3122/J XXVI. GP

Eingelangt am 20.03.2019
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Anfrage

 

der Abgeordneten Dr. Stephanie Krisper, Kolleginnen und Kollegen

an den Bundesminister für Inneres

betreffend Zahlen für Pressekonferenz, aber nicht für Parlament

 

Schon bei früheren parlamentarischen Anfragen an den Innenminister blieb dieser Antworten schuldig, die er aber anderen zur Verfügung stellte. Verwiesen wird hier als Beispiel auf die Folgeanfrage 2257/J XXVI. GP, die notwendig wurde um zu klären, warum ein FPÖ-Abgeordneter in einer Nationaratssitzung über eine Zahl verfügte, deren Berechnung statistischer Erhebungen bedarf, die auch eine Beantwortung einer eben nicht beantworteten Anfrage von NEOS ermöglicht hätte.

Nun führte in der Beantwortung einer Anfrage von Dr. Stephanie Krisper zu Aberkennungsverfahren nach dem Asylgesetz in den Jahren 2015-2018 (2479/AB vom 20.02.2019 zu 2497/J) der Innenminister aus, dass keine Statistiken über Aberkennungen und anhängige Aberkennungsverfahren nach den einzelnen Rechtsgrundlagen geführt würden, eine Differenzierung zwischen §§ 7 und 9 AsylG 2005, also zwischen Asylberechtigten und subsidiär Schutzberechtigten, daher nicht möglich sei. Zudem wurden die Zahlen für das Jahr 2018 ohne weitere Begründung nur bis Ende November angegeben. In der Beantwortung einer Anfrage von David Stögmüller (3345/AB-BR/2019 vom 06.03.2019 zu 3615/J-BR) nur zwei Wochen später legte das Innenministerium die Statistiken jedoch aufgeschlüsselt nach Aberkennung von Asyl bzw. Aberkennung von subsidiären Schutz vor und es wurden die Zahlen für das ganze Jahr 2018 angeführt. Auch in der Pressekonferenz zur Jahresbilanz des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl (BFA) vom 24.01.2019 (https://www.ots.at/presseaussendung/OTS_20190124_OTS0192/bmi-innenminister-praesentiert-bilanz-2018-des-bundesamts-fuer-fremdenwesen-und-asyl), sowie auf Anfrage des Kurier für einen Artikel vom 23.02.2019 (https://kurier.at/chronik/oesterreich/asylkurs-hohe-kosten-schwierige-verfahren/400416278) konnte das BMI bereits Auskunft über die Zahlen des gesamten Jahres 2018 geben. Es besteht nun die Situation, dass das Innenministerium bereits im Jänner 2019 bzw. jedenfalls wenige Tage nach Beantwortung der NEOS-Anfrage über Zahlen und Statistiken zu den Jahren 2015-2018 verfügte, die auch eine Beantwortung der NEOS-Anfrage ermöglicht hätte.

Darüber hinaus ist auffällig, dass vergangenes Jahr überproportional viele Aberkennungen erst im Dezember erfolgt sind. Im gesamten Jahr 2018 waren es 1.640 erstinstanzliche Aberkennungsentscheidungen, während es von Jänner bis November lediglich 652 waren. Das bedeutet, dass im Dezember 2018 knapp 1.000 Aberkennungen durch das BFA erfolgt sind, im Vergleich zu durchschnittlich ca. 60 pro Monat in den elf Monaten davor.

Weiters gab der Innenminister in Beantwortung der oben erwähnten NEOS-Anfrage 2497/J auf die Frage, wie viele Aberkennungsverfahren eingeleitet wurden bzw. wie viele Aberkennungen erfolgten, weil der/die Asylberechtigte bzw. subsidiär Schutzberechtige straffällig wurde, an, dass keine entsprechenden Statistiken geführt würden. In der Beantwortung einer weiteren Anfrage von NEOS (2483/AB vom 20.02.2019 zu 2498/J), wie viele der abgeschobenen Personen eine strafrechtliche Verurteilung aufwiesen, führte der Innenminister aus, dass grundsätzlich keine Statistiken dazu geführt werden, lediglich "händische Erfassungen" von Mai bis November 2018 ergeben haben, dass bei 41,4 % der durchgeführten zwangsweisen Ausreisen eine strafrechtliche Verurteilung vorlag. Just am 13.11.2018 veröffentlichte die Kronen Zeitung Zahlen des Innenministeriums und Zitate des Innenministers, wonach durchschnittlich monatlich rund 41 Prozent der abgeschobenen Personen eine strafrechtliche Verurteilung aufweisen (https://www.krone.at/1808245). Das BMI führt außerdem laut Anfragebeantwortung 2483/AB auch keine Statistik darüber, wie viele Personen trotz negativem Asylbescheids aufgrund von rechtlichen oder faktischen Hindernissen nicht abgeschoben werden können. Diese Nicht-Erhebung bzw. Nicht-Preisgabe von Zahlen und Statistiken verunmöglicht nicht nur die parlamentarische Kontrolle der Vollziehung und eine faktenbasierte Politik, sondern ist auch aus sicherheitspolitischen Gesichtspunkten fahrlässig und unverantwortlich.

