978/J XXVI. GP

Eingelangt am 05.06.2018
Dieser Text ist elektronisch textinterpretiert. Abweichungen vom Original sind möglich.

Anfrage

 

der Abgeordneten Walter Bacher
Genossinnen und Genossen

an den Bundesminister für Verfassung, Reformen, Deregulierung und Justiz
betreffend mögliches EU-Verfahren wegen mangelnder Umsetzung der Datenschutz Grundverordnung in Österreich sowie bedenkliches antieuropäisches Verständnis dieser Bundesregierung

Die Tageszeitung der Standard titelte in seiner Ausgabe vom 2. und 3. Juni 2018 auf Seite 1 wie folgt:

Österreich droht EU-Verfahren wegen Datenschutzes

Der Untertitel lautete:

Verfassungsdienst beklagt mangelnde Einbindung bei DSGVO-Gesetzen

Laut Bericht des Standards langte am 8. Mai 2018 ein Brief der zuständigen EU-Kommissarin Vera Jourova bei Bundesminister Dr. Josef Moser ein, der unter anderem für den Bereich Datenschutz laut Bundesministeriengesetz zuständig ist. In diesem äußert sie Bedenken über die Vereinbarkeit einige Bestimmungen des Datenschutzgesetzes in der Fassung des Datenschutz­Anpassungsgesetzes 2018 und des Datenschutz-Deregulierung-Gesetzes 2018 mit der Datenschutz-Grundverordnung. Es ist daher davon auszugehen, dass zeitnah nach dem 25. Mai 2018 ein Vertragsverletzungsverfahren gegen Österreich bezüglich der genannten Regelungen angestrengt werden wird.

Es handelt sich dabei um Ausnahmebestimmungen und Verwässerungen im österreichischen Recht im Vergleich zur Datenschutzgrundverordnung, die durchaus als Klientelpolitik bezeichnet werden können. Auch bei der Ahndung will man besonders sanft sein, auch hier werden die klaren Regelungen der Datenschutzgrundverordnung durch einen Grundsatz „Verwarnen statt strafen“ aufgeweicht. Damit entsteht nicht nur eine Abweichung von der Datenschutzgrundverordnung, sondern durch die unklare Formulierung auch darüber hinaus Rechtsunsicherheit, was im Bereich von Sanktionen auch aus verfassungsrechtlichen Grundsätzen äußerst fragwürdig ist.

Auslöser dieser Situation war ein Abänderungsantrag der Abgeordneten Eva-Maria Himmelbauer, ÖVP, und Werner Herbert, FPÖ, der in 2. Lesung eingebracht wurde. Es ist daher auch von Interesse, wann das zuständige Ressort über diesen Abänderungsantrag informiert war und wie es auf diesen reagierte.


Eines ist jedoch klar: Hätte der Standard am Wochenende über diese Vorgänge nicht berichtet, würden die Abgeordneten von diesem Schreiben keine Kenntnis haben. Es wäre daher äußerst ratsam, dass Schreiben über potentielle Vertragsverletzungen auch den Abgeordneten zur Kenntnis gebracht werden, damit diese in ihrer Verantwortung als Gesetzgeber auch darauf reagieren können.

 

Der Standard würdigte diese Vorgänge auch in einem Kommentar, der wie folgt lautete:

 

"Der Standard" vom 02.06.2018, Seite: 40

,,Sebastian Fellner
DATENSCHUTZ
Signal gegen Europa

Die Umsetzung der europäischen Datenschutzgrundverordnung (DSGVO) in Österreich ist ein Desaster. Das sagt keine Aktivistin, das sagt kein Oppositionspolitiker. Das sagt niemand Geringerer als die Juristen des für Datenschutzrecht zuständigen Verfassungsdienstes im Justizministerium - wenn auch durch die Blume. Jedenfalls rechnet man dort damit, dass der Republik ein Vertragsverletzungsverfahren der Europäischen Union ins Haus steht. Es gibt zwei Möglichkeiten, wie es dazu gekommen ist. Keine davon lässt die türkis-blaue Bundesregierung kurz vor der EU-Ratspräsidentschaft gut dastehen.

Möglichkeit eins: Pfusch. Nachdem die Umsetzung der Verordnung im Justizministerium ausgearbeitet wurde, wurde das strenge, hochkomplexe Regelwerk im Nationalrat von ÖVP und FPÖ verwässert, um dem Datenschutz für Staat und Unternehmen die Zähne zu ziehen. Dabei glaubten die Parteien womöglich sogar, die überösterreichische Lösung könnte in Brüssel durchgehen. Das ist kein Ausdruck von parlamentarischem Selbstbewusstsein, sondern eine Mischung aus Selbstüberschätzung und Klientelpolitik um jeden Preis.

Möglichkeit zwei: Kalkül. Nicht auszuschließen, dass alle Beteiligten wussten, dass die Aufweichung der DSGVO im Parlament nie und nimmer konform mit den Vorgaben der EU gehen wird. Den kalkulierten Clinch mit Brüssel kennen aufmerksame Beobachter ja aus der Vergangenheit. Am Ende stellt sich die Regierung hin und erklärt: Schaut, wir hätten eh gewollt - aber Brüssel will euch wieder einmal das Leben schwer machen.

