3819/J XXVI. GP

Eingelangt am 02.07.2019
Dieser Text ist elektronisch textinterpretiert. Abweichungen vom Original sind möglich.

Anfrage

der Abgeordneten Univ.-Prof. Dr. Alfred J. NolI, Kolleginnen und Kollegen, an den Bundesminister für Verfassung, Reformen, Deregulierung und Justiz betreffend Missstände in Außerstreitverfahren im Streit um die Obsorge Jugendlicher am Bezirksgericht Döbling.

Der Liste JETZT wurden Umstände in einer Obsorgeangelegenheit um zwei junge Burschen (B. geb.: März 2007 und L. geb.: 24.11.2003) bekannt, die am 31.5.2017 vom Jugendamt in Wien (MA 11) ihren Eltern - durch Abholung direkt aus dem Schulunterricht und Verbringung in ein Kriseninterventionszentrum - wegen der Anschuldigung des L. - gegenüber einer Lehrerin - gegen seinen Vater, gegen seine Kinder Gewalt auszuüben, entzogen wurden (BG Döbling GZ 2 PS 148/12y).

Zunächst teilte das Jugendamt den Eltern mit, man werde diese Vorwürfe rasch abklären und die Eltern sollten sich mit der Fremdunterbringung einverstanden erklären. Das haben die Eltern im Lichte der Zusagen und unter Schock auch getan.

Das Jugendamt beruft sich auf diese Zustimmung, obwohl der Oberste Gerichtshof (OGH) in 7 Ob 189/15t klargestellt hat, dass nur ein ordentliches gerichtliches Verfahren sicherstellen kann, dass die Eltern freiwillig zustimmen.

Das Jugendamt hat sich auf „Gefahr in Verzug für das Kindeswohl“ berufen, jedoch - entgegen § 211 ABGB (Antrag bei Gericht binnen 8 Tagen erforderlich) - erst am 29.6.2017 die gerichtliche Genehmigung der Maßnahme und die Übertragung der Vollen Pflege und Erziehung auf das Jugendamt beantragt.

Die Eltern haben fristgerecht beantragt, dem Antrag des Jugendamtes nicht stattzugeben und die Obsorge bei den Eltern zu belassen. In eventu wurde beantragt, die Pflege und Erziehung der mütterlichen Großmutter zu übertragen.

Die zuständige Richterin hat bis heute (!) über diese Anträge offenbar keine Entscheidung getroffen. Das Jugendamt hat - entgegen § 24 Abs 3 WKJHG 2013 - ein Formular, das die gesetzlich aufgezählten Erkenntnisquellen vorgibt (MA 11 Formular SR 216a-01/2017) - nicht ausgefüllt - dem Gerichtsakt beigefügt. Die von den Eltern geführten zahlreichen Zeugen wurden nie einvernommen.

Die beiden Buben wurden vielmehr am 28.8.2018 in eine Sozialpädagogische Wohngemeinschaft nach Eggendorf in der Steiermark (!) verbracht. L. wurde, nachdem er das 14. Lebensjahr erreicht hatte, von der zuständigen Richterin einvernommen, er hat sie aufgeklärt, dass er seinen Vater aus Ärger falsch           beschuldigt habe und nun nur mehr rasch zu seinen Eltern zurückwolle. Dem hat das Gericht letztlich stattgegeben.

Der Bruder B. verblieb jedoch in der genannten Wohngemeinschaft.

Über eine am 26.1.2018 beantragte Ablehnung der zuständigen Richterin hat die Vorsteherin des Bezirksgerichtes erst nach 2 ½ Monaten entschieden. Ein Rekurs   der Eltern gegen die Bestellung eines Sachverständigen vom 26.1.2018 wurde dem Rekursgericht erst nach 4 ½ Monaten am 11.6.2018 vorgelegt.

