Entwurf

Bundesgesetz, mit dem das Allgemeine Verwaltungsverfahrensgesetz 1991, das Verwaltungsstrafgesetz 1991 und das Verwaltungsgerichtsverfahrensgesetz geändert sowie ein Bundesgesetz über die Europäische Ermittlungsanordnung in Verwaltungsstrafsachen erlassen werden

Der Nationalrat hat beschlossen:

Inhaltsverzeichnis

Artikel 1

Änderung des Allgemeinen Verwaltungsverfahrensgesetzes 1991

Artikel 2

Änderung des Verwaltungsstrafgesetzes 1991

Artikel 3

Änderung des Verwaltungsgerichtsverfahrensgesetzes

Artikel 4

Bundesgesetz über die Europäische Ermittlungsanordnung in Verwaltungsstrafsachen

Artikel 1

Änderung des Allgemeinen Verwaltungsverfahrensgesetzes 1991

Das Allgemeine Verwaltungsverfahrensgesetz 1991 – AVG, BGBl. Nr. 51/1991, zuletzt geändert durch das Bundesgesetz BGBl. I Nr. 161/2013, wird wie folgt geändert:

1. Nach § 51 wird folgender § 51a samt Überschrift eingefügt:

„Audiovisuelle Vernehmungen

§ 51a. Nach Maßgabe der technischen Möglichkeiten kann eine Vernehmung unter Verwendung technischer Einrichtungen zur Wort- und Bildübertragung durchgeführt werden, es sei denn, das persönliche Erscheinen vor der Behörde ist unter Berücksichtigung der Verfahrensökonomie zweckmäßiger oder aus besonderen Gründen erforderlich.“

2. Dem § 82 wird folgender Abs. 22 angefügt:

„(22) § 51a samt Überschrift in der Fassung des Bundesgesetzes BGBl. I Nr. xxx/2018 tritt mit Ablauf des Monats der Kundmachung in Kraft.“

Artikel 2

Änderung des Verwaltungsstrafgesetzes 1991

Das Verwaltungsstrafgesetz 1991 – VStG, BGBl. Nr. 52/1991, zuletzt geändert durch das Bundesgesetz BGBl. I Nr. 120/2016, wird wie folgt geändert:

1. Nach § 32 wird folgender § 32a samt Überschrift eingefügt:

„Verteidiger

§ 32a. Beschuldigte haben in jeder Lage des Verfahrens das Recht, mit einem Verteidiger Kontakt aufzunehmen, ihn zu bevollmächtigen und sich mit ihm zu besprechen, ohne dabei überwacht zu werden. Als Verteidiger sind die in § 48 Abs. 1 Z 5 der Strafprozeßordnung 1975 – StPO, BGBl. Nr. 631/1975, genannten Personen zugelassen.“

2. Vor § 33 wird folgende Überschrift eingefügt:

„Vernehmung“

3. § 33 Abs. 2 und 3 lautet:

„(2) Der Beschuldigte ist, erforderlichenfalls unter Beiziehung eines Dolmetschers, in einer für ihn verständlichen Sprache über die gegen ihn erhobenen Anschuldigungen, über das Recht, sich zur Sache zu äußern oder nicht auszusagen, und über das Recht auf Beiziehung eines Verteidigers zu belehren. Der Umstand der Belehrung sowie der Verzicht auf Beiziehung eines Verteidigers sind schriftlich festzuhalten.

(3) Der Beschuldigte darf zur Beantwortung der an ihn gestellten Fragen nicht gezwungen werden. Er darf nicht durch Zwangsmittel, Drohungen, Versprechungen oder Vorspiegelungen zu Äußerungen genötigt oder bewogen werden. Die Stellung von Fragen, in welchen eine nicht zugestandene Tatsache als bereits zugestanden angenommen wird, ist nicht zulässig. Fragen, wodurch Umstände vorgehalten werden, die erst durch die Antwort festgestellt werden sollen, dürfen erst dann gestellt werden, wenn der Befragte nicht in anderer Weise zu einer Erklärung über dieselben geführt werden konnte; die Fragen sind in solchen Fällen wörtlich in die Niederschrift aufzunehmen. Der Beschuldigte darf nicht durch Zwangsstrafen zur Herausgabe von Tatgegenständen und Beweismitteln verhalten werden.“

4. Vor § 34 wird folgende Überschrift eingefügt:

„Vorläufiges Absehen von der Einleitung oder Fortführung des Strafverfahrens“

5. Nach § 34 wird folgender § 34a samt Überschrift eingefügt:

„Information der Medien

§ 34a. (1) Den Behörden obliegt die Information der Medien (§ 1 des Mediengesetzes – MedienG, BGBl. Nr. 314/1981) über die von ihnen geführten Ermittlungsverfahren nach Maßgabe der nachstehenden Absätze unter Berücksichtigung des Interesses der Öffentlichkeit an sachlicher Information über Verfahren von öffentlicher Bedeutung.

(2) Eine Information der Medien ist nur zulässig, wenn durch ihren Zeitpunkt und Inhalt die Persönlichkeitsrechte der betroffenen Personen, der Grundsatz der Unschuldsvermutung sowie der Anspruch auf ein faires Verfahren nicht verletzt werden.

(3) Auskünfte sind nicht zu erteilen, soweit schutzwürdige Geheimhaltungsinteressen entgegenstehen oder wenn durch die Auskunft der Zweck des Ermittlungsverfahrens gefährdet wäre.“

6. In § 36 Abs. 1 entfällt der zweite Satz; der letzte Satz wird durch folgende Sätze ersetzt:

„Hat er von seinem Recht auf Beiziehung eines Verteidigers Gebrauch gemacht, so ist die Vernehmung bis zum Eintreffen des Verteidigers aufzuschieben, es sei denn, dass damit eine erhebliche Gefährdung der Ermittlungen oder eine Beeinträchtigung von Beweismitteln verbunden wäre; eine solche Beschränkung des Rechts auf Beiziehung eines Verteidigers ist schriftlich festzuhalten. Die Anhaltung darf keinesfalls länger als 24 Stunden dauern.“

7. § 36 Abs. 3 lautet:

