2926/J XXVI. GP

Eingelangt am 26.02.2019
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Anfrage

 

der Abgeordneten Schellhorn, Kolleginnen und Kollegen

an den Bundesminister für Verfassung‚ Reformen‚ Deregulierung und Justiz

betreffend Reformen, Deregulierung und Gold-Plating

 

Im Regierungsprogramm 2017-2022 "Zusammen für unser Österreich" nahmen die Regierungsparteien gleich mehrfach das Ziel auf, gegen "Gold Plating" vorzugehen.

Darin heißt es etwa:

Seite 23: "Kein Gold-Plating bei der Umsetzung von EU-Recht"

Seite 125: "Steurn und Finanzen - Durch einfachere Regelungen und Vermeidung von Gold-Plating kann das Steuerrecht wesentlich entlastet und können Effizienzpotenziale gehoben werden. Das Steuerrecht muss effizient, fair und einfach ausgestaltet werden."

Seite 132: "Zusätzlich zu hohen Steuern und Abgaben verursachen Gesetzesflut, Gold-Plating von EU-Bestimmungen und Überregulierung der heimischen Wirtschaft erhebliche Kosten, die Österreichs Wettbewerbsfähigkeit massiv gefährden."

Seite 133: "Rücknahme von Gold-Plating zu Lasten von Unternehmen"

Seite 140: "Kapitalmarkt reformieren: Regulierung abbauen und auf EU-Standard zurückführen (Rücknahme von Gold-Plating)"

Seite 140: "Banken- und Versicherungsrecht reformieren (Rücknahme von Gold-Plating, z.B. PEPs, Hypothekar- und Immobilienkreditgesetz)

Seite 146: "Kein Gold-Plating bei EU-Richtlinien"

Seite 156: "Zur Steigerung der Effizienz der Genehmigungsverfahren und zur Vermeidung von kostspieligen Verzögerungen sind Anpassungen im Verwaltungsverfahrensrecht, im Umweltverträglichkeitsprüfungsgesetz und in zahlreichen Materiengesetzen vorzusehen. Ziel dabei ist es, unter Wahrung der umweltpolitischen und nachbarschaftlichen Schutzrechte die Verfahrensdauer wirksam abzukürzen, bestehendes Gold-Plating gegenüber zwingenden EU-Vorgaben zu beseitigen"

Seite 159: "Entbürokratisierung und Vereinfachung im Agrar- und Verwaltungsbereich - Kein Gold-Plating"

 

Im November 2018 verkündete die Budesregierung vollmundig, nun gegen "Gold-Plating" vorzugehen. (https://www.sn.at/politik/innenpolitik/regierung-segnete-entwurf-gegen-gold-plating-ab-60881974)

Hinter dem schicken Schlagwort versteckt sich das schlichte Vorhaben, jene Fälle zu überprüfen, in denen Österreich im Rahmen der Umsetzungen von Unionsrecht, über die vorgegebenen Mindeststandards hinausgegangen ist.

Gesetze auf ihre Sinnhaftigkeit zu überprüfen und allenfalls im Sinne der Effizienz und Treffsicherheit abzuändern, ist grundsätzlich ein ehrbares Motiv. In der Außenkommunikation erscheint das, von der Regierung benutzte Schlagwort, jedoch vielmehr als polulistischer Arbeitstitel, der mit einem schalen Beigeschmack des Euroskeptizismus einhergeht. Zudem wird von der Regierung beim Zuhörer bzw. der Zuhörerin der Eindruck erweckt, EU-Vorgaben seien von Österreich aus Jux und Tollerei übererfüllt worden.

