem jeweiligen Verhandlungsstand geschätzte Aufkommen aus der Finanztransaktionssteuer (in Mio. €) sowie
d. wie hoch war das von Seiten der Europäischen Kommission geschätzte EU-weite Aufkommen (EU27/EU28 bzw. EU11/EU10)?
[1] s. COM(2013) 71 final, https://www.parlament.gv.at/PAKT/EU/XXIV/EU/10/62/EU_106203/imfname_10393161.pdf
[2] EK, Impact Assessment vom 14.2.2013 https://ec.europa.eu/taxation_customs/sites/taxation/files/resources/documents/taxation/swd_2013_28_en.pdf. S. 24
[3] COM(2013) 71, S. 2
[4] http://europa.eu/rapid/press-release IP-11 -1085 de.htm
[5] Europäische Kommission, Pressemitteilung vom 28.09.2011, S. 2
http://europa.eu/rapid/press-release IP-11-1085 de.pdf