„(3) Dem Festgenommenen ist ohne unnötigen Aufschub zu gestatten, einen Angehörigen (§ 36a AVG) oder eine sonstige Person seines Vertrauens zu verständigen und Kontakt mit einem Verteidiger aufzunehmen und diesen zu bevollmächtigen. Einem Festgenommenen, der nicht österreichischer Staatsbürger ist, ist ferner zu gestatten, die konsularische Vertretung seines Heimatstaates unverzüglich von der Festnahme zu verständigen und mit dieser Kontakt aufzunehmen. Bestehen gegen eine Verständigung durch den Festgenommenen selbst Bedenken, so hat die Behörde die Verständigung vorzunehmen.“

8. In § 36 Abs. 4 wird die Wortfolge „von seinen Rechtsbeiständen sowie von den diplomatischen oder konsularischen Vertretern“ durch die Wortfolge „von seinem Verteidiger sowie von den konsularischen Vertretern“ ersetzt.

9. Nach § 36 wird folgender § 36a samt Überschrift eingefügt:

„Rechtsbelehrung

§ 36a. Der Beschuldigte ist sogleich oder unmittelbar nach seiner Festnahme schriftlich in einer für ihn verständlichen Sprache über die Gründe seiner Festnahme und die gegen ihn erhobenen Anschuldigungen, über sein Recht auf Akteneinsicht, über sonstige wesentliche Rechte im Verfahren (§ 33 Abs. 2, § 36 Abs. 1 letzter Satz, Abs. 3 erster und zweiter Satz) und darüber zu informieren, dass er berechtigt ist, Zugang zu dringender medizinischer Versorgung zu erhalten. Ist die schriftliche Belehrung in einer Sprache, die der Beschuldigte versteht, nicht verfügbar, so ist er mündlich unter Beiziehung eines Dolmetschers zu belehren und die schriftliche Übersetzung ist ihm nachzureichen. Der Umstand der Belehrung ist schriftlich festzuhalten.“

10. In § 40 Abs. 2 wird das Wort „Rechtsbeistand“ durch das Wort „Verteidiger“ ersetzt.

11. Dem § 43 wird folgender Abs. 4 angefügt:

„(4) Hat der Beschuldigte bei seiner Vernehmung einen Verteidiger beigezogen, so darf sich dieser an der Vernehmung beteiligen, indem er nach deren Abschluss oder nach thematisch zusammenhängenden Abschnitten ergänzende Fragen an den Beschuldigten richtet oder Erklärungen abgibt. Während der Vernehmung darf sich der Beschuldigte nicht mit dem Verteidiger über die Beantwortung einzelner Fragen beraten.“

12. In § 44 Abs. 1 erhalten die Z 3 bis 10 die Ziffernbezeichnungen „4.“ bis „11.“; folgende Z 3 wird eingefügt:

         „3. den Namen eines allfälligen Verteidigers des Beschuldigten;“

13. Nach § 44a wird folgender § 44b eingefügt:

§ 44b. (1) Jedes Straferkenntnis hat eine Belehrung über das Recht des Beschuldigten, im Verfahren vor dem Verwaltungsgericht einen Verfahrenshilfeverteidiger zu erhalten (§ 40 des Verwaltungsgerichtsverfahrensgesetzes – VwGVG, BGBl. I Nr. 33/2013), zu enthalten.

(2) Abs. 1 ist nicht auf Verwaltungsübertretungen anzuwenden,

           1. die mit einer Geldstrafe von bis zu 7 500 Euro und keiner Freiheitsstrafe bedroht sind oder

           2. für die bereits ein Verfahren nach den Bestimmungen des 4. Abschnittes durchgeführt worden ist.“

14. Nach § 46 Abs. 1 wird folgender Abs. 1a eingefügt:

„(1a) Ist der Beschuldigte der deutschen Sprache nicht hinreichend kundig, so ist dem Straferkenntnis eine Übersetzung in einer für den Beschuldigten verständlichen Sprache anzuschließen. Sofern dies einem fairen Verfahren nicht entgegensteht, kann die Übersetzung durch auszugsweise Darstellung des wesentlichen Inhalts ersetzt werden. Die Pflicht zur Übersetzung des Straferkenntnisses ist nicht auf Verwaltungsübertretungen anzuwenden, die mit einer Geldstrafe von bis zu 7 500 Euro und keiner Freiheitsstrafe bedroht sind oder wegen denen bereits ein Verfahren nach den Bestimmungen des 4. Abschnittes durchgeführt worden ist.“

15. In § 46 Abs. 2 wird nach der Wortfolge „die Rechtsmittelbelehrung“ die Wortfolge „, die Belehrung über das Recht auf Beigabe eines Verfahrenshilfeverteidigers im Verfahren vor dem Verwaltungsgericht gemäß § 44b“ eingefügt.

16. In § 53c Abs. 5 entfällt die Wortfolge „diplomatischen und“.

17. In § 64 Abs. 3 wird die Wortfolge „dem Dolmetscher“ durch die Wortfolge „dem Dolmetscher und Übersetzer“ ersetzt.

18. Die §§ 66a, 66b und 67 erhalten die Paragraphenbezeichnungen „§ 67.“, „§ 69.“ und „§ 70.“; § 68 entfällt.

19. Nach § 67 (neu) wird folgender § 68 (neu) samt Überschrift eingefügt:

„Umsetzung von Richtlinien der Europäischen Union

§ 68. (1) § 46 Abs. 1a und § 64 Abs. 3 in der Fassung des Bundesgesetzes BGBl. I Nr. xxx/2018 dienen der Umsetzung der Richtlinie 2010/64 EU über das Recht auf Dolmetschleistungen und Übersetzungen in Strafverfahren, ABl. Nr. L 280 vom 26.10.2010 S. 1.

(2) § 33 Abs. 2, § 36a, § 44b und § 46 Abs. 1a in der Fassung des Bundesgesetzes BGBl. I Nr. xxx/2018 dienen der Umsetzung der Richtlinie 2012/13/EU über das Recht auf Belehrung und Unterrichtung in Strafverfahren, ABl. Nr. L 142 vom 01.06.2012 S. 1.

