Erläuterungen

I. Allgemeiner Teil

Allgemeines

Die Bundesregierung sieht in ihrem Regierungsprogramm 2017 – 2022 im Kapitel „Ordnung und Sicherheit“ im Zusammenhang mit Reformen im Strafrecht unter anderem „Härtere Strafen für Sexual- und Gewaltverbrecher“ vor. Am 13.2.2019 verabschiedete der Ministerrat zur Umsetzung dieses Punktes des Regierungsprogramms eine Punktation, die im Wesentlichen auf den Ergebnissen der Anfang 2018 eingesetzten Task Force Strafrecht beruht. Diese „Task Force zum besseren Schutz von Frauen und Kindern“ wurde von der Staatssekretärin im Innenministerium geleitet, wobei sie in enger Zusammenarbeit mit dem Bundesminister für Verfassung, Reformen, Deregulierung und Justiz, dem Bundesminister für Inneres, der Bundesministerin für Frauen, Familien und Jugend im Bundeskanzleramt, der Bundesministerin für Arbeit, Soziales, Gesundheit und Konsumentenschutz, der Bundesministerin für Digitalisierung und Wirtschaftsstandort, der Bundesministerin für Europa, Integration und Äußeres und dem Bundesminister für Bildung, Wissenschaft und Forschung agierte. In die Arbeiten der Task Force waren auch zahlreiche Expertinnen und Experten aus der Praxis eingebunden. Ziel war die Erarbeitung konkreter Maßnahmen für eine weitere Verbesserung sowie die Schaffung von Synergien in den Bereichen Strafrecht, Opferschutz und Täterarbeit.

Zur Bewältigung der Arbeitspakete wurden zwei Kommissionen (im Sinne des § 8 Bundesministeriengesetz) eingesetzt, die Kommission Strafrecht und die Kommission Opferschutz und Täterarbeit. Die Aufgabe der Kommission Strafrecht war es, zu prüfen, ob die mit dem Strafrechtsänderungsgesetz 2015 vorgenommenen Reformschritte der Zielsetzung der Reform, aber auch jenen des Regierungsprogramms gerecht wurden bzw. werden. Aufbauend auf den Ergebnissen dieser Analyse galt es jene konkreten Bereiche im materiellen und prozessualen Strafrecht auszuloten, in denen – nach Ansicht der Kommission Strafrecht – ein legistischer Reformbedarf besteht und gegebenenfalls konkrete Vorschläge zu erstatten.

Die Kommission Strafrecht wurde vom Generalsekretär des BMVRDJ geleitet und setzte sich aus VertreterInnen des BMI, des BMVRDJ, des Obersten Gerichtshofs (OGH), der Generalprokuratur (GP), der Vereinigung der österreichischen Richterinnen und Richter (RiV), der Vereinigung Österreichischer Staatsanwältinnen und Staatsanwälte (VÖStA), des Österreichischen Rechtsanwaltskammertags (ÖRAK), des Bundesverbands der Gewaltschutzzentren/Interventionsstellen Österreichs sowie der Lehre zusammen.

Zur Prüfung, ob die mit dem StRÄG 2015 vorgenommenen Reformschritte der Zielsetzung der Reform, aber auch jenen des Regierungsprogramms gerecht werden, beauftragte das BMVRDJ in einem ersten Schritt eine wissenschaftliche Evaluation über die Auswirkungen des StRÄG 2015 und der Strafgesetznovelle 2017 auf die Entwicklung der Strafenpraxis im Bereich der Körperverletzungsdelikte (§§ 80 bis 87 StGB) und der Delikte gegen die sexuelle Integrität und Selbstbestimmung (§§ 201 bis 218 StGB). Diese Studie mit dem Titel „Untersuchung der Strafenpraxis bei Körperverletzungsdelikten, fahrlässiger Tötung und Sexualstraftaten für die Jahre 2008 bis 2017“ wurde von Univ. Prof. Dr. Christian Grafl und Univ. Ass. Mag. Isabel Haider, LL.M., beide Institut für Strafrecht und Kriminologie der Universität Wien, per 10. August 2018 erstellt. Ziel der Studie war es, mögliche Veränderungen der Strafenpraxis in Österreich in den letzten zehn Jahren unter Berücksichtigung der Gesetzesänderungen, vor allem des StRÄG 2015, sichtbar zu machen.

Wesentliche Ergebnisse der Studie zur Strafenpraxis waren zum einen, dass für die untersuchten Delikte und die untersuchte Population in den letzten 10 Jahren insgesamt eine Tendenz zu einer strenger werdenden Strafenpraxis festzustellen sei, wobei mit den vorgegebenen Strafrahmen in der Regel offenbar durchaus das Auslangen gefunden werde. Die tendenziell strenger werdende Strafenpraxis zeigt sich der Studie zufolge insbesondere im Sinne einer Verschiebung der Anteile der einzelnen Strafarten in Richtung Freiheitsstrafen, aber etwa auch konkret bezogen auf allfällige Auswirkungen des StRÄG 2015 dadurch, dass die Strafhöhe bei Verurteilungen nach § 84 StGB (Schwere Körperverletzung) und § 87 StGB (Absichtliche schwere Körperverletzung) seit 2015 in einem Ausmaß gestiegen ist, das den Schluss zulässt, die Erhöhung der Strafdrohungen bei diesen Delikten durch das StRÄG 2015 als (gewichtige) Ursache hiefür anzusehen. Zum anderen ergab die Studie, dass zwar die Zahl der ermittelten Tatverdächtigen von 1975 bis 2017 von knapp unter 159.000 auf knapp über 270.000 um 71% gestiegen ist, hingegen die Verurteilungsquote für alle Delikte in Österreich sich von 52% auf 11% deutlich verringert hat. Zählt man die seit dem Jahr 2000 möglichen diversionellen Erledigungen nach der Strafprozessordnung zu den Verurteilungen dazu, lag die Reaktionsquote (Verurteilungen plus Diversion) seit 2009 bei durchschnittlich 26%, zuletzt im Jahr 2016 bei 21%. Bei Körperverletzungsdelikten nach den §§ 83 bis 88 StGB ist die Verurteilungsquote von 11% auf 6% zurückgegangen, bei Sexualdelikten nach den §§ 201 bis 218 StGB ist sie seit 2010 tendenziell rückläufig und lag zuletzt bei 14%.

Schließlich ergab die Studie im Einklang mit früheren Untersuchungen starke regionale Unterschiede bei der Strafenpraxis im Sinne eines „Ost-West-Gefälles“: So lag im Jahr 2017 der Anteil der Freiheitsstrafen im OLG-Sprengel Innsbruck bei 21%, im OLG-Sprengel Wien bei 78%, während in Innsbruck als Hauptstrafart mit knapp über 50% die teilbedingte Geldstrafe verhängt wurde, die in den OLG-Sprengeln Wien und Graz praktisch keine Anwendung findet.

Im Rahmen der ersten Sitzung der Kommission am 19.9.2018 wurde die Studie präsentiert und diskutiert. Weiters wurden bis dahin eingelangte Änderungsvorschläge im Bereich des StGB und der StPO gesichtet. Weitere Sitzungen der Kommission fanden am 22. Oktober und 12. Dezember 2018 statt. Sie dienten der inhaltlichen Diskussion jener Vorschläge, welche unter den Mitgliedern der Kommission mehrheitlich Zustimmung gefunden hatten oder für erwägenswert erachtet worden waren. Vorschläge, welche mehrheitlich bereits bei der ersten Durchsicht durch die Mitglieder keine Zustimmung gefunden hatten, wurden nicht näher diskutiert.

Am 16.1.2019 wurde der Abschlussbericht der Kommission Strafrecht an den Lenkungsausschuss der Task Force Strafecht übermittelt.

Der am 13.2.2019 vom Ministerrat in Forme einer Punktation verabschiedete Maßnahmenkatalog zur Task Force (MRV 45/17) hat einige Punkte aus dem Abschlussbericht der Kommission Strafrecht übernommen, andere nicht; andererseits enthält er auch Punkte, die nicht im Rahmen der Task Force erörtert worden sind.

Der vorliegende Entwurf dient im Wesentlichen der Umsetzung der zivil- und strafrechtlichen Vorgaben des Maßnahmenkatalogs.

Hauptgesichtspunkte des Entwurfs in zivilrechtlicher Hinsicht:

1. Stärkung des Opferschutzes im Bereich der zivilrechtlichen Schadenersatzverjährung.

2. Änderungen bei den einstweiligen Verfügungen zum Schutz vor Gewalt und vor Eingriffen in die Privatsphäre im Interesse

a)     einer noch besseren Vernetzung von Interventionsstellen, Sicherheitsbehörden und Gerichten,

b)     einer Anpassung der faktischen Elemente der Verfügung an geänderte Umstände,

c)     einer ausdrücklichen Erfassung des Cybermobbings in der Stalking-Verfügung,

d)     der Herstellung des Gleichklangs mit dem Sicherheitspolizeirecht und

e)     der verwaltungsstrafrechtlichen Erfassung von Verstößen gegen die Anordnung der Vollstreckung einer ausländischen Schutzmaßnahme.

Hauptgesichtspunkte des Entwurfs im Bereich des materiellen Strafrechts:

1.     Neuer Erschwerungsgrund der „nachhaltigen Beeinträchtigung des psychischen Wohlbefindens des Opfers“ (§ 33 Abs. 1 Z 6a StGB);

2.     Weitere erschwerend zu wertende Umstände (§ 33 Abs. 2 StGB);

3.     Zwingende Erhöhung des Strafrahmens bei bestimmten Rückfallstätern (§ 39 StGB);

4.     Weitere Einführung bzw. Anhebung von Mindeststrafdrohungen bei Gewaltkriminalität (§ 39a StGB);

5.     Ausschluss der Möglichkeit der gänzlich bedingten Strafnachsicht bei Vergewaltigung (§ 43 StGB);

6.     Festlegung, dass Genitalverstümmelung jedenfalls eine Körperverletzung mit schweren Dauerfolgen darstellt (§ 85 Abs. 1 Z 2a StGB);

7.     Erweiterung des Tatbestands gegen beharrliche Verfolgung („Stalking“; § 107a StGB) durch Aufnahme der „Veröffentlichung von Tatsachen oder Bildaufnahmen des höchstpersönlichen Lebensbereiches einer Person ohne deren Zustimmung“ als weitere mögliche Stalkinghandlung;

8.     Verschärfung bei fortgesetzter Gewaltausübung gegen Unmündige und Wehrlose (§ 107b StGB);

9.     Anhebung der Mindeststrafe bei Vergewaltigung (§ 201 StGB);

10.   Lebenslanges Tätigkeitsverbot (§ 220b StGB).

Hauptgesichtspunkt des Entwurfs im Bereich des JGG:

Das Regierungsprogramm der aktuellen Legislaturperiode (2017 bis 2022) sieht für den Bereich des JGG unter anderem die Überprüfung einer allfälligen Angleichung der Strafdrohungen für junge Erwachsene an jene bei Erwachsenen vor. Mit dem Abschlussbericht der Task Force Strafrecht erfolgte eine Konkretisierung dahingehend, dass die Sonderregelungen für junge Erwachsene betreffend die Strafandrohungen bei bestimmten Verbrechen entfallen sollen.

Hauptgesichtspunkte des Entwurfs im Bereich des Strafprozess-, Strafregister- und Tilgungsrechts:

1. Klarstellung, dass Opfer Recht auf gebührenfreien Erhalt der Anzeigebestätigung und des Vernehmungsprotokolls haben;

2. Anpassung der Verweise in der StPO an den geänderten Regelungsinhalt des § 38a SPG;

3. Recht besonders schutzbedürftiger Opfer auf Dolmetschleistungen durch Personen des gleichen Geschlechts;

4. Neustrukturierung des § 70 StPO (Recht auf Information) zur besseren Verständlichkeit;

5. Neufassung der Regelung zur Zulässigkeit der Datenübermittlung an Gerichte und Behörden und Schaffung einer Grundlage zur Übermittlung von Daten an Fallkonferenzen nach dem SPG (§ 76 Abs. 4 und 6 StPO);

6. Klarstellung beim Antragsrecht von Opfern und Zeugen auf eine schonende Vernehmung im Sinne des § 165 Abs. 3 StPO;

7. Anpassung der Bestimmungen in der StPO, im Strafregistergesetz und im Tilgungsgesetz an den geänderten Regelungsinhalt des § 220b StGB;

8. Ausweitung der Sonderauskünfte zu Sexualstraftätern aus dem Strafregister auf Vereine und Einrichtungen, welchen die Betreuung von Personen wegen Gebrechlichkeit, Krankheit oder einer geistigen Behinderung zukommt oder denen sonst intensive Kontakte mit solchen wehrlosen Personen obliegt;

