Erläuterungen

Allgemeiner Teil

Hauptgesichtspunkte des Entwurfs:

Das Regierungsprogramm 2017-2022 sieht unter dem Titel „Moderner Bundesstaat“ eine Reduktion der Zustimmungsrechte von Bund und Ländern zu Maßnahmen der gegenbeteiligten Gebietskörperschaft vor. Zweck dieses Vorhabens ist es, rasche und effiziente Anpassungen im Bereich der Verwaltung zu ermöglichen. Mit dem vorliegenden Entwurf soll dieses Vorhaben verwirklicht werden.

Das Regierungsprogramm sieht außerdem eine Entflechtung der Kompetenzverteilung vor. Die Kompetenztatbestände der Art. 10 bis 15 B‑VG sollen überprüft und neu geordnet werden. Mit dem vorliegenden Entwurf soll eine erste Entflechtung der Kompetenzverteilung verwirklicht werden.

Das Bundesministerium für Verfassung, Reformen, Deregulierung und Justiz – Verfassungsdienst hat einen Gesetzentwurf ausgearbeitet, der mit den Ländern koordiniert wurde. Die Landeshauptleutekonferenz befasste sich zuletzt in ihrer Tagung am 18. Mai 2018 im Beisein des Bundesministers für Verfassung, Reformen, Deregulierung und Justiz mit der Kompetenzentflechtung und Strukturbereinigung und hat einen Beschluss gefasst, mit dem sie die Initiative des Bundesministers für Verfassung, Reformen, Deregulierung und Justiz unterstützt. Die weitere Entflechtung der Kompetenzverteilung, insbesondere der noch in Art. 12 B‑VG verbleibenden Kompetenztatbestände, soll in einer politischen Bund-Länder-Arbeitsgruppe einer Lösung zugeführt werden.

Kompetenzgrundlage:

Die Zuständigkeit zur Erlassung dieses Bundesverfassungsgesetzes ergibt sich aus Art. 10 Abs. 1 Z 1 B‑VG („Bundesverfassung“).

Besonderheiten des Normerzeugungsverfahrens:

Als Bundesverfassungsgesetz ist dieses gemäß Art. 44 Abs. 1 B-VG vom Nationalrat in Anwesenheit von mindestens der Hälfte der Mitglieder und mit einer Mehrheit von zwei Dritteln der abgegebenen Stimmen zu beschließen.

Im Hinblick auf die vorgesehene Einschränkung der Zuständigkeit der Länder in Gesetzgebung bzw. Vollziehung bedarf es gemäß Art. 44 Abs. 2 B-VG der qualifizierten Zustimmung des Bundesrats.

Besonderer Teil

Zu Artikel 1 (Änderung des Bundes-Verfassungsgesetzes):

Zu Z 1 (Art. 10 Abs. 1 Z 6), Z 2 (Art. 10 Abs. 1 Z 17), Z 3 (Art. 11 Abs. 1 Z 9), Z 4 (Art. 12 Abs. 1 Z 1), Z 5 (Art. 12 Abs. 1 Z 2, 3, 4 und 6), Z 10 (Art. 97 Abs. 4) und Z 12 (Art. 102 Abs. 2):

Änderung in der bundesstaatlichen Kompetenzverteilung. Die meisten Kompetenztatbestände des Art. 12 B‑VG sollen aufgehoben und in andere Kompetenztatbestände integriert werden.

Zu Art. 12 Abs. 1 Z 1 B‑VG („Bevölkerungspolitik, soweit sie nicht unter Art. 10 fällt“):

Der Kompetenztatbestand der „Bevölkerungspolitik“ ist sowohl in Art. 10 Abs. 1 B‑VG als auch in Art. 12 B‑VG geregelt. Grund dafür ist, dass nach der Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofes „Maßnahmen zur Erleichterung der Familiengründung und zur Hebung der Geburtenfreudigkeit durch Gewährung von Familienbeihilfen“ eine Maßnahme der Bevölkerungspolitik darstellen. Um es dem Bund zu ermöglichen, entsprechende Maßnahmen zu ergreifen, wurden diese Angelegenheiten durch das Bundesverfassungsgesetz BGBl. Nr. 8/1955 aus dem umfassenden Kompetenztatbestand der Bevölkerungspolitik herausgehoben und in Art. 10 Abs. 1 Z 17 B‑VG überstellt. Es liegt daher nahe, bei einer Arrondierung der Kompetenztatbestände des Art. 12 B‑VG die in Art. 10 Abs. 1 Z 17 B‑VG vorgesehenen Ausnahmen vom Kompetenztatbestand der Bevölkerungspolitik des Art. 12 Abs. 1 Z 1 B‑VG aufzugeben.