(3) § 32a, § 33 Abs. 2, § 36, § 40 Abs. 2, § 43 Abs. 4 und § 44 Abs. 1 Z 3 in der Fassung des Bundesgesetzes BGBl. I Nr. xxx/2018 dienen der Umsetzung der Richtlinie 2013/48/EU über das Recht auf Zugang zu einem Rechtsbeistand in Strafverfahren und in Verfahren zur Vollstreckung des Europäischen Haftbefehls sowie über das Recht auf Benachrichtigung eines Dritten bei Freiheitsentzug und das Recht auf Kommunikation mit Dritten und mit Konsularbehörden während des Freiheitsentzugs, ABl. Nr. L 294 vom 06. 11.2013 S. 1.

(4) § 34a in der Fassung des Bundesgesetzes BGBl. I Nr. xxx/2018 dient der Umsetzung der Richtlinie 2016/343/EU über die Stärkung bestimmter Aspekte der Unschuldsvermutung und des Rechts auf Anwesenheit in der Verhandlung in Strafverfahren, ABl. Nr. L 65 vom 11.3.2016 S. 1.“

20. Dem § 66b wird folgender Abs. 20 angefügt:

„(20) § 32a, die Überschrift vor § 33, § 33 Abs. 2 und 3, die Überschrift vor § 34, § 34a samt Überschrift, § 36 Abs. 1, 3 und 4, § 36a samt Überschrift, § 40 Abs. 2, § 43 Abs. 4, § 44 Abs. 1, § 44b, § 46 Abs. 1a und 2, § 53c Abs. 5, § 64 Abs. 3, die Änderungen der Paragraphenbezeichnungen der §§ 66a, 66b und 67, der Entfall des § 68 sowie § 68 (neu) samt Überschrift in der Fassung des Bundesgesetzes BGBl. I Nr. xxx/2018 treten mit Ablauf des Tages der Kundmachung in Kraft.“

Artikel 3

Änderung des Verwaltungsgerichtsverfahrensgesetzes

Das Verwaltungsgerichtsverfahrensgesetz – VwGVG, BGBl. I Nr. 33/2013, zuletzt geändert durch das Bundesgesetz BGBl. I Nr. 138/2017, wird wie folgt geändert:

1. Im Inhaltsverzeichnis wird nach dem Eintrag zu § 38 folgender Eintrag eingefügt:

„§ 38a.

Dolmetscher und Übersetzer“

2. Im Inhaltsverzeichnis werden die Einträge zu den §§ 57 und 58 durch folgende Einträge ersetzt:

„§ 57.

Umsetzung von Richtlinien der Europäischen Union

§ 58.

Vollziehung

§ 59.

Inkrafttreten“

3. In § 25 Abs. 6a und § 47 Abs. 1 wird das Wort „Einvernahme“ durch das Wort „Vernehmung“ ersetzt.

4. In § 31 Abs. 3 wird der Ausdruck „5 und § 30“ durch den Ausdruck „5, § 30, § 38a Abs. 3 und § 50 Abs. 3“ ersetzt.

5. Nach § 38 wird folgender § 38a samt Überschrift eingefügt:

„Dolmetscher und Übersetzer

§ 38a. (1) Ist ein Beschuldigter der deutschen Sprache nicht hinreichend kundig, stumm, gehörlos oder hochgradig hörbehindert, hat er das Recht auf Beiziehung eines Dolmetschers. Dies gilt insbesondere für Beweisaufnahmen, an denen der Beschuldigte teilnimmt, für Verhandlungen und auf Verlangen auch für den Kontakt des Beschuldigten mit seinem Verteidiger, sofern dies in unmittelbarem Zusammenhang mit einer Verhandlung oder sonstigen Amtshandlung, an der der Beschuldigte teilnimmt, steht und im Interesse einer zweckentsprechenden Verteidigung erforderlich ist.

(2) Können Dolmetschleistungen für die Sprache, die für den Beschuldigten verständlich ist, nicht binnen angemessener Zeit zur Verfügung gestellt werden und ist das persönliche Erscheinen des Dolmetschers für die Gewährleistung eines fairen Verfahrens nicht erforderlich, kann die Dolmetschleistung nach Maßgabe der technischen Möglichkeiten des Verwaltungsgerichtes unter Verwendung technischer Einrichtungen zur Wort- und Bildübertragung erbracht werden.

(3) Soweit dies zur Wahrung der Verteidigungsrechte und eines fairen Verfahrens erforderlich ist, hat ein der deutschen Sprache nicht hinreichend kundiger Beschuldigter das Recht auf schriftliche Übersetzung der wesentlichen Aktenstücke innerhalb einer angemessenen Frist. Als wesentlich gelten insbesondere die zur Beschwerde erstatteten Äußerungen, die schriftliche Ausfertigung des Erkenntnisses und eine gegen das Erkenntnis von einer anderen Partei als dem Beschuldigten erhobene Revision. Auf Antrag des Beschuldigten sind ihm weitere konkret zu bezeichnende Aktenstücke schriftlich zu übersetzen, soweit die Erforderlichkeit einer Übersetzung hinreichend begründet wird oder offenkundig ist. Die schriftliche Übersetzung kann durch auszugsweise Darstellung des wesentlichen Inhalts, durch mündliche Übersetzung oder, wenn der Beschuldigte durch einen Verteidiger vertreten ist, durch mündliche Zusammenfassung ersetzt werden, sofern dies einem fairen Verfahren nicht entgegensteht.

(4) Über sein Recht auf Beiziehung eines Dolmetschers und Übersetzers ist der Beschuldigte in einer für ihn verständlichen Sprache zu belehren. Der Umstand der Belehrung ist schriftlich festzuhalten.

(5) Ein Verzicht des Beschuldigten auf schriftliche Übersetzung ist nur zulässig, wenn er zuvor über sein Recht und die Folgen des Verzichts in einer für ihn verständlichen Sprache belehrt wurde. Belehrung und Verzicht sind schriftlich festzuhalten.

