1086/A XXVII. GP

Eingebracht am 20.11.2020
Dieser Text wurde elektronisch übermittelt. Abweichungen vom Original sind möglich.

ANTRAG

 

der Abgeordneten Dr. Stephanie Krisper, Ing. Reinhold Einwallner, Mag. Hannes Amesbauer, BA,

Kolleginnen und Kollegen,

betreffend ein Bundesverfassungsgesetz, mit dem das Bundes-Verfassungsgesetz (B‑VG) und das Bundesgesetz über die Geschäftsordnung des Nationalrates (Geschäftsordnungsgesetz 1975) geändert werden (Verfassungsgesetz zur Stärkung der parlamentarischen Kontrolle des Bundesamtes für Verfassungsschutz und Terrorismusbekämpfung)

Der Nationalrat wolle beschließen:

Bundesverfassungsgesetz, mit dem das Bundes-Verfassungsgesetz (B‑VG) und das Bundesgesetz über die Geschäftsordnung des Nationalrates (Geschäftsordnungsgesetz 1975) geändert werden (Verfassungsgesetz zur Stärkung der parlamentarischen Kontrolle des Bundesamtes für Verfassungsschutz und Terrorismusbekämpfung)

Der Nationalrat hat beschlossen:

Inhaltsverzeichnis

Art.      Gegenstand / Bezeichnung

1       Änderung des Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG)

2       Änderung Geschäftsordnungsgesetz 1975

 

Artikel 1 Änderung des Bundes-Verfassungsgesetzes (B-VG)

Das Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG) BGBl. Nr. 1/1930  zuletzt geändert durch das Bundesverfassungsgesetz BGBl. I Nr. 24/2020, wird wie folgt geändert:

1. Artikel 52a. lautet:

"Artikel 52a. (1) Zur Kontrolle von Maßnahmen zum Schutz der verfassungsmäßigen Einrichtungen und ihrer Handlungsfähigkeit und nachrichtendienstlichen Maßnahmen im Wirkungsbereich des Bundesministeriums für Inneres sowie von nachrichtendienstlichen Maßnahmen zur Sicherung der militärischen Landesverteidigung wählen die zuständigen Ausschüsse des Nationalrates je einen ständigen Unterausschuss. Jedem Unterausschuss muss mindestens ein Mitglied jeder im Hauptausschuss des Nationalrates vertretenen Partei angehören.

(2) Die zuständigen Bundesminister unterrichten diese ständigen Ausschüsse umfassend über die allgemeine Tätigkeit der Behörden und über Vorgänge von besonderer Bedeutung. Auf Verlangen des Ausschusses oder eines Viertels seiner Mitglieder hat das zuständige Mitglied der Bundesregierung auch über sonstige Vorgänge im Sinne des Absatz 1 zu berichten.

(3) Der Ausschuss oder ein Viertel seiner Mitglieder ist befugt, von den zuständigen Bundesministern alle einschlägigen Auskünfte und Einsicht in die einschlägigen Unterlagen zu verlangen.

(4) Der Ausschuss kann auch außerhalb der Tagungen des Nationalrates zusammentreten, wenn sich die Notwendigkeit hiezu ergibt.

(5) Nähere Bestimmungen trifft das Bundesgesetz über die Geschäftsordnung des Nationalrates.“

2. Dem Artikel 151 wird folgender Abs. 67 angefügt:

„(67) Artikel 52 in der Fassung des Bundesgesetzes BGBl. I Nr. XX/2020 tritt mit 1. Jänner 2021 in Kraft.“

 

 

Artikel 2 Änderung des Geschäftsordnungsgesetz 1975

Das Bundesgesetz vom 4. Juli 1975 über die Geschäftsordnung des Nationalrates (Geschäftsordnungsgesetz 1975) StF: BGBl. Nr. 410/1975 zuletzt geändert durch das Bundesgesetz BGBl. I Nr. 45/2020, wird wie folgt geändert:

1.  § 32b lautet:

       „§ 32b. (1) Zur Kontrolle von Maßnahmen zum Schutz der verfassungsmäßigen Einrichtungen und ihrer Handlungsfähigkeit und nachrichtendienstlichen Maßnahmen im Wirkungsbereich des Bundesministeriums für Inneres sowie von nachrichtendienstlichen Maßnahmen zur Sicherung der militärischen Landesverteidigung gemäß Art 52a. B-VG wählen die zuständigen Ausschüsse des Nationalrates je einen ständigen Unterausschuss. Jedem Unterausschuss muss mindestens ein Mitglied jeder im Hauptausschuss des Nationalrates vertretenen Partei angehören.

