3241/J XXVI. GP

Eingelangt am 03.04.2019
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Anfrage

 

 

der Abgeordneten Dr. Stephanie Krisper, Kolleginnen und Kollegen

an den Bundesminister für Finanzen

betreffend Folgeanfrage zur Anfrage betreffend das BMF und dessen Rolle als Eigentümer bzw. Aufsicht der Casinos Austria AG





In der Anfragebeantwortung 1717/AB vom 19.11.2018 antwortete der Bundesminister für Finanzen wie folgt:

Auf die Frage 5 "Ist dem BMF das OGH Urteil vom 29.5.2017 (Geschäftszahl 6Ob124) bekannt?" antwortete der Bundesminister:

Zu 5.: Ja.

 

Auf die Frage 6 "Welche Schlussfolgerungen zog das BMF - als Aufsichtsbehörde bzgl. Glücksspiel - aufgrund des vorliegenden Urteils hinsichtlich der Geschäftstätigkeit der Novomatic AG in Österreich?" antwortete der Bundesminister:

Zu 6.: Das Urteil 6Ob124/16b vom 29. Mai 2017 ist eine Einzelfallentscheidung und betrifft im Wesentlichen den Zeitraum vor der glücksspielrechtlichen Reform des landesrechtlichen Automatenglücksspiels in 2010. Judikatur und Rechtsansichten zum ehemaligen „kleinen Glücksspiel“ waren stets sehr inhomogen und der Betrieb der verfahrensgegenständlichen Glücksspielautomaten zudem von den zuständigen Landesbehörden bewilligt. Vor diesem Hintergrund hat der Bundesgesetzgeber in 2010 den Automatenbetrieb in einem detaillierten gesetzlichen Bundesrahmen klargestellt und sämtliche Geräte zum Anschluss an ein Datenrechenzentrum bei der BRZ GmbH verpflichtet.

 

Eine derartige Beantwortung dieser Frage sorgt in mehrerer Hinsicht für Verwunderung. Rein logisch betrachtet kann der Anschluss derartiger Glücksspielautomaten an das BRZ nur kaum vor ein und demselben Hintergrund wie die oben genannte Entscheidung des OGH gesehen werden. Die Antwort mutet jedoch auch aufgrund ihrer gravierenden inhaltlichen Abweichung vom Inhalt des Urteils seltsam an. 

Im Wesentlichen lassen sich Ihrer Antwort folgende Punkte entnehmen. 

1.    Bei dem Urteil 6 Ob 124/16b handelt es sich um eine Einzelfallentscheidung.

2.    Judikatur und Rechtsansichten zum ehemaligen "kleinen Glücksspiel" waren stets sehr inhomogen.

3.    Der Betrieb der verfahrensgegenständlichen Automaten war von den Landesbehörden bewilligt. 

 

Zu Punkt 1:

Bereits im Urteil 6 Ob 118/12i legte der OGH den Grundstein für die Judikaturlinie, welcher auch die Entscheidung 6 Ob 124/16b angehört. Die in 6 Ob 118/12i verfahrensgegenständlichen Automaten funktionierten im Wesentlichen gleich wie die in der Entscheidung 6 Ob 124/16b verfahrensgegenständlichen Automaten. 

So wird in 6 Ob 124/16b im verfahrensentscheidenden Punkt auf das Urteil 6 Ob 118/12i verwiesen.

"3.1. Die Klage ist im Kern auf einen Verstoß gegen § 4 Abs 2 GSpG gestützt. Diesbezüglich ist auf die Vorentscheidung des erkennenden Senats 6 Ob 118/12i zu verweisen, wonach die hier streitgegenständlichen Funktionen („Würfelspiel“, „Action-Games“ [dort: „Super-Games“] und „Gamblen“) die Bagatellgrenzen des § 4 Abs 2 GSpG überschritten und in das Glücksspielmonopol des Bundes eingegriffen werde. Von dieser Rechtsprechung abzugehen besteht kein Anlass."



