An die

Bundesministerin für

Digitalisierung und Wirtschaftsstandort

Stubenring 1

1011 Wien

Per E-Mail: post.pers6@bmdw.gv.at

Cc: begutachtungsverfahren@parlament.gv.at

 

 

Abs.:

Werner Kogler

Bundesprecher

Die Grünen – Grüne Alternative

Lindengasse 40

1070 Wien

Tel +43 1 521 25 - 263​​

 

 

 

Betr.:   Begutachtungsentwurf für ein Standort-Entwicklungsgesetzes
(GZ BMDW-15.875/0091-Pers/6/2018)

 

 

Sehr geehrte Frau Bundesministerin!

Namens der Grünen – Grüne Alternative wird zum Begutachtungsentwurf für ein Standort-Entwicklungsgesetz Stellung genommen. Im Ergebnis wird der Gesetzesentwurf zur Gänze abgelehnt.

Die dem Entwurf zugrundeliegende Behauptung, dass die Verfahrensdauer speziell in UVP-Verfahren in Bezug auf standortrelevante Vorhaben von besonderer Problematik sei, ist haltlos. Seit dem Jahr 2000 endeten nur 4 % aller abgeschlossenen UVP-Verfahren mit einem negativen Bewilligungsbescheid. Die durchschnittliche Verfahrensdauer ab Vollständigkeit der Unterlagen – dies hängt in erster Linie von der Vollständigkeit und Qualität der Projektunterlagen ab und liegt in der Verantwortung der AntragstellerInnen – betrug in den Jahren 2009 bis 2016 durchschnittlich zwölf Monate. Unvollständige Unterlagen der ProjektwerberInnen sind in der Praxis der maßgebliche Faktor für Verfahrensverzögerungen. Durchschnittlich verlängert sich so die Verfahrensdauer um acht Monate. Die Beispiele Bahnstromanlage Koralm mit sechs Monaten, die 380 kV-Leitung St. Peter mit sieben Monaten oder der Hauptbahnhof Wien mit 10 Monaten zeigen, wie zügig die UVP-Behörden gut projektierte und gut vorbereitete Vorhaben bewilligen können.

Im völkerrechtlich verbindlichen Weltklimaabkommen von Paris hat sich die Staatengemeinschaft zu einer Begrenzung der Erderhitzung auf deutlich unter 2 Grad Celsius und Anstrengungen, um eine Begrenzung auf einen Anstieg um 1,5 Grad zu erreichen, verpflichtet. Dafür sollen die globalen Treibhausgasemissionen in der zweiten Hälfte des Jahrhunderts Netto-Null betragen. Für Industriestaaten bedeutet dies eine vollständige Dekarbonisierung aller Sektoren bis zum Jahr 2050.

Diesen Beschluss gilt es, in Österreich durch die Schaffung entsprechender gesetzlicher Rahmenbedingungen umzusetzen. Je früher der Ausstieg aus der Nutzung fossiler Energieressourcen eingeleitet wird, desto kosteneffizienter wird diese Umstellung vonstatten gehen und desto größer sind die wettbewerblichen Vorteile österreichischer Wirtschaftstreibender und der Industrie. Anstatt die notwendigen Weichenstellungen in Bezug auf die Entwicklung des Energie- und Mobilitätssystems zur Dekabonisierung bis 2050 vorzunehmen, soll nun mit dem geplanten Standortentwicklungsgesetz ohne jeden Bezug auf klimaschutz- und umweltpolitische Notwendigkeiten ein Genehmigungsautomatismus für Großprojekte eingeführt werden.

Kern des Gesetzesvorhabens ist die Erklärung von UVP-pflichtigen Projekten zu standortrelevanten Projekten, wenn außerordentlich positive Folgen für den Wirtschaftsstandort zu erwarten sind. Die aufgezählten Kriterien für diese Standortrelevanz wie die strategische Bedeutung, die Schaffung von Arbeitsplätzen, ein maßgebliches Investitionsvolumen, die Steigerung der wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit sind nicht nur äußerst vage formuliert (auch die Erläuternden Bemerkungen lassen jede Präzisierung vermissen). Klima- und umweltrelevante Kriterien sollen demnach keine Rolle bei der Beurteilung der Standortrelevanz spielen.

Im Zeitalter der Klimakrise ist eine solche Standortpolitik rückwärtsgewandt, überholt und daher völlig retro! Diese Bundesregierung steckt vor den Auswirkungen der globalen Klimakrise den Kopf in den Sand. Wenn es nicht gelingt, die globale Erwärmung auf unter zwei Grad zu begrenzen, droht das Weltklima zu kippen. Mit einer althergebrachten Standortpolitik bleiben die Klimaschutzziele unerreichbar! Die Standortpolitik muss auf die Umwelt und ihre Ressourcen ausgerichtet werden. Alles andere führt mittel- und langfristig zu sehr hohe Kosten, die den kommenden Generationen nicht aufgebürdet werden dürfen. Klima-, umwelt-, sozial- und generationspolitisch begibt sich die Bundesregierung damit in eine Sackgasse. Allein aus diesem Grund ist der Vorschlag abzulehnen.

