4094/J XXVI. GP

Eingelangt am 09.08.2019
Dieser Text ist elektronisch textinterpretiert. Abweichungen vom Original sind möglich.

Anfrage

der Abgeordneten Daniela Holzinger-Vogtenhuber, Freundinnen und Freunde

an die Bundesministerin für Arbeit, Soziales, Gesundheit und Konsumentenschutz betreffend Umgeschulte Linkshändigkeit (ULH)

Begründung

Die zwangsweise Umschulung der Händigkeit ist eine Körperverletzung. Eine umgeschulte Linkshän­digkeit (ULH) kann zu schwerwiegenden gesundheitlichen Konsequenzen führen. So zählen Konzent­rations- und Gedächtnisstörungen, Legasthenie-Fehler, rasches Ermüden, mentale Probleme bis hin zum Stottern zu den gesundheitlichen Folgen einer Umschulung der Händigkeit.[1] Trotz der großen Anzahl an LinkshänderInnen wird diesem Thema in Österreich kaum Beachtung geschenkt.

Im Frühjahr 2018 und Anfang 2019 führte die „Gesellschaft umgeschulter Linkshändiger" Erhebungen an Oberösterreichs VS, NMS, PTS durch. Es wurde ein Anteil von 10-11% linkshändig schreibender Schulkinder an den Pflichtschulen in Oberösterreich ermittelt.[2] Es wird vermutet, dass dieser Wert für Gesamtösterreich zutrifft. Vor allem für Schulkinder kann eine zwangsweise Umschulung der Händigkeit zu ungleichen Bildungschancen führen. So wurde in einer österreichischen Studie nach­gewiesen, dass Links- und RechtshänderInnen, die ihre dominante Hand zum Schreiben verwenden, gleiche Bildungschancen aufweisen. Umgeschulte LinkshänderInnen weisen jedoch im Durchschnitt wesentlich schlechtere Schulerfolge auf.[3]

Auch der österreichische Bildungsexperte Andreas Salcher weist auf die schwerwiegenden gesund­heitlichen Konsequenzen einer zwanghaften Umschulung der Händigkeit hin: „Obwohl Linkshänder heute nicht mehr als abnorm gelten, werden aus vielen unbewussten Linkshändern bereits im Kinder­garten Pseudorechtshänder, was zu schweren gesundheitlichen Schäden führen kann."[4]

Die einschlägige Literatur schätzt den angelegten linkshändigen Anteil auf 20-30% der Bevölkerung und dass rund 10-15% der erwachsenen Menschen in Österreich umgeschulte Linkshänder sind.[5] Über den tatsächlichen Anteil von angelegten LinkshänderInnen in Österreich liegen noch keine end­gültig gesicherten Zahlen vor und manche Experten gehen von einem angelegten Linkshänderanteil von 50% aus.[6] Diese Zahlen verdeutlichen den dringenden Handlungs- und Klärungsbedarf.

Trotz der scheinbaren Liberalisierung des Handgebrauches ist die ULH in Österreich noch immer ein weit verbreitetes und kaum beachtetes Problem. Insbesondere begabte linkshändig veranlagte Kin­der lernen häufig, durch das Nachahmungsverhalten, mit der nicht dominanten Hand schreiben.

LehrerInnen, KindergärtnerInnen und Eltern müssen daher dringend aufgeklärt und sensibilisiert werden. Die Nutzung der dominanten Hand für die komplexeste manuelle Tätigkeit, das Schreiben, muss von Grund auf aktiv gefördert werden. Dafür ist es unerlässlich, dass die zuständigen Behörden entsprechende Maßnahmenpakete erarbeiten.

Gleichzeitig muss das Angebot, das eine professionell begleitete Rückschulung auf die dominante Hand ermöglicht, ausgebaut werden. Eine Rückschulung auf die dominante Hand bedeutet nicht zuletzt häufig eine Verbesserung der Lebensqualität der Betroffenen.

Die Tragweite für die Betroffenen, den Staat und die Gesellschaft gebietet das unverzügliche Han­deln. ULH gilt als Körperverletzung und muss daher aktiv unterbunden werden.