Dabei standen regelmäßig bestimmte Interessen (z.B. Interessen der Konsumentenschützer oder aber auch der Wirtschaft) im Vordergrund, die zu einer entsprechenden Übererfüllung geführt haben. Manchmal führt auch schlicht die Erwägung, die Rechtsordnung konistent und einheitlich zu halten dazu, dass Unionsvorgaben übererfüllt wurden. (Stichwort: Einheitliches Gewährleistungsregime für Unternehmer- und Verbrauchergeschäfte im Zuge der Umsetzung der Richtlinie 1999/44/EG über bestimmte Aspekte des Verbrauchsgüterkaufs und der Garantien für Verbrauchsgüter. In diesem Fall wurde ganz bewusst und aus guten Gründen, nämlich um eine Zweigleisigkeit im Gewährleisungsrecht zur vermeiden, die europäische Vorgabe übererfüllt und der Anwendungsbereich ausgedehnt. Dies würde heute niemandem mehr einfallen, zu kritisieren. Siehe dazu im Detail RV 422 BlgNR XXI. GP)

Der durch die Bundesregierung 2018 angestrengte "Stakeholderprozess", bei dem Fälle von Gold-Plating beim Ministerium eingemeldet werden konnten, erschien jedoch primär als Wunschkonzert der Wirtschaftskammer und der Industriellenvereinigung ausgestaltet zu sein. Dementsprechend intensiv viel auch die Kritik an der "Anti-Gold Plating"-Initiative der Regierung aus. (https://kurier.at/politik/inland/urlaub-und-mindestlohn-wirbel-um-gold-plating-liste-der-iv/400064126)

Der schließlich im November 2018 in Begutachtung geschickte Ministerialentwurf  "Sammelnovelle Gold-Plating", zeigt auf, wieviel sich hinter der großen Ankündigung der Regierung wirklich verbirgt.

Das redlich gemeinte Projekt entpuppte sich mehr als "Show-Vorhaben" denn als echtes Reform- oder Deregulierungspaket.

Gold Plating darf schließlich nicht pauschal verteufelt werden. Denn Gold Plating ist nicht per se gut oder schlecht. Vielmehr gilt es im Einzelfall zu evaluieren, wo die Übererfüllung von EU-Standards (alias "Gold-Plating") einen Mehrwert für Österreich schafft und wo nicht. Und diese Frage kann nicht einheitlich beantwortet werden.

Der Ministerialentwurf Sammelnovelle Gold-Plating (100/ME) ist wie erwartet kein großer Wurf. Es handelt sich um legistische Änderungen von äußerst geringem Umfang. Zum Teil werden sogar nur Klarstellungen oder Korrekturen von Redaktionsversehen vorgenommen. Dies als Teil einer Deregulierungs-Reform anzupreisen ist unseriös.

Diese Ansicht vertritt im Übrigen auch der Österreichische Rechtsanwaltskammertag (ÖRAK), der zum Ministerialentwurf folgendes festhielt: "Die in dem Gesetzesentwurf vorgesehene Auswahl von Gesetzen, bei denen (angebliche) „Übererfüllungen" ausgewählt werden, ist allerdings nicht nachvollziehbar und teilweise schlicht unrichtig begründet." Auch der Oberste Gerichtshof meldete in seiner Stellungnahme bei einigen Punkten der Novelle erhebliche Bedenken an.

Im Übrigen bestätigte das Justizministerium selbst, dass ein Großteil der gemeldeten Regelungen - nämlich 300 der 500 Fälle - sinnvolle Übererfüllung von EU-Vorgaben waren, die zu einer Verbesserung der Standards in Österreich geführt haben und daher nicht rückgängig gemacht werden. (https://www.kleinezeitung.at/service/newsticker/5529827/Regierung-segnete-Entwurf-gegen-Gold-Plating-ab)

Inwiefern der durch diese Vorgehensweise des Ministeriums dem Ziel der Deregulierung und Bürokratieabbau dient, ist fraglich.

