Entwurf

Erläuterungen:

I. Allgemeiner Teil

Die vorgeschlagenen Änderungen des Strafgesetzbuchs beinhalten Anpassungen in Entsprechung der Umsetzungsverpflichtung, die sich aus der Richtlinie (EU) 2017/1371 über die strafrechtliche Bekämpfung von gegen die finanziellen Interessen der Union gerichtetem Betrug (im Folgenden: PIF-Richtlinie), ABl. Nr. L 198 vom 28.7.2017, ergeben. Diese Richtlinie bezweckt die Sicherstellung der Angleichung des Strafrechts in den Mitgliedstaaten auf dem Gebiet des Schutzes der finanziellen Interessen der Union in Form von betrügerischen Handlungen zu Lasten der Einnahmen- bzw. Ausgabenseite und der Vermögenswerte des Unionshaushalts.

Die PIF-Richtlinie löst im Bereich des gerichtlichen Strafrechts lediglich einen geringen Änderungsbedarf aus, weil die wesentlichen Bestimmungen der Richtlinie auf das Übereinkommen aufgrund von Artikel K. 3 des Vertrags über die Europäische Union über den Schutz der finanziellen Interessen der Europäischen Gemeinschaften vom 26.7.1995 samt der Zusatzprotokolle vom 27.9.1996, 29.11.1996 und 19.7.1997 zurückgehen, das mit dem Strafrechtsänderungsgesetz 1998 Eingang in den nationalen Rechtsbestand fand, wobei der ausgabenseitige Betrug im StGB geregelt wurde, während die Vorgaben zum einnahmenseitigen Betrug im Finanzstrafgesetz umgesetzt wurden. Diese „Aufgabenteilung“ zwischen StGB und Finanzstrafgesetz soll auch weiterhin beibehalten werden, sodass sich im StGB iW lediglich hinsichtlich der Änderungen beim ausgabenseitigen Betrug ein gewisser Anpassungsbedarf ergibt.

Kompetenzgrundlage:

Die Zuständigkeit des Bundes zur Erlassung dieses Bundesgesetzes ergibt sich aus Art. 10 Abs. 1 Z 6 B-VG (Strafrechtswesen).

Besonderheiten des Normerzeugungsverfahrens:

Keine.

II. Besonderer Teil

Zu Artikel 1 (Änderungen des StGB)

Zu Z 1 und 2 (§ 74 Abs. 1 Z 4a lit. b und Z 4b StGB):

Bereits das Protokoll auf Grund von Artikel K. 3 des Vertrags über die Europäische Union zum Übereinkommen über den Schutz der finanziellen Interessen der Europäischen Gemeinschaften, das so genannte Erste Protokoll oder Bestechungs-Protokoll aus dem Jahr 1996, enthielt Tatbestände der aktiven (Art. 3) und passiven (Art. 2) Bestechung samt einer Beamtendefinition (Art. 1 Z 1), einschließlich einer Definition des „Gemeinschaftsbeamten“. Diese Struktur wurde im Jahr 1997 vom Übereinkommen auf Grund von Artikel K. 3 Absatz 2 Buchstabe c des Vertrags über die Europäische Union über die Bekämpfung der Bestechung, an der Beamte der Europäischen Gemeinschaften oder der Mitgliedstaaten der Europäischen Union beteiligt sind, übernommen. Das wesentlichste Unterschied zwischen dem Bestechungs-Protokoll und dem Bestechungs-Übereikommen besteht darin, dass das Bestechungs-Protokoll auf Korruption zum Nachteil der finanziellen Interessen der Europäischen Gemeinschaften fokussiert war, während dies beim Bestechungs-Übereikommen nicht der Fall ist.

Bestechungs-Protokoll und Bestechungs-Übereikommen wurden in Österreich mit dem Strafrechtsänderungsgesetz 1998 umgesetzt; beide Rechtsinstrumente wurden auch ratifiziert (und zwar das Bestechungs-Übereinkommen mit BGBl. III Nr. 38/2000 und das Erste Protokoll – gemeinsam mit dem Betrugsübereinkommen – mit BGBl. III Nr. 267/2002).

Mit dem Strafrechtsänderungsgesetz 1998 fand u.a. auch die Definition des „Gemeinschaftsbeamten“ als (damals) § 74 Z 4b Eingang ins StGB.