Im Hinblick auf den medienwirksam präsentierten "Arbeitsschwerpunkt" des BFA auf Straffälligkeit und Aberkennungsverfahren stellt sich die Frage, wie das BMI in Wahrheit ohne entsprechende Statistiken die Auswirkungen in diesen Bereichen misst und sicherheitspolitisch sinnvolle Ansätze überhaupt priorisieren kann.

Ein weiterer Aspekt ist, dass der "Arbeitsschwerpunkt" des BFA auf Aberkennungsverfahren auch enorme Kosten mit wenig Aussicht auf tatsächliche, rechtskräftige Aberkennungen verursacht. Denn im Jahr 2018 wurden 5.991 Aberkennungsverfahren eingeleitet, jedoch führten nur 1.640 tatsächlich zu einer erstinstanzlichen Aberkennung. 1.294 Aberkennungsverfahren sind noch anhängig. Dazu kommen bei erfolgreich bekämpften erstinstanzlichen Aberkennungsbescheiden noch die Kosten für die zweite Instanz. Denn immerhin wurden im Jahr 2017 laut einer Anfragebeantwortung des BMVRDJ (Zl. 3446/J-BR/2018) 42,4 Prozent der angefochtenen Bescheide vom Bundesverwaltungsgericht (BVwG) aufgehoben oder abgeändert. Die Kosten allein für die erstinstanzlichen Aberkennungsverfahren im Jahr 2018 betrugen Experten zufolge rund 4 Millionen Euro. Die Kosten, die durch die hohe Fehlerquote des BFA verursacht wurden, schätzen Experten für das Jahr 2017 auf rund 50 Millionen Euro.

Die unterfertigten Abgeordneten stellen daher folgende

Anfrage:



1.    Seit wann liegen dem Innenministerium bzw. dem BFA die Zahlen über Aberkennungsverfahren und erfolgte Aberkennungen für das gesamte Jahr 2018 vor?

2.    Was ist der Grund dafür, dass für die am 20. Februar 2019 erfolgte Beantwortung der NEOS-Anfrage 2479/AB für die Zahlen des Jahres 2018 der Stichtag 30. November 2018 gewählt wurde und nicht wie abgefragt der Stichtag 31. Dezember 2018?

3.    Seit wann führt das Innenministerium bzw. das BFA Statistiken zu Aberkennungsverfahren und erfolgten Aberkennungen differenziert nach Asyl bzw. subsidiären Schutz?

4.    Was ist der Grund dafür, dass im Dezember 2018 988 erstinstanzliche Aberkennungen von Asyl bzw. subsidiären Schutz erfolgt sind, im Vergleich zu insgesamt 652 erstinstanzlichen Aberkennungen von Jänner bis November 2018?

5.    Wie lautete(n) die Weisung(en) bzw. Aufträge an die Beamt_innen bzw. Vertragsbediensteten des BFA, die zu diesen Aberkennungen führten?

a.    Wer hat diese erteilt?

6.    Was ist der Grund dafür, dass im Dezember 2018 599 erstinstanzliche Aberkennungen von Asyl bzw. subsidiären Schutz in Bezug auf afghanische Staatsangehörige erfolgt sind, im Vergleich zu insgesamt 78 erstinstanzlichen Aberkennungen in Bezug auf afghanische Staatsangehörige von Jänner bis November 2018?

7.    Wie lautete(n) die Weisung(en) bzw. Aufträge an die Beamt_innen bzw. Vertragsbediensteten des BFA, die zu diesen Aberkennungen führten?

a.    Wer hat diese erteilt?