Im Jahr 2016 präsentierte der damalige Präsident des Rechnungshofes und numehrige Bundesminister für Verfassung‚ Reformen‚ Deregulierung und Justiz, Dr. Josef Moser anlässlich des Endes seiner Amtsperiode einen Bericht mit dem Titel: "Positionen für eine nachhaltige Entwicklung Österreichs". (Reihe 2016/2)

Darin kostatierte er angesichts diverser volkswirtschaftlicher Daten, dass es unabdingbar sei "Doppelgleisigkeiten in den Strukturen zu beseitigen und Effizienzpotenziale zu erhöhen, um den künftigen Herausforderungen gewachsen zu sein und zu verhindern, dass Leistungen bei den Bürgerinnen und Bürgern gekürzt werden."

Dr. Josef Moser zeigt in "1007 Vorschlägen" eine Reihe von konkreten Verwaltungsbereichen auf, die Verbesserungspotenzial und somit Handlungsbedarf aufweisen, um die Nachhaltigkeit der öffentlichen Finanzen Österreichs sicherzustellen. Dazu zählen insbesondere die Handlungsfelder Gesundheit und Pflege, Pensionen, Bildung, Bankwesen, Steuersystem, Förderungswesen, öffentliche Verwaltung und Finanzausgleich.

Eine umfassende Verwaltungs– und Verfassungsreform unter Einbindung aller Gebietskörperschaften sei, so der Bericht der Rechnungshofpräsidenten, nach wie vor unabdingbar.

Ziel des RH-Berichtes sei es "einen Beitrag zur Weiterentwicklung Österreichs in allen Bereichen der öffentlichen Verwaltung zu leisten, um die Nachhaltigkeit der Aufgabenerfüllung im Sinne der Bürgerinnen und Bürger zu gewährleisten."

Die unterfertigten Abgeordneten stellen daher folgende

Anfrage:

1.    Abgesehen von den 40 Fällen von Übererfüllung von Unionsstandards, die mit dem vorliegenden Ministerialentwurf zurückgenommen werden sollen, welche der ürbigen Fälle von "Gold-Plating" beabsichtigt der Herr Bundesminister anzugehen und abzuschaffen? (Bitte um konkrete Auflistung der Legislativvorhaben/Gold-Plating-Fälle für die aktuelle Regierungsperiode)

2.    Welche konkreten gesetzlichen Maßnahmen plant der Herr Bundesminister für die aktuelle Regierungsperiode hinsichtlich der Deregulierung im Sinne von "Verringerung der Regelungsdichte" und "Bürokratieabbau" im Dienste der österreichischen Bevölkerung und zur Attraktivierung des österreichischen Wirtschaftsstandorts unter den Aspekten:

a.    "Serviceverbesserung für Bürgerinnen und Bürger"?

b.    "Entlastung von Unternehmen"?

c.    "Effizienzsteigerung der Verwaltung"?

3.    Welche seiner 1007 Vorschläge, die er damals im Rechnungshofbericht "Positionen für eine nachhaltige Entwicklung Österreichs" vorgestellt hat, hat der Herr Bundesminister seit Beginn seiner Amtsperiode umgesetzt (iSv Gesetzesbeschlüssen)?

4.    Welche seiner 1007 Vorschläge, die er damals im Rechnungshofbericht "Positionen für eine nachhaltige Entwicklung Österreichs" vorgestellt hat, hat der Herr Bundesminister noch vor, in seiner Amtsperiode umzusetzen (iSv Gesetzesbeschlüssen)?

5.    Welche konkreten Maßnahmen hat der Herr Bundesminister seit Beginn seiner Amtsperiode in den Handlungsfeldern Gesundheit und Pflege, Pensionen, Bildung, Bankwesen, Steuersystem, Förderungswesen, öffentliche Verwaltung und Finanzausgleich hinsichtlich der:

a.    Bereinigung der Kompetenzzersplitterung

b.    Zusammenführung der Aufgaben-, Ausgaben– und Finanzierungsverantwortung

c.    Verbesserung der Kooperation und Abstimmung insbesondere an den Schnittstellen der Gebietskörperschaften

d.    laufenden Aufgabenkritik, vor dem Hintergrund der gesellschaftlichen, demografischen und technischen Veränderungen

