1/JPR XXVI. GP

Eingelangt am 14.12.2017
Dieser Text ist elektronisch textinterpretiert. Abweichungen vom Original sind möglich.

Anfrage

 

des Abgeordneten Dr. Peter Wittmann

an die Präsidentin des Nationalrates

gemäß § 89 GOG

betreffend „Amtsverständnis der Präsidentin - parlamentarische Praxis des Vorberatungsprinzips“

Die Gesetzgebung des Bundes teilt sich nach Einbringung einer Gesetzesvorlage in zwei Abschnitte. Einerseits in die Vorberatung im jeweiligen Fachausschuss und andererseits in die Beratung und die Beschlussfassung im Plenum des Nationalrates.

Die juristische und politikwissenschaftliche Literatur rechnet diesen beiden Abschnitten verschiedene Funktionen zu. Die inhaltliche Beratung samt Abänderungen und Ergänzungen der Vorlage teils unter Beiziehung von Expertinnen und Experten findet im Ausschuss statt, während dem Plenum die sogenannte Tribünenfunktion zukommt, in welcher die Abgeordneten der Öffentlichkeit ihre Standpunkte zur Vorlage mitteilen. Der Kernpunkt der inhaltlichen Beratungen ist daher der Ausschuss, weshalb man vom sogenannten Vorberatungsprinzip spricht.

Siehe dazu beispielsweise:

Berka, Verfassungsrecht, Grundzüge des österreichischen Verfassungsrechts für das juristische Studium, Verlag Österreich 2016, RZ 553

Bezeichnung der Ausschüsse als „Arbeitsparlament“

Helms, Wineroither, Die österreichische Demokratie im Vergleich, Nomos / Facultas, 2017, Seite 209

Großteil parlamentarischer Arbeit in den Ausschüssen, Plenum als Ort parlamentarischer Rituale

Schambeck, Das Österreichische Bundes-Verfassungsgesetz und seine

Entwicklung, Duncker & Humblot, 1980, Seite 166/167

Sachliche Arbeit in Ausschüssen, Vermittlung an Öffentlichkeit im Plenum

Ergänzend zum Vorberatungsprinzip sieht § 43 GOG vor, dass der Nationalrat auf Vorschlag des Präsidenten oder auf Antrag eines Abgeordneten jederzeit - auch während der Verhandlung über einen Gegenstand im Ausschuss - dem Ausschuss eine Frist zur Berichterstattung setzen kann.

 

§ 43 GOG sieht aber ausdrücklich vor, dass dem Gegenstand - also einen gewissen Inhalt - eine solche Frist gesetzt werden kann.

Am 13. Dezember 2917 haben die zukünftigen Regierungsparteien ÖVP und FPÖ zwei Fristsetzungsanträge in der 3. Sitzung dieses Tages eingebracht, wobei sich einer davon auf eine Novelle zum Bundesministeriengesetz (Antrag 14/A der Abgeordneten Gerstl und Bösch) bezog und dem Verfassungsausschuss zur Vorberatung eine Frist bis zum 15. Dezember 2017 setzte. Diese Vorgangsweise wurde weder in der Präsidialkonferenz, noch auf informellem Weg angekündigt.

Als Obmann dieses Ausschusses und dem Geschäftsordnungsgesetz verpflichtet, habe ich daher noch in dieser Sitzung einen Vorschlag im Plenum unterbreitet, nämlich den Verfassungsausschuss zur Vorberatung des Antrages für den 14. Dezember 2017, 15.00Uhr einzuladen.

Der diesbezügliche Rundlauf, (gestartet am 13. Dezember 2017) wurde naturgemäß von SPÖ und NEOS unterzeichnet, überraschenderweise aber auch von der FPÖ. Die Liste Pilz hat ihre Zustimmung per Mail mitgeteilt, da sie sich gegenwärtig weigert, irgendeinen Rundlauf zu unterschreiben. Lediglich die ÖVP hat ihre Zustimmung verweigert.

Überraschenderweise hat die FPÖ am 14. Dezember 2017 morgens ihre Zustimmung zurückgezogen. Ohne Gerüchte streuen zu wollen, dürfte dafür ein gewisser Druck vom zukünftigen Koalitionspartner ausschlaggebend gewesen sein. Wie auch immer haben also jene Fraktionen, die diese kurzfristige Fristsetzung ausgelöst haben, verhindert, dass innerhalb der Frist ein Ausschuss zustande gekommen ist.