9. Einführung einer „Strafregisterbescheinigung Pflege und Betreuung“.

Die Verbesserung des Opferschutzes stand und Zentrum zahlreicher strafprozessualen Änderungen der letzten Jahre. Ein deutlicher Ausbau der Opferrechte erfolgte mit dem Strafprozessrechtsänderungsgesetz I 2016, BGBl. I Nr. 26/2016, mit dem die Richtlinie 2012/29/EU über Mindeststandards für die Rechte, die Unterstützung und den Schutz von Opfern von Straftaten sowie zur Ersetzung des Rahmenbeschlusses 2001/220/JI (RL Opferschutz), ABl. Nr. L 315 vom 14.11.2012 S 57 umgesetzt wurde. Zuletzt wurden durch das Strafrechtsänderungsgesetz 2018, BGBl. I Nr. 70/2018 in Umsetzung der Richtlinie (EU) 2017/541 zur Terrorismusbekämpfung und zur Ersetzung des Rahmenbeschlusses 2002/475/JI (RL Terrorismus) die Rechte der Opfer terroristischer Straftaten (§ 278c StGB) ausgeweitet. Die vorgeschlagenen Änderungen der Strafprozessordnung dienen neuerlich in erster Linie der weiteren Verbesserung des Opferschutzes. Sie entsprechen im Wesentlichen den Empfehlungen im Schlussbericht der Kommission Strafrecht der Task Force Strafrecht und in weiterer Folge dem von der Bundesregierung in ihrer Sitzung vom 13. Februar 2019, Task Force Strafrecht, MR 45/17, vorgestellten umfassenden Maßnahmenkatalog und stellen im Übrigen eine systemkonforme Anpassung an die in Aussicht genommenen Änderungen (Neuregelung des Tätigkeitsverbots nach § 220b StGB und des Betretungs- und Annäherungsverbots zum Schutz vor Gewalt nach § 38a SPG) dar. Die Änderungen sollen insbesondere eine Klarstellung und verständlichere Darstellung wichtiger Opferrechte (Recht auf gebührenfreien Erhalt der Anzeigebestätigung und des Vernehmungsprotokolls, Antragsrecht von Opfern und Zeugen auf eine schonende Vernehmung im Sinne des § 165 Abs. 3 StPO, Recht auf Information nach § 70 StPO) beinhalten. Im Rahmen der Neugestaltung des § 70 StPO soll sowohl durch den Entfall der Wortfolge „gegen einen bestimmten Beschuldigten“ als auch durch eine Beschränkung des Aufschubs der Information auf jene Fälle, in denen besondere Umstände dies rechtfertigen, der Opferschutz gestärkt und gleichzeitig nationaler und europarechtlicher Kritik an der bisherigen Regelung effektiv begegnet werden. Aufgrund der Neugestaltung des § 38a SPG soll künftig nicht mehr auf den Begriff der „Gewalt in Wohnungen“ abgestellt werden, sondern bei der Anwendung gelinderer Mittel (§ 173 Abs. 5 StPO) durch einen allgemeinen Verweis auf die Anwendungsfälle des § 38a Abs. 1 SPG der Kreis der erfassten Personen auch auf Opfer ausgeweitet werden, denen Gewalt nicht (nur) im engsten familiären Umfeld, sondern in ihrem unmittelbaren sozialen Nahebereich widerfahren ist. Darüber hinaus ist auch ein weiterer Ausbau der Rechte besonders schutzbedürftiger Opfer (§ 66a StPO) auf Dolmetschleistungen durch Personen des gleichen Geschlechts bei Vernehmungen im Ermittlungs- und im Hauptverfahren vorgesehen.

In Anbetracht der Neuregelung des Tätigkeitsverbotes in § 220b StGB sollen auch die flankierenden Bestimmungen im Strafregistergesetz und im Tilgungsgesetz eine systemkonforme Anpassung erfahren. Zusätzlich sollen Sonderauskünfte zu Sexualstraftätern aus dem Strafregister nunmehr auch für Vereine und Einrichtungen, welchen die Betreuung von Personen zukommt, die wegen Gebrechlichkeit, Krankheit oder einer geistigen Behinderung wehrlos sind oder denen sonst intensive Kontakte mit solchen wehrlosen Personen obliegt, erteilt werden können sowie eine neue „Strafregisterbescheinigung Pflege und Betreuung“, die bei Vorliegen der Voraussetzungen über entsprechenden Antrag ausgestellt werden kann, eingeführt werden.

Kompetenzgrundlage:

Die Zuständigkeit des Bundes zur Erlassung dieses Bundesgesetzes ergibt sich aus Art. 10 Abs. 1 Z 6 B-VG (Zivil- und Strafrechtswesen)

Besonderheiten des Normerzeugungsverfahrens:

Keine.

II. Besonderer Teil

Zu Artikel 1 (Änderungen des Allgemeines bürgerliches Gesetzbuches)

Zu Z 1 (§ 211 ABGB):

Den Kinder- und Jugendhilfeträgern soll die Möglichkeit eingeräumt werden, als Vertreter eines Minderjährigen zur Wahrung seines Wohles auch eine einstweilige Verfügung zum Schutz vor Eingriffen in die Privatsphäre nach § 382g (so genannte „Stalking-EV“) zu beantragen. Damit soll der Schutz von Minderjährigen gestärkt werden. Der Kinder- und Jugendhilfeträger hat nur tätig zu werden, wenn der sonstige gesetzliche Vertreter einen erforderlichen Antrag nicht unverzüglich gestellt hat.

Zu Z 2 (§ 1489 ABGB):

Im Bereich der zivilrechtlichen Schadenersatzverjährung soll es zu einer Stärkung des Opferschutzes kommen. Nach § 1489 Satz 2 zweiter Fall ABGB unterliegt der Ersatzanspruch für Schäden, die aus einer oder mehreren gerichtlich strafbaren Handlungen entstanden sind, die nur vorsätzlich begangen werden können und mit mehr als einjähriger Freiheitsstrafe bedroht sind, der dreißigjährigen Verjährungsfrist. An diese Regelung wird angeknüpft und vorgeschlagen, dass Schadenersatzansprüche aus solchen Fällen darüber hinaus außerdem zivilrechtlich so lange geltend gemacht werden können, als nicht auch die Verjährung der Strafbarkeit eingetreten ist. Wird vor Eintritt der Strafbarkeitsverjährung ein Strafverfahren eingeleitet, so soll dem Opfer zur zivilrechtlichen Geltendmachung seiner Schäden noch mindestens ein Jahr ab rechtskräftiger Beendigung des Strafverfahrens zur Verfügung stehen.

In den meisten Fällen ist die dreißigjährige zivilrechtliche Verjährungsfrist ohnedies länger als die Frist für die Verjährung der Strafbarkeit nach § 57 StGB. Es sind jedoch Konstellationen denkbar, in denen die Frist für die Strafbarkeitsverjährung länger ist. So sieht etwa § 58 Abs. 3 Z 3 StGB vor, dass die Zeit bis zur Vollendung des 28. Lebensjahres des Opfers einer strafbaren Handlung gegen Leib und Leben, gegen die Freiheit oder gegen die sexuelle Integrität und Selbstbestimmung in die strafrechtliche Verjährung nicht eingerechnet wird, wenn das Opfer zur Zeit der Tatbegehung minderjährig war. Wird z. B. ein zehnjähriges Kind Opfer eines Delikts, das mit mehr als 10 Jahren Freiheitsstrafe bedroht ist, beträgt die strafrechtliche Verjährungsfrist 20 Jahre (§ 57 Abs. 3 StGB) und läuft mit Vollendung des 48. Lebensjahres ab, während die dreißigjährige zivilrechtliche Verjährungsfrist in der Regel schon in seinem 40. Lebensjahr endet.

Durch die Neuregelung soll diese Diskrepanz behoben und sichergestellt werden, dass die zivilrechtliche Verjährungsfrist jedenfalls nicht vor der Verjährung der Strafbarkeit endet. Wird vor diesem Zeitpunkt ein Strafverfahren eingeleitet, soll die zivilrechtliche Verjährungsfrist frühestens ein Jahr nach dessen rechtskräftiger Beendigung enden. Durch diese nach dem Vorbild des § 37h Abs. 2 KartG geschaffene Regelung steht dem Opfer einer solchen Straftat auch nach rechtskräftiger Beendigung eines Strafverfahrens jedenfalls noch ein angemessenes Zeitfenster zur zivilrechtlichen Geltendmachung seiner Ansprüche zur Verfügung.

Im Bereich der Sexualdelikte gibt es vereinzelt auch Straftaten, die mit nicht mehr als einjähriger Freiheitsstrafe bedroht sind und bei denen die Ablaufhemmung des vorgeschlagenen Satz 3 somit nicht greift. So sind beispielsweise der sexuelle Missbrauch von Jugendlichen nach § 207b Abs. 1 StGB oder die sittliche Gefährdung nach § 208 Abs.1 oder Abs. 2 StGB mit Freiheitsstrafe bis zu einem Jahr oder mit Geldstrafe bis zu 720 Tagessätzen zu bestrafen. Auch in diesen Fällen soll gewährleistet sein, dass Schäden, die aus solchen Taten entstanden sind, auch dann noch geltend gemacht werden können, wenn das Opfer altersbedingt über eine gewisse Einsichtsfähigkeit in Bezug auf sexuelle Handlungen verfügt. Es wird daher vorgeschlagen, dass die Verjährungsfrist bei Schadenersatzansprüchen, die aus Sexualdelikten resultieren, erst mit Vollendung des 18. Lebensjahres des Opfers zu laufen beginnen.

Die neuen Bestimmungen sollen anzuwenden sein, wenn der Schadenersatzanspruch zum Zeitpunkt des Inkrafttretens der Bestimmungen nach dem bis dahin anzuwendenden Recht noch nicht verjährt ist (§ 1503 Abs. 13).

Zu Artikel 2 (Änderungen des Strafgesetzbuches)

Zu Z 1 (§ 33 Abs. 1 Z 6a StGB):

Es soll ein neuer Erschwerungsgrund der „nachhaltigen Beeinträchtigung des psychischen Wohlbefindens des Opfers“ geschaffen werden. Der Vorschlag knüpft an das Regierungsprogramm an, in dem eine „Nachschärfung der Strafzumessungsgründe“ zur besseren Erfassung u.a. von „nachhaltigen psychischen Folgen für das Opfer“ in Aussicht gestellt wird.

Zur Begründung heißt es dazu im Maßnahmenkatalog zur Task Force Strafrecht (MRV 45/17), dass Opfer von Gewalt- und Sexualdelikten schwerer Traumatisierung ausgesetzt seien, die in den gesetzlichen Strafdrohungen derzeit zu wenig berücksichtigt werde.

Die Kommission Strafrecht hat die Schaffung eines solchen Erschwerungsgrundes (gleichfalls) empfohlen. Der Abschlussbericht hält dazu fest, dass eine nachhaltige Beeinträchtigung des psychischen Wohlbefindens nicht Krankheitswert bedeuten soll (zumal bei vorsätzlicher nicht ganz unerheblicher Beeinträchtigung der psychischen Gesundheit bereits Strafbarkeit nach § 83 Abs. 1 StGB gegeben ist), umso weniger eine schwere Gesundheitsschädigung im Sinne des § 84 Abs. 1 StGB. Es sollte auch nicht notwendig sein, dass dem Opfer besondere Qualen zugefügt werden (zumal insoweit bereits der Erschwerungsgrund nach Abs. 1 Z 6 greift), oder dass es durch die Tat in einen qualvollen Zustand versetzt werde. Der Begriff der Nachhaltigkeit impliziere primär ein Element der längeren Dauer, was aber nicht mit einer durchgehenden Beeinträchtigung des psychischen Wohlbefindens einhergehen müsse; diese könnte vielmehr auch schubweise oder in mehr oder minder regelmäßigen Intervallen oder anlassbezogen wiederkehrend auftreten. Im Sinne eines beweglichen Systems würde auch die Schwere der Beeinträchtigung mit zu berücksichtigen sein: Je länger eine Störung andauern oder je häufiger sie akut auftreten würde, desto weniger schwer müsste die jeweilige Beeinträchtigung sein, um insgesamt von einer nachhaltigen Beeinträchtigung sprechen zu können. Die Beiziehung eines medizinischen oder psychologischen Sachverständigen sollte nach dem Abschlussbericht der Kommission Strafrecht zur Beurteilung des Vorliegens dieses Erschwerungsgrundes grundsätzlich nicht erforderlich sein.

Zu Z 2 und 3 (§ 33 Abs. 2 und 3 StGB):

Nach dem Maßnahmenkatalog zur Task Force Strafrecht (MRV 45/17) soll es künftig bei Delikten gegen Leib und Leben, gegen die Freiheit oder gegen die sexuelle Integrität oder Selbstbestimmung erschwerend zu werten sein, wenn die Tat von einer volljährigen an einer minderjährigen Person (oder in Wahrnehmung durch diese) begangen wurde, wenn die Tat „gegen Angehörige (bis hin zur ehemaligen Lebensgefährtin)“ begangen wurde, wenn die Tat unter Missbrauch einer Autoritätsstellung oder unter Ausnützung einer besonderen Schutzbedürftigkeit begangen wurde oder wenn die Tat unter Einsatz oder Drohung mit einer Waffe begangen wurde.

Bereits mit der Strafgesetznovelle 2011, BGBl. I Nr. 130/2011, ist ein besonderer Erschwerungsgrund der Tatbegehung unter Anwendung von Gewalt oder gefährlicher Drohung durch eine volljährige gegen eine unmündige Person geschaffen worden (§ 33 Abs. 2 StGB idgF). Mit dem Strafrechtsänderungsgesetz 2015, BGBl. I Nr. 112/2015, wurde in Umsetzung des Europaratsübereinkommens zur Verhütung und Bekämpfung von Gewalt gegen Frauen und häuslicher Gewalt (Istanbul-Konvention; BGBl. III Nr. 164/2014) zum einen § 33 Abs. 2 StGB dahin erweitert, dass nun nicht mehr nur die Begehung einer strafbaren Handlung unter Anwendung von Gewalt oder gefährlicher Drohung gegen eine unmündige Person durch einen Volljährigen einen Erschwerungsgrund darstellt, sondern auch, wenn eine solche Tat gegen eine einem Kind nahestehende Person in einer für das Kind wahrnehmbaren Weise begangen wurde. Zum anderen wurden vier weitere besondere Erschwerungsgründe geschaffen (§ 33 Abs. 3 Z 1 bis 4 StGB): Danach ist es auch ein Erschwerungsgrund, wenn der Täter vorsätzlich eine strafbare Handlung nach dem ersten bis dritten oder zehnten Abschnitt des Besonderen Teils gegen eine Angehörige oder einen Angehörigen (§ 72 StGB), einschließlich einer früheren Ehefrau, eingetragenen Partnerin oder Lebensgefährtin oder eines früheren Ehemanns, eingetragenen Partners oder Lebensgefährten, als mit dem Opfer zusammenlebende Person oder eine ihre Autoritätsstellung missbrauchende Person begangen hat (Z 1), wenn er die Tat gegen eine aufgrund besonderer Umstände schutzbedürftige Person unter Ausnützung deren besonderer Schutzbedürftigkeit begangen hat (Z 2), wenn er sie unter Einsatz eines außergewöhnlich hohen Ausmaßes an Gewalt oder nachdem der Tat eine solche Gewaltanwendung vorausgegangen ist begangen hat (Z 3) und schließlich wenn er die Tat unter Einsatz oder Drohung mit einer Waffe begangen hat (Z 4).