Der Weg der Ergänzung der Z 4 um die Z 4a bis 4c – anstelle einer Ausweitung der Z 4 auf ausländische Beamte (und einer darüber hinausgehenden Ausweitung auf den vergleichsweise umfassendsten Beamtenbegriff, nämlich den des OECD-Übereinkommens) – wurde seinerzeit gewählt, weil die damaligen Änderungen im Bereich der §§ 304, 307 und 308 StGB im Wesentlichen nur der Umsetzung der beiden Übereinkommen dienen sollten; hingegen sollten einerseits die übrigen Amtsdelikte – abgesehen von der aus einem anderen Grund vorgeschlagenen Ergänzung des § 310 StGB – auf österreichische Beamte beschränkt und andererseits die Rechtslage bei den Bestechungsdelikten in Bezug auf österreichische Beamte möglichst unverändert bleiben.

Im Zuge der Änderungen im Bereich des Korruptionsstrafrechts durch das Strafrechtsänderungsgesetz 2008, BGBl. I Nr. 109/2007, wurde zwar in Form des damaligen § 74 Abs. 1 Z 4a StGB eine umfassende Amtsträgerdefinition für die Korruptionsdelikte geschaffen, wobei der Begriff des Gemeinschaftsbeamten als Teilmenge des Amtsträgerbegriffes an sich von diesem umfasst war (vgl. Erlass des damaligen Bundesministeriums für Justiz vom 14.7.2008, JMZ 318025L/14/II 1/2008. Dennoch erschien damals die Beibehaltung der expliziten Anführung der Gemeinschaftsbeamten in § 74 Abs. 1 Z 4b nF zweckmäßig, weil diese in den §§ 304 Abs. 2 und 307 Abs. 2 StGB zur Harmonisierung mit der für österreichische BeamtInnen geltenden Regelung benötigt wurde. (Im Übrigen blieb die Definition gegenüber dem damals geltenden Recht mit der Maßgabe unverändert, dass im Sinne der Assimilierungsklauseln nach Art. 4 Abs. 1 und 2 des EU-Bestechungsübereinkommens auch die Abgeordneten zum Europäischen Parlament erfasst werden sollten (vgl. EBRV StRÄG 2008, 285 BlgNR XXIII. GP, 6)).

Das Korruptionsstrafrechtsänderungsgesetz 2009, BGBl. I Nr. 98/2009, ließ § 74 Abs. 1 Z 4b unverändert, zumal auch die Grundstruktur der Korruptionsdelikte im Sinne einer Differenzierung zwischen österreichischen AmtsträgerInnen, AmtsträgerInnen anderer EU-Mitgliedstaaten sowie GemeinschaftsbeamtInnen auf der einen Seite und anderen ausländischen bzw. internationalen AmtsträgerInnen beibehalten wurde.

Mit dem Korruptionsstrafrechtsänderungsgesetz 2012, BGBl. I Nr. 61/2012, wurde in der Folge jegliche Differenzierung bei den Korruptionsdelikten zwischen GemeinschaftsbeamtInnen und anderen AmtsträgerInnen beseitigt, indem neben die schon bisherige umfassende Amtsträgerdefinition auch umfassende Tatbestände gestellt wurden. Die Begriffsbestimmung des Gemeinschaftsbeamten nach § 74 Abs. 1 Z 4b spielt daher seither für die Einordnung als Tatsubjekt der §§ 304 bis 307b StGB mangels Erwähnung in diesen Strafvorschriften keine Rolle mehr (17 Os 20/13i). Zumal der OGH in dieser Entscheidung – gestützt auf den zitierten Erlass des BMJ – auch bekräftigte, dass der Begriff des Gemeinschaftsbeamten in Relation zum denkbar weiten Begriff des Amtsträgers nur eine Teilmenge umfassen sollte, hätte § 74 Abs. 1 Z 4b eigentlich bereits mit dem KorrStRÄG 2012 zufolge Funktionslosigkeit (vgl. Jerabek/Reindl-Krauskopf/Ropper/Schroll in Höpfel/Ratz, WK2 StGB § 74 Rz 20) entfallen können; dies ist jedoch nicht geschehen.