e.    Festlegung von konkreten Wirkungszielen mit aussagekräftigen, messbaren Indikatoren, um die Treffsicherheit der eingesetzten Mittel sicherzustellen, faktenbasierte gründliche Planung der Ausgaben über zumindest mittelfristige Planungsperioden

f.      kontinuierlichen Steuerung der Aufgabenerfüllung durch regelkonforme Beschaffungsprozesse und sachgerechte, aufgabenadäquate Planung und Organisation, durch Kostenrechnungssysteme sowie durch regel-mäßiges und institutionalisiertes Controlling und nachfolgende Evaluierung

g.    Implementierung wirksamer Maßnahmen der Korruptionsprävention einschließlich interner Kontrollsysteme

h.    Stärkung der Finanzkontrolle

bereits umgesetzt (iS von Gesetzesbeschlüssen des Nationalrates)?

6.    Welche konkreten Maßnahmen bereitet der Herr Bundesminister aktuell in den Handlungsfeldern Gesundheit und Pflege, Pensionen, Bildung, Bankwesen, Steuersystem, Förderungswesen, öffentliche Verwaltung und Finanzausgleich hinsichtlich der:

a.    Bereinigung der Kompetenzzersplitterung

b.    Zusammenführung der Aufgaben-, Ausgaben– und Finanzierungsverantwortung

c.    Verbesserung der Kooperation und Abstimmung insbesondere an den Schnittstellen der Gebietskörperschaften

d.    laufenden Aufgabenkritik, vor dem Hintergrund der gesellschaftlichen, demografischen und technischen Veränderungen

e.    Festlegung von konkreten Wirkungszielen mit aussagekräftigen, messbaren Indikatoren, um die Treffsicherheit der eingesetzten Mittel sicherzustellen, faktenbasierte gründliche Planung der Ausgaben über zumindest mittelfristige Planungsperioden

f.      kontinuierlichen Steuerung der Aufgabenerfüllung durch regelkonforme Beschaffungsprozesse und sachgerechte, aufgabenadäquate Planung und Organisation, durch Kostenrechnungssysteme sowie durch regel-mäßiges und institutionalisiertes Controlling und nachfolgende Evaluierung

g.    Implementierung wirksamer Maßnahmen der Korruptionsprävention einschließlich interner Kontrollsysteme

h.    Stärkung der Finanzkontrolle

vor?

7.    Welche konkreten Maßnahmen gedenkt der Herr Bundesminister hinkünftig in den Handlungsfeldern Gesundheit und Pflege, Pensionen, Bildung, Bankwesen, Steuersystem, Förderungswesen, öffentliche Verwaltung und Finanzausgleich hinsichtlich der:

a.    Bereinigung der Kompetenzzersplitterung

b.    Zusammenführung der Aufgaben-, Ausgaben– und Finanzierungsverantwortung

c.    Verbesserung der Kooperation und Abstimmung insbesondere an den Schnittstellen der Gebietskörperschaften

d.    laufenden Aufgabenkritik, vor dem Hintergrund der gesellschaftlichen, demografischen und technischen Veränderungen

e.    Festlegung von konkreten Wirkungszielen mit aussagekräftigen, messbaren Indikatoren, um die Treffsicherheit der eingesetzten Mittel sicherzustellen, faktenbasierte gründliche Planung der Ausgaben über zumindest mittelfristige Planungsperioden

f.      kontinuierlichen Steuerung der Aufgabenerfüllung durch regelkonforme Beschaffungsprozesse und sachgerechte, aufgabenadäquate Planung und Organisation, durch Kostenrechnungssysteme sowie durch regel-mäßiges und institutionalisiertes Controlling und nachfolgende Evaluierung

g.    Implementierung wirksamer Maßnahmen der Korruptionsprävention einschließlich interner Kontrollsysteme

h.    Stärkung der Finanzkontrolle

noch in der laufenden Regierungsperiode umzusetzten (iSv Gesetzesbeschlüssen)?

8.    Welcher konkrete Zeitplan liegt all diesen Projekten zugrunde?