Der Abschlussbericht der Kommission Strafrecht sah gegenüber dem geltenden Recht insofern eine Erweiterung vor, als er sowohl für die Fälle des bisherigen Abs. 2 als auch für die Fälle des bisherigen Abs. 3 beide dort genannten Kriterien (also sowohl Zugehörigkeit zum ersten bis dritten oder zehnten Abschnitt des StGB als auch Begehung des Delikts unter Anwendung von Gewalt oder gefährlicher Drohung) als möglichen Anknüpfungspunkt für einen erschwerenden Umstand vorsah.

Eine Vereinheitlichung sieht auch der Maßnahmenkatalog zur Task Force Strafrecht (MRV 45/17) vor, er hat jedoch zum einen die Delikte des zweiten Abschnitts außer Betracht gelassen, der jedoch vom Strafrechtsänderungsgesetz 2015, BGBl. I Nr. 112/2015 insofern bewusst aufgenommen worden war, um zur Umsetzung des Art. 46 der Istanbul-Konvention in Bezug auf Art. 39 dieser Konvention beitragen zu können: Art. 46 enthält nämlich die für sämtliche Delikte nach der Istanbul-Konvention vorzusehenden Erschwerungsgründe, wobei eines dieser Delikte, nämlich Zwangsabtreibung nach Art. 39 dieser Konvention zum Teil durch die Bestimmung des § 98 StGB umgesetzt ist, also durch ein Delikt des zweiten Abschnitts des StGB. Zum anderen würden bei einem Wegfall des Kriteriums unter Anwendung von Gewalt oder gefährlicher Drohung Delikte wie räuberischer Diebstahl, Raub und Erpressung aus dem Anwendungsbereich fallen.

Ein wesentlicher Unterschied des Vorschlags (insofern auf dem Maßnahmenkatalog zur Task Force Strafrecht basierend) zum geltenden Recht ist schließlich, dass er auf Minderjährige (das sind nach § 74 Abs. 1 Z 3 StGB Personen, die das achtzehnte Lebensjahr noch nicht vollendet haben) statt auf Unmündige (das sind nach § 74 Abs. 1 Z 1 StGB Personen, die das vierzehnte Lebensjahr noch nicht vollendet haben) abstellt.

Eher nur technischer Natur ist die gesonderte Regelung des Missbrauchs eines Autoritätsverhältnisses (bisher in Abs. 3 Z 1 enthalten) als eigene Ziffer.

Zu Z 4 und 5 (§ 39 Abs. 1a und 2 StGB):

Der Maßnahmenkatalog zur Task Force Strafrecht (MRV 45/17) fordert eine „Erhöhung der Höchststrafen für Rückfallstäter“ im Bereich des § 39 StGB.

§ 39 StGB („Strafschärfung bei Rückfall“), demzufolge unter den dort genannten Voraussetzungen bei einem qualifizierten Rückfall das Höchstmaß der angedrohten Freiheitsstrafe um die Hälfte überschritten werden darf (höchstens jedoch auf 20 Jahre), stellt nach der herrschenden Rechtsprechung eine fakultativ anzuwendende Strafzumessungsvorschrift dar, deren Anwendung davon abhängt, ob aus spezialpräventiven Gründen ein Überschreiten der gesetzlichen Strafobergrenze im konkreten Fall geboten ist (RIS-Justiz RS0091333).

Schon der Abschlussbericht der Kommission Strafrecht sah demgegenüber in einem neuen Abs. 1a für Täter, die schon zweimal wegen vorsätzlicher strafbarer Handlungen gegen Leib und Leben, gegen die Freiheit oder gegen die sexuelle Integrität und Selbstbestimmung zu einer Freiheitsstrafe verurteilt worden sind und diese Strafen wenigstens zum Teil verbüßt haben, vor, dass sich das Höchstmaß der angedrohten Freiheitsstrafe oder Geldstrafe zwingend um die Hälfte, höchstens jedoch auf zwanzig Jahre, erhöht, falls der Täter nach Vollendung des neunzehnten Lebensjahres neuerlich eine vorsätzliche strafbare Handlung gegen eines dieser Rechtsgüter begeht. Wesentlichste Neuerung gegenüber dem geltenden Recht wäre eben der in diesem Fall zwingende Charakter. Die durch Abs. 1a geänderten Strafdrohungen würden auch – anders als bei Vorliegen der Voraussetzungen (lediglich) des Abs. 1 – auch für die §§ 17, 21, 37 oder 57 StGB relevant sein (vgl. Tipold in Leukauf/Steininger StGB4 § 39 Rz 18), wodurch indirekt weitere Verschärfungen bewirkt werden könnten (z.B. dadurch, dass eine leichte Körperverletzung nach § 83 StGB im qualifizierten Rückfall als Anlasstat für eine Unterbringung nach § 21 StGB herangezogen werden kann oder dass sich die Verjährungsfrist verlängert). Anders als § 39 Abs. 1 StGB (sowie § 33 Abs. 1 Z 2 StGB) soll der vorgeschlagene Abs. 1a nicht auf Taten, die auf der gleichen schädlichen Neigung beruhen, abstellen. Sie müssen daher insbesondere nicht notwendigerweise gegen dasselbe Rechtsgut gerichtet sein – sofern sie nur einer der drei Deliktsgruppen zuzuzählen sind. § 33 Abs. 1 Z 2 StGB wird (daher) auch neben dem neuen § 39 Abs. 1a StGB zur Anwendung gelangen können. Zur Verdeutlichung des Unrechts des Rückfalls soll auch davon Abstand genommen werden, dass die Vorstrafen auch bereits tatsächlich wenigstens zum Teil verbüßt sein müssen.

Nach Abs. 2 idgF hat eine frühere Strafe außer Betracht zu bleiben, wenn seit ihrer Verbüßung bis zur folgenden Tat mehr als fünf Jahre vergangen sind (wobei in diese Frist Zeiten, in denen der Verurteilte auf behördliche Anordnung angehalten worden ist, nicht eingerechnet werden). Diese Frist soll bei Verurteilungen wegen einer mit zehn oder mehr Jahren Freiheitsstrafe bedrohten strafbaren Handlung (d.h. ab einer Strafdrohung von einem bis zu zehn Jahren Freiheitsstrafe) auf zehn Jahre verlängert werden.

Zu Z 6 (§ 39a StGB):

Unter dem Schlagwort „Einführung bzw. Anhebung von Mindeststrafen“ sollen nach dem Maßnahmenkatalog zur Task Force Strafrecht (MRV 45/17) bei bestimmten vorsätzlich begangenen Straftaten gegen unmündige oder besonders schutzbedürftige Personen sowie unter besonderen Tatbegehungsumständen, wie etwa durch Einsatz oder der Drohung mit einer Waffe, oder durch Einsatz außergewöhnlicher Gewalt sollen Mindeststrafen eingeführt oder bestehende Mindeststrafen angehoben werden. Dies wird generell auch bei gemeinschaftlicher Tatbegehung angestrebt, wo dies nicht bereits im Gesetz berücksichtigt wird.“

In Bezug auf Unmündige kann diese Forderung – mit Ausnahme des Kriteriums der gemeinschaftlichen Tatbegehung – bereits durch den mit der Strafgesetznovelle 2011, BGBl. I Nr. 130/2011, geschaffenen § 39a StGB als umgesetzt angesehen werden. Es wird daher vorgeschlagen, § 39a StGB um die übrigen im Maßnahmenkatalog genannten Fälle zu erweitern und für sämtliche Fälle auch das Kriterium der gemeinschaftlichen Tatbegehung als die Rechtsfolgen des § 39a StGB auslösend vorzusehen.

Der Verweis in Abs. 2 auf § 36 StGB ist in Anbetracht der Regelung des § 19 JGG in der vorgeschlagenen Fassung (Art. 3 Z 1 des Entwurfs) nicht mehr notwendig.

Zu Z 7 (§ 43 Abs. 3 StGB):

Als weiteren Punkt zur Konkretisierung des Vorhabens „weitere Strafverschärfung bei Gewalt- und Sexualdelikten“ sieht der Maßnahmenkatalog zur Task Force Strafrecht (MRV 45/17) den Ausschluss der gänzlich bedingten Strafnachsicht beim Tatbestand der Vergewaltigung vor.

Zu Z 8 bis 10 (§§ 64 Abs. 1 Z 4a, § 85 Abs. 1 Z 2a, 90 Abs. 3 StGB):

Mit dem Strafrechtsänderungsgesetz 2001, BGBl. I Nr. 130/2001, wurde durch eine entsprechende Änderung des § 90 Abs. 3 StGB klargestellt, dass in eine Genitalverstümmelung nicht wirksam eingewilligt werden kann.

In den Erläuterungen zur Regierungsvorlage dieses Gesetzes (754 BlgNR XXI. GP, hier: 11) wurde aus diesem Anlass festgehalten, dass die diversen Formen der (weiblichen) Genitalverstümmelung „den Tatbestand der §§ 83 ff StGB (erfüllen) und meist als schwere Körperverletzung im Sinne des § 84 StGB zu werten oder unter den Tatbestand der Körperverletzung mit schweren Dauerfolgen gemäß § 85 StGB zu subsumieren (sind), wobei hier im Regelfall insbesondere die Tatbestandsmerkmale des Verlustes der Fortpflanzungsfähigkeit (§ 85 Z 1 StGB) und/oder der erheblichen Verstümmelung oder auffallenden Verunstaltung (§ 85 Z 2 StGB) erfüllt sein werden. Nicht selten wird sogar § 87 StGB („Absichtliche schwere Körperverletzung“) mit der – im vorliegenden Zusammenhang – qualifizierten Strafdrohung des Abs. 2 ([damals] ein bis zehn Jahre Freiheitsstrafe) vorliegen, weil es dem Täter oder der Täterin gerade auf den Erfolg (iS der schweren Dauerfolgen) ankommen wird.“

Seither wurden die strafrechtlichen Sanktionierungsmöglichkeiten von Genitalverstümmelung mehrfach verschärft:

Mit dem Strafrechtsänderungsgesetz 2006, BGBl. I Nr. 56/2006, wurde zunächst der Kreis jener Delikte gegen Minderjährige, bei denen die Verjährungsfrist erst mit Volljährigkeit (Vollendung des 18. Lebensjahres) zu laufen beginnt, um Genitalverstümmelungen erweitert (§ 58 Abs. 3 Z 3 StGB idF StRÄG 2006). Mit dem 2. Gewaltschutzgesetz 2009, BGBl. I Nr. 40/2009, wurde die Verjährungsverlängerung nach § 58 Abs. 3 Z 3 StGB in zweifacher Hinsicht ausgedehnt, d.h. zum einen auf sämtliche Delikte gegen Leib und Leben (also auch einschließlich einer nicht mehr ausdrücklich genannten Genitalverstümmelung), gegen die Freiheit sowie gegen die sexuelle Integrität und Selbstbestimmung mit minderjährigen Opfern; zum anderen wurde der Beginn des Laufs der Verjährungsfrist erst auf das 28. Lebensjahr hinausgeschoben (zunächst nur ab Erreichung des 28. Lebensjahres, ab 1. 1. 2010 aufgrund einer Klarstellung durch BGBl. I Nr. 142/2009 ab Vollendung des 28. Lebensjahres. Mit der Strafgesetznovelle 2011, BGBl. I Nr. 130/2011, erfolgte eine Verschärfung in zweifacher Hinsicht: Zum einen wurde die inländische Gerichtsbarkeit bei im Ausland begangener Genitalverstümmelung durch Aufnahme in § 64 Abs. 1 Z 4a StGB ausgeweitet (es reicht nun, wenn der Täter oder das Opfer Österreicher ist oder wenn der Täter oder das Opfer seinen gewöhnlichen Aufenthalt im Inland hat, jeweils unabhängig von der Strafbarkeit im Tatortstaat). Zum anderen schuf bzw. erhöhte der gleichfalls mit diesem Gesetz neu geschaffene § 39a StGB die Untergrenzen bei den in Frage kommenden Tatbeständen, sofern sie von einer volljährigen an einer unmündigen Person begangen wurden. Schließlich schlugen die generellen Verschärfungen bei den Körperverletzungsdelikten mit dem Strafrechtsänderungsgesetz 2015, BGBl. I Nr. 112/2015, auch auf die Genitalverstümmelungen durch. Die Strafdrohungen betragen derzeit demnach zwischen sechs Monaten und fünf Jahren Freiheitsstrafe (wenn es sich im Einzelfall um eine vorsätzliche schwere Körperverletzung an einer nicht mehr unmündigen Person handelt) bis hin zu Freiheitsstrafe von zwei bis fünfzehn Jahren (wenn es sich im Einzelfall um eine absichtliche schwere Körperverletzung mit schweren Dauerfolgen handelt, die von einer volljährigen Person an einer unmündigen Person begangen wurde).