Nunmehr sieht die PIF-Richtlinie anstelle des bisherigen „Gemeinschaftsbeamten“ den Begriff des „Unionsbeamten“ als Teil des Begriffs des öffentlichen Bediensteten vor: Nach Art. 4 Abs. 4 lit. a der Richtlinie bezeichnet nämlich der Ausdruck „öffentlicher Bediensteter“ im Sinne dieser Richtlinie neben nationalen BeamtInnen, einschließlich nationaler BeamtInnen anderer Mitgliedstaaten oder von Drittstaaten, eben auch „UnionsbeamtInnen“. Darunter sind nach Art. 4 Abs. 4 lit. a i) der PIF-Richtlinie Personen zu verstehen, die BeamtInnen oder sonstige Bedienstete, die von der Union durch Vertrag eingestellt werden, im Sinne des in der Verordnung (EWG, Euratom, EGKS) Nr. 259/68 des Rates, ABl. L 56 vom 4.3.1968, S 1, festgelegten Statuts der Beamten oder der Beschäftigungsbedingungen für die sonstigen Bediensteten der Europäischen Union sind, oder die der Union von einem Mitgliedstaat oder von einer öffentlichen oder privaten Einrichtung zur Verfügung gestellt werden und dort Aufgaben wahrnehmen, die den Aufgaben der BeamtInnen oder sonstigen Bediensteten der Union entsprechen; schließlich stellt Art. 4 Abs. 4 lit. a der PIF-Richtlinie (unbeschadet der Bestimmungen über Vorrechte und Befreiungen in den Protokollen Nr. 3 und Nr. 7) Mitglieder der Organe, Einrichtungen und sonstigen Stellen der Union, die gemäß den Verträgen errichtet wurden, und die Bediensteten dieser Einrichtungen, soweit nicht schon das Statut für sie gilt, den UnionsbeamtInnen ausdrücklich gleich.

Das Argument, dass die (umfassende) Definition des § 74 Abs. 1 Z 4a lit. b StGB an sich auch schon die Kategorie der Gemeinschfts- bzw. UnionsbeamtInnen einschließt, hat (auch) im Lichte der modifizierten Definition der PIF-Richtlinie grundsätzlich nichts an Gültigkeit eingebüßt. Zur Vermeidung von Irritationen oder Missverständnissen soll jedoch nicht ausgerechnet die Umsetzung dieser Richtlinie zum Anlass genommen werden, eine – wenngleich in dieser Form aus europarechtlicher Sicht nicht geforderte – spezifische Umsetzung zu streichen und stattdessen auf die allgemeine Amtsträgerdefinition zu verweisen. Stattdessen soll im Sinne des zitierten Erlasses JMZ 318.025L/14/II 1/2008 (sowie diesem folgend 17 Os 20/13i) auch im Gesetzestext klargestellt werden, dass der Begriff des „Unionsbeamten“ vom Begriff des Amtsträgers umfasst ist und daher sämtliche Bestimmungen, in denen dieser Begriff vorkommt, auch auf Unionsbeamte anzuwenden ist.

Aus ähnlichen Überlegungen soll auch Art. 4 Abs. 4 lit. b der PIF-Richtlinie, wonach (auch) eine andere Person, der öffentliche Aufgaben im Zusammenhang mit der Verwaltung der oder Entscheidungen über die finanziellen Interessen der Union in Mitgliedstaaten oder Drittländern übertragen wurden und die diese Aufgaben wahrnimmt, „öffentlicher Bediensteter“ bzw. Amtsträger ist, durch eine entsprechende Ergänzung von § 74 Abs. 1 Z 4a lit. b StGB ausdrücklich Erwähnung finden.

Zu letzterem Personenkreis wird in Erwägungsgrund 10 der PIF-Richtlinie ausgeführt, dass der Begriff „öffentlicher Bediensteter“, um die Mittel der Union angemessen vor Korruption und missbräuchlicher Verwendung zu schützen, auch Personen erfassen muss, die kein öffentliches Amt bekleiden, denen aber gleichwohl in ähnlicher Weise öffentliche Aufgaben im Zusammenhang mit den Mitteln der Union übertragen wurden und die diese wahrnehmen, wie z. B. Auftragnehmer, die in die Verwaltung dieser Mittel eingebunden sind.

Zu Z 2 (§ 168c StGB):

Die Ergänzung um einen neuen Tatbestand in § 168c StGB erfolgt in Umsetzung der PIF-Richtlinie.

