1156/A(E) XXVII. GP

Eingebracht am 10.12.2020
Dieser Text wurde elektronisch übermittelt. Abweichungen vom Original sind möglich.

Entschließungsantrag

 

 

des Abgeordneten Mag. Amesbauer

und weiterer Abgeordneter

betreffend Ablehnung der EU-Verordnung zur Bewältigung von Krisen-situationen und Situationen höherer Gewalt im Bereich Migration und Asyl

 

Die Europäische Kommission hat mit großer Verzögerung am 23.09.2020 ihr neues Migrations- und Asylpaket (COM(2020) 609) vorgelegt. Der insgesamt zehn Dokumente umfassende Plan der Kommission stieß bereits Anfang Oktober im Ausschuss für bürgerliche Freiheiten, Justiz und Inneres (LIBE) auf ernsthafte Bedenken zahlreicher Mitgliedsstaaten. Insbesondere dass darin keine entschlossene Haltung gegenüber irregulär Einreisenden formuliert wurde, muss in Anbetracht der katastrophalen Migrationskrise 2015 für Verwunderung sorgen. Einige Abgeordnete vermissten zudem den Ansatz, dass die Zusammenarbeit mit Drittstaaten die Einrichtung von Hotspots zur Bearbeitung von Asylanträgen außerhalb des europäischen Territoriums miteinschließen sollte. Stattdessen sind EU-Grenzverfahren geplant, deren genaue Errichtung und Betreibung weiterhin unklar bleiben und für einen Massenandrang sorgen könnte. Ein weiterer Kritikpunkt betrifft den Umstand, dass anstatt konsequent gegen Schmuggler vorzugehen, Bootsflüchtlinge per „Search and Rescue“ automatisch nach Europa geholt werden sollen – in Anbetracht der zahlreichen ertrunkenen Asylsuchenden und des bekannten Pull-Faktors der Seenotrettung auf europäisches Territorium eine unverständliche Entscheidung.

 

Die gegenständliche Verordnung der Europäischen Kommission sieht nun ein Kriseninstrument vor, das im Falle einer außergewöhnlichen Situation, wie einem Massenzustrom von irregulär in einem Mitgliedsstaat eintreffenden Drittstaatsangehörigen, verpflichtende Anwendung finden solle. Dieser sieht vor, dass in einer solchen „Krisensituation“ der Anwendungsbereich von Übernahmen von Personen („verbindlicher Solidaritätsmechanismus“) ausgeweitet werden und die Frist für die sogenannten Rückkehrpatenschaften von acht Monaten auf vier Monate gekürzt werde solle, wodurch der unterstützende Mitgliedstaat den irregulären Migranten verpflichtend übernehmen müsste, sollte der betreffende Mitgliedstaat die Rückführung innerhalb dieser Zeit nicht abgeschlossen haben.

 

Aus diesem Grund ist es nicht verwunderlich, wenn als ein Knackpunkt bei den Verhandlungen auf EU-Ebene die Rolle der Drittstaaten gesehen wird. Eine engere Kooperation und Zusammenarbeit der Union mit Herkunftsländern ist freilich begrüßenswert. Es bleibt jedoch fraglich, wie viele und ob diese sich bereit zeigen werden, aus ihren Ländern stammende abgelehnte Migranten wieder zurückzunehmen. Offen bleibt darüber hinaus die Frage, was mit irregulären Migranten passieren soll, welche keine Staatsangehörigkeit bei ihrer Ankunft angeben.

 

Ob und wann ein Massenzustrom von irregulären Migranten ferner „bewirken würde, dass das Asyl-, Aufnahme- oder Rückführungssystem eines Mitgliedstaates nicht mehr funktionsfähig wäre“, liegt laut der gegenständlichen Verordnung (nach Antrag eines betroffenen Staates) in der alleinigen Entscheidung der Kommission. Ebenso obliegt es allein der Kommission die Anzahl der aufzunehmenden Migranten für alle EU-Länder zu bestimmen. Die einzelnen Mitgliedstaaten hätten hierbei weder Mitsprache- noch Einspruchsrecht. Das ist insbesondere problematisch, da für eine solche Überlastung der Asylsysteme der Mitgliedsländer jeweils keine evaluierten Zahlen und damit für das Vorliegen der Voraussetzungen einer solchen Krisensituation keine kalkulierbaren Bedingungen existieren.