Der Maßnahmenkatalog zur Task Force Strafrecht (MRV 45/17) sieht nun eine weitere Verschärfung vor: „Durch eine legistische Anpassung soll klargestellt werden, dass weibliche Genitalverstümmelung jedenfalls eine schwere Dauerfolge im Sinne des § 85 Abs. 1 Z 2 StGB darstellt.“ Diese Klarstellung soll durch die Einfügung einer neuen Z 2a in § 85 Abs. 1 StGB erfolgen. Die Strafdrohung würde damit jedenfalls ein Jahr (bzw. zwei Jahre bei Unmündigen) bis zehn Jahre Freiheitsstrafe betragen; soweit es sich um eine absichtliche Genitalverstümmelung handelt (was wie gesagt „nicht selten“ der Fall sei), würde die Strafobergrenze jedenfalls fünfzehn Jahre betragen.

Zu Z 11 (§ 107a Abs. 2 StGB):

Der mit dem Strafrechtsänderungsgesetz 2006, BGBl. I Nr. 56/2006, geschaffene Anti-Stalking-Tatbestand („Beharrliche Verfolgung“) sieht derzeit folgende Stalkinghandlungen vor, die – bei Vorliegen der sonstigen Voraussetzungen – den Tatbestand begründen können; das Aufsuchen der räumlichen Nähe des Opfers (§ 107a Abs. 2 Z 1 StGB), die Herstellung des Kontakts mit dem Opfer im Wege einer Telekommunikation oder unter Verwendung eines sonstigen Kommunikationsmittels oder über Dritte (§ 107a Abs. 2 Z 2 StGB), Die Bestellung von Waren oder Dienstleistungen für das Opfer unter Verwendung von dessen personenbezogenen Daten (§ 107a Abs. 2 Z 3 StGB) sowie die Veranlassung Dritter unter Verwendung der personenbezogenen Daten des Opfers, mit diesem Kontakt aufzunehmen (§ 107a Abs. 2 Z 4 StGB).

Im Abschlussbericht der Kommission Strafrecht wird darüber hinaus ein weiteres Phänomen beschrieben: Immer wieder wird von Fällen berichtet, in denen eine Person wiederholt in der unmittelbaren Umgebung der Wohnung oder der Arbeitsstätte einer anderen Person ohne Zustimmung deren Fotos an Autos, Hauswänden oder Litfaßsäulen anschlägt. Teilweise werden diese mit (diffamierenden) Texten versehen. Dies führt zu einer massiven Belastung des Opfers, zumal die Aushänge in der unmittelbaren Umgebung und somit insbesondere für NachbarInnen, FreundInnen und ArbeitskollegInnen sichtbar sind. Damit bezwecken die Täter zum einen die Bloßstellung des Opfers und zum anderen ein stetes Präsentsein in dessen Leben. Bislang konnten solche Handlungen nicht nach § 107a StGB geahndet werden, weil dadurch kein unmittelbarer Kontakt zum Opfer hergestellt wird und das Aushängen von Fotos keine Verwendung personenbezogener Daten zur Veranlassung einer Kontaktaufnahme durch Dritte darstellt. Die Kommission Strafrecht empfahl daher, derartige Verhaltensweisen ebenfalls in § 107a StGB zu erfassen.

Im Maßnahmenkatalog zur Task Force Strafrecht (MRV 45/17) wurde diese Empfehlung aufgegriffen und die Erweiterung der Tatbestände um „Veröffentlichung von Tatsachen oder Bildaufnahmen des höchstpersönlichen Lebensbereiches einer Person ohne deren Zustimmung“ gefordert. Dem soll durch Einfügung einer neuen Z 5 Rechnung getragen werden.

Zu Z 12 (§ 107a Abs. 3 StGB):

In ihrem Abschlussbericht hat die Kommission Strafrecht darauf hingewiesen, dass die Strafdrohung für das Grunddelikt nach § 107a Abs. 1 StGB derzeit ein Jahr Freiheitsstrafe oder Geldstrafe bis zu 720 Tagessätzen beträgt. Lediglich im Falle des Selbstmordes oder des Selbstmordversuches des Opfers ist eine Freiheitsstrafe von bis zu drei Jahren vorgesehen. In der Praxis habe sich gezeigt, dass immer wieder besonders schwere Fälle einer beharrlichen Verfolgung auftreten. So würden manche Opfer über einen sehr langen Zeitraum – teilweise über Jahre – von den Tätern beharrlich verfolgt. Oftmals könne auch eine Verurteilung wegen § 107a StGB den Täter nicht von der Begehung weiterer strafbarer Handlungen nach dieser und anderer Bestimmungen abhalten. Die beharrliche Verfolgung stelle eine massive Belastung für die Opfer dar. Nach Auffassung der Kommission Strafrecht scheine daher in schweren Fällen die bisherige Strafdrohung von bis zu einem Jahr Freiheitsstrafe nicht ausreichend zu sein. Die Kommission empfahl daher, in § 107a Abs. 3 StGB neue Qualifikationen einzufügen.

Der Empfehlung der Kommission Strafrecht soll dadurch nachgekommen werden, dass der Katalog der qualifizierten Sachverhalte um den Fall, dass der Tatzeitraum ein Jahr übersteigt, erweitert wird.

Zu Z 13 (§ 107b Abs. 3, 3a und 4 StGB):

Nach dem mit dem 2. Gewaltschutzgesetz, BGBl. I Nr. 40/2009, geschaffenen § 107b StGB Abs. 1 StGB ist mit Freiheitsstrafe bis drei Jahren zu bestrafen, wer gegen eine andere Person eine längere Zeit hindurch fortgesetzt Gewalt ausübt. Mit Freiheitsstrafe von sechs Monaten bis zu fünf Jahren ist zu bestrafen, wer die Tat gegen eine unmündige oder wegen Gebrechlichkeit, Krankheit oder einer geistigen Behinderung wehrlose Person begeht (oder durch die Tat eine umfassende Kontrolle über das Opfer ausübt; § 107b StGB Abs. 3 StGB). Beträgt der Tatzeitraum mehr als ein Jahr, so erhöht sich der Strafrahmen in den Fällen des Abs. 3 (also einschließlich bei Gewalt gegen Unmündige oder Wehrlose) auf fünf bis fünfzehn Jahre Freiheitsstrafe. Dieselbe Strafdrohung gilt für den Fall, dass das Opfer in einem Fall des Abs. 3 (also gegebenenfalls ein unmündiges oder wehrloses Opfer) durch die fortgesetzte Gewaltausübung eine Körperverletzung mit schwerer Dauerfolge erleidet.

Aus Gründen der Harmonisierung der Strafdrohungen in diesem Bereich (insb. im Verhältnis zu § 92 StGB) und um in der Praxis mehr Flexibilität bei der Strafbemessung im Hinblick auf die Schwere der einzelnen Fälle zu ermöglichen, hat die Kommission Strafrecht in ihrem Abschlussbericht empfohlen, die Strafdrohung für eine Tat nach Abs. 3, die länger als ein Jahr begangen wird, mit einem bis zu zehn Jahren (statt mit fünf bis zu fünfzehn Jahren) festzusetzen.

Demgegenüber verlangt der Maßnahmenkatalog zur Task Force Strafrecht (MRV 45/17) die Setzung legistischer Maßnahmen, um fortgesetzte Gewaltausübung gegen Unmündige und Wehrlose künftig strenger zu ahnden.

Im Sinne dieser Forderung des Maßnahmenkatalogs wird vorgeschlagen, die „Grundstrafdrohung“ für fortgesetzte Gewaltausübung gegenüber Unmündigen oder Wehrlosen von sechs Monaten bis zu fünf Jahren Freiheitsstrafe auf ein bis zehn Jahre Freiheitsstrafe anzuheben. Zumal im Lichte der Empfehlung der Kommission Strafrecht und weil andernfalls die fortgesetzte Verabreichung von Ohrfeigen gegenüber einer unmündigen Person über einen Zeitraum von mehr als einem Jahr womöglich mit mindestens zehn Jahren Freiheitsstrafe zu ahnden wäre, sollen hingegen die Qualifikationen unverändert bleiben und nicht auch noch korrespondierend erhöht werden.

Zu Z 14 (§ 201 Abs. 1 StGB):

Das laufende Regierungsprogramm sieht ganz allgemein eine weitere Strafverschärfung bei Gewalt- und Sexualdelikten vor. Neben den Änderungen im Allgemeinen Teil sowie den vorgeschlagenen Verschärfungen im Bereich der psychischen Gewalt (Stalking, Cybermobbing) soll dies in Umsetzung des Maßnahmenkatalogs zur Task Force Strafrecht (MRV 45/17) durch die Anhebung der Strafuntergrenze beim Tatbestand der Vergewaltigung von einem auf zwei Jahre geschehen.

Die seit der Strafgesetznovelle 2011, BGBl. I Nr. 130/2011, zufolge § 39a Abs. 1 Z 4 StGB für den Fall der Vergewaltigung einer unmündigen Person durch eine volljährige Person geltende Strafuntergrenze von zwei Jahren soll sohin künftig für jegliche Vergewaltigung gelten.

Die Qualifikationen des Abs. 2 (fünf bis zu fünfzehn Jahre Freiheitsstrafe bzw. zehn bis zu zwanzig Jahre oder lebenslange Freiheitsstrafe) sollen unverändert bestehen bleiben.

Zu Z 15 (§ 220b StGB):

Das mit dem zweiten Gewaltschutzgesetz, BGBl. I Nr. 40/2009, geschaffene und mit dem Sexualstrafrechtsänderungsgesetz 2013, BGBl. I Nr. 116/2013, erweiterte Tätigkeitsverbot soll in Umsetzung des Regierungsprogramms sowie des Maßnahmenkatalogs zur Task Force Strafrecht (MRV 45/17) neuerlich erweitert und verschärft werden: Bei rechtskräftigen Verurteilungen wegen vorsätzlich begangener, mit mehr als einjähriger Freiheitsstrafe bedrohter strafbarer Handlungen gegen Leib und Leben oder die Freiheit oder strafbaren Handlungen gegen die sexuelle Integrität und Selbstbestimmung einer minderjährigen oder wehrlosen Person soll ein lebenslanges Tätigkeitsverbot hinsichtlich der Tätigkeit mit Kindern oder wehrlosen Personen vorgesehen werden.

Der Anwendungsbereich des Tätigkeitsverbots soll damit auf Gewaltdelikte ausgedehnt werden. Die im geltenden Recht vorgesehene Möglichkeit, ein zeitlich befristetes Tätigkeitsverbot zu verhängen, soll entfallen. Schließlich soll in Bezug auf wehrlose Personen eine dem Verbot in Bezug auf minderjährige Personen nachgebildetes Tätigkeitsverbot geschaffen werden, wobei sich der neu vorgeschlagene Abs. 2 bei der Umschreibung des Kreises der wehrlosen Personen an § 92 StGB orientieren soll.

Beim Straftatbestand des Verstoßes gegen ein Tätigkeitsverbot (Abs. 4) soll auf der subjektiven Tatseite das Erfordernis der Wissentlichkeit entfallen und Eventualvorsatz ausreichen. Im Wege des § 12 StGB werden auch Personen erfasst, die trotz des Tätigkeitsverbots eine der erfassten Tätigkeiten ausüben lassen.

Zu Artikel 3 (Änderung des Jugendgerichtsgesetzes 1988)

Zu Z 1 (§ 19 JGG):

1. Mit einer Reform des Jugendstrafrechts durch das Bundesgesetz BGBl. I Nr. 19/2001 wurde einerseits die obere Grenze des Anwendungsbereiches des Jugendstrafrechts auf das vollendete 18. Lebensjahr herabgesetzt, andererseits wurden für die Altersgruppe der „jungen Erwachsenen“ (ab Vollendung des 18. bis einschließlich 20. Lebensjahr) einzelne Bestimmungen des Jugendstrafrechts (sowohl materielle als auch prozessuale) anwendbar gemacht.

2. Mit der letzten großen Reform des Jugendstrafrechts durch das JGG-ÄndG 2015 (BGBl. I Nr. 154/2015) erfolgte in Entsprechung des Regierungsprogramms der Legislaturperiode 2013 bis 2018 auch allgemein eine „Modernisierung des Jugendstrafrechts bzw. des Heranwachsendenstrafrechts“. So betraf einer der Hauptgesichtspunkte des JGG-ÄndG 2015 Verbesserungen der Sanktionspalette für junge Erwachsene und die Annäherung der Strafuntergrenzen für junge Erwachsene an jene für Jugendliche.

3. Das Regierungsprogramm der aktuellen Legislaturperiode (2017 bis 2022) sieht für den Bereich des JGG unter anderem die Überprüfung einer allfälligen Angleichung der Strafdrohungen für junge Erwachsene an jene bei Erwachsenen vor.

Durch die vorgeschlagene Änderung sollen in Entsprechung der politischen Vorgaben für im neuen Abs. 4 taxativ aufgezählte Straftaten (bestimmte Gewalt- und Sexualverbrechen sowie Formen terroristischer und organisierter Kriminalität) von Personen, die zur Zeit der Tat das achtzehnte, aber noch nicht das einundzwanzigste Lebensjahr vollendet haben, dieselben Strafandrohungen zur Anwendung gelangen, die für ältere Erwachsene gelten.

Zu Z 2 (§ 63 JGG):

Diese Bestimmung regelt das Inkrafttreten.