(2) Die Mitglieder dieser Unterausschüsse behalten ihre Funktion so lange, bis ein anderes Mitglied gemäß § 36 Abs. 2 namhaft gemacht wurde.“

2.  § 32c lautet:

       „§ 32c. (1) Die zuständigen Bundesminister unterrichten die ständigen Ausschüsse umfassend über die allgemeine Tätigkeit der Behörden und über Vorgänge von besonderer Bedeutung. Auf Verlangen des Ausschusses oder eines Viertels seiner Mitglieder hat das zuständige Mitglied der Bundesregierung auch über sonstige Vorgänge zu berichten.

(2) Jedes Mitglied des Ausschusses im Sinne des § 32b kann vom zuständigen Mitglied der Bundesregierung im Zuge einer Sitzung des Ausschusses einschlägige Auskünfte verlangen. Das Verlangen auf Einsicht in Unterlagen bedarf eines Beschlusses des Ausschusses oder eines Verlangens eines Viertels seiner Mitglieder. Eine Verpflichtung zur Erteilung einschlägiger Auskünfte oder zur Gewährung der Einsicht in Unterlagen besteht nicht, wenn die Sicherheit von Personen gefährdet werden könnten. Die Verweigerung von Auskünften oder der Einsicht in Unterlagen ist vom Mitglied der Bundesregierung zu begründen.

(3) Die Ausschüsse erstatten dem Nationalrat mindestens alle zwei Jahre Bericht über ihre bisherige Kontrolltätigkeit. Dabei nehmen sie auch dazu Stellung, ob die zuständigen Mitglieder der Bundesregierung gegenüber den Ausschüssen ihren Pflichten, insbesondere ihrer Unterrichtungspflicht zu Vorgängen von besonderer Bedeutung, nachgekommen sind. Ein Minderheitsbericht von einem Viertel der Mitglieder eines Ausschusses ist zulässig.“

3.  § 32d lautet:

       „§ 32d. (1) Für die Ständigen Unterausschüsse gemäß § 32b gelten die Bestimmungen über Organisation und Verfahren der Ausschüsse, sofern in den folgenden Absätzen nicht anderes normiert wird.

(2) Die Unterausschüsse sind vom Vorsitzenden grundsätzlich einmal im Vierteljahr einzuberufen. Darüber hinaus ist eine Sitzung des betreffenden Unterausschusses vom Vorsitzenden so einzuberufen, dass dieser binnen zwei Wochen zusammentreten kann, wenn dies von einem Viertel seiner Mitglieder oder vom zuständigen Mitglied der Bundesregierung verlangt wird. 

 (3) Die Unterausschüsse können auch außerhalb der Tagungen zusammentreten, wenn sich die Notwendigkeit hiezu ergibt.

(4) Die Sitzungen des Ausschusses sind, sofern nichts anderes beschlossen wird, geheim gemäß § 37a Abs. 4. Die Mitglieder des Ausschusses sind vom Präsidenten des Nationalrates auf Wahrung der Geheimhaltungsbestimmungen zu vereidigen.

(5) Über die Teilnahme von Personen, die nicht dem Ausschuss als Mitglieder angehören oder deren Teilnahme sich nicht aus Art. 75 B-VG ergibt, entscheidet für jede Sitzung der Ausschuss durch Beschluss.

