3162/J XXVI. GP

Eingelangt am 27.03.2019
Dieser Text ist elektronisch textinterpretiert. Abweichungen vom Original sind möglich.

Anfrage

der Abgeordneten Doris Margreiter
Genossinnen und Genossen

an den Bundesminister für Inneres

betreffend: Abschiebung von Asylwerbern in der Lehrzeit

Begründung:

Österreichische Betriebe suchen dringend Lehrlinge. Der Fachkräftemangel wird immer drängender. Vier von zehn Unternehmen beklagen aufgrund dieser Problematik Umsatzeinbußen. Für heimische Unternehmen sind Schwierigkeiten bei der Suche nach geeigneten MitarbeiterInnen das weitaus größte Risiko, Tendenz steigend.

Im Februar 2019 veröffentlichte univ. Prof. Dr. h.c. Friedrich Schneider und Dr. Elisabeth Dreer MSc. eine Studie über die Kosten und Nutzen von Asylwerbenden in Lehre. Wenn Asylwerbende, die sich in Lehre befinden, abgeschoben werden, sind die für die Ausbildung angefallen Kosten verloren und die zukünftige Wertschöpfung dieser Fachkräfte entfällt,
dem Staat entgehen dadurch Beitragszahlungen aus Steuern und Abgaben.

Abgesehen von der menschlichen Komponente ist der ökonomische Schaden einer Abschiebung von Asylwerbenden in Lehre nicht nur für die Betriebe, in denen sie tätig waren, enorm, auch der volkswirtschaftliche Schaden ist beträchtlich. Das zeigen und untermauern diese kürzlich veröffentlichten Zahlen.

Fragestellungen: Die unterfertigten Abgeordneten stellen daher folgende

Anfrage

1.  Wie viele Asylwerbende, die zum Zeitpunkt der Entscheidung über den Asylantrag in einem Lehrverhältnis waren, haben rechtskräftig ein Bleiberecht (Aufenthaltsberechtigung Plus) erhalten?

2. Wie viele Lehrlinge gibt es in Österreich, die sich noch in einem offenen Asylverfahren befinden?

3.  Bei wie vielen davon befindet sich das Verfahren

a.) in erster Instanz?

b.) in zweiter Instanz?

c.) in einem außerordentlichen Rechtsmittelverfahren?

4.  Wie viele Asylwerbende, die sich in Lehre befinden, wurden bereits abgeschoben?

5. Wie viele Lehrlinge aus Drittstaaten haben derzeit kein Aufenthaltsrecht in Österreich außerhalb des Asylverfahrens?

6. Wie lässt sich die Abschiebung von Asylwerbern während der Lehrzeit mit Art 8 EMRK vereinbaren? Gibt es dazu bestehende Rechtsgutachten von Seiten des Ministeriums?

7.  Einer Studie zufolge kostet die Abschiebung eines Asylwerbers in Lehre der heimischen Volkswirtschaft mehr als 100.000 €. Mit dem Überwiegen welches öffentlichen Interesses im Sinne des Art 8 der Europäischen Menschenrechtskonvention (EMRK) können Sie dennoch bei einer gebotenen Interessensabwägung argumentieren, dass eine Abschiebung gerechtfertigt ist?

8.  Ein Gutachten des Boltzmann Instituts zum Thema „Beschäftigung von Asylsuchenden in Mangelberufen und die Zulässigkeit von Rückkehrentscheidungen“ (https://bim.lbg.ac.at/de/artikel/aktuelles/rechtsgutachten-zu-beschaeftigung-asylsuchenden- mangelberufen-zulaessigkeit-rueckkehrentscheidungen) stellt fest, dass im Rahmen der Interessenabwägung bei der Beurteilung der Rückkehrentscheidung das öffentliche Interesse am wirtschaftlichen Wohl des Landes zu berücksichtigen sei. Es sei dem öffentlichen Interesse an einem geordneten Fremdenwesen und einer Aufenthaltsbeendigung entgegen zu halten.

a) Welcher Rechtsmeinung folgt ihr Ministerium in dieser Angelegenheit?

b) Wie ist diese Rechtsmeinung begründet?

9.  Ist Ihr Interesse an einer schnellen Ausreise eines Lehrlings, der in einem Mangelberuf tätig, selbsterhaltungsfähig und integriert ist, größer, als die Vermeidung eines wirtschaftlichen (und/oder demografischen) Schadens?

a) wenn Ja, mit welcher Begründung?

b) wenn Nein, welche Reformen zur gängigen Praxis sind angedacht?

10.  Wie argumentieren Sie vor diesem Hintergrund und dem Gebot der Wirtschaftlichkeit, Sparsamkeit und Zweckmäßigkeit die behördliche Wohnsitzauflage samt Verlegung eines Asylwerbers in Lehre von OÖ nach Tirol und dem damit einhergehenden Lehrabbruch obwohl es sich im konkreten Fall um einen Iraker, der aufgrund der geltenden Rechtslage
nicht abgeschoben werden kann, handelt?

11.  Laut einem Bericht der seit 60 Jahren unabhängigen Kronen Zeitung vom 13. Februar 2019 (Seite 22) wurde ein unbescholtener und bestens integrierter Asylwerber aus Afghanistan, der auf C2 Sprachlevel Deutsch spricht und bei Gericht als Dolmetscher beigezogen wurde, am 16.2.2019 nach Kabul abgeschoben.

a)  Kann dieser Fall nach den behördlichen Akten bestätigt werden?

b)  Werden Sie ein Gesetz verabschieden, welches solchen Härtefällen entgegentritt und für Asylwerbende in Lehre im Hinblick auf den wirtschaftlichen Schaden einen Aufenthaltstitel schaffen?

12.  Einerseits wird bei jeder Argumentation hinsichtlich Asylwerber in Lehre seitens der Regierung betont, dass Migration/Aufenthaltsrecht und Asyl nicht vermischt werden dürfen, andererseits entscheidet ein und dieselbe Behörde in ein und demselben Verfahren darüber.

a.   ) Wie werden Sie dem entgegentreten?

b.   ) Wie kann hier noch eine unabhängige Entscheidung gewährleistet sein?

c.   ) Werden sie aufgrund der von ihnen angestrebten strikten Trennung von Asylverfahren und Bleiberechtsverfahren das Gesetz ändern?

d.   ) Werden Sie im Zuge dieser Gesetzesänderung den Bezirksverwaltungsbehörden und den Kommunen die Entscheidungsgewalt über das Bleiberecht zusprechen?

13.  Rechtsexperten zufolge widerspricht (jedenfalls) das Ende des Zugangs zur Lehre für Asylwerbende mit längerer Verfahrensdauer in erster Instanz Art. 15 der EU- Aufnahmerichtlinie. Wie gedenken Sie dem entgegenzutreten?

14.  Aktuell wird von der EU-Kommission eine Evaluierung der Einhaltung der EU- Aufnahmerichtlinie durch die Mitgliedstaaten durchgeführt.

a.   ) Ist diese Evaluierung in Bezug auf Österreich bereits abgeschlossen?

b.   ) Wenn ja, was ist das Ergebnis der Evaluierung in Bezug auf Österreich?

c.   ) Falls nicht, wie ist der Stand der Evaluierung in Bezug auf Österreich?