Zu Artikel 4 (Änderungen der Strafprozeßordnung 1975)

Zu Z 1, 8 und 9 (§ 66 Abs. 1 Z 1a, § 80 Abs. 1, § 96 Abs. 5 StPO):

Opfer (§ 65 Z 1 StPO) haben gemäß § 66 Abs. 1 Z 1a StPO bereits nach geltender Rechtslage das Recht, eine schriftliche Bestätigung ihrer Anzeige zu erhalten (§ 80 Abs. 1 StPO).

Da Opfern – unabhängig von ihrer Stellung als Privatbeteiligte – das Recht auf Akteneinsicht zusteht (§ 66 Abs. 1 Z 2, § 68 Abs. 2 StPO), ist ihnen auf ihr Verlangen nach ihrer Vernehmung sogleich eine Abschrift oder Kopie des Protokolls ihrer Vernehmung auszufolgen, sofern schutzwürdige Interessen des Verfahrens oder Dritter nicht entgegenstehen (§ 96 Abs. 5 StPO). Die Ausfolgung von zwei Kopien des Protokolls hat dabei gebühren- und kostenfrei zu erfolgen (Anm. 3 lit. e zu Tarifpost 15 GGG sowie § 4 der Verordnung der Bundesministerin für Justiz über die Höhe der Gebühren für die Herstellung von Kopien durch die Staatsanwaltschaft oder die Kriminalpolizei im Rahmen der Akteneinsicht, BGBl II Nr. 390/2007).

Da diese Regelungen in der Praxis immer wieder zu Problemen führen, soll im Sinne der Ergebnisse der Task Force Strafrecht nunmehr ausdrücklich klargestellt werden, dass Opfer ein Recht auf gebührenfreien Erhalt der Anzeigebestätigung und des Vernehmungsprotokolls haben, wodurch künftig Vollzugsprobleme vermieden werden sollen.

Zu Z 2, 11 und 12 (§ 66a Abs. 1, § 173 Abs. 5 Z 3, § 206 Abs. 1 StPO):

Nach § 66a Abs. 1 Z 2 StPO gelten Opfer, „die Gewalt in Wohnungen (§ 38a SPG) ausgesetzt gewesen sein könnten,“ jedenfalls als besonders schutzbedürftig. Auch in § 173 Abs. 5 Z 3 StPO („in Fällen von Gewalt in Wohnungen (§ 38a SPG)“) und in § 206 Abs. 1 StPO („im Fall von Gewalt in Wohnungen (§ 38a SPG)“) wird auf § 38a SPG Bezug genommen. § 38a SPG, welcher das Betretungsverbot und Wegweisung zum Schutz vor Gewalt regelt, wurde zuletzt durch die Präventions-Novelle 2016, BGBl I Nr. 61/2016, geändert. Das SPG stellt allerdings bereits seit der SPG-Novelle 2013, BGBl I Nr. 152/2013, im Zusammenhang mit § 38a SPG nicht mehr ausdrücklich auf „Gewalt in Wohnungen“ ab, weil der Anwendungsbereich der Bestimmung bewusst erweitert wurde. Die in der StPO in diesem Zusammenhang bislang verwendete Terminologie „Gewalt in Wohnungen (§ 38 SPG)“ erscheint daher überholt.

Nachdem eine Neufassung des § 38a SPG im Schlussbericht der Kommission Opferschutz und Täterarbeit der Task Force Strafrecht ausdrücklich empfohlen wird und sich auch in dem von der Bundesregierung in ihrer Sitzung vom 13. Februar 2019, Task Force Strafrecht, MR 45/17, beschlossenen Maßnahmenkatalog wiederfindet, soll eine Angleichung der Verweise in der StPO an den neuen Regelungsinhalt des § 38a SPG erfolgen.

Nach der vorgeschlagenen Neuregelung des § 38a SPG soll diese Maßnahme nicht mehr nur ein Betretungsverbot für konkrete Orte und Bereiche umfassen, sondern auch die Annäherung des Gefährders an die gefährdete Person unterbinden. Durch die vorgeschlagene Änderung des § 38a Abs. 1 SPG soll der Umfang des mit der Anordnung eines Betretungs- und (nunmehr auch) Annäherungsverbots verknüpften Schutzbereichs neu festgelegt werden. Zentraler Anknüpfungspunkt für die Maßnahme nach § 38a SPG bleibt die von der gefährdeten Person bewohnte Wohnung. Die Wohnung, in der ein Gefährdeter wohnt, sowie der um diese Wohnung liegende Bereich im Radius von fünfzig Metern dürfen vom Gefährder nicht betreten werden (Betretungsverbot).

Bislang waren gemäß § 38a SPG neben der Wohnung und ihrem Umkreis – sofern es sich bei dem Gefährdeten um einen unmündigen Minderjährigen handelt – abschließend bezeichnete institutionelle Schul- und Betreuungseinrichtungen vom Betretungsverbot erfasst, sodass etwa mündigen Minderjährigen außerhalb der betroffenen Wohnung kein besonderer Schutz zukam. Nunmehr soll mit einem Betretungsverbot zwingend auch ein sogenanntes Annäherungsverbot des Gefährders an die gefährdete Person verbunden sein. Dem Gefährder soll es damit untersagt sein, sich der gefährdeten Person auf mehr als fünfzig Meter zu nähern. Dieses Annäherungsverbot soll solange gelten, als das Betretungsverbot aufrecht ist, und an keine sonstige örtliche Konkretisierung gebunden sein. Demnach bewegt sich der gesetzliche Schutzbereich künftig stets mit der gefährdeten Person mit, gleich ob sich diese etwa in der Schule, bei der Arbeit oder auf dem Weg dorthin befindet.

In Angleichung an den geänderten Regelungsinhalt des § 38a SPG soll daher in § 66a, § 173 Abs. 5 Z 3 und § 206 Abs. 1 StPO nicht mehr auf den Begriff der „Gewalt in Wohnungen (§ 38a SPG)“ abgestellt werden, sondern auf Fälle möglicher bzw. erteilter Betretungs- und Annäherungsverbote nach § 38a Abs. 1 SPG. Damit sollen künftig nicht nur die (ursprünglich von § 38a SPG adressierten) Opfer von Gewalt im engsten familiären Umfeld all ihre Rechte behalten, sondern der Kreis der erfassten Personen auch auf solche Opfer erweitert werden, denen Gewalt in ihrem unmittelbaren sozialen Nahebereich widerfahren ist, wie beispielsweise Opfer beharrlicher Verfolgung nach § 107a StGB oder Opfer der Eskalation (nachbarschaftlicher) Konfliktsituationen.

Es wird daher vorgeschlagen, in § 66a Abs. 1 Z 2 StPO nicht mehr auf Opfer von Gewalt in Wohnungen (§ 38a SPG) abzustellen, sondern auf Opfer, zu deren Schutz ein Betretungs- und Annäherungsverbot zum Schutz vor Gewalt nach § 38a Abs. 1 SPG erteilt werden könnte, womit im Ergebnis eine Ausdehnung der ex lege als besonders schutzbedürftig definierten Opfergruppe einhergeht.

Die Verwendung des Konjunktivs, dass ein Betretungs- und Annäherungsverbot zum Schutz vor Gewalt nach § 38a Abs. 1 SPG „erteilt werden könnte“ stellt – wie bei allen Varianten des Abs. 1 Z 1–3 – auf die Wahrung der Unschuldsvermutung ab (vgl. Kier in Fuchs/Ratz, WK StPO § 66a Rz 4) und soll die Tatsache hervorheben, dass man tatsächliches Opfer nur dann ist, wenn der Täter einer Straftat rechtskräftig für schuldig befunden wurde (Kier in Fuchs/Ratz, WK StPO § 65 Rz 3). Die Formulierung umfasst sämtliche Konstellationen, in denen die Erteilung eines Betretungs- und Annäherungsverbot zum Schutz vor Gewalt nach § 38a Abs. 1 SPG möglich ist und somit im Ergebnis selbstverständlich auch Opfer, zu deren Schutz ein Betretungs- und Annäherungsverbot zum Schutz vor Gewalt nach § 38a Abs. 1 SPG auch tatsächlich bereits erteilt wurde; ebenso kommt diese Formulierung allerdings jenen Opfern zugute, in denen zwar die Voraussetzungen nach § 38a Abs. 1 SPG vorliegen, ein Betretungs- und Annäherungsverbot aber (noch) nicht ausgesprochen worden ist.

§ 173 Abs. 5 Z 3 StPO soll allerdings wie bereits derzeit Reaktionsmöglichkeiten sowohl für den Fall bereits erteilter Betretungs- und Annäherungsverbote (§ 38 SPG) als auch für jene Fälle vorsehen, in denen ein solches zum Schutz vor Gewalt erteilt werden könnte. Anstelle des derzeit vorgesehenen gelinderen Mittels, „ein bereits erteiltes Betretungsverbot nach § 38a Abs. 2 SPG“ nicht zu übertreten, wird vorgeschlagen, künftig – konform mit der vorgeschlagenen Neuregelung des § 38a SPG – auf ein bereits erteiltes Betretungs- und Annäherungsverbot zum Schutz vor Gewalt nach § 38a Abs. 1 SPG abzustellen. Ist ein solches jedoch (noch) nicht erteilt worden, soll es in den Fällen des § 38a Abs. 1 SPG wie bisher möglich sein, das Gelöbnis anzuordnen, jeden Kontakt mit dem Opfer zu unterlassen. Von der Angleichung des Wortlauts auf „Annäherung“ soll bewusst Abstand genommen werden, weil Kontakt deutlich weitergehend ist und auf diesem Weg auch beispielsweise eine telefonische Kontaktaufnahme oder eine solche über „social media“ verboten werden soll. Ebenso soll neben der Weisung, sich dem Opfer nicht anzunähern (und insofern konform mit dem vorgeschlagenen Annäherungsverbot) auch die Weisung möglich sein, eine bestimmte Wohnung sowie bestimmte Örtlichkeiten nicht zu betreten. Der im Vergleich zur derzeitigen Rechtslage geänderte Wortlaut durch Erfassung auch bestimmter Örtlichkeiten soll es beispielsweise auch ermöglichen, ein Betretungsverbot institutioneller Schul- und Betreuungseinrichtungen oder etwa des Arbeitsplatzes eines Opfers anzuordnen, weil auch durch ein Betreten dieser Örtlichkeiten unabhängig von der Anwesenheit des Opfers damit Druck auf dieses ausgeübt werden kann, womit durch die gesetzliche Weisungsmöglichkeit im Einzelfall adäquat reagiert werden kann.

In § 206 Abs. 1 StPO soll künftig auf ein erteiltes Betretungs- und Annäherungsverbot zum Schutz vor Gewalt nach § 38a Abs. 1 SPG abgestellt werden.

Im Hinblick auf die zeitliche Befristung des Betretungs- und Annäherungsverbotes zum Schutz vor Gewalt ist nicht darauf abzustellen, ob ein solches aktuell noch aufrecht ist, sondern lediglich darauf, ob es in Zusammenhang mit jenem Sachverhalt erteilt wurde, der zur Einleitung eines Strafverfahrens geführt hat.

Zu Z 3 (§ 66a Abs. 2 Z 1a StPO):

Insbesondere für Opfer, die in ihrer sexuellen Integrität und Selbstbestimmung verletzt worden sein könnten, Gewalt nach § 38a Abs. 1 SPG in der künftigen Fassung ausgesetzt gewesen sein könnten oder minderjährig sind, sohin besonders schutzbedürftige Opfer (§ 66a Abs. 1 StPO), kann ihre Vernehmung schambesetzt sein. Hierbei haben die Erfahrungen der Gewaltschutzzentren/Interventionsstellen gezeigt, dass sich diese Problematik bei weiblichen Opfern aus anderen – insbesondere muslimischen – Kulturkreisen noch ausgeprägter darstellt. Um den besonderen Bedürfnissen besonders schutzbedürftiger Opfer gerecht zu werden, sieht § 66 Abs. 2 StPO bereits jetzt erweiterte Rechte vor, unter anderem:

           1. zu verlangen, im Ermittlungsverfahren nach Möglichkeit von einer Person des gleichen Geschlechts vernommen zu werden,

           2. die Beantwortung von Fragen nach Einzelheiten der Straftat, deren Schilderung sie für unzumutbar halten, oder nach Umständen aus ihrem höchstpersönlichen Lebensbereich zu verweigern (§ 158 Abs. 1 Z 2 und 3, Abs. 2),

           3. zu verlangen, im Ermittlungsverfahren und in der Hauptverhandlung auf schonende Weise vernommen zu werden (§§ 165, 250 Abs. 3), und zwar ein minderjähriges Opfer, das durch die dem Beschuldigten zur Last gelegte Straftat in seiner Geschlechtssphäre verletzt worden sein könnte, jedenfalls auf die in § 165 Abs. 3 beschriebene Art und Weise, gegebenenfalls durch einen Sachverständigen,

           4. zu verlangen, die Öffentlichkeit der Hauptverhandlung auszuschließen (§ 229 Abs. 1),

       (…)

           6. einer Vernehmung eine Person ihres Vertrauens beizuziehen (§ 160 Abs. 2).

Die Vernehmung eines besonders schutzbedürftigen Opfers kann jedoch auch durch die Beiziehung einer Dolmetscherin/eines Dolmetschers des anderen Geschlechts erschwert werden. Im Sinne des Opferschutzes und der Wahrheitsfindung sollen daher künftig bei Vernehmungen besonders schutzbedürftiger Opfer (§ 66a Abs. 1 StPO) auf ihr Verlangen Dolmetschleistungen im Ermittlungsverfahren und in der Hauptverhandlung nach Möglichkeit von einer Dolmetscherin/einem Dolmetscher des gleichen Geschlechts zu erbringen sein.