Nicht nur der 6. Senat, sondern auch der 7. Senat des OGH verweist in einer nachfolgenden Entscheidung auf die Rechtsprechung zu 6 Ob 118/12i sowie 6 Ob 124/16b. So zum Beispiel im Beschluss 7 Ob 225/16p:

"4.2. Der Oberste Gerichtshof hat sich in seiner Entscheidung vom 29. Mai 2017, 6 Ob 124/16b, mit einem dem vorliegenden vergleichbaren, ebenfalls nach dem Wr VeranstaltungsG zu beurteilenden Fall auseinandergesetzt und zu auch hier relevanten Rechtsfragen eingehend Stellung genommen. […]

4.3. Der erkennende Senat schließt sich dieser Rechtsauffassung an."

Doch auch in der Judikatur des LVwG Wien findet sich ein im Wesentlichen gleichlautendes Urteil. So wurde im Erkenntnis VGW-002/V/059/7808/2015 Sz. GmbH folgendes festgestellt:

"49.1.3. [...]. Dass derartige Actiongames funktionell nichts anderes als verdeckte geldwerte Gewinnversprechen darstellen ist ebenfalls seit langem schon bis hin zu den Höchstgerichten (vgl. nur OGH 20.3.2013, 6Ob118/12i) als gerichtsnotorisch bekannt vorauszusetzen."



Nach Durchsicht der einschlägigen Judikatur des OGH sowie des LVwG Wien kann von einer Einzelfallentscheidung jedenfalls nicht die Rede sein, zumal nach den gängigen juristischen oder linguistischen Interpretationsmethoden von Sätzen wie "Von dieser Rechtsprechung abzugehen besteht kein Anlass", "Der erkennende Senat schließt sich dieser Rechtsauffassung an", "[...] seit langem schon bis hin zu den Höchstgerichten (vgl. nur OGH 20.3.2013, 6Ob118/12i) als gerichtsnotorisch bekannt vorauszusetzen." sowie der Anzahl gleich oder ähnlich lautenden Entscheidungen auf ein singuläres, in dieser Art nie dagewesenes, Urteil keinesfalls geschlossen werden kann. Vielmehr ist von einer gesicherten, ständigen Rechtssprechung auszugehen.

 

Zu Punkt 2: 

 

Anschließend an Punkt 1, der bereits die sehr klare und einheitliche Rechtsprechung darlegt, kann bezüglich Punkt 2 auf das Urteil selbst verwiesen werden. Denkmöglich kann sich diese Ansicht des Bundesministers nur auf die Entscheidung 1 Ob 161/15f gründen. Ein eventueller Verweis auf diese Entscheidung vermag aber im Hinblick auf die Ansicht, dass eine sehr inhomogene Judikatur vorläge nicht zu überzeugen. So kann bei sorgfältiger Lektüre des Urteils 6 Ob 124/16b festgestellt werden, dass sich der OGH aufgrund des Vorbringens einer Partei zu dieser Frage selbst äußert. Er legt folglich klar und deutlich dar, dass dem Urteil 1 Ob 161/15f ein nicht vergleichbarer Sachverhalt zugrunde lag, weshalb dieses für den verfahrensgegenständlichen Sachverhalt nicht von Beachtung war.

Des Weiteren erscheint unklar, woraus sich die seitens des Finanzministers kolportierten "inhomogenen Rechtsansichten" ergeben sollen. So teilte das Finanzministerium selbst dem Magistrat Wien in einem Schreiben vom 14.05.2007 mit, dass die verfahrensgegenständlichen Glücksspielautomaten nach Ansicht des Finanzminsters nicht landesbehördlich genehmigt werden durften. So konstatierte das BMF in GZ BMF-18200/0031-VI/1/2007 wörtlich: 

"Da derartig angebotene Action Games in das Glücksspielmonopol des Bundes eingreifen, darf für Glücksspielautomaten, die solche Spielformen anbieten, keine landesgesetzliche Bewilligung erteilt werden."

 

 

Zu Punkt 3:

Der OGH stellte in besagtem Urteil 6 Ob 124/16b wörtlich fest: 

"Die Beklagten können sich – wie ausgeführt – hinsichtlich der konkret eingesetzten Geräte nicht auf eine Konzession oder auf eine gesetzliche Ausnahmebestimmung berufen, sodass § 2 Abs 4 GSpG unmittelbar auf sie anwendbar ist."

