Strafrechtsänderungsgesetz 2018

 

Vereinfachte wirkungsorientierte Folgenabschätzung

 

Einbringende Stelle:

Bundesministerium für Verfassung, Reform, Deregulierung und Justiz

Vorhabensart:

Bundesgesetz

Laufendes Finanzjahr:

2018

 

Inkrafttreten/

Wirksamwerden:

2018

 

Vorblatt

 

Problemanalyse

1. Die Richtlinie (EU) 2017/541 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 15. März 2017 zur Terrorismusbekämpfung und zur Ersetzung des Rahmenbeschlusses 2002/475/JI des Rates und zur Änderung des Beschlusses 2005/671/JI des Rates, ABl. Nr. L 88 vom 31.3.2017, S 6 (im Folgenden „RL Terrorismus") ist bis zum 8. September 2018 umzusetzen. Ein Großteil der Bestimmungen ist bereits innerstaatlich umgesetzt, bei einzelnen Bestimmungen besteht (partieller) Umsetzungsbedarf.

2. In letzter Zeit trat vermehrt das Phänomen auf, dass im Rahmen von Unfallgeschehen hilfeleistende Personen, insbesondere Rettungs- und andere Einsatzkräfte, an der Hilfeleistung für die Opfer durch sensationsgierige Schaulustige gehindert wurden. Das Verhalten der Schaulustigen reicht von der Weigerung den Weg zu den Opfern frei zu geben, über Fotografieren der Opfer bis hin zu Beschimpfungen und Beleidigung der Hilfskräfte. Immer öfter wird aber auch ein Einsatz von Rettungskräften dadurch behindert, dass Personen die Rettungsgasse befahren und so für die Einsatzkräfte keine oder nur eine erschwerte Möglichkeit besteht, zum Unfallort zu gelangen.

 

Ziel(e)

1. Vollinhaltliche Umsetzung der RL Terrorismus im Hinblick auf eine effektive und effiziente Bekämpfung von Terrorismus und Schaffung der Voraussetzungen für eine mögliche Ratifizierung Österreichs des Zusatzprotokolls zum Übereinkommen des Europarats zur Verhütung des Terrorismus (SEV Nr. 217)

2. Bekämpfung der negativen Entwicklung hinsichtlich der Behinderung von Rettungsmaßnahmen bei Unfällen durch Schaulustige

 

Inhalt

Das Vorhaben umfasst hauptsächlich folgende Maßnahme(n):

zu 1.

a) Erweiterung der inländischen Gerichtsbarkeit im Zusammenhang mit Terrorismus

b) Erweiterung des Kataloges der terroristischen Straftaten in § 278c Abs. 1 StGB

c) Erweiterung des Katalogs finanzierungstauglicher Straftaten in § 278d Abs. 1 StGB

d) Einführung eines neuen Straftatbestandes „Reisen für terroristische Zwecke“ (§ 278g StGB)

e) Erweiterung des Personenkreises, welcher einen Anspruch auf Prozessbegleitung iSd § 66 Abs. 2 StPO hat, auf Opfer terroristischer Straftaten (§ 278c StGB)

zu 2. Schaffung eines neuen Abs. 1 Z 2 in § 95 StGB, mit welchem die Behinderung der Hilfeleistung kriminalisiert wird

 

Finanzielle Auswirkungen auf den Bundeshaushalt und andere öffentliche Haushalte:

 

Zu den Maßnahmen 1a bis 1e:

Aufgrund der Erweiterungen in den §§ 64 Abs. 1, 278c Abs. 1 und 278d Abs. 1 StGB sowie der Einführung des § 278g StGB ist davon auszugehen, dass es zu einem höheren Anfall bei Staatsanwaltschaft und Gericht kommen wird.

