1166/A(E) XXVII. GP

Eingebracht am 11.12.2020
Dieser Text wurde elektronisch übermittelt. Abweichungen vom Original sind möglich.

Entschließungsantrag

 

der Abgeordneten Mag.Christian Drobits, Rudolf Silvan

Genossinnen und Genossen

betreffend rasche Umsetzung der Änderungsrichtlinien zur Karzinogene Richtlinie in nationales Recht sowie Erarbeitung einer nationalen Strategie zum besseren Schutz vor gefährlichen Stoffen am Arbeitsplatz

Einer Studie des Europäischen Gewerkschaftsinstituts (ETUI) zufolge erkranken in der EU jährlich rund 147.000 ArbeitnehmerInnen an Krebs, weil sie am Arbeitsplatz krebserzeugenden Stoffen und Chemikalien ausgesetzt sind. Jährlich sterben in der EU mehr als 100.000 Menschen an arbeitsbedingten Krebserkrankungen, die von karzinogenen Arbeitsstoffen ausgelöst wurden (in Österreich sind es jährlich 1.800 Todesfälle).Nach Schätzungen der Europäischen Agentur für Sicherheit und Gesundheitsschutz am Arbeitsplatz (EU-OSHA) wird jeder zweite arbeitsbedingte Todesfall in der EU durch arbeitsbedingten Krebs verursacht.

Auf dem Weg zu einem nachhaltigeren Europa will die Europäische Kommission auch den Schutz vor gefährlichen Stoffen sowie den Schutz der ArbeitnehmerInnen verbessern. In der Mitteilung der Kommission zu einer „Chemikalienstrategie für Nachhaltigkeit- Für eine schadstofffreie Umwelt“ vom 14.10.2020 wird dazu festgehalten:

„Stärkung des Schutzes von Arbeitnehmern durch Festlegung weiterer Prioritäten im Hinblick auf die Exposition von Arbeitnehmern gegenüber gefährlichen Stoffen im Rahmen des anstehenden strategischen Rahmens für Gesundheit und Sicherheit am Arbeitsplatz, unter anderem durch Ermittlung der schädlichsten Stoffe, für die die Kommission im Anschluss an das etablierte Konsultationsverfahren im Bereich Gesundheit und Sicherheit am Arbeitsplatz vorschlagen wird, Grenzwerte am Arbeitsplatz festzulegen. Darüber hinaus Stärkung des Schutzes von Arbeitnehmern, indem insbesondere vorgeschlagen wird, für Blei und Asbest die geltenden Expositionsgrenzwerte am Arbeitsplatz zu senken und einen verbindlichen Grenzwert für Diisocyanate festzulegen.“

Die Kommission arbeitet gegenwärtig auch an einem „Europe’s Beating Cancer Plan“, um die Prävention dieser Krankheit, die die zweithäufigste Todesursache in der EU ist, zu verbessern.

 

Angesichts der mit karzinogenen Arbeitsstoffen zusammenhängenden Erkrankungs- und Todesfällen muss es Ziel sein, die Zahl berufsbedingter Krebserkrankungen in Österreich massiv zurückzudrängen.

Der Weg dorthin erfolgt allerdings nur mit kleinen Schritten:

Eine Studie im Auftrag der AK Wien hat im Sommer 2020 österreichische und deutsche Grenzwerte für gesundheitsschädigende Arbeitsstoffe verglichen. Das Resultat: Österreich hinkt bei vielen Grenzwerten hinterher; vor allem bei den Grenzwerten für krebserzeugende Arbeitsstoffe ist der Nachholbedarf drastisch. Eine Vielzahl österreichischer Grenzwerte ist wesentlich höher als die deutschen Arbeitsplatzgrenzwerte; bei 125 Stoffen sind die österreichischen MAK-Werte höher als die deutschen Werte. Für 156 Stoffe gibt es zwar einen deutschen Arbeitsplatzgrenzwert, aber keinen österreichischen Grenzwert. Bei den österreichischen TRK-Werten für krebserzeugende Arbeitsstoffe besteht gegenüber den risikobasierten Grenzwerten in Deutschland ein dramatischer Rückstand.

 

Bei der Umsetzung der 1. Richtlinie zur Änderung der Karzinogene-Richtlinie 2004/37/EG wurden lediglich die Mindestanforderungen der Richtlinie umgesetzt, d. h. Grenzwerte, die immer noch mit sehr hohen Krebsrisiken verbunden sind sowie die Ausschöpfung der längstmöglichen Übergangsfrist bis 17. Jänner 2025 für Chrom (VI)-Verbindungen.