(6) Die Sitzungen der Ausschüsse sind zu protokollieren. Das Protokoll ist vom Obmann und einem Schriftführer zu unterfertigen. Die Niederschrift ist zu beschränken auf die Wiedergabe der Tagesordnung, die Angabe der behandelten Gegenstände, eine zusammenfassende inhaltliche Wiedergabe der Beratungen und Beschlüssen. Der Präsident des Nationalrates hat für eine sichere Verwahrung der Protokolle zu sorgen. Jedem Mitglied des Ausschusses ist auf Verlangen Einsicht in die Protokolle vergangener Sitzungen zu erteilen.“

4.  Dem § 109 wird folgender Abs. 11 angefügt:

„(11) Die §§ 32b-32d in der Fassung des Bundesgesetzes BGBl. I Nr. XX/2020 treten mit 1. Jänner 2021 in Kraft.“

 

 

Begründung:

 

Im Allgemeinen

 

Das Bundesamt für Verfassungsschutz und Terrorismusbekämpfung (BVT) sowie die militärischen Nachrichtendienste leisten einen unverzichtbaren Beitrag zur Wahrung der Sicherheit der der Republik Österreich. Dabei ist in einer parlamentarischen, rechtsstaatlichen Demokratie die Einrichtung besonderer Kontrollmechanismen für deren Arbeit wegen der verdeckten Sammlung von Informationen und des Einsatzes nachrichtendienstlicher Mittel, die erheblich in die Grundrechte der Betroffenen eingreifen können, ebenfalls unabdingbar.

 

Wie alle anderen Organe der vollziehenden Gewalt unterliegen auch die Aktivitäten des BVT sowie der militärischen Nachrichtendienste (HNA und AbwA) der Kontrolle durch das Parlament. Im besonderen Fall nachrichtendienstlicher Aktivitäten, die naturgemäß auf besondere Geheimhaltung angewiesen sind, ist diese Aufgabe primär dem Ständigen Unterausschuss des Innenausschusses sowie dem Ständigen Unterausschuss des Landesverteidigungsausschusses zugewiesen, deren Beratungen geheim erfolgen. Die Einrichtung dieser Ausschüsse, die auch verfassungsrechtlich in Artikel 52a B-VG institutionell abgesichert ist, geht auf entsprechende Empfehlungen des Lucona- und des Noricum-Untersuchungsausschusses zurück.[1] Die Konzeption ständiger Kontrollausschüsse im Parlament hat sich grundsätzlich bewährt jedoch zeigen sich in der parlamentarischen Praxis sowie im Lichte jüngster Erfahrungen die parlamentarischen Kontrollmittel als teilweise zu wenig effektiv.

 

Parlamentarische Kontrolle setzt voraus, dass die Kontrollierenden auch jene Informationen über den Kontrollierten zur Verfügung stehen, die es ihnen ermöglicht, die Kontrolle auch tatsächlich auszuüben. Nur wer über gewisse Grundinformationen verfügt, kann auch gezielt Fragen stellen. So gesehen zeigte sich das Auskunftsrecht im Sinne des Ziels einer effektiven Kontrolle als ungenügend heraus.

 

Dem erheblichen Informationsbedürfnis der Abgeordneten steht in der Praxis nämlich ein enormer Wissensvorsprung der Exekutive gegenüber. Oftmals erfahren Abgeordnete von bestimmten Vorgängen erst, wenn medial darüber berichtet wird oder ihnen aus dem Behördenapparat gezielt Informationen zugespielt werden. Dieser Zustand ist weder für die Abgeordneten noch für die zuständigen Bundesminister_innen befriedigend.

 

So hätte der Unterausschuss des Innenausschusses in mehreren Fällen frühzeitiger und umfassender unterrichtet werden müssen. Zudem ist deutlich geworden, dass es sinnvoll ist, die Selbstinformationsrechte, Sachaufklärungsmöglichkeiten und Befugnisse des Gremiums weiter zu stärken.

 

Ziel des vorliegenden Gesetzentwurfs ist es, die parlamentarischen Rechte zur Kontrolle der nachrichtendienstlichen Tätigkeit des Bundes behutsam und systemkonform zu stärken. Damit soll der herausragenden Bedeutung der parlamentarischen Kontrolle, vor allem auch zur Wahrung der Freiheitsrechte der Bürger_innen, nachhaltig Rechnung getragen, gleichzeitig aber auch Rücksicht auf die Bedürfnisse und Besonderheiten der staatspolizeilichen bzw. nachrichtendienstlichen Tätigkeit genommen werden. Die parlamentarische Kontrolle des BVT soll professioneller und kontinuierlicher werden, um letztlich auch die Akzeptanz und das Vertrauen der Bürger in die Tätigkeit des Bundesamtes zu verbessern.