Abs. 1 dient der Umsetzung der materiellrechtlichen Vorgaben des Art. 3 Abs. 2 lit. a i) bis iii) und soll Handlungen oder Unterlassungen, die nicht im Zusammenhang mit einer Auftragsvergabe stehen, unter Strafe stellen. Abs. 1 regelt konkret den (vergabeunabhängigen) Subventionsbetrug zum Nachteil von EU-Mitteln (Abs. 1 Z 1) sowie den (vergabeunabhängigen) Förderungsmissbrauch zum Nachteil von EU-Mitteln (Abs. 1 Z 2).

Nach Erwägungsgrund 4 der Richtlinie bedarf es zum Schutz der finanziellen Interessen der Union einer gemeinsamen Definition des Betrugs im Sinne des Geltungsbereichs dieser Richtlinie, die sämtliche betrügerischen Handlungen zu Lasten der Einnahmen- oder der Ausgabenseite und der Vermögenswerte des Gesamthaushalts der Europäischen Union umfassen sollte, einschließlich Finanzoperationen wie Anleihe- und Darlehenstätigkeiten.

Abgesehen von der Differenzierung zwischen Ausgaben, die im Zusammenhang mit einer Auftragsvergabe stehen, und Ausgaben, bei denen dies nicht der Fall ist, ist die PIF-Richtlinie hinsichtlich des Tatbestandes des ausgabenseitigen (vergabeunabhängigen) Betruges im Wesentlichen wortident mit dem PIF-Übereinkommen (das eine derartige Differenzierung nicht kennt). Das PIF-Übereinkommen (Übereinkommen über den Schutz der finanziellen Interessen der Europäischen Gemeinschaften, zustande gekommen mit Rechtsakt des Rates vom 26.7.1995; ABl. C 316 vom 27. 11. 1995, 48) wurde hinsichtlich des ausgabenseitigen Betruges innerstaatlich mit dem Strafrechtsänderungsgesetz 1998, BGBl I Nr. 153/1998, umgesetzt. Dabei wurde davon ausgegangen, dass der Betrugstatbestand des PIF-Übereinkommens im engeren Sinn keiner gesonderten Umsetzungsmaßnahmen bedürfe (vgl. dazu die ausführlichen Erläuterungen in der Regierungsvorlage zum StRÄG 1998, 1230 BlgNR XX. GP, hier: 16 ff). Insbesondere wurde auch zur subjektiven Tatseite kein Umsetzungsbedarf erblickt (wiewohl das PIF-Übereinkommen – anders als die §§ 146 ff StGB – den Bereicherungsvorsatz des Täters nicht explizit vorsieht; vgl. dazu die Ausführungen in den EBRV StRÄG 1998, 1230 BlgNR XX. GP, 19, wo darauf hingewiesen wurde, dass sich der Vorsatz nach dem Erläuternden Bericht zum Übereinkommen, ABl. C Nr. 191/1 vom 23.6.1997, 5, „auf alle Tatbestandsmerkmale erstrecken (müsse), insbesondere auf die Handlung und den Erfolg”, sodass der Täter insofern insbesondere mit dem Vorsatz handeln müsse, eine Förderung „unrechtmäßig zu erlangen oder zurückzubehalten“, wobei weder dem Text noch dem Erläuternden Bericht des Übereinkommens nähere Anhaltspunkte zu entnehmen sind, was unter “unrechtmäßiger Erlangung” zu verstehen sei. Im Ergebnis wurde mithin kein nennenswerter Unterschied zwischen dem vom PIF-Übereinkommen verlangten Vorsatz, eine Förderung unrechtmäßig zu erlangen oder zurückzubehalten, und dem von § 146 StGB verlangten Vorsatz der unrechtmäßigen Bereicherung erblickt, zumal sich unrechtmäßig bereichert, wer keinen Anspruch auf die angestrebte Vermögensvermehrung hat.

Lediglich hinsichtlich der missbräuchlichen Verwendung von (ursprünglich rechtmäßig erlangten) Förderungen wurde seinerzeit ein Umsetzungsbedarf erblickt, der durch Schaffung des Tatbestands des § 153b StGB („Förderungsmissbrauch“) erfolgte.