Schauen wir jedoch einmal hinter die Kulisse des Antrages 14/A: Einziger Inhalt dieses Antrages ist die Streichung der Wortfolge „Angelegenheiten der Verwaltung der Anteilsrechte des Bundes an der SIVBEG“.

Im Spannungsverhältnis der gegenständlichen Diskussionen über die Bildung einer neuen Bundesregierung und die Neugliederung der Ressorts zum Inhalt des Antrages ist klar, worum es sich handelt.

Es handelt sich nämlich um eine sogenannte Trägerrakete. Für Menschen ohne parlamentarisches Insiderwissen, eine Trägerrakete ist ein Antrag dann, wenn dieser nur dazu dient, dass ihm ein anderer Inhalt aufgesetzt wird. Dabei könnte es sich um durchaus sensible Themen handeln, wie welches Ressort bekommt die Agenden Arbeit, gibt es ein Heimatschutzministerium, kommt es im Sicherheitsbereich zu Zusammenlegungen und insbesondere welchen Ressorts wird zentrale Macht zugeteilt. Diese Fragen bestimmen das Schicksal der Republik Österreich für die nächsten Jahre mit.

Geschäftsordnungsrechtlich bedeutet das, dass einem Träger eine Frist gesetzt wurde, diese am 15. Dezember 2017 abläuft und der wirkliche Inhalt, dem damit eine Frist gesetzt wird, noch nicht bekannt ist

Diese Vorgangsweise ist daher als eklatanter Missbrauch der Bestimmung des § 43 GOG zu werten, da nicht einem Gegenstand eine Frist gesetzt wurde, sondern lediglich einem Träger eines zukünftigen Gegenstandes eine Frist gesetzt wurde. Diese Vorgangsweise ist daher ein Zeuge für das Parlamentarismusverständnis der zukünftigen Koalitionspartner, denen der Parlamentarismus völlig gleichgültig ist, lediglich die Umsetzung ihrer politischen Anliegen ist für sie von Bedeutung.

Bedauerlicherweise ist bisher dazu keine Stellungnahme der Präsidentin des Nationalrates, also der Hüterin des Parlamentarismus, bekannt.

 

Aus all den erwähnten Gründen stelle ich daher als Abgeordneter und Obmann des Verfassungsausschusses folgende

Anfrage

1.      Stehen Sie als Präsidentin zu einer Stärkung des österreichischen Parlamentarismus?

Wenn ja, welche Maßnahmen werden Sie in welchem Zeitrahmen setzen, um den österreichischen Parlamentarismus zu stärken und die Arbeitsmöglichkeiten der Abgeordneten insbesondere im Bereich der Gesetzgebung zu verbessern?

Wenn nein, warum haben Sie sich dann in dieses Amt wählen lassen?

2.      Zentrale Rolle in der Unterstützung der parlamentarischen Tätigkeit spielt der hervorragende Rechts- Legislativ- und Wissenschaftliche Dienst der Parlamentsdirektion.

Was werden Sie daher unternehmen, um die Angebotspalette des RLW-Dienstes über den heutigen Stand hinaus zu verbreitern, wo sehen Sie da Schwerpunkte und werden Sie für die notwendigen budgetären Vorkehrungen sorgen?

3.      Wie beurteilen Sie als Präsidentin und Hüterin des österreichischen Parlamentarismus die in der Begründung im Detail dargestellte Vorgangsweise, wo von einer Mehrheit der Abgeordneten einer Trägerrakete eine zweitägige Frist für die Vorberatungen gesetzt wird, der wahre Inhalt des Gesetzesvorhabens noch nicht einmal bekannt ist und die selbe Mehrheit die Einberufung eines Ausschusses zur Vorberatung verhindert?

4.      Wie beurteilen Sie als Präsidentin und Hüterin des österreichischen Parlamentarismus die Geschäftsordnungsfrage der Grenzen des § 43 GOG, insbesondere hinsichtlich der Gefährdung des in der Wissenschaft völlig unumstrittenen Vorberatungsprinzips?

Wo beginnt für Sie ein Missbrauch dieses Instrumentes?

5.      Wie werden Sie als Präsidentin darauf reagieren, wenn solche undemokratischen und den Parlamentarismus schädigende Vorgangsweisen von den zu erwartenden Regierungsfraktionen in Zukunft öfter gesetzt werden?

6.      Welche Arbeitsschwerpunkte haben Sie sich als Präsidentin des Nationalrates für die nächsten fünf Jahre vorgenommen und in welchem Zeitrahmen werden Sie diese umsetzen.