Zu Z 4 und 5 (§ 70 Abs. 1, 2 und 3 StPO):

§ 70 StPO regelt das Recht von Opfern auf Information und präzisiert dabei den in § 10 Abs. 2 StPO verankerten Grundsatz, wonach Kriminalpolizei, Staatsanwaltschaft und Gericht unter anderem verpflichtet sind, alle Opfer über ihre wesentlichen Rechte im Verfahren sowie über die Möglichkeit zu informieren, Entschädigungs- oder Hilfeleistungen zu erhalten. Nach § 70 Abs. 1 StPO hat die Kriminalpolizei oder die Staatsanwaltschaft Opfer über ihre wesentlichen Rechte zu informieren (§§ 66 bis 67 StPO), sobald ein Ermittlungsverfahren gegen einen bestimmten Beschuldigten geführt wird. Dies darf nur solange unterbleiben, als dadurch der Zweck der Ermittlungen gefährdet wäre. § 70 Abs. 1 StPO sieht weiters vor, dass Opfer im Sinn des § 65 Z 1 lit. a oder b StPO sowie Opfer (§ 65 Z 1) terroristischer Straftaten (§ 278c StGB) spätestens vor ihrer ersten Befragung über die Voraussetzungen der Prozessbegleitung und besonders schutzbedürftige Opfer über ihre Rechte nach § 66a StPO zu informieren sind. Die Verständigung hat dabei in einer Sprache, die das Opfer versteht, und in einer verständlichen Art und Weise unter Berücksichtigung der persönlichen Bedürfnisse des Opfers zu erfolgen (§ 70 Abs. 1 letzter Satz iVm § 50 Abs. 2 StPO).

Basierend auf den Empfehlungen der Task Force Strafrecht wird vorgeschlagen, § 70 StPO zur besseren Lesbarkeit und Verständlichkeit neu zu strukturieren, wobei inhaltlich jedoch keine Änderungen vorgenommen werden sollen; insbesondere soll die Differenzierung, wonach die jeweiligen Opfergruppen über die ihnen zustehenden Rechte informiert werden, beibehalten werden, um eine „Überfrachtung“ an Informationen zu vermeiden. Es wird daher vorgeschlagen, in Abs. 1 die alle Opfer gleichermaßen betreffenden Rechte auf Information aufzunehmen und durch eine Untergliederung (Z 1 bis 4) übersichtlicher zu gestalten. Die für Opfer im Sinn des § 65 Z 1 lit. a oder b StPO, Opfer (§ 65 Z 1) terroristischer Straftaten (§ 278c StGB) und besonders schutzbedürftige Opfer (§ 66a StPO) vorgesehene Information über ihre erweiterten Rechte soll aus Gründen der Übersichtlichkeit in einem neuen Abs. 2 geregelt werden. Durch die Verwendung des Wortes „überdies“ wird klargestellt, dass es sich für diese Opfergruppen um ergänzende, über jene in Abs. 1 geregelte hinausgehende Rechte handelt und auch für diese Information die in Abs. 1 normierten Vorgaben gelten (insbesondere auch § 50 Abs. 2 StPO). Der im bisherigen § 70 Abs. 1 dritter Satz StPO verwendete Begriff der „Befragung“ soll der Terminologie der StPO folgend durch jenen der „Vernehmung“ ersetzt werden.

Der neue Abs. 3 soll die bisher in Abs. 2 für alle Opfer geltende Möglichkeit des Verzichts auf jede weitere Beteiligung am Verfahren in unveränderter Form behandeln.

Eine inhaltliche Änderung zur weiteren Stärkung des Opferschutzes soll hingegen durch den Entfall der Wortfolge „gegen einen bestimmten Beschuldigten“ in § 70 Abs. 1 StPO vorgenommen werden; gleichzeitig soll damit nationale und europarechtliche Kritik an der bestehenden Regelung aufgegriffen werden:

Nach § 70 Abs. 1 erster Satz StPO sind Opfer über ihre wesentlichen Rechte zu informieren, sobald ein Ermittlungsverfahren gegen einen bestimmten Beschuldigten geführt wird. Bestimmt ist ein Beschuldigter dann, wenn er als solcher identifizierbar ist, das setzt keine Kenntnis des Namens voraus (Kirschenhofer in Schmölzer/Mühlbacher, StPO I § 70 Rz 1; Korn/Zöchbauer in Fuchs/Ratz, WK StPO § 70 Rz 2; Fabrizy, StPO13, § 70 Rz 1). In der Praxis ist es mitunter in Einzelfällen vorgekommen, dass der Begriff des „bestimmten“ Beschuldigten im Gegensatz zum Begriff des unbekannten Täters gesehen wurde und Informationen unterblieben sind.

Die in der StPO geregelten Rechte setzen unter keinen Umständen die Information des Opfers über diese Rechte voraus, sondern stehen ihnen bei Vorliegen der gesetzlichen Voraussetzungen vielmehr unabhängig davon jedenfalls zu. Eine unterbliebene, verspätete oder unzureichende Belehrung kann vom Opfer im Ermittlungsverfahren mittels Einspruch wegen Rechtsverletzung nach § 106 StPO gerügt werden. Wird dem Einspruch stattgegeben, so ist gemäß § 107 Abs. 4 StPO der entsprechende Rechtszustand mit den zu Gebote stehenden Mitteln herzustellen, also die Belehrung unverzüglich nachzuholen.

Bereits bisher hat daher das in § 70 StPO verbriefte Recht auf Information weitergehende Verständigungspflichten nicht eingeschränkt. So hat z. B. nach § 194 Abs. 1 StPO die Staatsanwaltschaft von der Einstellung und der Fortführung des Verfahrens neben dem Beschuldigten und der Kriminalpolizei alle Personen zu verständigen, die zur Einbringung eines Antrags auf Fortführung berechtigt sind (§ 195 Abs. 1 StPO). Damit wird eine klare Verständigungspflicht für Opfer statuiert, wobei nicht unterschieden wird, ob es sich um ein Verfahren gegen bekannte oder unbekannte Täter handelt. Unter dem Gesichtspunkt der Gewährleistung eines effektiven Opferschutzes soll der Entfall der Wendung „gegen einen bestimmten Beschuldigten“ in § 70 Abs. 1 erster Satz StPO allerdings ausdrücklich klarstellen, dass die Informationsrechte von Opfern unabhängig davon zustehen, ob ein Ermittlungsverfahren gegen bekannte oder unbekannte Beschuldigte geführt wird.

Die bisherige Regelung des § 70 Abs. 1 zweiter Satz StPO, wonach die Information der Opfer solange unterbleiben kann, als dadurch der Zweck der Ermittlungen gefährdet wäre, stieß sowohl auf nationaler als auch auf europarechtlicher Ebene auf Kritik. Korn/Zöchbauer bezeichnen in Fuchs/Ratz, WK StPO § 70 Rz 2 die beschriebene Vorgehensweise zwar einerseits als durchaus sachgerecht im Hinblick auf die Doppelstellung von Opfer als Zeugen im Strafverfahren und die Gefahr einer verzerrten – die eigene Rechtsposition begünstigenden – Darstellung des Geschehens (ähnlich St. Seiler, Strafprozessrecht16 Rz 260 zum Recht auf Akteneinsicht), verweisen allerdings auch darauf, dass es sich doch um ein sehr weit gehendes und letztlich nicht determiniertes Ermessen handelt, zumal sich die dafür erforderlichen Umstände auch leicht konstruieren lassen (idS auch Achammer § 50 Rz 20 zu den Beschuldigtenrechten). Die Europäische Kommission hat im Hinblick auf die nationale Umsetzung der Richtlinie (EU) 2011/36 zur Verhütung und Bekämpfung des Menschenhandels und zum Schutz seiner Opfer sowie zur Ersetzung des Rahmenbeschlusses 2002/629/JI des Rates, ABl. Nr. L 101 vom 15.04.2011 S. 1 ebenfalls kritisch Stellung genommen und ausgeführt, dass ein derartiger Aufschub der Information dazu führen könne, dass die betreffende Person nicht bereits dann Unterstützung und Betreuung erhalte, wenn den zuständigen Behörden berechtigte Gründe für die Annahme vorliegen, dass die Person ein Opfer ist. Als Reaktion auf diese Kritik soll daher eine Anpassung erfolgen, die sich an § 50 Abs. 1 dritter Satz StPO orientiert, der bereits eine Möglichkeit des Aufschubs der Information an Beschuldigte – bei Vorliegen besonderer Umständen – vorsieht. Durch die Regelung, dass ein Aufschub der Information nur gerechtfertigt ist, wenn besondere Gründe befürchten lassen, dass ansonsten der Zweck der Ermittlungen gefährdet wäre, soll eine restriktive Handhabung und deren effektive gerichtliche Überprüfung erreicht werden. Wie in § 50 Abs. 1 StPO beispielhaft aufgezählt, wird dies insbesondere auf jene Fälle zutreffen, in denen Ermittlungen oder Beweisaufnahmen durchzuführen sind, deren Erfolg voraussetzt, dass niemand Kenntnis von den geführten Ermittlungen hat, insbesondere „heimliche“ Überwachungsmaßnahmen, deren Erfolg die Unkenntnis des Beschuldigten (und dritter Personen) voraussetzt. Ein Aufschub ist im Regelfall jedoch nur rechtfertigbar, wenn solche Ermittlungsmaßnahmen unmittelbar bevorstehen, weil ansonsten durch eine Belehrung die kriminalpolitische Effizienz nicht beeinträchtigt werden kann. Dem Aufschub sollen damit deutliche Grenzen gesetzt werden.

Zu Z 6 (§ 76 Abs. 4 StPO):

Mit der vorgeschlagenen Neufassung des § 76 Abs. 4 StPO sollen die in der Praxis bestehenden Unklarheiten im Zusammenhang mit dessen Anwendung insbesondere im Hinblick auf die Frage der Spezialität gegenüber einer materiengesetzlich angeordneten Ermächtigung zum Erhalt von Daten aus einem Strafverfahren beseitigt werden. Zu diesem Zweck wird vorgeschlagen, die restriktive Ausformung der bisherigen Regelung, die eine Übermittlung nach der StPO ermittelter personenbezogener Daten abhängig von der Grundrechtsinvasivität der Ermittlungsmaßnahme nur an bestimmte Behörden und Gerichte zu klar im Gesetz definierten Zwecken zulässt, zu lockern und es künftig jedem Materiengesetzgeber zu ermöglichen, eine gesetzliche Ermächtigung zum Erhalt personenbezogener Daten aus einem Strafverfahren für bestimmte Behörden und Gerichte vorzusehen. In der einer solchen Ermächtigung korrespondierenden Bestimmung des § 76 Abs. 4 StPO als der erforderlichen Grundlage zur Zulässigkeit der Übermittlung von Daten aus einem Strafverfahren an die ersuchende Behörde bzw. das ersuchende Gericht wird – wie auch nach der derzeit in Geltung stehenden Rechtslage – vorgeschlagen, die Übermittlung von nach der StPO ermittelten personenbezogenen Daten an die Erfordernisse einer ausdrücklichen gesetzlichen Ermächtigung sowie die Zulässigkeit deren Verwendung in einem Strafverfahren als Beweis zu binden. Die schon bisher bestehende Zweckbindung wird insofern beibehalten, als eine Datenübermittlung nicht zulässig sein soll, wenn die mit der Übermittlung verfolgten Zwecke nicht im gesetzlichen Zuständigkeitsbereich der ersuchenden Behörden und Gerichte liegen. Ebenso hat die Übermittlung zu unterbleiben, falls eine von der ersuchten Kriminalpolizei, Staatsanwaltschaft oder Gericht vorzunehmende Verhältnismäßigkeitsabwägung ein Überwiegen der schutzwürdigen Geheimhaltungsinteressen der von der Übermittlung betroffenen Personen gegenüber dem mit der Übermittlung verfolgten Zweck zu Tage fördert. Im Rahmen dieser Abwägung ist besonderes Augenmerk auf die Intensität des mit der vorgenommenen Ermittlungsmaßnahme verbundenen Grundrechtseingriffs zu legen: Je schwerwiegender ein solcher Eingriff ausgestaltet ist, desto gewichtiger sind die schutzwürdigen Interessen der von der Übermittlung betroffenen Personen. Dies bringt die demonstrative Aufzählung der Z 2 zum Ausdruck, die zum Zweck der Veranschaulichung besonders grundrechtsinvasive Ermittlungsmaßnahmen exemplarisch auflistet und ihnen somit besondere Bedeutung zuerkennt. Gefährdet eine Übermittlung den Zweck einer Ermittlung, so soll von dieser ebenfalls Abstand zu nehmen sein.

Zu Z 7 (§ 76 Abs. 6 StPO):

Mit der vorgeschlagenen Änderung in § 22 Abs. 2 SPG soll in Fortsetzung des in dieser Form nicht mehr fortgeführten MARAC-Projekts bei sogenannten „High-Risk-Fällen“ eine ausdrückliche Rechtsgrundlage für die Einberufung von „Sicherheitspolizeilichen Fallkonferenzen“ durch die und unter Leitung der Sicherheitsbehörde etabliert werden, um gemeinsam mit den im Einzelfall maßgeblichen Akteuren rasch zu einem möglichst effizienten Schutz von gefährdeten Personen beizutragen und auf den Einzelfall abgestimmte Schutzmöglichkeiten im Sinne eines individuellen Risiko Managements zu entwickeln.

Ein „High-Risk-Fall“ soll dann anzunehmen sein, wenn konkrete Tatsachen dafür sprechen, dass von einer bestimmten Person eine besondere Gefahr für andere ausgeht. Eine besondere Gefahr in diesem Sinne liegt dann vor, wenn zu befürchten ist, dass die Person eine mit beträchtlicher Strafe bedrohte Handlung im Sinn des § 17 SPG gegen Leben, Gesundheit, Freiheit oder Sittlichkeit begehen wird.