 

Kernanliegen der Reform ist es, die Informations- und Handlungsmöglichkeiten der Ausschüsse in den Bereichen zu verbessern, in denen dies ohne Relativierung des Geheimnisschutzes möglich ist. Weiter soll der Charakter der Mitwirkungspflichten der zuständigen Minister als echte Rechtspflichten noch einmal deutlicher akzentuiert werden.

 

 

 

Folgende Einzelmaßnahmen sind vorgesehen:

 

·         Etablierung einer Unterrichtungspflicht (nicht bloß Fragerecht) der zuständigen Bundesminister über die allgemeine Tätigkeit sowie über Vorgänge von besonderer Bedeutung.

·         Einführung eines Minderheitenrechts eines Viertels der Mitglieder des jeweiligen Ausschusses auf Einsicht in einschlägige Unterlagen.

·         Einführung eines Berichtswesens an das Plenum des Nationalrates über die Kontrolltätigkeit des jeweiligen Ausschusses.

·         Präzisierung der Gründe unter denen eine Auskunft vom zuständigen Regierungsmitglied verweigert werden kann und Normierung einer Begründungspflicht für eine solche Auskunftsverweigerung.

·         Präzisierung des Protokollwesens der ständigen Unterausschüsse.

·         Neustrukturierung der einschlägigen Paragrafen zur Berichtspflicht in den §§ 17ff PStSG

·         Einführung eines gesonderten Hauptstückes im PStSG mit dem die Kontrolltätigkeit des ständigen Unterausschuss des Ausschusses für innere Angelegenheiten im PStSG präzisiert wird.

 

Der Gesetzentwurf erweitert die materiellen Informationsbefugnisse des Ständigen Unterausschuss des Innenausschusses, betont deren Durchsetzbarkeit, dehnt die Bewertungsmöglichkeiten des Gremiums moderat aus, verbessert die Arbeitsfähigkeit und Kontinuität der Arbeit des Ausschusses.

 

Das Gesetz will das gegenwärtige System der Parlamentskontrolle effektiver gestalten, ohne einen grundlegenden Bruch zu bewirken.

 

Im Zentrum der Kontrolltätigkeit stehen die einzelnen Abgeordneten. Die Öffentlichkeit bleibt wie bisher von der Kontrolltätigkeit weitgehend ausgeschlossen, so dass der Bundesminister keine Informationen aus dem Gesichtspunkt der Vertraulichkeit dem Ausschuss gegenüber zurückhalten darf.

 

Zur Sicherstellung einer nachhaltigen und wirksamen Umsetzung dieser Zielvorgaben bedarf es einer moderaten Umgestaltung und Ergänzung der bisherigen Regelungen im Bundesverfassungsgesetz (B-VG) und dem Geschäftsordnungsgesetz des Nationalrates (GOG-NR). Zur Verbesserung der Übersichtlichkeit und Kohärenz des Gesetzestextes ist eine Neustrukturierung des PStSG angezeigt.


Zu Artikel 1 Änderung des Bundes-Verfassungsgesetzes (B-VG)

 

Wie einleitend festgehalten wurde, ist ein bloßes Fragerecht der Abgeordneten derzeit wenig geeignet eine umfassende parlamentarische Kontrolle der jeweiligen Behörden sicherzustellen. Die Abgeordneten sind bei der Fragestellung von Informationen abhängig, die ihnen zuvor entweder medial oder direkt aus dem Behördenapparat meist unter Verletzung des Amtsgeheimnisses zugespielt werden. Dies ist sowohl für die Abgeordneten selbst als auch für die zuständigen Bundesminister_innen unbefriedigend.

 

Mit der Neuformulierung sollen zwei Unterrichtungsverpflichtungen der jeweiligen Bundesminister_innen über die „allgemeine Tätigkeit“ und über „Vorgänge von besonderer Bedeutung“ der Behörden begründet werden, die mit dem entsprechenden Unterrichtungsanspruch der Ausschüsse korrespondieren. Außerdem wird eine Unterrichtungspflicht auf Verlangen über „sonstige Vorgänge“ als Auffangtatbestand eingeführt.

 

Die Norm bezweckt eine möglichst umfassende Inpflichtnahme der jeweiligen Regierungsmitglieder.