Anlässlich der Ratifizierung des PIF-Übereinkommens mit BGBl. III Nr. 267/2002, wurde weiterhin davon ausgegangen, dass (darüber hinaus) kein Umsetzungsbedarf besteht (vgl. die EBRV 1553 BlgNR XX. GP, 16).

Im Hinblick auf die wie erwähnt weitgehende Übereinstimmung der Formulierung zwischen dem Betrugstatbestand des PIF-Übereikommens und dem (vergabeunabhängigen) Betrug nach der PIF-Richtlinie könnte dieser Weg auch weiterhin beschritten werden, zumal auch nach Erwägungsgrund 11 der PIF-Richtlinie bei den von dieser Richtlinie vorgesehenen Straftaten für sämtliche Tatbestandsmerkmale das Vorsatzerfordernis gelten muss. Überdies sieht der neue Tatbestand des Vergabebetrugs ausdrücklich Bereicherungsabsicht als Tatbestandselement vor (s dazu jedoch sogleich).

Allerdings hat die Europäische Kommission in zwei nach Art. 10 des PIF-Übereinkommens zu erstellenden Umsetzungsberichten befunden, dass u.a. die von Österreich „erlassenen Rechtsvorschriften mit der Definition von ‚Betrug‘ nicht ganz übereinstimmen“ würden, da sie „bei einigen Betrugsformen das Vorliegen zusätzlicher Tatbestände erfordern“ würden (KOM(2004) 709 endgültig vom 25.10.2004, 5) bzw. dass u.a. in Österreich „nach wie vor das Vorliegen zusätzlicher, nicht in Artikel 1 Absatz 1 Buchstabe a [des PIF-Übereinkommens] vorgesehener Hinweise auf Vorsatz erforderlich“ sei (KOM(2008) 77 endgültig vom 14.2.2008, 3).

Dazu kommt, dass der neue Tatbestand des Vergabebetrugs nach Art. 3 Abs. 1 lit. b) ausdrücklich auf die Bereicherung des Täters abstellt, wenn auch in Form der Bereicherungsabsicht (und nicht des bloßen Vorsatzes). Dadurch könnte der Eindruck verstärkt werden, dass beim vergabeunabhängigen Betrug – weil sie dort in der RL keine (explizite) Erwähnung findet – eben auch in der Umsetzungsgesetzgebung nicht auf Bereicherung abgestellt werden dürfe.

Schließlich ist zu bedenken, dass die Richtlinie in Art. 7 Abs. 3 erster Satz eine Mindesthöchststrafe von vier Jahren verlangt, wenn bei Tatbeständen iSd. Art. 3 und 4 der Richtlinie ein erheblicher Schaden oder Vorteil gegeben ist. Art. 7 Abs. 3 zweiter Satz definiert einen solchen erheblichen Schaden oder Vorteil mit einem EUR 100 000 übersteigenden Betrag. Seit der mit dem Strafrechtsänderungsgesetz 2015, BGBl. I Nr. 112/2015, vorgenommenen Wertgrenzenänderung wird jedoch nach § 147 Abs. 3 SGB bzw. § 153b Abs. 4 StGB erst bei einem EUR 300 000 übersteigenden Schaden eine der von der Richtlinie bereits ab einem EUR 100 000 übersteigenden Schaden verlangte Strafdrohung erreicht. Im Falle einer Umsetzung weiterhin im Rahmen des Betruges nach den §§ 146 ff StGB müsste daher bei diesem Kerntatbestand des Vermögensstrafrechts die erst mit dem StRÄG 2015 rechts- und kriminalpolitisch bewusst vorgenommene Anhebung der Wertgrenzen zumindest für einen Teilbereich wieder zurückgenommen werden bzw. eine zusätzliche Wertgrenze eingezogen werden.

Es scheint sich sohin nunmehr insgesamt die Umsetzung der Richtlinienvorgaben hinsichtlich des ausgabenseitigen Betrugs zum Nachteil der finanziellen Interessen der Union in Form eines eigenen, im Verhältnis zu den §§ 146 ff bzw. 153b StGB eine lex specialis darstellenden Tatbestandes zu empfehlen. Dadurch wird es auch möglich, den Betrug im engeren Sinn sowie den Förderungsmissbrauch wie in der Richtlinie in einer Bestimmung zu regeln. (Bereits das PIF-Übereinkommen hatte den Betrug und den Missbrauch in einer Bestimmung geregelt; nicht zuletzt aufgrund der diesbezüglich gewählten Umsetzungstechnik, den Betrug bereits als durch die §§ 146 ff StGB umgesetzt anzusehen, bedurfte es der Schaffung eines eigenen Tatbestandes für den Missbrauch, weil andernfalls der Missbrauch (auch) dem herkömmlichen österreichischen Betrugsverständnis unterstellt werden hätte müssen.)