Auch die weitestmögliche Interpretation des äußersten Wortsinns vermag in dieser Angelegenheit die Ansicht des Finanzministers nicht zu rechtfertigen. Der OGH stellt vielmehr klar fest, dass eine behördliche Bewilligung für die verfahrensgegenständlichen Glücksspielautomaten nicht vorlag. Eine Ansicht, die auch vom 7. Senat aufrechterhalten wurde. Unklar bleibt damit vielmehr, auf welches Substrat der Finanzminister seine Antwort stützt. 

 

 

Eine durchwegs erstaunliche Koinzidenz tritt jedoch bei näherer Lektüre einer OTS der Novomatic zum Urteil 6 Ob 124/16b zu Tage. Diese lautet wörtlich:

"Das Urteil (6 Ob 124/16b) des Obersten Gerichtshofs (OGH) vom 29. Mai 2017 ist heute bei NOVOMATIC eingetroffen und wird nun im Detail geprüft. Im Zuge einer ersten Durchsicht haben die Anwälte von NOVOMATIC jedoch bereits festgestellt, dass der Senat VI eine Einzelfallentscheidung getroffen hat und von den bisherigen OGH-Entscheidungen abweicht. So hat der OGH die identischen Spielprogramme und den damit verbundenen Betrieb von Glücksspielautomaten beispielsweise in der Steiermark als verwaltungsbehördlich genehmigt und damit als rechtskonform betrachtet.
NOVOMATIC hält fest, dass alle betriebenen Glücksspielgeräte und Spielprogramme sämtlichen Vorgaben des Glücksspielgesetzes entsprachen und mehrfach auch von der Stadt Wien behördlich geprüft und genehmigt wurden. Zudem lagen auch für sämtliche Spielstätten und den damit verbundenen Betrieb von Glücksspielautomaten die behördlichen Genehmigungen vor. Zahlreiche Gutachten gerichtlich beeideter Sachverständiger bestätigen überdies die Zuverlässigkeit der beanstandeten Spiele."

 

Nachdem wie bereits oben dargelegt die Antwort des Finanzministers weder in Einklang mit der ständigen Rechtssprechung des OGH, noch mit den Ansichten seines eigenen Ministeriums zu stehen scheint, fällt auf, dass sich die Anfragebeantwortung in allen wesentlichen Punkten nahezu exakt mit der Pressaussendung der Novomatic deckt. So ist auch in der Presseaussendung die Rede von einer "Einzelfallentscheidung", einem "Abweichen von bisherigen OGH-Entscheidungen" (was getrost mit inhomogener Judikatur gleichgesetzt werden kann) und von der "verwaltungsbehördlichen Genehmigung" der Glücksspielgeräte. 

 

Der Kampf gegen den Versuch unzulässiger Einflussnahmen seitens finanzstarken Großunternehmen auf die politische Willensbildung stellt einen wesentlichen Teil der parlamentarischen Kontrolltätigkeit dar. Dem Verdacht solch einer - zumindest versuchten - Beeinflussung, die anhand der hier am Tisch liegenden Fakten zumindest nicht denkunmöglich scheint, ist folglich dringend nachzugehen. 

 

 

 

Die unterfertigten Abgeordneten stellen daher folgende

Anfrage:

 

1.    Ist Ihnen das Urteil des OGH mit der Geschäftszahl 6 Ob 124/16b inhaltlich bekannt?

2.    Auf welcher faktischen Grundlage beruht Ihre Antwort zur Frage 6 der 1717/AB? Bitte um exakte Anführung der jeweiligen Judikatur und Rechtsansichten zu den einzelnen Punkten.

3.    Inwiefern sind Sie, werter Herr Finanzminister, der Ansicht, dass es sich bei vorliegendem Urteil um eine Einzelfallentscheidung handelt?

4.    Wie erklären Sie sich, dass ein Urteil des OGH, welches Sie als Einzelfallentscheidung bezeichnen, vor Ihrer Beantwortung von einem anderen Senat des OGH bestätigt wurde?

5.    Wie erklären Sie sich, dass ein Urteil des OGH, welches Sie als Einzelfallentscheidung bezeichnen, in entscheidungswesentlichen Punkten die gleiche Fragestellung beinhaltet, wie ein Urteil aus dem Jahre 2013 (6 Ob 118/12i)?