(6) Die Entscheidung über die Beiziehung eines Dolmetschers und Übersetzers erfolgt durch verfahrensleitenden Beschluss.“

6. Dem § 50 wird folgender Abs. 3 angefügt:

„(3) Jedes Erkenntnis hat einen Hinweis auf die Voraussetzungen für die Bewilligung der Verfahrenshilfe im Verfahren vor dem Verfassungsgerichtshof und im Verfahren vor dem Verwaltungsgerichtshof zu enthalten.“

7. In § 52 Abs. 3 wird das Wort „Dolmetscher“ durch die Wortfolge „Dolmetscher und Übersetzer“ ersetzt.

8. Die §§ 57 und 58 erhalten die Paragraphenbezeichnungen „§ 58.“ und „§ 59.“.

9. Nach § 56 wird folgender § 57 samt Überschrift eingefügt:

„Umsetzung von Richtlinien der Europäischen Union

§ 57. (1) § 38a Abs. 1, 2, 3, 5 und 6 und § 52 Abs. 3 in der Fassung des Bundesgesetzes BGBl. I Nr. xxx/2018 dienen der Umsetzung der Richtlinie 2010/64 EU über das Recht auf Dolmetschleistungen und Übersetzungen in Strafverfahren, ABl. Nr. L 280 vom 26.10.2010 S. 1.

(2) § 31 Abs. 3, § 38a Abs. 3 und § 50 Abs. 3 in der Fassung des Bundesgesetzes BGBl. I Nr. xxx/2018 dienen der Umsetzung der Richtlinie 2012/13 EU über das Recht auf Belehrung und Unterrichtung in Strafverfahren, ABl. Nr. L 142 vom 01.06.2012 S. 1.“

10. Dem § 58 wird folgender Abs. 5 angefügt:

„(5) Das Inhaltsverzeichnis, § 25 Abs. 6a, § 31 Abs. 3, § 38a samt Überschrift, § 47 Abs. 1, § 50 Abs. 3, § 52 Abs. 3, § 57 (neu) samt Überschrift und die Paragraphenbezeichnungen der §§ 58 und 59 (neu) in der Fassung des Bundesgesetzes BGBl. I Nr. xxx/2018 treten mit Ablauf des Monats der Kundmachung in Kraft.“

Artikel 4

Bundesgesetz über die Europäische Ermittlungsanordnung in Verwaltungsstrafsachen (Europäische Ermittlungsanordnung Verwaltungsstrafsachen – EAO-VStS)

Inhaltsverzeichnis

1. Abschnitt
Allgemeine Bestimmungen

§ 1.

Anwendungsbereich

§ 2.

Begriffsbestimmungen

2. Abschnitt
Erwirkung der Vollstreckung einer Europäischen Ermittlungsanordnung in einem anderen Mitgliedstaat (§ 1 Abs. 1 Z 1)

§ 3.

Vorverfahren

§ 4.

Übermittlung der Europäischen Ermittlungsanordnung

3. Abschnitt
Vollstreckung einer Europäischen Ermittlungsanordnung eines anderen Mitgliedstaates in Österreich (§ 1 Abs. 1 Z 2)

§ 5.

Anzuwendendes Recht

§ 6.

Vollstreckung einer Europäischen Ermittlungsanordnung

§ 7.

Besondere Verfahrens- oder Formvorschriften

§ 8.

Rückgriff auf eine andere Ermittlungsmaßnahme

§ 9.

Unzulässigkeit der Vollstreckung

§ 10.

Fristen

§ 11.

Aufschub der Vollstreckung

§ 12.

Übermittlung der Beweismittel

§ 13.

Kosten

4. Abschnitt
Besondere Ermittlungsmaßnahmen

§ 14.

Vernehmung im Wege einer Videokonferenz oder sonstiger audiovisueller Übertragung

§ 15.

Vernehmung im Wege einer Telefonkonferenz

5. Abschnitt
Schlussbestimmungen

§ 16.

Gleichstellung von ausländischen mit inländischen Amtsträgern bei Amtshandlungen in der Republik Österreich

§ 17.

Ausgleich von Schäden

§ 18.

Verhältnis zu anderen Übereinkünften und Vereinbarungen

§ 19.

Verweisungen

§ 20.

Sprachliche Gleichbehandlung

§ 21.

Vollziehung

§ 22.

Inkrafttreten

Anlage 1

 

Anlage 2

 

1. Abschnitt

Allgemeine Bestimmungen

Anwendungsbereich

§ 1. (1) Dieses Bundesgesetz regelt

           1. die Erwirkung der Vollstreckung einer von einer österreichischen Verwaltungsstrafbehörde oder von einem österreichischen Verwaltungsgericht erlassenen Europäischen Ermittlungsanordnung in einem anderen Mitgliedstaat gemäß der Richtlinie 2014/41/EU im Verfahren in Verwaltungsstrafsachen und

           2. die Vollstreckung einer Europäischen Ermittlungsanordnung von einer Justizbehörde eines anderen Mitgliedstaates in Österreich gemäß der Richtlinie 2014/41/EU, in Verfahren, die Justiz- oder Verwaltungsbehörden wegen Handlungen eingeleitet haben, die nach dem nationalen Recht des Anordnungsstaates als Zuwiderhandlungen gegen Rechtsvorschriften geahndet werden können, sofern gegen die Entscheidung ein insbesondere in Strafsachen zuständiges Gericht angerufen werden kann,

soweit nicht das Bundesgesetz über die justizielle Zusammenarbeit in Strafsachen mit den Mitgliedstaaten der Europäischen Union (EU-JZG), BGBl. I Nr. 36/2004, oder das Bundesgesetz über die Zusammenarbeit in Finanzstrafsachen mit den Mitgliedstaaten der Europäischen Union (EU-FinStrZG), BGBl. I Nr. 105/2014, anzuwenden ist.

(2) Dieses Bundesgesetz ist nicht anzuwenden auf

           1. die Bildung von gemeinsamen Ermittlungsgruppen sowie die Erhebung von Beweismitteln innerhalb einer solchen Ermittlungsgruppe,

           2. grenzüberschreitende Observationen und

           3. Vernehmungen von Beschuldigten im Wege einer Telefonkonferenz.

(3) Dieses Bundesgesetz dient der Umsetzung der Richtlinie 2014/41/EU.