Die unterfertigenden Abgeordneten stellen daher folgende

Anfrage:

1)      Liegen Ihnen gesicherte Zahlen vor, wie viele linkshändig Veranlagte in Österreich leben?

a.       Falls ja, bitte um Auflistung nach Bundesländern.

b.      Falls ja, mit welcher Methode wurden diese Zahlen erhoben?

c.       Falls ja, halten Sie diese Methode für ausreichend valide, um repräsentative Zahlen für Österreich zu erheben?

d.      Falls nein, haben Sie vor, diese Zahlen zu erheben?

i.         Falls nein, warum nicht?

2)      Liegen Ihnen gesicherte Zahlen vor, wie viele praktizierende LinkshänderInnen in Österreich leben?

a.       Falls ja, bitte um Auflistung nach Bundesländern.

b.      Falls ja, mit welcher Methode wurden diese Zahlen erhoben?

c.       Falls ja, halten Sie diese Methode für ausreichend valide, um repräsentative Zahlen für Österreich zu erheben?

d.      Falls nein, haben Sie vor, diese Zahlen zu erheben?

i.       Falls nein, warum nicht?

3)      Liegen Ihnen gesicherte Zahlen vor, wie viele praktizierende LinkshänderInnen im erwerbsfä­higen Alter in Österreich leben?

a.       Falls ja, bitte um Auflistung nach Bundesländern.

b.      Falls ja, mit welcher Methode wurden diese Zahlen erhoben?

c.       Falls ja, halten Sie diese Methode für ausreichend valide, um repräsentative Zahlen für Österreich zu erheben?

d.      Falls nein, haben Sie vor, diese Zahlen zu erheben?

i.      Falls nein, warum nicht?

 

4)   Liegen Ihnen gesicherte Zahlen vor, wie viele Personen unter 18 Jahren in Österreich prakti­zierende Linkshänder sind?

a.     Falls ja, bitte um Auflistung nach Bundesländern.

b.    Falls ja, mit welcher Methode wurden diese Zahlen erhoben?

c.          Falls ja, halten Sie diese Methode für ausreichend valide, um repräsentative Zahlen für Österreich zu erheben?

d.         Falls nein, haben Sie vor, diese Zahlen zu erheben?

i.       Falls nein, warum nicht?

 

5)      Liegen Ihnen gesicherte Zahlen vor, wie viele umgeschulte LinkshänderInnen in Österreich leben?

a.       Falls ja, bitte um Auflistung nach Bundesländern.

b.      Falls ja, mit welcher Methode wurden diese Zahlen erhoben?

c.       Falls ja, halten Sie diese Methode für ausreichend valide, um repräsentative Zahlen für Österreich zu erheben?

d.      Falls nein, haben Sie vor, diese Zahlen zu erheben?

i.      Falls nein, warum nicht?

6)      Wie viele Personen, die Alphabetisierungskurse in Österreich besuchen, sind umgeschulte LinkshänderInnen?

a.    Falls Ihnen keine Zahlen vorliegen, werden Sie diese erheben?

i.    Falls nein, warum nicht?

7)      Welche Informationen, Hinweise, Handlungsempfehlungen und Broschüren zur ULH wurden seitens des BMASGK publiziert? (Bitte um genaue Auflistung nach Art der Information und Erscheinungsjahr.)

8)      Welche Maßnahmen sind von Ihnen geplant, um zu verhindern, dass Kinder durch das Nach­ahmungsverhalten mit der nicht dominanten Hand schreiben lernen?

a.      Falls keine Maßnahmen geplant sind, warum nicht?

9)      Welche Maßnahmen sind derzeit in Kraft um Betroffene über das Thema „Händigkeit" zu in­formieren?

a.       Falls keine Maßnahmen in Kraft sind, warum nicht?

b.      Falls keine Maßnahmen in Kraft sind, sind Maßnahmen geplant?

i.      Falls ja, welche Maßnahmen sind geplant?

