2898/J XXVI. GP

Eingelangt am 21.02.2019
Dieser Text ist elektronisch textinterpretiert. Abweichungen vom Original sind möglich.

Anfrage

des Abgeordneten Dr. Peter Pilz, Freundinnen und Freunde
an den
Bundesminister für Inneres

 

betreffend „Bestellung von Klaus-Dieter Fritsche zum Mitglied der BVT-Reformgruppe"

Begründung

BM Herbert Kickl kündigte Ende Mai 2018 (rund drei Monate nach den BVT-Hausdurchsuchungen und kurz nach Einsetzung des BVT-Untersuchungsausschusses) eine großangelegte Reform des öster­reichischen Verfassungsschutzes an. In der diesbezüglichen Presseaussendung des BMI hieß es, dass unter dem Vorsitz von BVT-Direktor Peter Gridling eine knapp 20-köpfige Reformgruppe eingerichtet werde, deren Ergebnisse bis Sommer 2019 in „Vollbetrieb" gehen sollen. Schon damals wurde verkündet, dass nach einer Analysephase, die bis zum Herbst dauern solle, die notwendigen Schritte folgen würden und man dabei auch auf Expertise von externen Beratern und anderen Nachrichtendiensten zurückgreifen werde.[1]

Nun hat BM Herbert Kickl einen der externen Experten, der die BVT-Reformgruppe beraten soll, vorgestellt. Es handelt sich dabei um den ehemaligen deutschen Staatssekretär Klaus-Dieter Fritsche (CSU), der in seiner beruflichen Laufbahn u.a. für die Koordination der Geheimdienste zuständig war und mit Kontroversen rund um den NSU-Skandal für Aufsehen und große Kritik gesorgt hat.[2]

Fritsche war von 1996 bis 2005 Vizepräsident des Bundesamtes für Verfassungsschutz. Von 2005 bis 2009 arbeitete er als Abteilungsleiter und Koordinator der Nachrichtendienste des Bundes im Bundeskanzleramt. Anschließend war er bis 2013 als beamteter Staatssekretär im Bundesministerium tätig. Als Beauftragter für die Nachrichtendienste des Bundes galt er bis zu seiner Pensionierung im März 2018 als ranghöchster Beamter der Inneren Sicherheit in der Bundesrepublik Deutschland.

Im Zeitpunkt der NSU-Mordserie war Fritsche Vizepräsident des deutschen Verfassungsschutzes und sorgte während des NSU-Untersuchungsausschusses mit seiner pauschalen Zurückweisung der Vorwürfe gegen Behörden und Regierung sowie seiner Kritik an der Weitergabe von vertraulichen Informationen an die Medien für Aufsehen.[3] In seinem Eingangsstatement vor dem NSU- Untersuchungsausschuss beklagte er, dass die Untersuchungsarbeit „von einem Skandalisierungs- wettstreit überlagert" werde und er verwehrte sich dagegen, dass „beißende Kritik, Hohn und Spott über einen ganzen Berufszweig von Polizisten und Verfassungsschützern niedergeht". In der Folge musste seine Befragung im Untersuchungsausschuss abgebrochen werden, weil er sich weigerte, die Fragen der Abgeordneten zu beantworten. Diese wiederum zeigten sich höchst verwundert über den Auftritt Fritsches.[4]

Die Süddeutsche Zeitung fasste zusammen: „In guter, schlechter Erinnerung ist vielen Abgeordneten sein Auftritt vor dem NSU-Untersuchungsausschuss im vergangenen Jahr. Fritsche trägt eine Mitver­antwortung dafür, dass der NSU jahrelang unentdeckt blieb. Er persönlich hatte 2003 den Fall der drei flüchtigen Neonazis aus Thüringen in einem Schreiben ans Ministerium heruntergespielt. Und später hat Fritsche die Aktenschredderei zumindest nicht verhindert."[5]

Fritsche wird damit eines schweren und folgenreichen Fehlverhaltens im Zusammenhang mit der NSU-Affäre bezichtigt.