 

Da die besondere Art der Arbeit der Nachrichtendienste zu erheblichen Informationsvorsprung der Exekutive führt, bedarf es zu aller erst der Informationen über die zu kontrollierenden Tätigkeit. Deshalb ist die kontinuierliche allgemeine Unterrichtung durch die zuständigen Minister die Basis der Informationserhebung durch die Ausschüsse und letztlich Voraussetzung jedweder wirksamen Kontrolle. Dies ist von besonderer Bedeutung gerade im hier spezifischen Verhältnis von Parlament zur Regierung. Denn die Kontrolle durch die Ausschüsse reicht bei jeder Kontrolle maximal soweit wie die Informationen der kontrollierenden Instanz.

 

Die Neufassung von Art. 52a sieht drei eigenständige Unterrichtungspflichten vor. Im Gegensatz zu den „sonstigen Vorgängen“ besteht hinsichtlich der „allgemeinen Tätigkeit“ und der „Vorgänge von besonderer Bedeutung“ eine Form von Bringschuld der zuständigen Bundesminister. D.h. sie müssen von sich aus berichten, ohne dass die Ausschüsse dies zuvor verlangt haben.

 

Die Unterrichtung hat unverzüglich zu erfolgen, d.h. ohne schuldhaftes Zögern.

 

Die zuständigen Regierungsmitglieder sind auch dann zur Information verpflichtet, wenn durch die Erweiterung des Kreises der Wissensträgern die abstrakte Gefährdung der Information steigt. Das liegt in der Natur der Kontrolle.

 

„Allgemeine Tätigkeit“:

 

„Allgemeine Tätigkeiten“ der Behörden bezeichnet generalisierend deren Wirken in den ihnen zugewiesenen Aufgabenbereichen, somit das „Routinegeschäft“. Dies sind vor allem die Schwerpunktsetzungen bei der Erledigung der Aufgaben, ebenso die Schwerpunkte der gewonnenen Erkenntnisse. Die regelmäßigen, typischen Abläufe und Arbeitsergebnisse fallen hierunter, ohne deren Kenntnis eine sinnvolle Kontrolle nicht möglich wäre. Hinzu kommen die allgemeine Unterrichtung über die Zugangslage der Nachrichtendienste sowie absehbare Veränderungen, die Einrichtung von digitalen Dateisystemen, der Erlass von internen Verwaltungsvorschriften, jedoch nicht bloße Verwaltungsalltätigkeiten.

 

Die zuständigen Bundesminister_innen haben über die allgemeine Tätigkeit ihrer Behörden so zu berichten, dass eine parlamentarische Kontrolle effektiv eingesetzt werden kann.

 

Vorgänge von besonderer Bedeutung:

 

Als Vorgang von besonderer Bedeutung lässt sich alles erfassen, was die Fähigkeit zur Auftragserfüllung der Behörde betrifft und was außerhalb des Ausschusses öffentliche Wirkung haben könnte. So fallen Vorgänge hierunter, über die die Presse berichtet oder aller politischen Voraussicht nach noch berichten wird. So ist ein Bericht nicht nur in Fällen angezeigt, in denen er schon in der Öffentlichkeit diskutiert wird, sondern auch gerade dann, wenn eine solche Debatte zu erwarten ist.

 

Also Geschehnisse oder Geschehensabläufe, die vom Routinegeschäft der Nachrichtendienste abweichen und - deren Kenntnis für eine effektive Kontrolle durch die Ausschüsse nach der Bewertung im Einzelfall unerlässlich ist, - wobei es unerheblich ist, ob die Geschehnisse oder Geschehensabläufe von einer Behörde selbst initiiert oder ausgelöst wurden.

