2630/J XXVI. GP

Eingelangt am 17.01.2019
Dieser Text wurde elektronisch übermittelt. Abweichungen vom Original sind möglich.

Anfrage

 

der Abgeordneten Dr. Jarolim und GenossInnen

an den Bundesminister für Verfassung, Reformen, Deregulierung und Justiz

 

betreffend Hochglanzbroschüre des BMVRDJ & „Türkise Potemkinsche Dörfer“

 

Am Dienstag, 11. Dezember 2018 präsentierte Justizminister Josef Moser im Rahmen einer Pressekonferenz entsprechend den für Regierungsmitglieder geltenden Leitlinien des Bundeskanzlers Kurz über verpflichtende Darstellungen von Eindruck vermitteln sollenden „Regierungserfolgen“ seine 70 Seiten beinhaltende Bilanz im Justizbereich für das Jahr 2018, und zwar entsprechend der Kurz`schen Marketingstrategie als dicke Hochglanzbroschüre. Diese Broschüre wurde zu einer Zeit veröffentlicht, als unsachlichste Kritik an der Amtsführung von Bundesminister Moser immer lauter wurde, insbesondere von Vertretern der FPÖ und – wie zumeist auch sonst – ohne Unterstützung des Ministers durch den „türkisen“ Teil der Regierungsmannschaft bzw. dessen politischen Umfeldes.

Mithilfe dieser Bilanz sollte das Justizministerium bereits abgeschlossene oder auch kurz vor der Umsetzung stehende Vorhaben darstellen. So wurden unter anderem das Sicherheitspaket, das Erwachsenenschutzgesetz oder auch die „Task-Force“ zum Sexualstrafrecht aufgelistet und beispielgebend für Erfolge im ersten Jahr der Bundesregierung unter Kanzler Sebastian Kurz angeführt.

Zentrale Herausforderung für das Ministerium war in dem Zusammenhang der Umstand, dass – wie von allen justiziell betroffenen Seiten nicht nur bemerkt sondern mittlerweile auch massiv aufgezeigt – dem Bundesministerium für Verfassung, Reformen, Deregulierung und Justiz in nahezu allen Bereichen die finanziellen Mittel für nicht nur vernünftige, sondern zumeist rechtsstaatlich auch unverzichtbare Maßnahmen vorenthalten werden. Daher musste eine interessierte Öffentlichkeit entsprechend den erwähnten Beschönigungsvorgaben des Bundeskanzlers und seines Umfeldes mit einem Sammelsurium von Erklärungen, Worthülsen und bullet-points das Auslangen finden.

Dass der Justizpolitik trotz teilweisem Jus-Studium durch die Regierungsspitze und damit verbundener möglicher Einsicht in einige Belange der Justiz keinerlei Stellenwert eingeräumt wird beweist etwa die Tatsache, dass in der Sitzung des Justizausschusses vom 28.11.2018 keine einzige Regierungsvorlage oder Regierungsanträge eingebracht werden konnte! Eine solche gegenüber Bundesminister Moser erzwungene Arbeitsverweigerung einer Bundesregierung gab es zuletzt in der Sitzung des Justizausschusses am 15.02.2005, also der Zeit der berühmt-berüchtigten Regierung unter Dr. Wolfgang Schüssel - einem der größten Förderer und Vorbilder von Sebastian Kurz – an deren „Produkten“ und deren Aufarbeitung (zB die Skandale um die Eurofighter-Anschaffung) die Republik auch jetzt noch zu würgen hat.

Tatsache ist beispielsweise, dass - wäre es nach dem Team Kurz gegangen - die Umsetzung des Erwachsenenschutzgesetzes nicht stattgefunden hätte. Schlussendlich konnte aber durch den Druck der Opposition, diverser NGO’s und partiell sogar durch das Einsehen des Herrn Vizekanzlers diese massive Verschlechterung der Betroffenen abgewehrt werden.

Auch die oftmals erwähnte und obskur anmutende Task-Force Sexualstrafrecht im Innenministerium (!) unter der Leitung der Staatssekretärin Karoline Edtstadler konnte bis dato noch keinerlei neuen Erkenntnisse vorweisen und erweckt den Eindruck, ein weiter Bestandteil der in der Fachwelt als „Türkise Potemkinsche Dörfer“ bezeichneten Initiative der Bundesregierung zu sein.

Auch in jenem Bereich der Broschüre, der die Europäische Union umfasst, konnte leider inhaltlich nur wenig Neues präsentiert werden. Auch dies hat offenbar in der „innovativen“ Symbol- und Ankündigungspolitik ohne Leistung der Bundesregierung den Ursprung.

