3791/J XXVI. GP
Eingelangt am 24.06.2019
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Anfrage
der Abgeordneten Dr. Irmgard Griss, Kolleginnen und Kollegen
an den Bundesminister für Verfassung‚ Reformen‚ Deregulierung und Justiz
betreffend „Folgeanfrage: Therapie statt Strafe“
Aus der Anfragebeantwortung zu "Therapie
statt Strafe" (934/J XXVI GP) ging hervor, dass therapeutische
Einrichtungen, die suchtabhängige Straftäter für die Strafjustiz
therapeutisch behandeln, keiner justiziellen Kontrolle unterliegen. Und das,
obwohl der finanzielle Aufwand des BMVRDJ beträchtlich ist: Für das
Maßnahmenpaket "Therapie statt Strafe" wurden im Jahr 2016 rund
8,41 Millionen Euro aufgewendet.
Strafrechtspolitik nach dem aktuellen Stand der Wissenschaft wie "Therapie
statt Strafe" ist begrüßenswert. Genau deshalb sollen die
Wirksamkeit und die Zweckmäßigkeit dieses Programms
überprüft werden. Sowohl aus Richterkreisen als auch von
Patientenseite wird auf Probleme in der Praxis hingewiesen.
Die unterfertigten Abgeordneten stellen daher folgende
1. Medienberichten zufolge gab es Probleme mit therapeutischen Einrichtungen: Des öfteren würden Vereine, die Gutachten über die Eignung der Angeklagten erstellen, am Programm "Therapie statt Strafe" teilzunehmen, im Anschluss mit der Behandlung betraut. In der Anfragebeantwortung 924/AB hieß es, dass dem BMVRDJ keine solchen Fälle bekannt seien.
a. Welche Vorkehrungen bestehen, damit derartige Interessenkonflikte in der Vergangenheit nicht entstehen konnten und auch in Zukunft vermieden werden?
b. Kann nach der
aktuellen Gesetzeslage ausgeschlossen werden, dass Angeklagte jener Einrichtung
für die Therapie zugewiesen werden, die im Strafverfahren das Gutachten erstellt
hat?
2. In welcher Höhe stellt das BMVRDJ Gelder für
"Therapie statt Strafe" zur Verfügung? Um eine Auflistung
gegliedert nach den Jahren 2014-2019 wird ersucht.
3. In der Anfragebeantwortung 924/AB wurden folgende Kriterien für einen Vertragsabschluss mit einer therapeutischen Einrichtung nach § 41 Abs 3 SMG genannt: 1) Eine hohe Anzahl an Klienten einer Einrichtung, die dem Bereich der Justiz zuzuordnen sind und 2) Budgetäre Gründe. Gibt es zusätzliche Kriterien, die für das BMVRDJ für einen Vertragsabschluss mit einer therapeutischen Einrichtung ausschlaggebend sind?
4. Das BMASGK (Bundesministerium für Arbeit, Soziales, Gesundheit und Konsumentenschutz) ist für die Kontrolle der therapeutischen Einrichtungen zuständig. §§ 15, 16 SMG sehen vor, dass therapeutische Einrichtungen dem BMASGK jedes Jahr einen schriftlichen Bericht über ihre Tätigkeit vorlegen müssen. Darüber hinaus müssen eine Einsicht in die Aufzeichnungen sowie Besichtigungen an Ort und Stelle gestattet werden.
a. Wie ist der
Austausch zwischen dem BMVRDJ und dem BMASGK koordiniert und
gestaltet? Wie umfangreich wird berichtet?
b. In welchen Zeitabständen berichtet das BMASGK dem BMVRDJ
über die Ergebnisse der Evaluierungen?
c. Welche Schnittstellen und Ansprechpersonen gibt es?
d. Die SuchtkoordinatorInnen der Länder sind auch befugt, die
therapeutischen Einrichtungen zu überprüfen. In welchem Ausmaß
und wie oft berichten die SuchtkoordinatorInnen dem BMVRDJ? Um Auflistung
der in den Jahren 2014-2019 geprüften Einrichtungen wird ersucht.
5. Medienberichten zufolge hat das BMVRDJ "Therapie statt Strafe" im Jahre 2010 in einer Studie evaluieren und untersuchen lassen.
a. Was war Gegenstand
der Untersuchung?
b. Was waren die Ergebnisse der Untersuchung?
a. Wurde in der Zwischenzeit eine weitere vergleichbare Untersuchung von
"Therapie statt Strafe" durchgeführt oder in Auftrag gegeben?
Wenn ja, was waren der Gegenstand und die Ergebnisse der Untersuchung? Wenn nein,
warum nicht?
6. Wie viele Personen haben das Programm "Therapie statt Strafe"
in welcher therapeutischen Einrichtung erfolgreich abgeschlossen? Um eine
Auflistung, gegliedert nach den Jahren 2014-2019 und nach der jeweiligen
therapeutischen Einrichtung, wird ersucht.
7. Wie viele Personen haben das Programm "Therapie statt Strafe"
in welcher therapeutischen Einrichtung abgebrochen? Um eine Auflistung,
gegliedert nach den Jahren 2014-2019 und nach der jeweiligen therapeutischen
Einrichtung, wird ersucht.
8. Wie viele Personen sind nach Abschluss des Programms "Therapie
statt Strafe" in welcher therapeutischen Einrichtung wieder
rückfällig geworden? Um eine Auflistung, gegliedert nach den Jahren
2014-2019 und nach der jeweiligen therapeutischen Einrichtung, wird ersucht.
9. Dem Betroffenen muss erst "Therapieunwilligkeit" (vgl. § 38 Abs 1 Z 2 SMG) nachgewiesen werden, bevor die Haftstrafe (statt der Therapie) angetreten werden muss. Dieser Nachweis hätte sich Richtern zufolge in der Praxis allerdings als nahezu unmöglich herausgestellt. Der Klient müsse die Therapie über einen längeren Zeitraum konsequent verweigern, damit dem Gesetz nach "Therapieunwilligkeit" nachweisbar ist. Das "Schwänzen" von Therapiesitzungen allein reiche für die geforderte "Therapieunwilligkeit" nicht aus. Dies führte in einem Fall dazu, dass einem Räuber die Flucht gelang, obwohl er für die Justiz greifbar gewesen wäre. Diese konnte aber nicht zügig aktiv werden, da die "Therapieunwilligkeit" -wie bereits ausgeführt - schwer nachweisbar sei. Ist eine Nachschärfung des Gesetzes geplant, um ähnlichen Fällen vorzubeugen?
10. Nach der aktuellen Rechtslage können nur bei substanzbezogener Sucht Therapien angeordnet werden. Gibt es Überlegungen für eine Ausweitung auf Verhaltenssucht (Kaufsucht, Spielsucht, Onlinesucht)? Dem Strafrechtler Alois Birklbauer zufolge besteht auch bei Verhaltenssucht ein Zusammenhang mit kriminellem Verhalten.