6.    Wie erklären Sie sich, dass das LVwG Wien die entscheidungswesentlichen Punkte als "bis hin zu den Höchstgerichten als gerichtsnotorisch bekannt" bezeichnet, Sie jedoch von einer Einzelfallentscheidung und von einer inhomogenen Judikatur sprechen?

7.    Wenn Sie von inhomogener Judikatur sprechen, meinen Sie dann das von der Novomatic in ihrer Aussendung zitierte Urteil bezüglich der in der Steiermark behördlich genehmigten Glücksspielgeräte? 

a.    Wenn ja, warum sind Sie - im Gegensatz zum OGH - der Meinung, dass dieses Urteil dem Urteil 6 Ob 124/16b widerspricht?

8.    Sofern Sie von inhomogener Judikatur sprechen, welche Entscheidungen widersprechen in concreto dem Spruch des Urteils 6 Ob 124/16b? Führen Sie bitte die konkreten Entscheidungen sowie jene rechtlich als ident zu beurteilenden Sachverhalte an, die verschieden entschieden wurden. 

9.    Was sagen Sie zu Ihrer Anfragebeantwortung im Hinblick auf die über mehrere Jahre hindurchgehende ständige Rechtssprechung zur Überschreitung der in § 4 Abs 2 GSpG (aF) festgelegten Einsatzgrenzen durch sogenannte Action Games (oder ähnlichen Spielvarianten) und der daraus resultierenden Illegalität der Glücksspielgeräte?

10. Kennen Sie das Schreiben des BMF an den Magistrat der Stadt Wien mit der GZ BMF-18200/0031-VI/1/2007?

11. Welchen Inhalt hat dieses Schreiben? 

12. Geht es in diesem Schreiben - wie auch unter anderem in der Entscheidung 6 Ob 124/16b - um die Frage der Gesetzmäßigkeit sogenannter Action Games im Zusammenhang mit einer etwaigen Überschreitung der in § 4 Abs 2 GSpG (aF) festgelegten Höchsteinsatzgrenzen?

13. Wenn Sie in Ihrer Anfragebeantwortung von inhomogenen Rechtsansichten sprechen, inwiefern schenken Sie dabei der Rechtsansicht Ihres eigenen Hauses Beachtung?

14. Weshalb sprechen Sie in Ihrer Anfragebeantwortung von einer landesbehördlichen Bewilligung der Glücksspielautomaten, wenn der OGH in seiner Entscheidung eine solche explizit verneint?

15. Wie erklären Sie sich die Tatsache, dass Ihre Anfragebeantwortung einerseits einer faktischen Grundlage entbehrt, andererseits inhaltsgleich und nahezu wortgleich einer Presseaussendung der Novomatic entspricht? 

16. Hielten Sie selbst oder einer Ihrer mit der Anfragebeantwortung befassten Mitarbeiter bezüglich der Beantwortung dieser Anfrage Rücksprache mit Vertretern der Novomatic oder mit der Novomatic nahestenden Personen (z.B. Gert Schmidt) oder sonstigen Personen, die in Vertragsverhältnissen mit der Novomatic stehen bzw. wirtschaftlich mit der Novomatic – wenn auch nur informell – verbunden sind?

17. Kannten Sie selbst oder eine_r Ihrer mit der Anfragebeantwortung befassten Mitarbeiter_innen die Presseaussendung der Novomatic? 

18. Sofern Ihnen dieser Sachverhalt bis dato nicht bewusst war, welche Maßnahmen planen Sie wann zu ergreifen?

19. Welche Compliancemaßnahmen bestehen in Ihrem Ressort, um eine etwaige Beeinflussung durch finanzstarke, einflussreiche Unternehmen hintanzuhalten? 

20. Wie beurteilen Sie - als für die Erteilung von Glücksspiellizenzen zuständiger Minister - die Zusammenarbeit der Casinos Austria AG mit der Novomatic in Anbetracht dieser Tatsachen?

21. Wie beurteilen Sie - als für die Erteilung von Glücksspiellizenzen zuständiger Minister - die Beteiligung der Novomatic an der Casinos Austria AG in Anbetracht dieser Tatsachen?