3790/J XXVI. GP

Eingelangt am 24.06.2019
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Anfrage

 

der Abgeordneten Dr. Irmgard Griss, Mag. Gerald Loacker, Kolleginnen und Kollegen

an den Bundesministerin für Arbeit‚ Soziales‚ Gesundheit und Konsumentenschutz

betreffend "Therapie statt Strafe"

 

Das BMASGK (Bundesministerium für Arbeit, Soziales, Gesundheit und Konsumentenschutz) ist gemeinsam mit dem BMVRDJ (Bundesministerium für Verfassung, Reformen, Deregulierung und Justiz) zur Durchführung des Maßnahmenprojekts "Therapie statt Strafe" zuständig. Aus der Anfragebeantwortung 924/AB des BMVRDJ und aus den §§ 15 und 16 SMG geht hervor, dass für die Kontrolle der therapeutischen Einrichtungen und für die Sicherstellung der Qualität der Therapien, die therapeutische Einrichtungen im Dienste der Strafjustiz erbringen, das BMASGK zuständig ist.

Moderne Strafrechtspolitik nach dem aktuellen Stand der Wissenschaft wie "Therapie statt Strafe" ist zu begrüßen. Genau deshalb sollte die Wirksamkeit und die Zweckmäßigkeit dieses Programms überprüft werden. Sowohl aus Richterkreisen, von Patientenseite und aus Medienberichten sind Problemfelder aus der Praxis bekannt geworden. Zum Beispiel soll der Zugang zu Suchmitteln in bestimmten therapeutischen Einrichtungen so leicht möglich sein, dass an ihrer Therapie interessierte Untergebrachte die zuständigen Richter brieflich gebeten haben sollen, nicht in der betreffenden Einrichtung therapiert zu werden, weil die Rückfallgefahr so groß sei.

 

Die unterfertigten Abgeordneten stellen daher folgende

Anfrage:

 

1.    Sind dem Bundesministerium Missstände im Zusammenhang mit "Therapie statt Strafe" bekannt? Wenn ja, welche und in welchen Einrichtungen? Um Angabe des Zeitpunkts des Bekanntwerdens wird ersucht.

2.    Wird standardisiert vorgegangen, wenn es Hinweise auf Missstände in therapeutischen Einrichtungen iSd § 15 SMG gibt? Wenn ja, wie wird vorgegangen? Wenn nein, warum nicht?

3.    Werden therapeutische Einrichtungen, mit denen im Zuge von "Therapie statt Strafe" kooperiert wird, regelmäßig kontrolliert und evaluiert?

4.    § 16 (4) SMG ermöglicht die Kontrolle der therapeutischen Einrichtungen. In welchen Zeitabständen und nach welchen Kriterien werden die therapeutischen Einrichtungen kontrolliert?

a.    Wird hier standardisiert vorgegangen? Wenn ja, wie? Wenn nein, warum nicht? Um Auflistung nach dem Zeitpunkt der Kontrolle der jeweiligen Einrichtung und um Bekanntgabe der Ergebnisse wird ersucht.

b.    Die Einrichtungen sind verpflichtet, Einsicht in ihre Aufzeichnungen sowie Besichtigungen an Ort und Stelle zu gestatten. Nimmt das BMASGK diese Möglichkeiten wahr? Wenn ja, bei welchen Einrichtungen und wie oft? Wenn nein, warum nicht?

c.    Informiert das BMASGK das BMVRDJ über die jeweiligen Ergebnisse? Wie oft und wie umfangreich wird berichtet? Wie koordinieren das BMASGK und das BMVRDJ den Informationsaustausch? Wer sind die Schnittstellen?

d.    Die SuchtkoordinatorInnen der Länder sind auch befugt, die therapeutischen Einrichtungen zu überprüfen. In welchem Ausmaß und wie oft berichten die SuchtkoordinatorInnen dem BMASGK? Um eine Auflistung der in den Jahren 2014-2019 besuchten Einrichtungen wird ersucht.

5.    Die Suchtexpertin Gabriele Fischer hat bereits 2015 nach dem Abschluss einer Evaluierungsstudie (der MediUni Wien) von "Therapie statt Strafe" einheitliche Standards für Therapien angeregt, um State of the Art-Qualität der Therapien sicherstellen zu können.

a.    Gibt es einheitliche Standards für die Therapien? Wenn ja, wo sind diese festgeschrieben? Wenn nein, warum nicht?

b.    Gibt es Vergleichskriterien für therapeutische Einrichtungen, die nach § 15 SMG anerkannt wurden? Wenn ja, wo sind diese festgeschrieben? Wenn nein, warum nicht?

c.    Als besorgniserregend bezeichnet Gabriele Fischer folgendes Ergebnis der Studie: Die der Suchterkrankung zumeist zugrunde liegende psychiatrische Grunderkrankung (Depressionen, Angststörungen, Suizidgedanken) würde offenbar weder erkannt noch behandelt. Das führe dazu, dass Suchtkranke nicht aus der Drogenkriminalität ausbrechen können, sondern rückfällig werden und dann in Folge wegen schwerer Delikte ins Gefängnis kommen. Ist dieses Problem bekannt? Wenn ja, was sind die Lösungsansätze?

d.    Des Weiteren regt Gabriele Fischer die Sicherung der Qualität der Fachgutachten an, da Richter ihre Entscheidungen über Therapie oder Gefängnis häufig auf Fachgutachten zur Beurteilung der Schwere der psychiatrischen Suchterkrankung stützen. Ist geplant, entsprechende Maßnahmen zur Qualitätssicherung (eventuell in Kooperation mit dem BMVRDJ) zu setzen? Wenn ja, welche Maßnahmen und wann? Wenn nein, warum nicht?

6.    In einer Fokusgruppe unter Leitung des ÖBIG wurde 1999 und 2000 ein Entwurf für „Richtlinien des BMAGS für die Kundmachung von Drogeneinrichtungen im BGBl“ ausgearbeitet und vom BMVRDJ dazu eine Stellungnahme verfasst (BZ 703.018/83-II.2/2001). Laut Anfragebeantwortung 924/AB ist es Aufgabe des BMASGK, die Richtlinien in Kraft zu setzen. Wann werden die Richtlinien in Kraft treten? Wenn die Richtlinien nicht in Kraft gesetzt werden: Gibt es andere Vergleichskriterien oder ist beabsichtigt, andere Vergleichskriterien festzulegen? Bis wann sollen diese in Kraft treten?

7.    Hat das BMASGK jemals eine Evaluierungsstudie von "Therapie statt Strafe" in Auftrag gegeben? Wenn ja, wann? Was waren die Ergebnisse der Studie? Wenn nein, ist das beabsichtigt?

8.    Welche therapeutischen Einrichtungen hat das BMASGK iSv § 15 SMG anerkannt und jeweils seit wann? Um Auflistung wird ersucht.

9.    Wie viele Personen haben das Programm "Therapie statt Strafe" in welcher therapeutischen Einrichtung erfolgreich abgeschlossen? Um eine Auflistung, gegliedert nach den Jahren 2014-2019 und nach der jeweiligen therapeutischen Einrichtung, wird ersucht.

10. Wie viele Personen haben das Programm "Therapie statt Strafe" in welcher therapeutischen Einrichtung aus welchem Grund abgebrochen? Um eine Auflistung, gegliedert nach den Jahren 2014-2019, nach dem Grund und der jeweiligen therapeutischen Einrichtung wird ersucht.