8.    Wie bemisst das BMI die Auswirkung des Arbeitsschwerpunkts "Straffälligkeit" des BFA im Jahr 2018?

9.    Warum werden keine Statistiken darüber geführt, wie viele Aberkennungsverfahren eingeleitet werden bzw. wie viele Aberkennungen erfolgen, weil der/die Asylberechtigte bzw. subsidiär Schutzberechtige straffällig wurde?

10. Ist geplant in Zukunft derartige Statistiken zu führen?

a.    Wenn ja, ab wann?

b.    Wenn nein, warum nicht?

11. Warum werden keine umfassenden Statistiken darüber geführt, wie viele der abgeschobenen Personen eine strafrechtliche Verurteilung aufweisen?

12. Ist geplant in Zukunft derartige Statistiken zu führen?

a.    Wenn ja, ab wann?

b.    Wenn nein, warum nicht?

13. Haben Sie die Erfassung der strafrechtlichen Verurteilungen bei zwangsweisen Ausreisen im Zeitraum Mai bis November 2018 angeordnet?

a.    Wenn nein, wer hat dies angeordnet?

14. Wer hat die "händische Erfassung" der strafrechtlichen Verurteilungen bei zwangsweisen Ausreisen im Zeitraum Mai bis November 2018 durchgeführt?

15. Was bedeutet "händische Erfassung" in diesem Zusammenhang?

16. Wie wurde diese "händische Erfassung" vorgenommen?

17. Warum werden keine Statistiken darüber geführt, wie viele Personen trotz negativem Asylbescheids aufgrund von rechtlichen oder faktischen Hindernissen nicht abgeschoben werden können?

18. Ist geplant in Zukunft derartige Statistiken zu führen?

a.    Wenn ja, ab wann?

b.    Wenn nein, warum nicht?

19. Wie hoch waren die Kosten für die erstinstanzlichen Aberkennungsverfahren in den Jahren 2017 und 2018?

20. Wie hoch waren die Kosten für Asylverfahren vor dem BFA, bei denen die Bescheide vom BVwG in den Jahren 2017 und 2018 aufgehoben oder abgeändert wurden?

a.    Wenn diese Kosten nicht bekannt sind, warum nicht? 

b.    Wie viele Stunden wurden vonseiten der Beamt_innen bzw. Vertragsbediensteten des BFA auf diese Fälle aufgewendet? 

                                  i.    Wenn diese Stundenanzahl nicht bekannt ist, warum nicht?

21. Wie hoch waren die Kosten für die Rückkehrberatung in den Asylverfahren, bei denen die Bescheide vom BVwG in den Jahren 2017 und 2018 aufgehoben oder abgeändert wurden?

a.    Wenn diese Kosten nicht bekannt sind, warum nicht? 

b.    Wie viele Stunden wurden auf diese Fälle aufgewendet? 

                                  i.    Wenn diese Stundenanzahl nicht bekannt ist, warum nicht?

22. Wie hoch waren die Kosten für die Grundversorgung in den Asylverfahren, bei denen die Bescheide vom BVwG in den Jahren 2017 und 2018 aufgehoben oder abgeändert wurden?

a.    Wenn diese Kosten nicht bekannt sind, warum nicht? 

b.    Wie viele Stunden wurden vonseiten der Beamt_innen bzw. Vertragsbediensteten auf diese Fälle aufgewendet? 

                                  i.    Wenn diese Stundenanzahl nicht bekannt ist, warum nicht?

23. Wie hoch waren in den Jahren 2017 und 2018 die Kosten, die durch die hohe Fehlerquote des BFA in den Bereichen Ihres Ressorts verursacht wurden?

a.    Wie hoch waren die auf das BFA entfallenen Kosten?

                                  i.    Wenn diese Kosten nicht bekannt sind, warum nicht? 

b.    Wie viele Stunden wurden vonseiten der Beamt_innen bzw. Vertragsbediensteten auf diese Fälle aufgewendet? 

                                  i.    Wenn diese Stundenanzahl nicht bekannt ist, warum nicht?

24. Haben Sie sich erkundigt, wie hoch die Kosten beim BVwG für die Asylverfahren waren, bei denen die Bescheide vom BVwG in den Jahren 2017 und 2018 aufgehoben oder abgeändert wurden?

a.    Wenn ja, wie hoch waren die Kosten?

b.    Wenn nein, werden Sie sich erkundigen?

c.    Wenn nein, warum nicht?