Im Frühjahr 2018 eskalierte die Situation für B., der - nunmehr ohne Bruder - in der Wohngemeinschaft verblieben war. Er wurde in der WG von anderen Kindern  bedroht, es herrschte Chaos und er äußerte oftmals - gegenüber den Betreuern, seinem Lehrer und gegenüber dem Leiter des Jugendamtes - dass er von seinem Vater nicht geschlagen wurde, die Gefährdungsmeldung nur auf eine Lüge des Bruders zurückgehe und er sofort zu seinen Eltern nach Hause wolle. In einem Telefonat sagt der Leiter des Jugendamtes zu B. sinngemäß, dass es nicht mehr um die Frage der Gewalt des Vaters gegen die Söhne gehe, sondern nur darum, dass sich die Eltern von B. gegenüber dem Jugendamt „kooperativ“ zeigen müssten, damit B. wieder nach Hause dürfe.

Am 27.4.2018 wurde B. - aufgrund einer Selbstmorddrohung - ambulant der Jugendpsychiatrie in Graz vorgestellt. Die Betreuungsempfehlung der Ärzte lautete: „Weiterführung der Maßnahmen zur Rückführung in die Familie". Die Eltern brachten unzählige Gefährdungsmeldungen beim BG Döbling ein (10.4.2018, 11.4.2018, 17.4.2018, 26.4.2018, 8.5.2018, 16.5.2018, 16.5.2018), die jedoch die zuständige Richterin zu keinerlei Handlungen bewegten.

Am 27.9.2018 fand im Presseclub Concordia um 10.00 eine Pressekonferenz von JETZT Liste Pilz unter Teilnahme von Dr. Peter Kolba (Leiter des Team  Bürgerrechte) und dem Vater von B. statt. Am Vortag war die Wohngemeinschaft in Eggendorf überraschend (?) geschlossen worden. B. wurde am 27.9.2018 nach   Wien zum Kriseninterventionszentrum überstellt, ist jedoch seinen Betreuern entwischt und zunächst mit unbekanntem Aufenthalt geflohen. Inzwischen hält sich   B. - mit Wissen von Jugendamt und Gericht - bei der väterlichen Tante in Ungarn   auf, die ungarische Behörde hat der Tante auch die Obsorge übertragen.

Im genannten Akt finden sich „Aktenvermerke“ der Richterin, die die aufgezeichnete Pressekonferenz am 27.9.2018 sowie Aktivitäten von Dr. Peter Kolba als Leiter des Team Bürgerrechte von JETZT Liste Pilz auf facebook und Twitter über Tage hinweg dokumentieren. Die gegen Vater und Mutter eingeleiteten Strafverfahren wegen         § 107b StGB (209 St 219/17h) und wegen § 195 StGB (208 St 212/18y) wurden inzwischen längst von der Staatsanwaltschaft eingestellt.

Am 14.6.2019 haben die Eltern eine Eingabe an das BG Döbling via E-Mail eingebracht und den Antrag auf Einstellung des Verfahrens gestellt.

Darauf antwortete die aktführende Richterin: „Sehr geehrte Damen und Herrn, nach den Bestimmungen der Geschäftsordnung sind Eingaben von Verfahrensparteien im Postweg einzubringen oder bei der Einlaufstelle des Gerichtes abzugeben. An

Entscheidungsorgane übermittelte E-Mails können grundsätzlich nicht bearbeitet werden. Mit freundlichen Grüße........................... Diese E-Mail ist im Gerichtsakt nicht katalogisiert."

Dagegen finden sich unzählige Eingaben des Jugendamtes, die ebenfalls via E-Mail eingebracht und sehr wohl zum Akt genommen wurden.

B. hat in Ungarn die Schule besucht und hat nun Sommerferien. B. will nichts lieber, als wieder zu seiner Familie in Wien zurückzukehren. Die Sommerferien wären dafür ein sehr geeigneter Zeitpunkt, könnte B. doch im Herbst in Wien den Schulbesuch fortsetzen. Bevor jedoch das genannte Obsorgeverfahren nicht endgültig eingestellt ist, müssen die Eltern von B. befürchten, dass das Jugendamt sich erneut - ohne rechtliche Grundlage (Beschluss des Gerichtes) - des B. bemächtigt und ihn wieder in eine neue sozialpädagogische Einrichtung verbringt.