Begriffsbestimmungen

§ 2. Im Sinne dieses Bundesgesetzes bezeichnet der Begriff

           1. „Mitgliedstaat“ einen Mitgliedstaat der Europäischen Union, ausgenommen Dänemark und Irland;

           2. „Richtlinie 2014/41/EU“ die Richtlinie 2014/41/EU über die Europäische Ermittlungsanordnung in Strafsachen, ABl. Nr. L 130 vom 1.5.2014 S. 1; L 143 vom 9.6.2015, S. 16;

           3. „Europäische Ermittlungsanordnung“ ein Ersuchen um Durchführung von Ermittlungsmaßnahmen oder die Aufnahme von Beweisen in einem anderen Mitgliedstaat oder Übermittlung von Ermittlungsergebnissen oder Beweismitteln;

           4. „Anordnungsstaat“ den Mitgliedstaat, in dem die Europäischen Ermittlungsanordnung erlassen wird;

           5. „Vollstreckungsstaat“ den Mitgliedstaat, der die Europäische Ermittlungsanordnung vollstrecken soll.

2. Abschnitt

Erwirkung der Vollstreckung einer Europäischen Ermittlungsanordnung in einem anderen Mitgliedstaat (§ 1 Abs. 1 Z 1)

Vorverfahren

§ 3. (1) Für ausgehende Europäische Ermittlungsanordnungen ist das Formblatt gemäß Anlage 1 zu verwenden; die Europäische Ermittlungsanordnung ist von der Verwaltungsstrafbehörde oder dem Verwaltungsgericht, die bzw. das die Erhebung von Beweismitteln anordnet, zur Bestätigung der Richtigkeit ihres Inhalts zu unterzeichnen. Sofern der andere Mitgliedstaat nicht die Erklärung abgegeben hat, das Formblatt auch in deutscher Sprache zu akzeptieren, ist das Formblatt in die Amtssprache oder eine der Amtssprachen des Mitgliedstaates oder, wenn der Mitgliedstaat die Erklärung abgegeben hat, eine Übersetzung in eine oder mehrere Amtssprachen der Europäischen Union zu akzeptieren, in eine dieser Amtssprachen zu übersetzen.

(2) (Verfassungsbestimmung) Im Verfahren betreffend die Erwirkung der Vollstreckung einer Europäischen Ermittlungsanordnung in einem anderen Mitgliedstaat in Verwaltungsstrafsachen können Zuständigkeiten der Verwaltungsgerichte vorgesehen werden. Art. 131 Abs. 1 bis 4 B-VG ist sinngemäß anzuwenden.

(3) Soweit nicht das Bundesverwaltungsgericht sachlich zuständig ist, sind die Landesverwaltungsgerichte sachlich zuständig. Örtlich zuständig ist jenes Landesverwaltungsgericht, in dessen Sprengel die Verwaltungsstrafbehörde ihren Sitz hat.

(4) Die Europäische Ermittlungsanordnung ist, wenn die Erhebung von Beweismitteln nicht von einem Verwaltungsgericht angeordnet worden ist, vor der Übermittlung an die zuständige Behörde des Vollstreckungsstaates dem Verwaltungsgericht zur Bestätigung (Abschnitt L des Formblattes gemäß Anlage 1) vorzulegen.

(5) Die Bestätigung nach Abs. 4 erfolgt, nachdem das Verwaltungsgericht festgestellt hat, dass die Voraussetzungen für die Erlassung einer Europäischen Ermittlungsanordnung vorliegen, insbesondere darüber, dass

           1. die Europäische Ermittlungsanordnung dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit entspricht und

           2. die in der Europäischen Ermittlungsanordnung angegebene Ermittlungsmaßnahme in einem vergleichbaren innerstaatlichen Fall unter denselben Bedingungen angeordnet werden könnte.

(6) Das Verwaltungsgericht hat der die Erhebung von Beweismitteln anordnenden Verwaltungsstrafbehörde die Bestätigung binnen acht Wochen zu erteilen oder ihr innerhalb dieser Frist die Gründe für die Nichterteilung der Bestätigung mitzuteilen.

Übermittlung der Europäischen Ermittlungsanordnung

§ 4. (1) Die Europäische Ermittlungsanordnung ist nach Erteilung der Bestätigung gemäß § 3 von der Verwaltungsstrafbehörde bzw., wenn sie vom Verwaltungsgericht erlassen wurde, von diesem der zuständigen Behörde des Vollstreckungsstaates zu übermitteln. Die Übermittlung kann über das Telekommunikationssystem des Europäischen Justiziellen Netzes in Strafsachen (EJN) erfolgen. Die Europäische Ermittlungsanordnung und sonstige Unterlagen sind im Postweg, durch Telefax, elektronische Datenübermittlung oder durch jedes andere sichere technische Mittel zu übermitteln, das die Erstellung einer schriftlichen Fassung unter Bedingungen ermöglicht, die dem Empfänger die Feststellung der Echtheit gestatten.

(2) Die Übermittlung gemäß Abs. 1 sowie sämtliche offiziellen Mitteilungen erfolgen unmittelbar zwischen der österreichischen Behörde, die die Europäische Ermittlungsanordnung erlassen hat, und der zuständigen Behörde des Vollstreckungsstaates.

(3) Ist nicht bekannt, welche Behörde im Vollstreckungsstaat zuständig ist, so ist zu versuchen, diese insbesondere mit Hilfe von Eurojust oder der Kontaktstelle des EJN in Erfahrung zu bringen.

3. Abschnitt

Vollstreckung einer Europäischen Ermittlungsanordnung eines anderen Mitgliedstaates in Österreich (§ 1 Abs. 1 Z 2)

Anzuwendendes Recht

§ 5. Soweit in diesem Bundesgesetz nicht anderes bestimmt ist, sind für die Vollstreckung einer Europäischen Ermittlungsanordnung in Österreich das Verwaltungsstrafgesetz 1991 – VStG, BGBl. Nr. 52/1991, und jene verfahrensrechtlichen Bestimmungen in Bundes- oder Landesgesetzen sinngemäß anzuwenden, die für vergleichbare inländische Sachverhalte (Verfahren) gelten würden. Dies gilt auch für Zwangsmaßnahmen, die bei der Vollstreckung der Europäischen Ermittlungsanordnung notwendig werden.