Auch aus rechtsstaatlicher Sicht ist der Entwurf abzulehnen. Eine automatische Genehmigung von Großprojekten nach einer Verfahrensfrist von 12 Monaten ab der Feststellung der Standortrelevanz würde den Schutz von AnrainerInnen und Umwelt völlig entwerten. Damit würde die Balance zwischen den unterschiedlichen Interessenslagen zerstört und eine Errungenschaft des Rechtsstaates verspielt: Bisher waren in den vergangenen 15 Jahren Ausgewogenheit, Balance und Rechtsstaatlichkeit Eckpfeiler der Umweltpolitik. Dies waren auch die Lehren aus den großen Umweltkonflikten Österreichs, wie zum Beispiel Hainburg oder Zwentendorf. Und dieser Kurs hat Konflikte weitgehend vermieden, Vertrauen und Gesprächsfähigkeit aller Seiten geschaffen und damit sowohl Umwelt und AnrainerInnen, aber auch dem Wirtschaftsstandort gutgetan. Auch die Genehmigungsverfahren sind damit grundsätzlich immer schneller geworden. Diese Werte dürfen durch derart unausgegorene und antiquierte Gesetzesvorhaben nicht zerstört werden.

Der Entwurf sieht vor, dass eine Beschwerde an das Verwaltungsgericht nur mehr zulässig sein soll, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Eine solche Beschränkung widerspricht der Konzeption der Verwaltungsgerichte nach der Bundesverfassung. Nach Art. 6 EMRK (Recht auf ein faires Verfahren) müssen die Verwaltungsgerichte als Tribunale eine volle Tatsacheninstanz sein. Nach Art. 47 GRC ist in EU-Materien der volle Rechtsschutz durch Gerichte zu gewährleisten. Eine solche Einschränkung ist daher unzulässig.

Selbst Rechtsvertreter der Wirtschaft warnen deshalb bereits, dass der Entwurf Unsicherheit heraufbeschwört, die für alle Betroffenen untragbar sind. Dies würde auch und gerade für die Projektwerber, denen dadurch eine gesicherte Basis ihre Investitionsentscheidung verwehrt würde (F. Berl/M. Mendel, Die Presse vom 9. Juli 2018) – so funktioniert eine nachhaltige Stärkung des Wirtschaftsstandorts mit Sicherheit nicht!

Wie unausgegoren der Entwurf ist, zeigt sich an der Sonderregelung einer Säumnisbeschwerde an das Verwaltungsgericht (§ 12 Abs. 1 E-StEntG). Nach § 11 Abs. 3 E-StEntG wird der UVP-Behörde eine einjährige Frist ab Kundmachung des jeweiligen standortrelevanten Vorhabens in einer Verordnung eingeräumt. Dazu heißt es in den Erläuterungen explizit, dass die UVP-Behörde nach Kundmachung der Verordnung nochmals zwölf Monate Zeit zur Entscheidung hat. Dabei handelt es sich somit um eine einfachgesetzliche Regelung, mit der die grundsätzliche Entscheidungsfrist von 6 Monaten nach § 8 VwGVG verlängert wird. Nach dieser 12-monatigen Frist tritt aber der Genehmigungsautomatismus in Kraft und es bleibt kein Raum mehr für eine Säumnisbeschwerde. Das Beispiel zeigt den legistischen Pfusch und dass die politische Führung des Ressorts gut beraten gewesen wäre, nicht Texte von Interessensgruppen zu kopieren, sondern die ExpertInnen des Hauses arbeiten zu lassen.

Anstatt umweltpolitisch und rechtsstaatlich bedenklicher, europa- und meschenrechtswidriger, gegen AnrainerInnen und Betroffene gerichtete Gesetzesvorschläge muss die Bundesregierung endlich an der richtigen Stelle den Hebel ansetzen: Es braucht in erster Linie mehr Amtssachverständige. Dann können die UVP-Behörden Genehmigungsverfahren rascher durchführen und entscheiden. Das Verfahren, sehr geehrte Frau Bundesministerin, als solches de facto bedeutungslos zu machen, wenn es nach Ablauf von längstens 18 Monaten automatisch genehmigt wird, ist sicher nicht die Lösung, sondern vergrößert das Problem für alle Beteiligten und schädigt –  ganz anders als in der Begründung vorgeschoben – den Wirtschaftsstandort Österreich.

Mit vorzüglicher Hochachtung

Werner Kogler e.h.