Was die Grundstrafdrohung anlangt, enthält die Richtlinie in Art. 7 Abs. 1 und 2 nur die Vorgaben, dass die Strafen „wirksam, verhältnismäßig und abschreckend“ sein müssen (Abs. 1) und die Möglichkeit bestehen muss, Freiheitsstrafen zu verhängen (Abs. 2). Es wird daher vorgeschlagen, die Grundstrafdrohung des § 146 Abs. 1 StGB zu übernehmen.

Abs. 2 soll der Umsetzung von Art. 3 Abs. 2 lit. b der Richtlinie dienen und den Vergabebetrug zum Nachteil der finanziellen Interessen der Union sanktionieren.

Nach Erwägungsgrund 6 der Richtlinie sind für die Zwecke dieser Richtlinie – und damit auch für die Umsetzungsgesetzgebung – Ausgaben im Zusammenhang mit der Vergabe öffentlicher Aufträge alle Ausgaben in Verbindung mit öffentlichen Aufträgen im Sinne des Art. 101 Abs. 1 der Verordnung (EU, Euratom) Nr. 966/2012 des Europäischen Parlaments und des Rates (Verordnung (EU, Euratom) Nr. 966/2012 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 25. Oktober 2012 über die Haushaltsordnung für den Gesamthaushaltsplan der Union und zur Aufhebung der Verordnung (EG, Euratom) Nr. 1605/2002 des Rates (ABl. L 298 vom 26.10.2012, S. 1). Nach dieser Bestimmung werden öffentliche Aufträge zwischen einem oder mehreren Wirtschaftsteilnehmern und einem oder mehreren öffentlichen Auftraggebern im Sinne der Art. 117 (wonach in den Fällen, in denen die Organe Aufträge auf eigene Rechnung vergeben, diese als öffentliche Auftraggeber gelten) und 190 der Verordnung (betrifft die Auftragsvergabe für Maßnahmen im Außenbereich; nach dessen Abs. 2 sind öffentliche Auftraggeber in diesem Zusammenhang die Kommission im Namen und für Rechnung eines oder mehrerer Drittländer sowie Einrichtungen und Personen nach Art. 185 der Verordnung, die mit den betreffenden Haushaltsvollzugsaufgaben betraut worden sind) im Wege schriftlich geschlossener entgeltlicher Verträge zur Beschaffung von beweglichen oder unbeweglichen Gütern, Bauleistungen oder Dienstleistungen gegen Zahlung eines ganz oder teilweise aus dem Haushalt finanzierten Betrags vergeben. Gegenstand dieser Aufträge können Immobilien, Lieferungen, Bauleistungen oder Dienstleistungen sein.

Strukturell unterscheidet sich Art. 3 Abs. 2 lit. b nicht von Art. 3 Abs. 2 lit. a der Richtlinie, weshalb in der Umsetzungsbestimmung des (§ 168c) Abs. 2 auf (§ 168c) Abs. 1 verwiesen kann. Allerdings ist beim Vergabebetrug zum Nachteil der finanziellen Interessen nach Art. 3 Abs. 2 lit. b der Richtlinie zum Unterschied vom sonstigen Betrug zum Nachteil der finanziellen Interessen der Gemeinschaften nach Art. 3 Abs. 2 lit. a der Richtlinie Bereicherungsabsicht vorgesehen; dem soll auch in der Umsetzung Rechnung getragen werden. Nach § 5 Abs. 2 handelt der Täter absichtlich, wenn es ihm darauf ankommt, den Umstand oder Erfolg zu verwirklichen, für den das Gesetz absichtliches Handeln voraussetzt.