Vollstreckung einer Europäischen Ermittlungsanordnung

§ 6. (1) Die Vollstreckung einer Europäischen Ermittlungsanordnung ist nur zulässig, wenn der Anordnungsstaat das Formblatt gemäß Anlage 1 in der jeweils gültigen Fassung verwendet, das in Verfahren nach Art. 4 lit. b und lit. c der Richtlinie 2014/41/EU

           1. von einer Justizbehörde im Sinne von Art. 2 lit. c sublit. i der Richtlinie 2014/41/EU erlassen wurde oder

           2. von einer anderen als in Z 1 genannten Behörde, die der Anordnungsstaat hierfür als zuständig bezeichnet hat, erlassen und durch eine Justizbehörde gemäß Z 1 in Abschnitt L gemäß Anlage 1 bestätigt wurde.

(2) Der Empfang einer Europäischen Ermittlungsanordnung nach Abs. 1 ist unverzüglich, spätestens aber binnen einer Woche nach ihrem Einlangen bei der zuständigen Behörde durch eine Mitteilung zu bestätigen, die dem Formblatt gemäß Anlage 2 entspricht.

(3) Ist eine österreichische Verwaltungsbehörde, die eine Europäische Ermittlungsanordnung erhält, nicht zuständig, die erforderlichen Maßnahmen für deren Vollstreckung zu treffen, so hat sie die Europäische Ermittlungsanordnung von Amts wegen der zuständigen Behörde oder der gemäß § 55c EU‑JZG zuständigen Staatsanwaltschaft zu übermitteln. Der Anordnungsstaat ist über die Weiterleitung zu unterrichten.

(4) Ist die Europäische Ermittlungsanordnung nach Abs. 1 unzulässig, unvollständig oder offensichtlich unrichtig ausgefüllt und kann die Europäische Ermittlungsanordnung deshalb nicht vollstreckt werden, ist die zuständige Behörde des Anordnungsstaates um Nachreichung, Vervollständigung oder ergänzende Informationen zu ersuchen. Diese Unterrichtung hat in einer Form zu erfolgen, die einen schriftlichen Nachweis ermöglicht.

Besondere Verfahrens- oder Formvorschriften

§ 7. (1) Soweit wesentliche Grundsätze der österreichischen Rechtsordnung nicht entgegenstehen,

           1. sind besondere Formvorschriften oder Verfahrensvorschriften, die in der Europäischen Ermittlungsanordnung angegeben wurden, einzuhalten und

           2. ist dem Ersuchen um Teilnahme von Organen des Anordnungsstaates an der Durchführung der in der Europäischen Ermittlungsanordnung genannten Maßnahme zu entsprechen.

Können besondere Formvorschriften oder Verfahrensvorschriften gemäß Z 1 nicht eingehalten werden oder kann dem Ersuchen nach der Z 2 nicht entsprochen werden, ist die zuständige Behörde des Anordnungsstaates unverzüglich zu unterrichten. § 6 Abs. 4 letzter Satz gilt.

(2) Die Vornahme selbständiger Ermittlungen oder Verfahrenshandlungen im Inland durch Organe des Ausstellungsstaates ist unzulässig. Die ausländischen Organe sind an die österreichischen Rechtsvorschriften gebunden. Die Durchführung der in der Europäischen Ermittlungsanordnung genannten Maßnahme hat unter Leitung einer österreichischen Behörde zu erfolgen.

Rückgriff auf eine andere Ermittlungsmaßnahme

§ 8. (1) Steht eine weniger einschneidende Ermittlungsmaßnahme als die in der Europäischen Ermittlungsanordnung angegebene zur Verfügung, ist auf erstere zurückzugreifen, wenn mit dieser das gleiche Ergebnis erzielt werden kann wie mit der angegebenen.

(2) Auf eine andere als die in der Europäischen Ermittlungsanordnung angegebene Ermittlungsmaßnahme ist zurückzugreifen, wenn die angegebene Ermittlungsmaßnahme

           1. nach den von den Verwaltungsstrafbehörden gemäß § 5 anzuwendenden Bestimmungen nicht besteht oder

           2. in einem vergleichbaren innerstaatlichen Fall nicht zur Verfügung stünde.

(3) Entscheidungen nach Abs. 1 und 2 sind zu begründen.

(4) Von einem Rückgriff auf eine andere Ermittlungsmaßnahme gemäß Abs. 1 oder 2 ist die zuständige Behörde des Anordnungsstaates unverzüglich zu unterrichten. § 6 Abs. 4 letzter Satz gilt.

(5) Gibt es im Fall von Abs. 2 keine andere Ermittlungsmaßnahme, mit der das gleiche Ergebnis erzielt werden kann wie mit der in der Europäischen Ermittlungsanordnung angegebenen Ermittlungsmaßnahme, ist der zuständigen Behörde des Anordnungsstaates unverzüglich mitzuteilen, dass es nicht möglich war, die Europäische Ermittlungsanordnung zu vollstrecken. § 6 Abs. 4 letzter Satz gilt.

(6) Folgende Ermittlungsmaßnahmen müssen jedenfalls zur Verfügung stehen:

           1. die Übermittlung von Ermittlungsergebnissen oder Beweismitteln, die in einem inländischen Verwaltungsstrafverfahren gewonnen oder aufgenommen wurden;

           2. die Erlangung von Informationen, die in Datenbanken enthalten sind, zu denen die Verwaltungsstrafbehörde im Rahmen eines Verwaltungsstrafverfahrens unmittelbar Zugang hat;

           3. die Vernehmung von Parteien eines Verwaltungsstrafverfahrens, Opfern, Zeugen oder Sachverständigen;

           4. die Durchführung von Maßnahmen, die nicht mit verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt gegen den Betroffenen verbunden sind.

