3950/J XXVI. GP
Eingelangt am 17.07.2019
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Anfrage
der Abgeordneten Dr. Irmgard Griss, Kolleginnen und Kollegen
an den Vizekanzler und Bundesminister für Verfassung‚ Reformen‚ Deregulierung und Justiz
betreffend Effektivität des "Whistleblower - Systems" der WKStA
Das Bundesministerium für Justiz hat 2013 bei der Wirtschafts- und Korruptionsstaatsanwaltschaft ein Wistleblower-System eingerichtet.
Die Einrichtung wurde wie folgt
begründet: „Aufgrund der weitreichenden negativen Auswirkungen von
Wirtschaftskriminalität und Korruption mit einem jährlichen Schaden
im Bereich von hunderten Millionen Euro machte es sich das Bundesministerium
für Justiz zum Ziel, neue Strategien und Maßnahmen zu entwickeln, um
die Effektivität der Strafverfolgung zu erhöhen. Gerade aber
Fälle von Wirtschaftskriminalität und Korruption sind geprägt
von abgeschlossenen und konspirativen Täterkreisen, Zweiseitigkeit,
Geheimhaltung und wechselseitigen Abhängigkeiten sowie (bei Korruption)
vom Fehlen von an einer Strafverfolgung interessierten Opfern. Derartige
kriminelle
Strukturen können vielfach nur dann aufgebrochen werden, wenn aussagewilligen
Beteiligten ein hinreichender Anreiz zur Kooperation mit den
Strafverfolgungsbehörden geboten
wird.
Um den Strafverfolgungsbehörden zum Aufbrechen derart verwobener krimineller Strukturen ein weiteres Werkzeug in die Hand zu geben, hat das Bundesministerium für Justiz am 20. März 2013 (zunächst für eine Probezeit) bei der Zentralen Staatsanwaltschaft zur Verfolgung von Wirtschaftsstrafsachen und Korruption (kurz: Wirtschafts- und Korruptionsstaatsanwaltschaft) ein speziell für Ermittlungen im Bereich der Wirtschafts- und Korruptionsdelikte geeignetes internetbasiertes anonymes Anzeigesystem eingerichtet."
(Quelle: Informationsbroschüre
"Mediengespräch 2016 DAS BKMS®-
HINWEISGEBERSYSTEM" abgerufen unter https://www.justiz.gv.at/web2013/file/2c9484853d643b33013d8860aa5a2e59.de.0/informationsbrosch%C3%BCre%20zum%20hinweisgebersystem.pdf)
Das Business Keeper Monitoring System (BKMS-System) ermöglicht es der Staatsanwaltschaft, bei den anonymen Hinweisgebern unter Wahrung der Anonymität und Objektivität nachzufragen. In letzter Zeit gab es Korruptionsvorwürfe und den Vorwurf nicht gesetzeskonformer Auftragsvergaben in verschiedenen Energieversorgungs- und Bauunternehmen. Damit stellt sich die Frage nach der Wirksamkeit des BKMS-Systems.
Die unterfertigten Abgeordneten stellen daher folgende
Teil I: Allgemeine Statistik
Für die Jahre seit 2014 wird um folgende statistische Daten ersucht: (Angabe nach einzelnen Jahren)
1. Wie viele anonyme Anzeigen wurden über das BKMS-System jeweils eingebracht?
2. Wie werden die Anzeigen bearbeitet?
3. Werden die Hinweisgeber über die weitere Vorgehensweise der WKStA in Kenntnis gesetzt?
a. Wenn ja, wie?
b. Wenn nein, weshalb nicht?
4. Wie lange dauert die durchschnittliche Bearbeitung einer anonymen Anzeige?
5. Wie viele der über das BKMS-System eingebrachten Anzeigen blieben gänzlich unbearbeitet?
6. In wie vielen Fällen von über das BKMS-System eingebrachten Anzeigen wurde das Verfahren nach Überprüfung eines Anfangsverdachts unmittelbar (ohne Erkundigungen und ohne Ermittlungen) eingestellt?
7. In wie vielen Fällen von über das BKMS-System eingebrachten Anzeigen kam es zu formlosen Erkundigungen?
8. In wie vielen Fällen von über das BKMS-System eingebrachten Anzeigen kam es zu einem Kontakt mit dem Hinweisgeber über das BKMS?
9. In wie vielen Fällen von über das BKMS-System eingebrachten Anzeigen kam es zu einem Kontakt mit dem Hinweisgeber in anderer Form?
10. In wie vielen Fällen von über das BKMS-System eingebrachten Anzeigen kam es zur Einleitung eines Ermittlungsverfahrens durch
a. die WKStA?
b. eine andere örtlich zuständige Staatsanwaltschaft? (Um Aufgliederung nach OLG Sprengeln wird ersucht.)
11. In wie vielen Fällen von über das BKMS-System eingeleiteten Verfahren wurde nach einem Ermittlungsverfahren Anklage erhoben?
12. In wie vielen Fällen von über das BKMS-System eingeleiteten Verfahren kam es im staatsanwaltschaftlichen Verfahren zu einer Diversion?
13. In wie vielen Fällen von über das BKMS-System eingeleiteten Verfahren wurde das Verfahren eingestellt?
14. In wie vielen Fällen von über das BKMS-System eingeleiteten Verfahren kam es im Hauptverfahren zu einer Verurteilung?
15. In wie vielen Fällen von über das BKMS-System eingeleiteten Verfahren kam es im Hauptverfahren zu einem Freispruch?
16. In wie vielen Fällen von über das BKMS-System eingeleiteten Verfahren kam es im Hauptverfahren zu einer Diversion?
Teil II: Konkreter Fall
Bei einer anonymen Anzeige mit der Referenznummer 10212 vom 05. Oktober 2018 mit dem Titel "Dubiose Auftgagsvergaben bei der xxxxxxxxxxxx" (die mit einer an-gegebenen Gesamtschadenssumme 1 Mio. bis 5 Mio. Euro beziffert wurde) die fragwürdigen Auftragsvergaben bei einem Energieversorgungsunternehmen thematisiert, ergeben sich folgende Fragen:
1. Wie und wann wurde der Akt bearbeitet? (Um Angabe der einzelnen Arbeitsschritte sowie Zeitpunkt der Bearbeitung wird ersucht.)
2. Wurden bei dieser Anzeige jemals informelle Erkundigungen durchgeführt?
a. Wenn ja, worin bestanden diese Erkundigungen?
b. Wenn nein, weshalb nicht?
3. Wurde mit dem Hinweisgeber über das BKMS Kontakt aufgenommen?
4. Wurde mit dem Hinweisgeber auf anderen Wegen Kontakt aufgenommen?
5. Wurden Ermittlungen aufgenommen?
a. Wenn ja, laufen die Ermittlungen noch und wie ist ihr derzeitiger Stand?
b. Wenn nein, warum nicht?
6. Wurde der Hinweisgeber über den Stand der Ermittlungen in Kenntnis gesetzt?
a. Wenn nein, warum nicht?