Zu Art. 12 Abs. 1 Z 1 B‑VG („Volkspflegestätten“):

Überstellung in die Kompetenz zur Gesetzgebung und Vollziehung der Länder gemäß Art. 15 Abs. 1 B‑VG.

Zu Art. 12 Abs. 1 Z 1 B‑VG („Mutterschafts-, Säuglings- und Jugendfürsorge“):

Überstellung in die Kompetenz zur Gesetzgebung und Vollziehung der Länder gemäß Art. 15 Abs. 1 B‑VG.

Zu Art. 12 Abs. 1 Z 1 B‑VG („vom gesundheitlichen Standpunkt aus an Kurorte sowie Kuranstalten und Kureinrichtungen zu stellende Anforderungen“):

Überstellung in die Kompetenz zur Gesetzgebung und Vollziehung der Länder gemäß Art. 15 Abs. 1 B‑VG.

Zu Art. 12 Abs. 1 Z 1 B‑VG („natürliche Heilvorkommen“):

Überstellung in die Kompetenz zur Gesetzgebung und Vollziehung der Länder gemäß Art. 15 Abs. 1 B‑VG.

Zu Art. 12 Abs. 1 Z 2 B‑VG („öffentliche Einrichtungen zur außergerichtlichen Vermittlung von Streitigkeiten“):

Überstellung in die Kompetenz zur Gesetzgebung und Vollziehung des Bundes gemäß Art. 10 Abs. 1 Z 6 B‑VG.

Zu Art. 12 Abs. 1 Z 3 B‑VG („Bodenreform, insbesondere agrarische Operationen und Wiederbesiedelung“):

Überstellung in die Kompetenz zur Gesetzgebung und Vollziehung der Länder gemäß Art. 15 Abs. 1 B‑VG.

Zu Art. 12 Abs. 1 Z 4 B‑VG („Schutz der Pflanzen gegen Krankheiten und Schädlinge“):

Überstellung in die Kompetenz zur Gesetzgebung und Vollziehung der Länder gemäß Art. 15 Abs. 1 B‑VG.

Zu Art. 12 Abs. 1 Z 6 B‑VG („Arbeiterrecht sowie Arbeiter- und Angestelltenschutz, soweit es sich um land- und forstwirtschaftliche Arbeiter und Angestellte handelt“):

Der in Art. 12 Abs. 1 Z 6 genannte Teilbereich des Arbeitsrechts soll in Gesetzgebung Bundessache und in Vollziehung Landessache sein. Hinsichtlich des Umfangs dieses Teilbereichs sollen keine Änderungen eintreten. Die besonderen verfassungsrechtlichen Bestimmungen betreffend das land- und forstwirtschaftliche Arbeiterrecht und den Arbeiter- und Angestelltenschutz sind weiterhin zu beachten.

Zu Z 6 (Art. 15 Abs. 10):

Das Zustimmungsrecht der Bundesregierung zu Landesgesetzen, durch die die bestehende Organisation der Behörden der allgemeinen staatlichen Verwaltung in den Ländern geändert oder neu geregelt wird, soll entfallen.

Zu Z 7 (Art. 15 Abs. 11), Z 8 (Art. 83 Abs. 1) und Z 16 (Art. 151 Abs. xx):

Mit dem vorgeschlagenen Art. 15 Abs. 11 und der vorgeschlagenen Änderung des Art. 83 Abs. 1 sollen Anordnungen des § 8 Abs. 5 lit. d des Übergangsgesetzes vom 1. Oktober 1920, in der Fassung des B. G. Bl. Nr. 368 vom Jahre 1925 (im Folgenden: ÜG 1920), in das B‑VG übernommen werden.

Da § 8 Abs. 5 lit. d ÜG 1920 gemäß § 8 Abs. 8 ÜG 1920 für die Verwaltung im Land Wien nicht anzuwenden ist, sieht der vorgeschlagene Art. 151 Abs. xx vor, dass gesetzliche Bestimmungen betreffend die Festlegung der Sprengel der Bezirksgerichte (vgl. das Bezirksgerichts-Organisationsgesetz für Wien, BGBl. Nr. 203/1985) vorerst unberührt bleiben sollen.

Zu Z 9 (Art. 97 Abs. 2) und Z 11 (Art. 98):

Das Verfahren zur Erteilung der Zustimmung der Bundesregierung zum Gesetzesbeschluss eines Landtages, das bisher in Art. 97 Abs. 2 B‑VG geregelt ist, soll in einer eigenen Bestimmung geregelt werden. Der vorgeschlagene Art. 98 orientiert sich an der korrespondierenden Bestimmung des Art. 42a B‑VG und soll insbesondere auch auf den Fall des § 11 Abs. 3 letzter Satz des Finanz-Verfassungsgesetzes 1948 – F-VG 1948, BGBl. Nr. 45/1948, anzuwenden sein.