Unzulässigkeit der Vollstreckung

§ 9. (1) Die Vollstreckung einer Europäischen Ermittlungsanordnung ist unzulässig, wenn

           1. nach österreichischem Recht Immunitäten oder sonstige Zeugnis- oder Aussageverweigerungsrechte bestehen, die der Vollstreckung einer Europäischen Ermittlungsanordnung entgegenstehen;

           2. berechtigte Gründe für die Annahme bestehen, dass sie die in Art. 6 des Vertrags über die Europäische Union anerkannten Grundsätze oder die durch die Charta der Grundrechte der Europäischen Union gewährten Rechte verletzen würde;

           3. sich die Europäische Ermittlungsanordnung auf ein Verfahren nach Art. 4 lit. b und c Richtlinie 2014/41/EU bezieht und die Ermittlungsmaßnahme nach österreichischem Recht in einem vergleichbaren innerstaatlichen Fall nicht zulässig wäre;

           4. sie wesentliche Sicherheitsinteressen des Bundes oder der Länder beeinträchtigen, Informationsquellen gefährden oder die Verwendung von klassifizierten Informationen über nachrichtendienstliche Tätigkeiten voraussetzen würde;

           5. die verfolgte Person wegen derselben Tat, die der Europäischen Ermittlungsanordnung zugrunde liegt, bereits von einem anderen als dem Anordnungsstaat rechtskräftig abgeurteilt und im Fall der Verurteilung die Sanktion bereits vollstreckt worden ist, gerade vollstreckt wird oder nach dem Recht des Entscheidungsstaates nicht mehr vollstreckt werden kann;

           6. die der Europäischen Ermittlungsanordnung zugrundeliegende Tat

                a) nicht im Hoheitsgebietes des Anordnungsstaates begangen worden ist und nach österreichischem Recht im Ausland begangene Taten gleicher Art nicht strafbar sind, oder

               b) im Inland oder an Bord eines österreichischen Schiffes oder Luftfahrzeuges begangen worden ist;

           7. die der Europäischen Ermittlungsanordnung zugrundeliegende Tat nach österreichischem Recht keine Verwaltungsübertretung darstellt;

           8. der Beschuldigte der Vernehmung mittels technischer Einrichtungen zur Wort- und Bildübertragung im Falle einer darauf gerichteten Europäischen Ermittlungsanordnung nicht zugestimmt hat.

(2) Die beiderseitige Strafbarkeit nach Abs. 1 Z 7 ist nicht zu prüfen, wenn es sich um eine in § 8 Abs. 6 genannten Ermittlungsmaßnahme handelt.

(3) Ist die Vollstreckung einer Europäischen Ermittlungsanordnung unzulässig, ist die zuständige Behörde des Anordnungsstaates unverzüglich zu unterrichten. Die Entscheidung ist zu begründen. § 6 Abs. 4 letzter Satz gilt.

Fristen

§ 10. (1) Über die Vollstreckung einer Europäischen Ermittlungsanordnung ist unverzüglich, spätestens 30 Tage nach Einlangen der Europäischen Ermittlungsanordnung bei der zuständigen Behörde zu entscheiden.

(2) Wenn kein Grund für einen Aufschub nach § 11 vorliegt oder die Beweismittel, um die ersucht wird, sich nicht bereits im behördlichen Besitz befinden, soll die Ermittlungsmaßnahme unverzüglich, spätestens aber nach 90 Tagen nach Entscheidung über die Vollstreckung durchgeführt werden.

(3) Besonderen Wünschen der zuständigen Behörde des Anordnungsstaates, die darin bestehen, dass kürzere als die in Abs. 1 oder 2 genannten Fristen einzuhalten oder dass die Ermittlungsmaßnahmen zu einem bestimmten Zeitpunkt durchzuführen sind, ist möglichst weitgehend zu entsprechen.

(4) Können die Frist nach Abs. 1 oder besondere Wünsche nach Abs. 3 aus praktischen Gründen nicht eingehalten werden, ist die zuständige Behörde des Anordnungsstaates unverzüglich zu unterrichten. Dabei sind die Gründe und die voraussichtliche Dauer der Verzögerung anzugeben. § 6 Abs. 4 letzter Satz gilt. Die Frist nach Abs. 1 kann um höchstens 30 Tage verlängert werden.

(5) Kann die Frist nach Abs. 2 aus praktischen Gründen nicht eingehalten werden, ist die zuständige Behörde des Anordnungsstaates unverzüglich zu unterrichten. Dabei sind die Gründe für die Verzögerung anzugeben. § 6 Abs. 4 letzter Satz gilt. Mit der zuständigen Behörde des Anordnungsstaates ist der geeignete Zeitpunkt für die Durchführung der Ermittlungshandlung abzustimmen.

Aufschub der Vollstreckung

§ 11. (1) Die Vollstreckung einer Europäischen Ermittlungsanordnung kann aufgeschoben werden, soweit

           1. sie laufende Ermittlungen beeinträchtigen könnte oder

           2. die Beweismittel, um die ersucht wird, bereits in einem anderen Verfahren verwendet werden.

(2) Über Entscheidungen nach Abs. 1 ist die zuständige Behörde des Anordnungsstaates unverzüglich zu unterrichten. Die Entscheidung ist zu begründen; die zu erwartende Dauer des Aufschubs soll angegeben werden. § 6 Abs. 4 letzter Satz gilt.

Übermittlung der Beweismittel

§ 12. (1) Die Beweismittel, die aufgrund der Vollstreckung einer Europäischen Ermittlungsanordnung erlangt worden sind oder die sich bereits im behördlichen Besitz befinden, sind der zuständigen Behörde des Anordnungsstaates unverzüglich zu übermitteln.

(2) Bei der Übermittlung ist anzugeben, ob und gegebenenfalls binnen welcher Frist die zuständige Behörde des Anordnungsstaates die Beweismittel zurückzugeben hat.

Kosten

§ 13. Sofern die Kosten nicht als außergewöhnlich hoch anzusehen sind, darf ein Ersatz für entstehende Kosten vom Anordnungsstaat nicht gefordert werden. Sind außergewöhnlich hohe Kosten zu erwarten, so ist der Anordnungsstaat darüber zu unterrichten; er kann die Europäische Ermittlungsanordnung ganz oder teilweise zurückziehen oder sich bereit erklären, jenen Teil der Kosten zu übernehmen, die als außergewöhnlich hoch betrachtet werden.