 

Ausständig ist auch die rasche Umsetzung der drei jüngsten Änderungsrichtlinien zur Karzinogene Richtlinie (EG) Nr. 2004/37 Grenzwerte (TRK-Werte) von krebserzeugenden Arbeitsstoffen in nationales Recht. Die 2. Richtlinie zur Änderung der Karzinogene-Richtlinie 2004/37/EG (2019/130) sieht für Dieselmotoremissionen eine Übergangsfrist bist 21. Februar 2023, für den Untertagebau und Tunnelbau bis 21. Februar 2026 vor. Die 3. Richtlinie zur Änderung der Karzinogene-Richtlinie 2004/37/EG (2019/983) definiert Grenzwerte für fünf karzinogene Arbeitsstoffe (Cadmium, Beryllium, Arsensäure und deren anorganische Verbindungen sowie Formaldehyd und MOCA) – allerdings mit sehr langen Übergangsfristen (Cadmium bis 11. Juli 2027, Beryllium bis 11. Juli 2026, Arsensäure und deren anorganische Verbindungen bis 11. Juli 2023 sowie für Formaldehyd bis 11. Juli 2024). Diese extrem langen Umsetzungsfristen in Verbindung mit vielfältigen Gesundheitsgefahren und dem Krebserkrankungsrisiko durch diese Stoffe machen eine zügige nationale Umsetzung dringend erforderlich.

Ebenfalls zügig in österreichisches Recht umzusetzen ist eine Änderung der EU-Richtlinie 2017/164, die 5. Arbeitsplatz-Richtgrenzwerte-Liste (2019/1831); die Europäische Kommission hat Ende Oktober 2019 für bestimmte chemische Arbeitsstoffe neue Arbeitsplatz-Richtgrenzwerte mit einer 5 Liste festgelegt, wobei eine nationale Umsetzung bis 20.5.2021 zu erfolgen hat.

 

Die unterfertigten Abgeordneten stellen daher folgenden

 

Entschließungsantrag

 

Der Nationalrat wolle beschließen:

 

„Die Bundesministerin für Arbeit, Familie und Jugend wird aufgefordert,

-       Infolge der erheblichen Zahl an arbeitsbedingten Krebserkrankungen und Todesfällen eine unverzügliche nationale Umsetzung der drei jüngsten Änderungsrichtlinien zur Karzinogene Richtlinie (EG) Nr. 2004/37, Grenzwerte (TRK-Werte) von krebserzeugenden Arbeitsstoffen sowie der 5.Liste der Richtlinie 2017/164 zur Festlegung von Arbeitsplatz-Richtgrenzwerten in Angriff zu nehmen. Bei der Umsetzung sind nicht nur die Grenzwerte nach den Mindestvorgaben der Richtlinien zu übernehmen, sondern sind diese auf das damit verbundene Krebsrisiko zu überprüfen. Gegebenenfalls sind Grenzwerte mit einem niedrigeren Wert festzulegen, sodass nur ein gerade noch akzeptables Restrisiko verbleibt. Bei der Auswahl eines akzeptablen Restrisikos kann das Akzeptanzrisiko der risikobasierten Grenzwerte in Deutschland herangezogen werden (vorübergehend 4 : 10.000 und mittelfristig 4 : 100.000 für das Lebensarbeitszeitrisiko). Das bei schlichter Einhaltung des Grenzwerts für einen Arbeitsstoff verbleibende Restrisiko sollte in der Grenzwerteverordnung angemerkt werden, um das Risiko für die Betriebe transparent zu machen.

-       Um die Zahl der arbeitsbedingten Krebserkrankungen zu senken und Neuerkrankungen zu verhindern, wird - unter Einbeziehung der Sozialpartner - die Erarbeitung und Vorlage einer umfassenden Strategie zum Schutz der ArbeitnehmerInnen vor gefährlichen Stoffen und Chemikalien an ihrem Arbeitsplatz gefordert, die neben der verbindlichen Einführung wissenschaftlich aktueller und risikobasierter Arbeitsstoffgrenzwerte durch Änderung des ArbeitnehmerInnenschutzgesetzes und der Grenzwerteverordnung 2020 auch Maßnahmen beinhaltet, um eine Exposition der ArbeitnehmerInnen mit den Schadstoffen zu minimieren“

 

Zuweisungsvorschlag: Ausschuss für Arbeit und Soziales