 

Der Migrationsdruck durch Ankünfte im Mittelmeer ist nach wie vor hoch: Zuletzt stiegen die Ankünfte von 1.315 (April 2020) auf 12.500 Ankünfte im Oktober. Erst im September des Vorjahres verzeichnete die UNHCR 19.748 Migrantenankünfte im Mittelmeer, jene in Spanien haben sich 2020 im Vergleich zum Vorjahr verdoppelt.

Insgesamt sind nach Angaben des BKA IV/6 vom 20.11.2020 zwar die Ankünfte von Migranten aus Drittstaaten im Mittelmeerraum im Jahr 2020 gegenüber 2019 um 23% gesunken, 2019 lag dieser Wert bei -6% gegenüber dem Jahr 2018. Dennoch bestand und besteht eine Situation der Überlastung auf den griechischen Inseln, dessen Hotspots trotz eines Rückgangs von Anlandungen weiterhin überfüllt sind. Dabei muss bedacht werden, dass die ÖMMR (TR->EL) Ankünfte insgesamt seit 2015 bereits von 885.386 auf 73.626 Ankünfte im Jahr 2019 gesunken sind. Diese Zahlen zeigen, dass eine Situation von höherem Migrationsdruck auf ein Mitgliedsland nicht zwangsläufig von dem vorliegen einer humanitären Katastrophe durch etwaige Kriegshandlungen in einem Drittstaat abhängig sind und damit nicht singulär, sondern jederzeit auftreten können. Dies würde schließlich bedeuten, dass die begründete Gefahr besteht, dass sich ein verbindlicher Solidaritätsmechanismus im Falle großen Migrationsdrucks oder einer Krisensituation durchaus als Dauerzustand einrichten könnte.

 

Alles in allem zeigt sich also, dass der gegenständliche Vorschlag für eine Verordnung nicht nur viele Fragen offen lässt, sondern auch in vielen Punkten unzureichende und nicht praktikable Lösungen anzubieten weiß, welche zum erheblichen Nachteil der Mitgliedsstaaten gereichen könnte. Schließlich wird durch die geplante Frist für Rückkehrpatenschaften eine verpflichtende Aufnahme von illegalen Migranten durch die Hintertür eingeführt, da keineswegs gesichert ist, dass Drittstaaten ihre Angehörigen wieder zurücknehmen. Das ist im Sinne der europäischen Solidargemeinschaft abzulehnen.

 

 

Die unterfertigten Abgeordneten stellen daher folgenden

 

Entschließungsantrag

 

Der Nationalrat wolle beschließen:

 

Der Bundesminister für Inneres wird aufgefordert,

·         sich auf Europäischer Ebene gegen den gegenständlichen Vorschlag einer Verordnung zur Bewältigung von Krisensituationen und Situationen höherer Gewalt im Bereich Migration und Asyl auszusprechen,

·         sich gegen jegliche Art von zwangsverpflichtender Aufnahme irregulärer Migranten im Zuge der Verhandlungen über das Neue Migrations- und Asylpakets einzusetzen und

·         für die Beibehaltung der nationalen Souveränität und Zuständigkeit in Fragen des Grenzschutzes und Asyl- und Fremdenwesens einzutreten.

 

Darüber hinaus wird der Bundesminister für Inneres aufgefordert, sich bei den Verhandlungen über das neue Migrations- und Asylpaket für

·         eine gemeinsame Lösung hinsichtlich eines starken und lückenlosen Außengrenzschutzes,

·         eine Rückbesinnung auf die Grundprinzipien der Genfer Flüchtlings-konvention, dass Asyl und internationaler Schutz für tatsächlich nachweisbar verfolgte Personen nur als Schutz auf Zeit zu verstehen ist und

·         eine Einrichtung von Hotspots zur Bearbeitung von Asylanträgen außerhalb des europäischen Territoriums einzusetzen.“

 

 

 

 

In formeller Hinsicht wird um Zuweisung an den Ausschuss für innere Angelegenheiten ersucht.