4. Abschnitt

Besondere Ermittlungsmaßnahmen

Vernehmung im Wege einer Videokonferenz oder sonstiger audiovisueller Übertragung

§ 14. (1) Die nach Maßgabe dieses Bundesgesetzes durchzuführenden Ermittlungsmaßnahmen umfassen auch die Vernehmung einer beschuldigten Person, eines Zeugen oder Sachverständigen, der sich im Hoheitsgebiet des Vollstreckungsstaates befindet, unter Verwendung technischer Einrichtungen zur Wort- und Bildübertragung.

(2) Eine Vernehmung im Sinne des Abs. 1 ist unzulässig, wenn die zu vernehmende Person der Vernehmung nicht zustimmt.

(3) Vernehmungen werden unter der Leitung der zuständigen Behörde und auf der Grundlage des Rechts des Anordnungsstaates durchgeführt. Die zuständige österreichische Behörde nimmt an der Vernehmung teil, stellt die Identität der zu vernehmenden Person fest und achtet auf die Einhaltung der wesentlichen Grundsätze der österreichischen Rechtsordnung. Beschuldigte sind bei Beginn ihrer Vernehmung über ihre Rechte zu belehren, die ihnen nach dem Recht des Anordnungsstaates und nach österreichischem Verfahrensrecht zustehen. Zeugen und Sachverständige sind über die Zeugnis- oder Auskunftsverweigerungsrechte zu belehren, die ihnen nach dem Recht des Anordnungsstaates und nach österreichischem Verfahrensrecht zustehen.

(4) Über die Vernehmung ist eine Niederschrift aufzunehmen, die Angaben zum Termin und zum Ort der Vernehmung, zur Identität der vernommenen und teilnehmenden Personen und zu den technischen Bedingungen, unter denen die Vernehmung stattfand, enthält.

Vernehmung im Wege einer Telefonkonferenz

§ 15. (1) Die nach Maßgabe dieses Bundesgesetzes durchzuführenden Ermittlungsmaßnahmen umfassen auch die telefonische Vernehmung eines Zeugen oder Sachverständigen, der sich in Österreich befindet, wenn ein persönliches Erscheinen der zu vernehmenden Person nicht zweckmäßig oder möglich ist.

(2) Eine Vernehmung im Sinne des Abs. 1 ist unzulässig, wenn die zu vernehmende Person der Vernehmung nicht zustimmt.

(3) § 14 Abs. 3 erster, zweiter und letzter Satz und Abs. 4 sind sinngemäß anzuwenden.

5. Abschnitt

Schlussbestimmungen

Gleichstellung von ausländischen mit inländischen Amtsträgern bei Amtshandlungen in der Republik Österreich

§ 16. Amtsträger eines anderen Mitgliedstaates, die bei Amtshandlungen nach diesem Bundesgesetz im Hoheitsgebiet der Republik Österreich anwesend sind, stehen für die Dauer ihrer Anwesenheit in Bezug auf Straftaten, die sie selbst begehen oder die zu ihrem Nachteil oder ihnen gegenüber begangen werden, österreichischen Amtsträgern gleich.

Ausgleich von Schäden

§ 17. (1) Ersetzt ein anderer Mitgliedstaat einen Schaden, den österreichische Amtsträger bei Amtshandlungen nach diesem Bundesgesetz im Hoheitsgebiet des anderen Mitgliedstaates verursachen, gegenüber der geschädigten Person oder gegenüber einer Person, die der geschädigten Person in ihren Rechten nachfolgt, so kann er von der Republik Österreich Ausgleich des Geleisteten verlangen.

(2) Schäden, die Amtsträger eines anderen Mitgliedstaates bei Amtshandlungen nach diesem Bundesgesetz im Hoheitsgebiet der Republik Österreich verursachen, werden von dem zuständigen österreichischen Rechtsträger so ersetzt, wie sie nach österreichischem Recht zu ersetzen wären, wenn österreichische Amtsträger die Schäden verursacht hätten.

Verhältnis zu anderen Übereinkünften und Vereinbarungen

§ 18. Dieses Bundesgesetz schließt die Anwendung anderer Übereinkünfte oder Vereinbarungen zwischen Mitgliedstaaten nicht aus, insoweit diese Übereinkünfte oder Vereinbarungen Möglichkeiten bieten, die Vorschriften der Richtlinie 2014/41/EU weiter zu verstärken oder zu einer weiteren Vereinfachung oder Erleichterung der Verfahren zur Beweiserhebung beitragen, sofern das in der Richtlinie 2014/41/EU niedergelegte Schutzniveau gewahrt ist.

Verweisungen

§ 19. Soweit in diesem Bundesgesetz auf Bestimmungen anderer Bundesgesetze verwiesen wird, sind diese in ihrer jeweils geltenden Fassung anzuwenden.

Sprachliche Gleichbehandlung

§ 20. Soweit sich die in diesem Bundesgesetz verwendeten Bezeichnungen auf natürliche Personen beziehen, gilt die gewählte Form für beide Geschlechter. Bei der Anwendung dieser Bezeichnungen auf bestimmte natürliche Personen ist die jeweils geschlechtsspezifische Form zu verwenden.

Vollziehung

§ 21. (1) Mit der Vollziehung dieses Bundesgesetzes mit Ausnahme des § 3 Abs. 2 ist die Bundesregierung betraut.

(2) (Verfassungsbestimmung) Mit der Vollziehung des § 3 Abs. 2 ist die Bundesregierung betraut.

Inkrafttreten

§ 22. (1) Dieses Bundesgesetz mit Ausnahme des § 3 Abs. 2 tritt mit Ablauf des Tages der Kundmachung in Kraft.

(2) (Verfassungsbestimmung) § 3 Abs. 2 tritt mit Ablauf des Tages der Kundmachung dieses Bundesgesetzes in Kraft.

Anlage 1
(entspricht dem Anhang A der Richtlinie EEA)

Anlage 2
(entspricht dem Anhang B der Richtlinie EEA)