 

„Vorgänge von besonderer Bedeutung“ sind insbesondere in drei Fallgruppen denkbar: Lageentwicklung, dienstinterne Entwicklungen oder Vorfälle sowie öffentliche Berichterstattung:

 

 

1)       Lageentwicklung:

a.        Wesentliche Änderungen im Lagebild, die die äußere oder innere Sicherheit der Republik Österreich beeinträchtigen können oder von grundlegender Bedeutung für die Außen- oder Sicherheitspolitik der Republik sind, insbesondere - sich abzeichnende terroristische, militärische oder kriminelle Entwicklungen von erheblicher Bedeutung, die eine Bedrohung für die Republik, ihre Bevölkerung, ihre Institutionen und ihre kritischen Infrastrukturen sind oder werden könnten,

b.       Anhaltspunkte für die Entstehung oder Verfestigung verfassungsfeindlicher Zusammenschlüsse und Netzwerke

c.        sowie sonstiger relevanter Tendenzen in den Bereichen des Links-, Rechts-und Ausländerterrorismus,

d.       Aktivitäten ausländischer Behörden oder Organisationen in oder gegen Österreich und mit den dazu eingeleiteten Maßnahmen.

 

 

2)       Behördeninterne Entwicklungen oder Vorfälle

a.        Entscheidungen, die zu grundlegenden Veränderungen behördeninterner Abläufe führen, insbesondere

                                                               i.      Einrichtung neuer oder Auflösung bisheriger Abteilungen,

                                                             ii.      Vereinbarungen über neue Kooperationen von grundlegender Bedeutung,

                                                           iii.      Errichtung gemeinsamer Dienststellen,

                                                           iv.      Einführung neuartiger Methoden und Instrumente von grundsätzlicher Bedeutung im Rahmen der internationalen Zusammenarbeit,

                                                             v.      Straftaten an und von Mitarbeitern der Behörden, wenn sie in Ausübung des Dienstes begangen wurden oder - außerdienstlich begangen - geeignet sind, die Dienstausübung ernsthaft zu beeinträchtigen oder das Ansehen des Dienstes ernsthaft berühren,

                                                           vi.      sonstige interne Vorgänge, die geeignet sind, die Arbeitsweise, die Aufgabenerfüllung oder die Befugnisnutzung der Dienste zu beeinträchtigen.

 

3)       Einzelvorkommnisse, die Gegenstand politischer Diskussionen oder öffentlicher Berichterstattung sind

a.        Bekanntwerden von nicht für die Öffentlichkeit bestimmten relevanten Tatsachen über die Dienste oder dienstliche Sachverhalte oder relevante Einzelheiten über Art und Umfang der Zusammenarbeit mit ausländischen Behörden, Organisationen und Einzelpersonen,

b.       Veröffentlichungen, die die Arbeit oder das Ansehen der Dienste beeinträchtigen können.

 

Sonstige Vorgänge:

 

Die zuständigen Bundesminister_innen haben auf Verlangen eines Viertels der Mitglieder auch über sonstige Vorgänge zu berichten. Insofern muss keine besondere Bedeutung gegeben sein. Dabei ist das Auskunftsverlangen zu spezifizieren, denn die zuständigen Bundesminister_innen müssen erfahren, über was sie Auskunft geben sollen.

 

Weil der Träger des Frage- und Informationsrechts der/die einzelne Abgeordnete ist, aber bei öffentlichen parlamentarischen Anfragen zu nachrichtendienstlichen Tätigkeit der Behörden in der Regel auf den zuständigen Unterausschuss verwiesen wird, soll zumindest jedes Mitglied des Ausschusses das Recht haben, einen Bericht jeweiligen Ministers zu einem konkreten Auskunftsverlangen zu initiieren. Insofern soll die Ablehnung eines solchen Verlangens im Gremium unzulässig sein. Die jeweiligen Minister haben zu mindestens im Ausschuss auch die Fragen der Opposition zu beantworten und die Ausschuss Mehrheit darf dies nicht konterkarieren.

 

Der weitgefasste Begriff der „sonstigen Vorgänge“ dient der Vermeidung von Kontrolllücken unterhalb der Schwelle zur „besonderen Bedeutung“.

 

Die Mitglieder des Ausschusses können defacto erst zu einem Vorgang Fragen stellen, wenn sie von seiner Existenz wissen oder zu mindestens eine entsprechende Vermutung haben. Dies setzt Vorkenntnisse voraus, die auf berichtenswerte Vorgänge schließen lassen, denn „Wer nichts weiß, kann auch nichts fragen!“ Dazu müssen zuvor aus den Nachrichtendiensten Informationen herausgelangt sein, entweder über informelle Kanäle aus der Regierung, Behörden oder Parteien an die Mitglieder selbst oder an die Medien.