10)   Welche Maßnahmen sind derzeit in Kraft um Eltern zum Thema „Händigkeit" zu informieren?

a.       Falls keine Maßnahmen in Kraft sind, warum nicht?

b.      Falls keine Maßnahmen in Kraft sind, sind Maßnahmen geplant?

i.     Falls ja, welche Maßnahmen sind geplant?

11)   Wird das Thema „Händigkeit" in den Ausbildungslehrplänen für ÄrztInnen berücksichtigt?

a.       Falls nein, haben Sie vor, dies zu ändern?

b.      Falls ja, sehen Sie trotzdem weiteren Handlungsbedarf?

12)   Welche Maßnahmen und Unterstützungsleistungen sind für Betroffene geplant, die mit der nicht dominanten Hand schreiben, um die Manifestation zahlreicher in der Literatur be­schriebener gesundheitlicher Folgen zu vermeiden?

a.       Falls keine Maßnahmen geplant sind, warum nicht?

13)   Welche Maßnahmen sind geplant, um eine Rückschulung auf die dominante Hand professio­nell und medizinisch sinnvoll zu begleiten?

a.       Falls keine Maßnahmen geplant sind, warum nicht?

14)   Sehen Sie Handlungsbedarf, um das Angebot für professionell unterstützte Rückschulungen in Österreich zu erhöhen?

a.       Falls nein, warum nicht?

b.      Falls nein, bitte um genaue Auflistung der Anlaufstellen für Betroffene nach Bundes­ländern.

15)  Sehen Sie Bedarf, das Reha-Angebot für umgeschulte LinkshänderInnen in Österreich auszu­bauen?

a.         Falls nein, warum nicht?

b.         Falls nein, welche speziellen Reha-Angebote werden in Österreich angeboten?

16)   Wie viele LinkshänderberaterInnen gibt es in Österreich?

17)   Werden Sie sich dafür einsetzen, dass es finanzielle Unterstützung für Betroffene bei der Rückschulung auf die dominante Hand geben wird?

a.       Falls nein, warum nicht?

18)  Werden Sie sich dafür einsetzen, dass das Austesten der Händigkeit als fixer Bestandteil in den Leistungskatalog im Mutter-Kind-Pass aufgenommen wird?

a.       Falls nein, warum nicht?

b.      Falls ja, warum?

19)   Liegen Ihnen Zahlen vor, wie viele NEET(Not in Education, Employment or Training)-Personen von ULH betroffen sind?

a.       Falls nein, werden Sie diese Zahlen erheben?

i.       Falls nein, warum nicht?

20)   Liegen Ihnen Zahlen vor, in wie vielen Fällen von ULH-typischen Beschwerden (Legasthenie, Lernschwäche, Konzentrationsstörungen, Stottern, Depressionen, etc.) tatsächlich ein ULH- Hintergrund vorliegt?

a.       Falls nein, werden Sie diese Zahlen erheben?

21)   Werden Sie sich für eine verstärkte Zusammenarbeit mit den zurzeit agierenden Betroffe- nenverbänden, Interessensvertretungen und Selbsthilfegruppen, sowie für deren finanzielle Unterstützung einsetzen?

a.      Falls nein, warum nicht?


 



[1] https://www.derstandard.at/story/2000042759166/links-in-einer-rechtshaendigen-welt.

[2] Auskunft der „Gesellschaft umgeschulter Linkshändiger" - www.gesulh.at.

[3] Dr. Peter Böhm „Studie zur Frage der Umstellung von Linkshändern", Dissertation, Universität Wien, 2002.

[4] Dr. Andreas Salcher „Der talentierte Schüler und seine Feinde", Ecowin-Verlag, Salzburg, 2008.

[5]  https://www.eltern-bildung.at/expert-inn-enstimmen/linkshaendigkeit-aus-der-sicht-eines-neuropsychologen/.

[6] J.B..Sattler "Der umgeschulte Linkshänder oder der Knoten im Gehirn", Auer Verlag, 2013; https://www.swp.de/suedwesten/staedte/geislingen/_jeder-zweite-ist-ein-linkshaender_-20507039.html.