Zu Z 13 (Art. 106), Z 15 (Art. 117 Abs. 7) und Z 16 (Art. 151 Abs. xx):

Gemäß Art. 106 B‑VG kann nur ein Beamter, der – spätestens mit dem Zeitpunkt seiner Bestellung – dem Dienststand des Amtes der Landesregierung angehört, Landesamtsdirektor sein. Da nicht in jedem Land derartige Beamte zur Verfügung stehen, soll der Beamtenvorbehalt aufgegeben werden. Entsprechendes soll für den Magistratsdirektor vorgesehen werden. Gemäß dem vorgeschlagenen Art. 151 Abs. xx gelten die Voraussetzungen der vorgeschlagenen Art. 106 und 117 Abs. 7 für Personen, die bereits zum Landesamtsdirektor bzw. Magistratsdirektor bestellt sind, als erfüllt.

Zu Z 14 (Art. 116 Abs. 3):

Das Zustimmungsrecht der Bundesregierung zu Landesgesetzen, mit denen einer Gemeinde mit mindestens 20 000 Einwohnern ein eigenes Statut (Stadtrecht) verliehen wird, soll entfallen.

Zu Artikel 2 (Änderung des ÜG 1920):

Zu Z 1 (§ 8 Abs. 5):

Die Bestellung des Landesamtsdirektors soll ohne Zustimmung der Bundesregierung erfolgen. Ebenso sollen die Zustimmungsrechte der Bundesregierung und der Landesregierung zu Änderungen in den Sprengeln der politischen Bezirke (also in den Sprengeln der Bezirkshauptmannschaften) bzw. in den Sprengeln der Bezirksgerichte entfallen.

Zu Z 2 (§ 8 Abs. 8):

Der Verweis auf § 8 Abs. 5 lit. c geht ins Leere und soll daher entfallen.

Zu Z 3 (§ 43):

Berichtigung eines Wiederverlautbarungsversehens.

Zu Artikel 3 (Änderung des Bundesverfassungsgesetzes betreffend Grundsätze für die Einrichtung und Geschäftsführung der Ämter der Landesregierungen außer Wien):

Zu Z 1 (§ 1 Abs. 3):

Für die Bestellung des Stellvertreters des Landesamtsdirektors sollen dieselben Voraussetzungen wie für die Bestellung des Landesamtsdirektors gelten.

Zu Z 2 (§ 2 Abs. 3), Z 3 (§ 2 Abs. 5), Z 4 (§ 3 Abs. 2) und Z 5 (§ 3 Abs. 3):

Der Beamtenvorbehalt für die Bestellung zum Abteilungs- und Gruppenleiter und für die ausnahmsweise Vertretung des Landeshauptmannes, der Landesregierung oder ihrer Mitglieder soll entfallen. Die Erlassung und Änderung der Geschäftseinteilung des Amtes der Landesregierung soll auch dann, wenn sie Geschäfte der mittelbaren Bundesverwaltung betrifft, nicht der Zustimmung der Bundesregierung bedürfen. Der Anordnung des bisherigen § 2 Abs. 5 letzter Satz bedarf es im Grunde nicht, da auch eine Änderung der Geschäftseinteilung eine Erlassung derselben iSd. § 2 Abs. 5 erster Satz darstellt (vgl. Wielinger, BVG ÄmterLReg. § 8/5 lit a und b ÜG 1920, in Korinek/Holoubek et al. [Hrsg.], Österreichisches Bundesverfassungsrecht. Kommentar, 10. Lfg., 2011, Rz. 46). § 2 Abs. 5 letzter Satz soll daher entfallen; die Verweisung in § 3 Abs. 2 ist diesfalls entsprechend anzupassen.

Zu Artikel 4 (Änderung des Niederlassungs- und Aufenthaltsgesetzes):

Gemäß § 13 Abs. 6 NAG hat die Bundesregierung bei Erlassung der Niederlassungsverordnung auf die Aufnahmefähigkeit des inländischen Arbeitsmarktes und die Vorschläge der Länder Bedacht zu nehmen; eine zahlenmäßige Überschreitung eines solchen Vorschlages ist nur mit Zustimmung des betroffenen Landes zulässig. Eine Regelung für den Fall, dass sich ein Land verschweigt, fehlt. Um in diesem Fall einen zeitlich unbegrenzten Schwebezustand zu vermeiden, soll das Verfahren betreffend die Erteilung dieser Zustimmung analog den Fällen, in denen ein Landesgesetz der Zustimmung der Bundesregierung (siehe den vorgeschlagenen Art. 98) und ein Bundesgesetz der Zustimmung der Landesregierung (siehe Art. 42a B-VG) bedarf, geregelt werden.