Kritisiert wurde weiters, dass Fritsche „(...) ab 1999/2000 mit zu verantworten hatte, dass im Verfassungsschutzbericht immer wieder drin stand, dass es keine rechte Gewalt in der Bundesrepublik gibt (…)."[6]

Außerdem wird Fritsche vorgeworfen als Staatssekretär das sog. „System Fritsche" aufgebaut zu ha­ben, indem er über gezielte Personalpolitik „Vertrauensleute aus dem Innenressort an die Spitze des dem Kanzleramt unterstellten BND und später des BfV gehievt und so Loyalitäten verfestigt" habe.[7]

Die unterfertigenden Abgeordneten stellen daher folgende

Anfrage:

1.             Wann und auf wessen Initiative erfolgte der Erstkontakt des BMI zu Klaus-Dieter Fritsche?

2.             Von wem wurde Klaus-Dieter Fritsche als externer Berater für die BVT-Reformgruppe empfohlen und/oder vorgeschlagen?

3.              Welche Kriterien kamen bei der Auswahl der externen Berater zur Anwendung?

4.              Welche Personen waren mit der Auswahl der externen Berater betraut?

5.              Waren Sie persönlich in den Auswahlprozess der externen Berater involviert?

6.              War Ihnen Fritsches Rolle im NSU-Skandal zum Zeitpunkt seiner Bestellung zum externen Berater der BVT-Reformgruppe bekannt?

7.              Weshalb wurde ausgerechnet der in Deutschland höchst umstrittene Klaus-Dieter Fritsche als externer Berater der BVT-Reformgruppe ausgewählt?

8.              Gibt es Pläne, der BVT-Reformgruppe weitere externe Experten beizuziehen?

9.              Wenn ja, welche Personen sind dabei im Gespräch und wann wird eine Bestellung erfolgen?

10.          Wer hat seitens des BMI den Berater-Vertrag mit Klaus-Dieter Fritsche abgeschlossen?

11.          Wann wurde der Beratungsvertrag abgeschlossen und welche konkreten Leistungen wurden darin vereinbart?

12.          Welches Honorar wurde zwischen dem BMI und Klaus-Dieter Fritsche vereinbart?

13.          Wie lange wird Klaus-Dieter Fritsche als Berater der BVT-Reformgruppe tätig sein?

14.          Wann und in welcher Stufe ist Fritsche einer Sicherheitsüberprüfung unterzogen worden?

15.           BVT-Direktor Gridling erklärte vor dem BVT-Untersuchungsausschuss: „Herr Fritsche sitzt im BVT". Wo sitzt Klaus-Dieter Fritsche im BVT?

16.          Weiters gab Gridling an: „Es ist erforderlich, dass er auch Zugang zu Unterlagen hat". Zu wel­chen Unterlagen hat Fritsche Zugang?

17.           Kann Klaus-Dieter Fritsche auf Dateien des BVT elektronisch zugreifen?

18.          Warum hat ein (pensionierter) Angehöriger eines ausländischen Nachrichtendienstes einen Sitz verbunden mit Datenzugriff im BVT?

19.          Wer im BVT kontrolliert Fritsche?

20.           Warum bezahlt das BMI einen „Berater", der am rechten Auge blind und damit für ein BVT, das alle Arten von Extremismus beobachtet, unbrauchbar ist?



[1] https://www.bmi.gv.at/news.aspx?id=70697075796453447051453D (19.2.2019).

[2]  https://diepresse.com/home/innenpolitik/5578177/Kickl-holt-deutschen-ExStaatssekretaer-Fritsche-fuer- BVTReform (19.2.2019).

[3] https://www.zeit.de/politik/deutschland/2012-10/nsu-ausschuss-eklat-fritsche-edathy (19.2.2019); https://www.jungewelt.de/artikel/349032.österreich-heuert-exvizechef-des-vs-an.html (19.2.2019).

[4] https://www.zeit.de/politik/deutschland/2012-10/nsu-ausschuss-eklat-fritsche-edathy (19.2.2019).

[5]  https://www.sueddeutsche.de/politik/klaus-dieter-fritsche-auf-du-und-du-mit-den-geheimdienst-chefs- 1.1845214 (19.2.2019).

[6]  Interview mit Hans-Christian Ströbele (stellvertretender Fraktionsvorsitzender der Partei „Bündnis 90/Die Grünen" in „der rechte rand" 150/2014, S. 9.

[7]  https://www.nachrichten.at/nachrichten/meinung/menschen/klaus-dieter-fritsche-kickls-geheimer- legionaer;art111731,3101452 (19.2.2019).