 

In der Praxis sind regelmäßig Presseberichte Anlass für Berichtsanforderungen. Faktisch führt diese Situation zu einer sehr selektiven Kontrolle. Denn die Kontrolle der Nachrichtendienste durch die Presse ist einzelfallbezogen. Durch gezielte Indiskretionen über sich letztlich als irrelevant oder harmlos herausstellende Sachverhalte kann der Ausschuss außerdem intensiv beschäftigt werden, was seine Kapazitäten bindet und eine effektive Kontrolle verhindert. Häufig entsteht zudem das Gefühl für Abgeordnete, im Ausschuss kaum mehr zu erfahren als das, was bereits in der Presse stand.

 

Die Ausschüsse können dem nur durch eine strukturelle Kontrolle entgegenwirken, d.h. in dem bestimmte Tätigkeiten der Nachrichtendienste systematisch und unabhängig von aktuellen Vorgängen und Pressemitteilungen untersucht werden.

 

Daher soll eine explizite Unterrichtungspflicht (nicht bloß Fragerecht) der zuständigen Bundesminister_innen über die allgemeine Tätigkeit der jeweiligen Behörden sowie über Vorgänge von besonderer Bedeutung eingeführt werden. Diese Pflicht zur aktiven Informationstätigkeit der jeweiligen Minister, soll den Abgeordneten daher fortlaufend ein Einblick in die Tätigkeit der Behörden gewährt werden. Dadurch ist es den Ausschussmitgliedern auch besser möglich, ihre Fragerechte in Bezug auf die Kontrollobjekte zielgerichteter und effizienter auszuüben.

 

Die Kontrollmöglichkeiten sollen durch Einführung eines Minderheitenrechts eines Viertels der Mitglieder des jeweiligen Ausschusses auf Einsicht in einschlägige Unterlagen stärker abgesichert werden.

 

 

Zu Artikel 2 Änderung des Geschäftsordnungsgesetz 1975

 

Zu den Erwägungen der „Unterrichtungspflicht“ siehe Artikel 1.

 

Einführung eines Berichtswesens an das Plenum des Nationalrates über die Kontrolltätigkeit des jeweiligen Unterausschusses:

 

Weil das Spannungsverhältnis zwischen notwendiger Öffentlichkeit, ohne die parlamentarische Kontrolle der Exekutive nicht möglich ist, und den Geheimhaltungserfordernissen nachrichtendienstliche Tätigkeit nicht vollständig zu Lasten der Öffentlichkeit aufgelöst werden kann, soll eine besondere Berichtspflicht der ständigen Unterausschüsse eingeführt werden.

 

Mindestens alle zwei Jahre haben die Unterausschüsse dem Plenum des Nationalrates über ihre Kontrolltätigkeit zu berichten. Darüber hinaus können die Ausschüsse aber auch Bedarfsberichte an das Plenum erstellen.

 

Die Ausschüsse haben in ihren Berichten auch eine Bewertung abzugeben. Dies gilt vor allem hinsichtlich der Unterrichtungspflicht der zuständigen Bundesminister, aber auch bezüglich ihrer anderen Berichtspflichten in den Materiengesetzen.

 

Die Ausschüsse sind befugt, auch darüber hinaus Bewertungen abzugeben. Das Regierungsmehrheit und Opposition zu unterschiedlichen Bewertungen kommen, wäre nicht ungewöhnlich, sondern den jeweiligen Rollen Parlamentarismus geschuldet. Deshalb soll es auch möglich sein auf Verlangen eines Viertels der Ausschussmitglieder an einem Minderheitsbericht zum Bericht an das Plenum zu erstellen.

 

Hinsichtlich des Protokollwesens der ständigen Unterausschüsse sollen Präzisierungen vorgenommen werden, die zum Zweck der besseren Dokumentation der Sitzungen dienen.

 

In formeller Hinsicht wird die Durchführung einer ersten Lesung innerhalb von drei Monaten verlangt. Zuweisungsvorschlag: Geschäftsordnungsausschuss

 



[1] Pabel in Kneihs/Lienbacher (Hrs), Rill Schäffer-Kommentar Bundesverfassungsrecht 14. Lfg (2014) Art 52a B-VG 2.