Abs. 3 soll unter bestmöglicher Beibehaltung der Sanktionssystematik des StGB die Erfordernisse aus Art. 8 der Richtlinie umsetzen, der an sich nur einen Erschwerungsgrund für die Begehung innerhalb einer kriminellen Vereinigung vorsieht. Unter Orientierung an der Qualifikation des § 130 Abs. 1 StGB für den „Bandendiebstahl“ soll jedoch für den „Bandenbetrug“ zum Nachteil der finanziellen Interessen der Gemeinschaften gleichfalls eine Erhöhung der Strafdrohung auf Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren vorgeschlagen werden. Wie beim Diebstahl oder beim herkömmlichen Betrug soll diese Strafdrohung – auch ohne explizite Vorgabe in der Richtlinie – auch beim Betrug zum Nachteil der finanziellen Interessen der Union auch bei einem Schaden von mehr als EUR 5 000 zum Tragen kommen.

Dem Erfordernis von Art. 7 Abs. 3 der Richtlinie, der eine Mindesthöchststrafe von vier Jahren verlangt, wenn bei Tatbeständen iSd. Art. 3 und 4 der Richtlinie ein erheblicher Schaden oder Vorteil gegeben ist, wobei Art. 7 Abs. 3 zweiter Satz einen solchen erheblichen Schaden oder Vorteil mit einem EUR 100 000 übersteigenden Betrag definiert, soll in (§ 168c) Abs. 4 durch Einziehung einer weiteren Wertgrenze die Heranziehung des im StGB nächstgelegenen gebräuchlichen Strafrahmens von Freiheitsstrafe von sechs Monaten bis zu fünf Jahren Rechnung getragen werden. Im Interesse einer trotz der spezifischen Vorgaben möglichst einheitlichen Regelung soll die bei den übrigen Vermögensdelikten übliche zweite Wertgrenze von EUR 300 000 auch beim Betrug zum Nachteil der finanziellen Interessen der Union – hier eben als dritte Wertgrenze – beibehalten werden.

Wie in der Richtlinie soll zwischen den qualifizierten Strafdrohungen bei Betrug im engeren Sinn und bei Missbrauch – anders als im Verhältnis zwischen § 147 Abs. 2 und 3 und § 153 Abs. 3 und 4 StGB – nicht weiter differenziert werden.

Zu Z 3 (§ 168d StGB):

Die Ergänzung um einen neuen Tatbestand in Form des § 168d StGB erfolgt ebenfalls in Umsetzung der PIF-Richtlinie. Unter dem Titel „Andere gegen die finanziellen Interessen der Union gerichtete Straftaten“ verlangt Art. 4 der Richtlinie die Kriminalisierung einschlägiger Geldwäscherei (Abs.1), einschlägiger aktiver und passiver Korruption (Abs. 2) sowie der Missbräuchliche Verwendung von Mitteln und Vermögenswerten zum Nachteil der finanziellen Interessen der Europäischen Union (Abs. 3).

Während die Geldwäscherei durch § 165 StGB und die aktive und passive Korruption durch die §§ 304 ff StGB hinreichend umgesetzt erscheinen, schlägt der Entwurf hinsichtlich der missbräuchlichen Verwendung aus ähnlichen wie den zu § 168c StGB dargelegten Erwägungen die Schaffung eines eigenen neuen Tatbestandes (anstelle etwa einer Anpassung des § 153 StGB) vor.

Absatz 1 soll die materiellrechtlichen Vorgaben aus des Art. 4 Abs. 3 umsetzen und Handlungen öffentlicher Bediensteter, die mit der Verwaltung von Mitteln oder Vermögenswerten betraut sind und diese Mittel oder Vermögenswerte vorsätzlich missbräuchlich verwenden, sanktionieren, wenn dadurch die finanziellen Interessen der Union geschädigt werden.

Das Tatbestandsmerkmal der „Bindung“ bedeutet nach Konsultation anderer Sprachfassung der PIF-Richtlinie die Überweisung der Mittel bzw. Vermögenswerte.

Zum Begriff des öffentlichen Bediensteten, dessen Legaldefinition sich in Art. 4 Abs. 4 der PIF-Richtlinie findet, und dessen Umsetzung durch den Amtsträgerbegriff darf auf die Ausführungen zur Z 1 (§ 74 Abs. 1 Z 4a lit. b sowie Z 4b StGB) verwiesen werden.

Hinsichtlich der Absätze 2 und 3 kann auf die Ausführungen zu den Absätzen 3 und 4 zu Z 2 (§ 168c StGB) verwiesen werden.