Mit der vorgeschlagenen Änderung des § 76 Abs. 6 StPO soll für Kriminalpolizei, Staatsanwaltschaften und Gerichte eine ausdrückliche Rechtsgrundlage für die grundsätzliche Zulässigkeit der Bekanntgabe von Daten eines Strafverfahrens in einer solchen Sicherheitspolizeilichen Fallkonferenz geschaffen werden. Voraussetzung der Mitteilung dieser Daten ist die Zulässigkeit deren Verwendung in einem Strafverfahren. Die Entscheidung darüber, ob bzw. in welchem Umfang in einem Strafverfahren ermittelte Daten im Rahmen einer Sicherheitspolizeilichen Fallkonferenz den Teilnehmern bekanntgegeben werden, obliegt allein dem zugezogenen Entscheidungsorgan sowohl nach ermittlungstaktischen Gesichtspunkten als auch nach Abwägung der schutzwürdigen Geheimhaltungsinteressen der von einer Datenbekanntgabe betroffenen Personen gegenüber dem mit der Fallkonferenz verfolgten Zweck des Schutzes einer gefährdeten Person.

Zu Z 10 und 13 (§ 165 Abs. 4, § 250 Abs. 3 StPO):

Das Gericht hat der Staatsanwaltschaft, dem Beschuldigten und dem Verteidiger, aber auch dem Opfer, dem Privatbeteiligten und deren Vertretern die Gelegenheit zu geben, sich an einer Vernehmung zu beteiligen und Fragen zu stellen (§ 165 Abs. 2 zweiter Satz StPO). Eine solche kontradiktorische Vernehmung sowie die Ton- und Bildaufnahme einer solchen Vernehmung ist zulässig, wenn zu besorgen ist, dass die Vernehmung in einer Hauptverhandlung aus tatsächlichen oder rechtlichen Gründen nicht möglich sein werde (§ 165 Abs. 1 StPO). Die kontradiktorische Vernehmung hat das Gericht auf Antrag der Staatsanwaltschaft durchzuführen (§ 165 Abs. 2 erster Satz StPO).

Bei der schonenden Vernehmung wird die Gelegenheit zur Beteiligung derart beschränkt, dass die Beteiligten des Verfahrens und ihre Vertreter die Vernehmung unter Verwendung technischer Einrichtungen zur Wort- und Bildübertragung mitverfolgen und ihr Fragerecht ausüben können, ohne bei der Befragung (direkt) anwesend zu sein (im Ermittlungsverfahren: § 165 Abs. 3 erster Satz StPO; in der Hauptverhandlung: § 250 Abs. 3 StPO). Bei besonders schutzbedürftigen Opfern (§ 66a StPO) oder sonst eines Zeugen, auf den die in § 66a StPO erwähnten Kriterien zutreffen, oder sonst im Interesse der Wahrheitsfindung hat eine solche schonende Vernehmung auf Antrag der Staatsanwaltschaft oder von Amts wegen zu erfolgen (§ 165 Abs. 3 StPO).

Einen minderjährigen Zeugen, der durch die dem Beschuldigten zur Last gelegte Straftat in seiner Geschlechtssphäre verletzt worden sein könnte, hat das Gericht in jedem Fall von Amts wegen schonend zu vernehmen. Die übrigen besonders schutzbedürftigen Opfer und die in § 156 Abs. 1 Z 1 und 2 StPO erwähnten Zeugen dann, wenn sie oder die Staatsanwaltschaft dies beantragen (§ 165 Abs. 4 StPO). § 156 Abs. 1 Z 2 StPO, der eine Aussagebefreiung vorsieht, wenn die Parteien Gelegenheit hatten, sich an einer vorausgegangenen kontradiktorischen Vernehmung zu beteiligen (§ 165, § 247 StPO), bezieht sich auf besonders schutzbedürftige Opfer. Der Verweis auf die Regelung des § 156 Abs. 1 Z 2 StPO wäre somit in § 165 Abs. 4 StPO grundsätzlich unnötig, wenn nicht damit „Zeugen, auf die die in § 66a erwähnten Kriterien zutreffen“ gemeint wären. Dafür würde auch eine Gleichstellung mit der Diktion in § 165 Abs. 3 StPO sprechen. Da die EBRV (1058 BlgNR 25. GP 13f) hierzu nicht eindeutig sind, scheint eine Klarstellung und Vereinheitlichung im Hinblick auf den in § 165 Abs. 3 und 4 StPO genannten Zeugenkreis in Übereinstimmung mit den Empfehlungen der Task Force Strafrecht zweckmäßig.

Gemäß § 250 Abs. 3 StPO sind Opfer gemäß § 65 Z 1 lit. a StPO, sohin Personen, die durch eine vorsätzlich begangene Straftat Gewalt oder gefährlicher Drohung ausgesetzt, in ihrer sexuellen Integrität und Selbstbestimmung beeinträchtigt oder deren persönliche Abhängigkeit durch eine solche Straftat ausgenützt worden sein könnte, auf ihren Antrag in der Hauptverhandlung auf die in § 165 Abs. 3 StPO beschriebene Art und Weise zu vernehmen, wobei das Gericht bei der Vernehmung von Zeugen § 165 StPO sinngemäß anzuwenden hat. Während also § 165 StPO auf besonders schutzbedürftige Opfer (§ 66a StPO) abstellt, sind in § 250 Abs. 3 StPO Opfer gemäß § 65 Z 1 lit. a StPO angeführt. § 66a Abs. 2 Z 3 StPO statuiert das Recht besonders schutzbedürftiger Opfer zu verlangen, im Ermittlungsverfahren und in der Hauptverhandlung nach § 165, § 250 Abs. 3 StPO auf schonende Weise vernommen zu werden. Aus Gründen der Klarstellung und einer Gleichstellung mit § 165 StPO erscheint es daher zweckmäßig, besonders schutzbedürftige Opfer (§ 66a StPO) auch in § 250 Abs. 3 StPO aufzunehmen, womit auch insofern eine Ausweitung verbunden ist, als der Regelungsumfang des § 66a StPO nicht mit jenem des § 65 Z 1 lit. a StPO deckungsgleich ist.

Zu Z 14 (§ 410 Abs. 1 StPO):

Der Entfall des Abs. 4 im Klammerbegriff stellt eine Anpassung an die in Aussicht genommene Änderung der Bestimmung des § 220b StGB dar, der künftig in Abs. 3 die fünfjährige Überprüfung der Gefahr, wegen der das Tätigkeitsverbot verhängt wurde, durch das Gericht sowie die Aufhebung des Tätigkeitsverbots bei Eintreten oder Bekanntwerden nachträglicher Umstände, bei deren Vorliegen im Zeitpunkt des Urteils kein Tätigkeitsverbot ausgesprochen worden wäre, vorsieht.

Zu Z 15 (§ 514 Abs. 41 StPO):

Diese Regelung regelt das Inkrafttreten.

Zu Artikel 5 (Änderungen des Strafregistergesetzes 1968)

Zu Z 1, 4, und 11 (§ 4 Abs. 5, Überschrift zu § 9a, § 12 Abs. 1 Strafregistergesetz 1968):

Entsprechend dem Regierungsprogramm 2017-2022 der österreichischen Bundesregierung, das unter anderem ein lebenslanges Tätigkeitsverbot für einschlägige Gewalt- und Sexualstraftäter hinsichtlich Tätigkeiten mit Kindern oder wehrlosen Personen vorsieht, sowie dem von der Bundesregierung in ihrer Sitzung vom 13. Februar 2019, Task Force Strafrecht, MR 45/17, beschlossenen Maßnahmenkatalog soll ein Tätigkeitsverbot nach § 220b StGB bei Vorliegen der Voraussetzungen in Zukunft nur mehr auf unbestimmte Zeit ausgesprochen werden können und überdies auch Täter umfassen, die eine vorsätzlich begangene, mit mehr als einjähriger Freiheitsstrafe bedrohte strafbare Handlung gegen Leib und Leben oder die Freiheit begangen haben. Die Änderungen im Strafregistergesetz dienen der Anpassung an die vorgeschlagene Formulierung des § 220b StGB. Demnach soll das Gericht ein rechtskräftiges Tätigkeitsverbot sowie dessen Aufhebung für die Aufnahme in das Strafregister der Landespolizeidirektion Wien übermitteln, die Löschung desselben soll nach Mitteilung des ordentlichen Gerichtes über dessen rechtskräftig erfolgte Aufhebung erfolgen.

Zu Z 2 und 5 (§ 9 Abs. 1 Z 3, § 9a Abs. 1 Z 1 Strafregistergesetz 1968):

Die Änderungen dienen der Anpassung an geänderte gesetzliche Begriffe (Kinder- und Jugendhilfeträger, Erwachsenenschutz), jene in § 9 Abs. 1 Z 3 auch der besseren Verständlichkeit und dem Gleichklang mit der vorgeschlagenen Z 4.

Zu Z 3, 6 und 8 (§ 9 Abs. 1 Z 4, § 9a Abs. 2, § 10b Abs. 2 erster Satz Strafregistergesetz 1968):

Entsprechend der vorgeschlagenen Ausweitung des geschützten Personenkreises des § 220b StGB auf wehrlose Personen sollen im Strafregistergesetz die Bestimmungen für Kinder- und Jugendhilfeträger auch für Vereine und Einrichtungen gemäß § 220b StGB eingeführt werden.

In § 9 Abs. 1 Z 4 Strafregistergesetz sollen Strafregisterauskünfte analog zu den Kinder- und Jugendhilfeträgern um jene Fälle ergänzt werden, in denen dies der Vermeidung oder der Abwehr einer konkreten von einer bestimmten Person ausgehenden Gefährdung einer bestimmten wegen Gebrechlichkeit, Krankheit oder einer geistigen Behinderung wehrlosen Person dient.

§ 9a Abs. 2 Strafregistergesetz soll in weiterer Folge eine Untergliederung in diese beiden Anwendungsfälle erfahren, sodass Sonderauskünfte zu Sexualstraftätern und über Tätigkeitsverbote zusätzlich zu den derzeit vorgesehenen und künftig in Z 1 erfassten Fällen in Z 2 auch für Vereine und Einrichtungen gemäß § 220b StGB im Zusammenhang mit der Anstellung von Personen in der Pflege und Betreuung solcher wehrlosen Personen erteilt werden können.

Die Beantwortung eines über die Zentralbehörde eines anderen Mitgliedstaates einlangenden Ersuchens um Informationen aus dem Strafregister nach § 10b Abs. 2 Strafregistergesetz soll künftig auch für die angestrebte Ausübung einer Tätigkeit, die hauptsächlich die Pflege und Betreuung wehrloser Personen (§ 220b StGB) umfasst, möglich sein.

Zu Z 7, 9 und 10 (§ 10 Abs. 1c und 1d, § 10b Abs. 2, § 11 Abs. 4a Strafregistergesetz 1968):

In Anpassung an die vorgeschlagene Formulierung des § 220b StGB soll es in Anlehnung an die „Strafregisterbescheinigung Kinder- und Jugendfürsorge“ auch für die Fälle der Pflege und Betreuung wehrloser Personen (§ 220b StGB) in Zukunft möglich sein, über besonderen Antrag eine neu einzuführende „Strafregisterbescheinigung Pflege und Betreuung“ auf besonderen Antrag auszustellen und zu erhalten, wenn eine Person diese Bescheinigung für die Prüfung der Eignung zur Ausübung einer bestimmten in ihrem Verantwortungsbereich liegenden beruflichen oder organisierten ehrenamtlichen Tätigkeit, die hauptsächlich die Pflege und Betreuung wehrloser Personen (§ 220b StGB) umfasst, benötigt und eine entsprechende schriftliche Aufforderung zur Vorlage einer solchen Bescheinigung anschließt.

Zu Z 12 (§ 14 Strafregistergesetz 1968):

Diese Regelung regelt das Inkrafttreten.

Zu Artikel 6 (Änderungen des Tilgungsgesetzes 1972)

Zu Z 1 (§ 6 Abs. 1 Z 8 Tilgungsgesetz 1972):

Die Änderungen dienen der Anpassung an geänderte gesetzliche Begriffe (Kinder- und Jugendhilfeträger, Erwachsenenschutz) sowie der der besseren Verständlichkeit und dem Gleichklang mit der vorgeschlagenen Z 9.

Zu Z 2 (§ 6 Abs. 1 Z 9 Tilgungsgesetz 1972):

Die Einführung des § 6 Abs. 1 Z 9 Tilgungsgesetz soll in Anpassung an die neuen Regelungen zum Tätigkeitsverbot nach § 220b StGB bzw. die entsprechenden Änderungen im Strafregistergesetz erfolgen und dabei analog zur bereits bestehenden Z 8 eine Ausnahme der Beschränkung der Auskunft auch für Vereine und Einrichtungen gemäß § 220b StGB vorsehen, wenn dies zur Vermeidung oder Abwehr einer konkreten von einer bestimmten Person ausgehenden Gefährdung einer bestimmten wehrlosen Person (§ 220b StGB) erforderlich ist.

Zu Z 3 (§ 9 Abs. 1k Tilgungsgesetz 1972):

Diese Regelung regelt das Inkrafttreten.

Zu Artikel 7 (Änderungen der Exekutionsordnung – EO):

Zu Z 1 (§ 382b EO):

Mit der vorgeschlagenen Änderung des Abs. 2 soll den Gerichten ausdrücklich und im Sinn der Begründung zum 2. GeSchG (271/A 24. GP 23) die Möglichkeit eingeräumt werden, bei Anordnung einer einstweiligen Verfügung zum Schutz vor Gewalt in Wohnungen im Hinblick auf die Dauer dieser Verfügung auf ein erst künftig einzuleitendes Hauptverfahren (§ 382b Abs. 3) Bedacht zu nehmen. Das Gericht kann für die Einleitung des Hauptverfahrens keine längere, wohl aber eine kürzere Frist als die angeordnete Dauer der Verfügung einräumen.