Pfusch oder Kalkül? Am Ende macht es keinen großen Unterschied. Die Bundesregierung zeigt - nach der Kürzung der Familienbeihilfe für EU-Bürger, nach der geplanten Ungleichbehandlung bei der Mindestsicherung, nach der Infragestellung der Personenfreizügigkeit durch Vizekanzler Heinz­Christian Strache -, dass sie mit dem europäischen Gedanken nicht allzu viel anfängt und im Zweifel lieber auf nationale Alleingänge setzt. Und das nur einen Monat bevor Österreich den Vorsitz im Rat der Europäischen Union übernimmt.

Das ist ein fatales Signal . für einen Staat, der so stark von der Union profitiert wie Österreich - und eine rechtskonservative Regierung mit nationalistischem Einschlag, die mit einem Bekenntnis zu Europa versuchte, sich vom Abschottungsvorwurf reinzuwaschen. “

Die unterzeichneten Abgeordneten stellen daher an den Bundesminister für Verfassung, Reformen, Deregulierung und Justiz folgende

Anfrage:

1.       Wann langte das Schreiben der für Datenschutz zuständigen Kommissarin betreffend die mangelnde Umsetzung der DSGVO in Österreich ein?

2.        Wie lautet dieses Schreiben wörtlich? (Bitte das Original in der Anlage beigegeben)

3.        Wie lautet Ihr Antwortschreiben wörtlich? (Bitte das Original in der Anlage beigegeben)

4.        Was werden Sie nun konkret aufgrund dieses Schreibens unternehmen oder ignorieren Sie die Hinweise der Kommissarin?

5.       Warum haben Sie die Abgeordneten von diesem Schreiben nicht informiert?

6.        Sind Sie bereit, in Zukunft die Abgeordneten von solchen Schreiben betreffend mögliche Vertragsverletzungen durch gesetzliche Maßnahmen zu informieren?

7.        Wann haben Sie persönlich vom Abänderungsantrag der Abgeordneten Himmelbauer und Herbert das 1. Mal gehört, wann haben Sie ihn das 1. Mal gelesen?

8.        Wir haben Sie auf diesen Abänderungsantrag konkret reagiert, der eine Reihe von Aufweichung bei der Umsetzung der Datenschutzgrundverordnung beinhaltet?

9.        Wann haben Sie oder ihr Kabinett die für Datenschutz zuständigen Abteilungen in Ihrem Ressort informiert und wie lautete deren Reaktion?

10.    Warum haben Sie auf die negativen Stellungnahmen aus der Wissenschaft und dem Kreis der Datenschutzexperten nicht reagiert?

11.    Welche Stelle räumen Sie als zuständiger Bundesminister dem Grundrecht auf Datenschutz in der österreichischen Rechtsordnung ein?

12.    Hätten Sie bei Erstellung einer Regierungsvorlage zu diesem Thema durch ihr Ressort auch diese von der EU-Kommissarin kritisierten Inhalte in die Regierungsvorlage aufgenommen, wenn nein warum nicht?

13.    Warum wurde von Ihrer Seite nie angeregt, die Öffnungsklauseln zu nutzen und eine Verbandsklage im Bereich Datenschutz zu ermöglichen, was die einzelnen Österreicherinnen und Österreicher gegenüber übermächtige Konzernen schützen könnte?

14.    Wie ist der Stand der Verhandlungen auf der europäischen Ebene zur generellen Einführung einer solchen Verbandsklage und welche Rolle nimmt bei den Verhandlungen Österreich ein?

15.    Können Sie als zuständiger Minister die Möglichkeit des einzelnen Bürgers und der einzelnen Bürgerinnen, ihr Recht in Angelegenheiten des Datenschutzes durchzusetzen, mit dem geltenden Recht garantieren?

16.    Was werden Sie unternehmen, damit die hohen Prozesskosten kein Hindernis bei der Rechtsdurchsetzung für den Bürger oder die Bürgerinnen sind?

17.    Welche Vorhaben planen Sie im Bereich Datenschutz in dieser Gesetzgebungsperiode noch umzusetzen? Sind dabei vielleicht auch Aktivitäten geplant, die den Datenschutz für die Bürgerinnen und Bürger stärken?

18.    Welche Maßnahmen im Bereich der Ressourcen-Zurverfügungstellung haben Sie in Ihrem Ressort bereits umgesetzt oder planen Sie demnächst, um die Datenschutzbehörde für die neuen Aufgaben auszustatten?

19.    Warum haben Sie eigentlich die Bürgerinnen und Bürger nicht ausreichend über die Datenschutzgrundverordnung und deren Auswirkungen auf die Bürgerinnen und Bürger informiert?

20.    Planen Sie die Herausgabe einer Datenschutzfibel, die Schülerinnen und Schüler aber auch die Bevölkerung über ihre Rechte im Bereich des Datenschutzes informiert und vor damit im Zusammenhang stehenden Gefahren warnt?