Aber auch abseits der Europäischen Union finden sich Passagen, die einen fragend zurücklassen. Beispielhaft kann hier der Vermerk angeführt werden, dass das unter Justizministerin Dr. Maria Berger geschaffene Projekt „Haft in der Heimat“ einmal mehr vorangetrieben würde. Aus genau welchem Grund im Ausschuss für Menschenrechte am 4.12.2018 dann aber durch das Ministerium lediglich ein zahnloser Entschließungsantrag der Regierungsparteien anstelle eines Gesetzesantrages zur Abstimmung gebracht werden durfte, entzieht sich jeglicher Logik und zeigt das Streben der Regierung nach Ankündigung ohne inhaltliche Vollziehung als neues Stilelement auf.

Hinsichtlich der für so viele ÖsterreicherInnen wichtigen und seit 2006 diskutierten Möglichkeit einer Verbandsklage für VerbraucherInnen findet sich in der Broschüre der Vermerk, dass Sammelklagen durch qualifizierte Einrichtungen ermöglicht werden sollen. Erstaunlich ist hierbei, dass dieser wichtige Hinweis und richtige Schritt zu mehr Gerechtigkeit für Konsumenten und Wirtschaft lediglich beim Kapitel „Stärkung des europäischen Wirtschaftsstandortes“ anzutreffen ist. Die ÖVP legte sich auf Bundesebene seit jeher vehement gegen solche in der zivilisierten Welt überwiegend eine Selbstverständlichkeit darstellende Klagemöglichkeiten quer und versucht dadurch einen verschwindend geringen Teil an Unternehmern, Managern und Konzernen mit subjektiven Partikularinteressen zu beschützen. Justizminister Moser hat demgegenüber als Mitglied der Bundesregierung die Zeichen der Zeit erkannt und versucht, Politik für die breite Mehrheit der Bevölkerung zu machen. Ein sonst übliches Bekämpfen derartiger Vorschläge durch die türkise Parteispitze ist zumindest bis dato erfreulicherweise noch ausgeblieben.

Schmerzlich vermisst werden in der Broschüre grundsätzliche und wesentliche Ideen zu seit langem fällige Verbesserungen, etwa konkrete inhaltliche Vorschläge etwa zur Ehe für alle, zu einer Novelle des Maßnahmenvollzugs, zur Stärkung der Situation der Justizwachebeamten, zur Evaluierung der Situation in den Justizanstalten und eben der Sammelklage.

Es ist dem Image der heimischen Politik abträglich, wenn ein erfahrenes Mitglied der Bundesregierung gerne qualitätsvolle Arbeit leisten möchte, an seiner Arbeit aber durch offenkundig sachlich weniger qualifizierte Kräfte um sich behindert wird. Dass der kleinere Koalitionspartner zudem regelmäßig substanzlose Kritik von sich gibt, die von einer verschreckt wirkenden Regierungsspitze nicht in die Schranken gewiesen wird, wie man das nach den üblichen Kriterien qualitätsvoller Führungsarbeit zu erwarten hätte, zeigt auf, warum letztlich wohl auch nichts anderes überblieb, als dass mittels aufwändiger Broschüre einen betrüblichen Zustand beleuchtet wird: Eine tragische Entwicklung, zumal die unabhängige Justiz in einem Rechtsstaat zu wichtig ist, als derart ignoriert zu werden.

 

Die unterzeichneten Abgeordneten stellen daher an den Bundesminister für Verfassung, Reformen, Deregulierung und Justiz nachstehende

 

Anfrage

 

1. Wer gab den Auftrag zur Erstellung dieser Broschüre?

2. Welche Kosten sind bei der Erstellung entstanden? Bitte um konkrete Aufschlüsselung folgender Posten

a.    Layout

b.    Druck

3. Wurde für das Layout ein/e externe/r Auftragsnehmer/in angestellt?

a.    Wenn ja, gab es eine Ausschreibung?

b.    Wenn nein, warum nicht?

                                          i.    Wenn ja, wer bekam den Zuschlag?

                                         ii.    Wenn nein, wer hat das Layout erstellt?

4. Wo wurde die Broschüre gedruckt?

a.    Gab es hierfür eine Ausschreibung?

                                          i.    Wenn ja, wer bekam den Zuschlag

                                         ii.    Welche Kosten sind hierfür angefallen?

                                        iii.    Wenn nein, warum nicht?

5. Aus welchem Budgettopf wurden die Gesamtkosten für diese Broschüre gedeckt?

6. Aus welchem Grund ist die Broschüre auf der Startseite der Homepage des Bundesministeriums für Verfassung, Reformen, Deregulierung und Justiz nicht abrufbar?

7. Welche in der Broschüre angekündigten Vorhaben sind für das Jahr 2019 geplant. Bitte um konkrete Aufschlüsselung und Erklärung.