Als Anhaltspunkt für die Anzahl der zu erwartenden Verfahren können die bisherigen Zahlen der Verfahren wegen §§ 278b bis 278f und 282a StGB herangezogen werden, wobei in den letzten Jahren ein stetiger Anstieg zu verzeichnen war. So waren bei der Staatsanwaltschaft im Jahr 2016 insg. 340 Ermittlungsverfahren wegen §§ 278b bis 278f und 282a StGB anhängig (2015: 329, 2014: 150, 2013: 72). Besonders auffällig ist der Anstieg hinsichtlich § 278b StGB von 33 Ermittlungsverfahren im Jahr 2013 auf 228 im Jahr 2016. Wegen § 278c StGB waren demgegenüber im Jahr 2016 lediglich 11 Verfahren (2015: 8, 2014: 2; 2013: 4) bei den Staatsanwaltschaften anhängig und es wurden 2 Anklagen (2015: 3, 2014 und 2013: jeweils keine;) eingebracht. Wegen § 278d StGB waren 2016 53 Ermittlungsverfahren (2015: 37, 2014: 38, 2013: 22) anhängig.

Es kann davon ausgegangen werden, dass es aufgrund der Erweiterung der inländischen Gerichtsbarkeit in § 64 Abs. 1 StGB und der Erweiterung des Katalogs terroristischer Straftaten in § 278c Abs. 1 StGB nur zu einem geringeren Anstieg der Verfahrenszahlen kommen wird. Demgegenüber kann aufgrund der Erweiterung des § 278d Abs. 1 StGB mit einem Anstieg der Verfahren von rund 20% gerechnet werden. Für diese Verfahren würde sich ein Mehraufwand von 0,04 VZK im Bereich der Staatsanwaltschaften und 0,03 VZK im Bereich der Gerichte ergeben, was ca. einen zu valorisierenden Betrag von € 8.000 jährlich entsprechen würde.

Zur Einführung des § 278g StGB: Laut Verfassungsschutzbericht 2016 (S. 24) waren dem BVT Ende des Jahres 2016 insg. 296 aus Österreich stammende Personen bekannt, die sich aktiv am „Dschihad“ in Syrien und Irak beteiligen, beteiligt haben oder beteiligen wollten. Davon sind rund 90 Personen wieder nach Österreich zurückgekehrt. Weitere 51 konnten an einer Ausreise gehindert werden und halten sich nach wie vor im Bundesgebiet auf. Die Zahl ausländischer Dschihadisten war 2016, wie schon im Jahr davor, stagnierend bis rückläufig. Ausgehend von diesen Zahlen und unter Berücksichtigung des Umstands, dass § 278g StGB alle Personen umfasst, die nach Österreich einreisen, um eine strafbare Handlung nach §§ 278b, 278c, 278e oder 278f StGB zu begehen (sohin nicht nur sogenannte „Rückkehrer"), kann von rund 50 Verfahren pro Jahr wegen § 278g StGB ausgegangen werden.

Der Verfahrensaufwand hinsichtlich des neuen § 278g StGB könnte mit jenem bei § 278d StGB verglichen werden. Für den Mehraufwand würden 0,08 VZK im Bereich der Staatsanwaltschaften und 0,06 VZK im Bereich der Gerichte benötigt. Dies entspricht einem zu valorisierenden Mehrbetrag von jährlich ca € 15.000.

Opfer terroristische Straftaten iSd § 65 Z 1 lit. a und b StPO hatten bereits bisher einen Anspruch auf Prozessbegleitung nach § 66 Abs. 2 StPO. Nunmehr sollen auch Opfer terroristischer Straftaten (§ 278c StGB) iSd § 65 Z 1 lit. c StPO einen Anspruch auf die Prozessbegleitung haben.

Im Jahr 2017 wurden für die Prozessbegleitung Durchschnittskosten in Höhe von rund EUR 800,- je Opfer ausgegeben. Es wird davon ausgegangen, dass Opfer terroristischer Straftaten (§ 278c StGB) iSd § 65 Z 1 lit. c StPO, welche nicht auch gleichzeitig Opfer iSd § 65 Z 1 lit. a oder b StPO sind, in erster Linie juristische Prozessbegleitung zu gewähren sein wird. Da diese zu höheren Sätzen als die psychosoziale Prozessbegleitung abgerechnet wird, werden für Opfer terroristischer Straftaten (§ 278c StGB) iSd § 65 Z 1 lit. c StPO Durchschnittskosten in Höhe von rund EUR 1.000,- pro Opfer veranschlagt.