Dieser Fall hat sowohl in österreichischen als auch in ungarischen Medien für viel Aufsehen gesorgt. Daher besteht ein öffentliches Interesse die Umstände dieses Falles aufzuklären und insbesondere aufzuklären, ob die Entziehung der Obsorge regelmäßig ohne Einhaltung gesetzlicher Grundlagen und mit solch langen Verfahrensdauern stattfinden.

Es wird daher hiermit an den zuständigen Bundesminister im Hinblick auf seine im StAG und BMG vorgesehene Aufsichtszuständigkeit in der oben bezeichneten Rechtssache die folgende

Anfrage

gerichtet:

1)   Gibt es im Akt BG Döbling GZ 015 2 PS 148/12y zwischen 29.6.2017 und heute einen gerichtlichen Beschluss, der die Volle Pflege des Buben B. von den leiblichen Eltern auf die MA 11 Jugendamt der Stadt Wien überträgt?

a.    Wenn ja, welche Ordnungsnummer hat der Beschluss?

i.    Wann ist der Beschluss ergangen?

ii.    Ist der Beschluss rechtskräftig?

b.    Wenn nein, weshalb ist bis heute über die Obsorge über B. keine Entscheidung getroffen worden?

2)    Ist eine Verfahrensdauer bei Obsorgefragen von 2 Jahren ohne Entscheidung üblich?

a.    Wie ist eine so lange Verfahrensdauer mit der gesetzlichen Vorgabe zu vereinbaren, dass solche Verfahren möglichst rasch zu führen sind?

3)    Ist eine Entscheidungsdauer von 2 ½ Monaten über einen Antrag zur Ablehnung der aktführenden Richterin an Bezirksgerichten üblich?

 

4)    Wäre es zulässig,gerade in Obsorgeverfahren, wenn neben einem  Rechtsmittel auch die Ablehnung der Richterin beantragt wird, den Akt sofort dem Rechtsmittelgericht vorzulegen und die Entscheidung über die Ablehnung derweilen anhand einer Aktenkopie zu treffen?

 

5)    Ist es in Obsorgeverfahren üblich, dass für die Vorlage eines Rechtsmittels beim Instanzgericht 4 ½ Monate benötigt werden?

 

6)    Gibt es Bestrebungen, die Dauer zu minimieren?

 

7)    Wieso wurde B. entgegen der Vorschrift des § 105 Abs 1 AußStrG - solange   er für das Gericht in Österreich erreichbar war - von der aktführenden   Richterin nicht persönlich einvernommen?

 

8)    Ist es Aufgabe des Bezirksgerichtes in einem Obsorgeverfahren minutiöse Nachforschungen und Aufzeichnungen über die Aktivitäten Dritter, nicht am Verfahren beteiligter Personen, in Form von Aktenvermerken zu führen?

a.  Welchen Sinn soll diese Vorgangsweise haben?

b.  Hat hier das Gericht seinen Aufgabenbereich überschritten?

 

9)    Ist es zulässig, Eingaben an das Gericht auch via E-Mail zu machen?

a.    Wenn nein, bezieht sich das in Obsorgeverfahren nur auf die Eltern oder auch auf das Jugendamt?

b.    Wie ist mit solchen Eingaben, wenn Sie dennoch erfolgen, umzugehen?

c.    Ist es nicht eine Schikane, Eingaben des Jugendamtes via E-Mail ohne Probleme zum Akt zu nehmen, diese Möglichkeit den Eltern aber zu verweigern?

 

10) Welche Maßnahmen werden Sie setzen, um allenfalls in dieser Sache festgestellte Mängel der Gerichtsbarkeit (kein ordentliches Beweisverfahren, kein Beschluss, überlange Verfahrensdauer, ... ) abzustellen?

11) Welche Möglichkeiten sehen Sie, dass der Minderjährige B. so rasch wie möglich wieder zu seinen Eltern und Brüdern in Wien ziehen kann, ohne davon bedroht zu sein, wieder in Fremdunterbringung zu landen?