Zu Z 2 und 3 (§ 382c EO):

Zunächst soll in Abs. 3 auf die neue Rechtschreibung Bedacht genommen werden. Darüber hinaus soll über eine vom Gericht angeordnete einstweilige Verfügung zum Schutz vor Gewalt auch das zuständige Pflegschaftsgericht informiert werden, wenn eine der Parteien minderjährig ist. Damit soll erreicht werden, dass das Pflegschaftsgericht – etwa in einem anhängigen Kontaktrechtsverfahren – darauf Bedacht nehmen und reagieren kann. Im Einzelfall mag es auch angezeigt sein, das Pflegschaftsgericht zu verständigen, wenn eine minderjährige Person zwar nicht Partei des Verfahrens ist, aber im gemeinsamen Haushalt mit einer Partei lebt.

Zu Z 4 bis 6 (§ 382d EO):

Durch die Änderung in Abs. 2 wird ein Redaktionsversehen beseitigt.

Die vorgeschlagene Änderung in Abs. 4 soll klarstellen, dass einstweilige Verfügungen zum Schutz vor Gewalt nach §§ 382b und (über einen Verweis) 382e auch nach den Bestimmungen des Dritten Abschnitts im Ersten Teil vollzogen werden können. Das bedeutet, dass auch eine Vollstreckung durch Beugestrafen (Geld- und Haftstrafen) in Betracht kommt.

Mit dem vorgeschlagenen Abs. 5 soll die Ausfolgung der abgenommenen Wohnungsschlüssel reibungsloser erfolgen. Nach herrschender Meinung sind abgenommene Wohnungsschlüssel im Verfahren wie Beweisgegenstände zu behandeln und daher nach Aufhebung einer einstweiligen Verfügung derjenigen Person auszufolgen, der sie abgenommen wurden. In vielen Fällen wäre es jedoch aufgrund geänderter Umstände (z.B. nach entsprechender Regelung über die Wohnung in einem Aufteilungsverfahren) angemessen, die Schlüssel nicht mehr dem Antragsgegner, sondern dem Antragsteller auszufolgen. Um dies zu ermöglich, soll das Gericht vor der Ausfolgung den Parteien Gelegenheit zur Äußerung geben (§ 56 Abs. 2). Ist unstrittig, dass einer Partei die Schlüssel ausgefolgt werden sollen, so hat das Gericht dies dementsprechend mit Beschluss zu verfügen. Andernfalls sollen die Schlüssel solange gerichtlich verwahrt bleiben, bis zivilrechtlich geklärt ist, wem die Schlüssel auszufolgen sind.

Zu Z 7 bis 9 (§ 382e EO):

Mit der vorgeschlagenen Bestimmung in Abs. 1 Z 3 soll eine Anpassung an das im SPG vorgeschlagene Annäherungsverbot erfolgen. Im Sinn eines kontinuierlichen Schutzes soll auch das Gericht dieses Verbot, sich dem Antragsteller oder bestimmt zu bezeichnenden Orten über eine bestimmte Entfernung hinaus zu nähern, anordnen können.

Der vorgeschlagene Abs. 2 ist in Verbindung mit § 391 Abs. 2 des Entwurfs zu lesen. Inhaltlich ist damit keine Änderung verbunden.

Durch die Aufnahme des Verweises auf § 382c in Abs. 3 soll insbesondere erreicht werden, dass das Pflegschaftsgericht auch über eine vom Gericht angeordnete einstweilige Verfügung zum Schutz vor Gewalt nach § 382e informiert wird (siehe näher die Erläuterungen zu § 382c).

Zu Z 10 bis 12 (§ 382g EO):

Die vorgeschlagene neue Z 7 in Abs. 1 soll – in Ergänzung der Z 4 zum Verbot der Weitergabe und Verbreitung von personenbezogenen Daten und Lichtbildern der gefährdeten Partei – einen wirksamen Behelf, insbesondere gegen so genanntes „Cybermobbing“ bieten. Erfasst werden aber auch „herkömmliche“ Verbreitungen, etwa über Plakate. Der Wortlaut ist weitgehend an § 107c StGB angelehnt, sodass die Auslegung der dort verwendeten Begriffe auch für die Interpretation der unbestimmten Gesetzesbegriffe der neuen Z 7 herangezogen werden kann. Neben Ehrverletzungen (§ 107c Abs. 1 Z 1 StGB) werden sonstige Verletzungen der Privatsphäre (§§ 16 und 1328a ABGB) auch dann erfasst, wenn es sich dabei nicht um Tatsachen oder Bildaufnahmen des höchstpersönlichen Lebensbereiches handelt, wie z.B. obszöne Bemerkungen oder Beschimpfungen (zu der über die Grenzen der Strafbarkeit hinausgehende zivilrechtlichen Verantwortlichkeit siehe RIS-Justiz RS0121889; Reischauer in Rummel, ABGB3 § 1328a ABGB Rz 3). Solche Äußerungen können, wenn sie nur gegenüber der gefährdeten Partei getätigt werden, im Rahmen der Z 1 als Unterfall der Kontaktaufnahme verboten werden, und wenn sie in sozialen Netzwerken gepostet werden, im Rahmen der Z 7 verboten und entfernt werden. Da sich der Unterlassungsanspruch unter Umständen auch gegen diejenige Person richten kann, von deren Account aus die Äußerungen getätigt werden (siehe etwa 6 Ob 178/04a [Online-Gästebuch], 6 Ob 244/16z [Betreiber einer Facebook-Seite]), wäre diese Person auch für eine entsprechende einstweilige Verfügung passivlegitimiert.

Neben dem Wahrnehmbarmachen soll ausdrücklich auch das Wahrnehmbarhalten verboten werden können. Damit kann der Antragsgegner etwa auch dazu verhalten werden, bestimmte digitale Inhalte insbesondere aus dem Internet zu entfernen. Dies setzt selbstverständlich voraus, dass ihm die Entfernung oder deren Veranlassung möglich ist.

Mit der neuen Z 8 in Abs. 1 soll eine Anpassung an die vorgeschlagenen Änderungen im SPG zum sicherheitsbehördlichen Annäherungsverbot erfolgen. In Erweiterung dessen soll auch das Verbot erfasst werden, sich bestimmt zu bezeichnenden Orten über eine bestimmte Entfernung hinaus zu nähern.

Die vorgeschlagene Änderung in Abs. 2 ist in Verbindung mit § 391 Abs. 2 des Entwurfs zu lesen. Inhaltlich ist damit keine Änderung verbunden.

In Abs. 3 soll einerseits vorgesehen werden, dass das Gericht die Sicherheitsbehörden auch mit dem Vollzug einer einstweiligen Verfügung nach Abs. 1 Z 8 (Annäherungsverbot) betrauen kann. Andererseits soll durch die Aufnahme des Verweises auf § 382c insbesondere erreicht werden, dass das Pflegschaftsgericht über eine vom Gericht angeordnete einstweilige Verfügung zum Schutz vor Gewalt nach § 382g informiert wird (siehe näher die Erläuterungen zu § 382c).

Zu Z 13 (§ 391 EO):

Mit der vorgeschlagenen Ergänzung in Abs. 2 soll an dieser Stelle die Ausnahme für einstweilige Verfügungen zum Schutz vor Gewalt allgemein (und nicht bei den einzelnen Verfügungen) geregelt werden. Inhaltlich ist damit keine Änderung verbunden.

Zu Z 14 (§ 395 EO):

Aus systematischen Gründen und zur besseren Übersichtlichkeit soll die Verpflichtung der Gerichte, die Sicherheitsbehörden von der Einbringung eines Antrags auf Erlassung einer einstweiligen Verfügung zum Schutz vor Gewalt zu verständigen, in der EO geregelt werden. Schließlich sind die (ordentlichen) Gerichte die Adressaten dieser Norm. Neu aufgenommen werden einstweilige Verfügungen nach § 382g Abs. 1 Z 1, 3 und 8, weil diese Verfügungen von den Sicherheitsbehörden zu vollziehen sind (sofern das Gericht dies angeordnet hat). Da der Wortlaut nicht vom „zuständigen“ Gericht spricht, hat auch ein unzuständig angerufenes Gericht die Sicherheitsbehörde von der Einbringung eines Antrags auf Erlassung einer einstweiligen Verfügung nach §§ 382b, 382e oder 382g Abs. 1 Z 1,3 und 8 zu verständigen; damit wird sichergestellt, dass sich das polizeiliche Betretungsverbot verlängert (§ 38a Abs. 8 SPG).

Zu Z 15 (§ 399 EO):

Die Änderungen sind in erster Linie terminologisch bedingt. Klargestellt wird außerdem, dass die Aufzählung in Abs. 1 nicht abschließend ist (RIS-Justiz RS0005543). Der bisherige Verweis auf § 386 ist überholt, er soll durch den Verweis auf § 39 ersetzt werden (vgl. dazu Kodek in Angst/Oberhammer, EO3 § 399 EO Rz 1).

Zu Z 16 (§ 399c EO):

Nach der Verordnung (EU) Nr. 606/2013 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 12. Juni 2013 über die gegenseitige Anerkennung von Schutzmaßnahmen in Zivilsachen, ABl. Nr. L 181 vom 29.6.2013 S. 4, (EuSchMaVO) ist vorgesehen, dass die zuständige Behörde des ersuchten Mitgliedstaats die faktischen Elemente einer Schutzmaßnahme anpassen kann, sofern und soweit dies erforderlich ist, um der Schutzmaßnahme in diesem Mitgliedstaat Wirkung zu verleihen (Art. 11 EuSchMaVO). So kann etwa das Verbot, die Wohnung einer Person zu betreten, wirksam gemacht werden, wenn die gefährdete Person in einen anderen Mitgliedstaat übersiedelt ist: Auf die neue Adresse kann in der angepassten Schutzmaßnahme Bezug genommen und damit der Schutz gewahrt werden. Ein gleichartiges Vorgehen sieht die EO in Binnenfällen, also in Fällen ohne Auslandsbezug, nicht vor. Es ist sachgerecht und auch im Hinblick auf eine mögliche Inländerdiskriminierung geboten, diese Möglichkeit zu eröffnen. Der vorgeschlagene § 399c sieht dies dementsprechend vor.

Nach Abs. 1 soll jenes Gericht, das für die Erlassung einer einstweiligen Verfügung nach §§ 382b, 382e und 382g zuständig ist, auch für die Anpassung zuständig sein. Ist die gefährdete Partei etwa in einen anderen Gerichtssprengel übersiedelt, so ist nicht das Gericht, das die einstweilige Verfügung erlassen hat, sondern das Bezirksgericht nach § 387 zuständig (die Zuständigkeit richtet sich nach dem allgemeinen Gerichtsstand des Antragstellers nach den §§ 65 ff. JN, der primär an den Wohnsitz und gewöhnlichen Aufenthalt anknüpft). In Anlehnung an Art.11 Abs. 1 EuSchMaVO sind die faktischen Elemente einer solchen einstweiligen Verfügung an die geänderten Umstände anzupassen, sofern und soweit das erforderlich ist, um der Verfügung Wirkung zu verleihen. Die Art und der Charakter der Verfügung dürfen durch die Anpassung nicht geändert werden; im Besonderen ist eine Ergänzung im Sinn eines qualitativen Plus unzulässig (etwa eine Ausdehnung des Aufenthaltsverbots auch auf den Arbeitsplatz der gefährdeten Person). Da sich nur die faktischen Elemente der Verfügung ändern, hat die Anpassung keine Wirkung auf die angeordnete Dauer der einstweiligen Verfügung. Diese wird durch die Anpassung nicht berührt.

Das Verfahren über die Anpassung wird in Abs. 2 geregelt. Das Gericht hat über den Antrag zu entscheiden, ohne den Antragsgegner vorher zu hören. Diesem steht aber der Widerspruch nach § 397 Abs. 2 offen. Ansonsten sind die die für die Entscheidung über den Antrag auf Erlassung einer Verfügung nach §§ 382b, 382e und 382g geltenden Bestimmungen maßgeblich. Anzuwenden ist auch § 393 Abs. 2: Die Kostenersatzpflicht richtet sich daher nach den Bestimmungen der ZPO.

Nach Abs. 3 richtet sich der Vollzug der angepassten einstweiligen Verfügung nach den Bestimmungen des Vollzugs der §§ 382b, 382e und 382g, je nachdem, welche Verfügung angepasst wurde (vgl. § 382d, § 382e Abs. 3 und 4 und § 382g Abs. 3).

Zu Z 17 (§ 450 EO):

Es wird das Inkrafttreten geregelt.

Zu Artikel 8 (Änderungen der SPG-Novelle 2013):

Zu Z 1 und 2 (Art. 2 § 1 SPG-Novelle 2013):

Die Strafbestimmung zum Zuwiderhandeln gegen einstweilige Verfügungen zum Schutz vor Gewalt soll – neben der Änderung der Überschrift – in Abs. 1 um einen Verstoß gegen eine nach § 420 EO erfolgte Anordnung der Vollstreckung einer ausländischen Schutzmaßnahme nach der Verordnung (EU) Nr. 606/2013 über die gegenseitige Anerkennung von Schutzmaßnahmen in Zivilsachen (EuSchMaVO) erweitert werden. Außerdem soll die Strafe an jene des vorgeschlagenen § 84 Abs. 1b SPG angepasst werden.