Eine seriöse Schätzung über die Anzahl von Opfern terroristischer Straftaten (§ 278c StGB) iSd § 65 Z 1 lit. c StPO, welche nicht auch gleichzeitig Opfer iSd § 65 Z 1 lit. a oder b StPO sind, ist nicht möglich, weil dies von der Anzahl und Art der Begehung terroristischer Straftaten nach § 278c StGB abhängt. Hierzu zählen Straftaten, die in Österreich begangen wurden, sowie jene die zwar im Ausland begangen wurden, jedoch ein Anknüpfungspunkt für die inländische Zuständigkeit, insbesondere nach § 64 Abs. 1 Z 9 StGB, vorliegt. Festzuhalten ist in diesem Zusammenhang, dass es sich nur dann um terroristische Straftat nach § 278c StGB handelt, wenn die Tat geeignet ist, eine schwere oder längere Zeit anhaltende Störung des öffentlichen Lebens oder eine schwere Schädigung des Wirtschaftslebens herbeizuführen, sohin ein gewisses Ausmaß zu erreichen. Hervorzuheben ist insb. auch § 278c Abs. 1 Z 6 StGB, wonach die schwere Sachbeschädigung (§ 126 StGB) und Datenbeschädigung (§ 126a StGB), wenn dadurch eine Gefahr für das Leben eines anderen oder für fremdes Eigentum in großem Ausmaß entstehen kann, bei Vorliegen der weiteren Voraussetzungen eine terroristische Straftat darstellt. Bei solchen Straftaten könnten potentiell eine große Anzahl von Opfern einen finanziellen Schaden erleiden.

Die Themen Psychotraumatologie und Traumaverarbeitung werden sowohl in der Ausbildung der psychosozialen Prozessbegleiter/innen als auch in der Fortbildung der juristischen Prozessbegleiter/innen behandelt. Es ist daher davon auszugehen, dass die Prozessbegleiter/innen in der Lage sind, professionell mit traumatisierten Opfern des Terrorismus umzugehen. Vollständigkeitshalber ist aber darauf hinzuweisen, dass im Rahmen der Prozessbegleitung weder Krisenintervention noch Psychotherapie finanziert werden.

 

Zu Maßnahme 2:

Im Jahr 2016 wurden bei Unfällen im Straßenverkehr ca. 82.000 Personen verletzt. In ca 30.000 Fällen kam es zu einer Anzeige wegen fahrlässiger Körperverletzung im Straßenverkehr. Geht man aufgrund der Medienberichterstattung in der letzten Zeit davon aus, dass bei ca. 10% der Unfälle Schaulustige an der Unfallstelle anwesend waren, so könnte hinsichtlich des neuen Tatbestandes mit einer Anzahl von ca. 200 Verfahren pro Jahr gerechnet werden, weil nur ein Teil der Schaulustigen mit ihrem Verhalten die Hilfeleistung behindern und die Zahl der strafrechtlich relevanten Fälle daher geringer sein wird. Diese Einschätzung erscheint auch im Hinblick auf die bisherigen Anzeigen wegen Unterlassung der Hilfeleistung nach § 95 Abs. 1 StGB (100 im Jahr 2016) realistisch. Dafür wäre ein jährlich zu valorisierender Betrag von ca. € 23.000 zu veranschlagen (zusätzlich 0,11 VZK im Bereich der Gerichte und 0,15 VZK bei den Bezirksanwälten).

 

Zur Bedeckung:

Von einem zu valorisierenden Betrag von insgesamt € 46.000 im Jahr entfallen im Budget UG 13 Justiz und Reformen die Kosten wie folgt:

50% OLG Wien (Detailbudget 13.02.02): € 23.000

20% OLG Linz (Detailbudget 13.02.03): € 9.200

20% OLG Graz (Detailbudget 13.02.04): € 9.200

10% OLG Innsbruck (Detailbudget 13.02.05): € 4.600

Die Kosten für die Prozessbegleitung würden im Detailbudget 13.01.03 anfallen.

Die Bedeckung dieser Kosten erfolgt durch Umschichtung innerhalb des Budgets UG 13 Justiz und Reformen.

 

Verhältnis zu den Rechtsvorschriften der Europäischen Union

Das Vorhaben dient der vollinhaltlichen Umsetzung der RL Terrorismus.

 

Besonderheiten des Normerzeugungsverfahrens

Keine.

 

Diese Folgenabschätzung wurde mit der Version 5.0 des WFA – Tools erstellt (Hash-ID: 1846010670).