1175/A(E) XXVII. GP

Eingebracht am 11.12.2020
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ENTSCHLIESSUNGSANTRAG

der Abgeordneten Dr. Helmut Brandstätter, Kolleginnen und Kollegen

betreffend Österreich als Vermittler im Kaukasus

Österreich hat sich einen Namen als diplomatischer Standort und als Vermittler in internationalen Disputen gemacht. Die Bundesregierung, und insbesondere das BMEIA, legt großen Wert auf die Aufwertung des diplomatischen Standorts Wien.

Zurzeit schwelt an der Peripherie Europas ein Konflikt, der lösbar scheint: der Bergkarabachkonflikt zwischen Armenien und Aserbaidschan. Nach dem Ende der Kampfhandlungen wurden die neuen Grenzen entlang der Frontlinie zum Zeitpunkt des Inkrafttretens des von Russland unterstützten Waffenstillstands eingefroren. Diese Grenzziehung reflektiert aber die Präferenzen keiner der beiden Konfliktparteien, und beide haben ihre Bereitschaft angedeutet, einen nachhaltigen – also von beiden Seiten akzeptablen – Frieden aushandeln zu wollen. Dafür wird es einer Konferenz bedürfen, die vorzugsweise in einem neutralen Land stattfindet, das sich noch nicht diplomatisch oder rhetorisch auf die eine oder andere Seite geschlagen hat. Wien wäre ein möglicher Konferenzort, das BMEIA ein möglicher Vermittler.

Zu oft wird von zu vielen ex ante Schuld zugewiesen, und anhand der momentanen Situation ohne Berücksichtigung der langen Geschichte des Konflikts einer Seite die Schuld an der Aggression zugewiesen. Armenien steht Europa wohl auch wegen der geschichtlichen Rolle als Opfer eines Genozids nahe. Ebenso bestehen religiöse Faktoren, Armenien verfügt über eine stärker ausgeprägte Demokratie und leidet unter geringerer Korruption. Für eine Friedenskonferenz dürfen Affinitäten, besonders jene zu Machthabern, nicht bestimmend sein. Das Ziel einer Friedenskonferenz muss es sein, einen Frieden zu schaffen, den die Menschen der Region als ausreichend fair und ausgeglichen ansehen, dass sie langfristig mit ihm leben können – nicht mit den Regierungen der beiden Seiten ob ihrer Verfehlungen in Vergangenheit und Gegenwart ins Gericht zu gehen.

Bergkarabach wird seit langer Zeit fast ausschließlich von Armeniern bewohnt. Das Gebiet liegt als Enklave vollständig vom Staatsgebiet Aserbaidschans umschlossen. Nach dem Ende der Sowjetunion führte Armenien einen Krieg gegen Aserbaidschan und besetzte aseri Provinzen um Bergkarabach herum, vertrieb etwa 600.000 Menschen – insgesamt sind bis zu 800.000 Aseris aus ihrer Heimat in Armenien oder den besetzten Gebieten vertrieben worden. Auch werden eine große Zahl von Tötungen berichtet. Während Armenien diese Besetzungen damit rechtfertigte, dass Aserbaidschan andernfalls die Enklave Bergkarabach von Armenien abschneiden könnte, gestand Armenien der aseri Enklave Nakitschewan keinen Korridor zu. Auch verschärfte der armenischen Präsident Paschinijan unmittelbar vor dem Ausbruch der bewaffneten Feindseligkeiten dieses Jahres die armenische Rhetorik und deutete an, dass die besetzten aseri Gebiete permanent an Armenien angeschlossen werden könnten. Unmittelbar vor Ausbruch der Feindseligkeiten wurde ein aserbaidschanischer Militärkonvoi auf aseri Gebiet angegriffen und ein General getötet.

Auf der anderen Seite bestand Aserbaidschan nach der Unabhängigkeit beider Staaten – Armenien und Aserbaidschan – auf die Enklave Bergkarabach als aserbaidschanisches Staatsgebiet und war nicht zu ernsthaften Autonomie- oder Unabhängigkeitsgesprächen bereit. Aserbaidschan wird auch seit vielen Jahrzehnten eine harte Politik gegen in Aserbaidschan lebende ethnische Armenier vorgeworfen – vor, während und nach der Sowjetzeit. Und letztendlich wurde nach Aussagen der großen Mehrheit der Beobachter der Krieg dieses Jahres von Aserbaidschan begonnen und mit großer Brutalität geführt. 

Das Ziel einer Friedenskonferenz muss sein, die Schnittmenge der Positionen beider Parteien aufzuzeigen und auf einen gerechten, und daher anhaltenden, Frieden hinzuarbeiten. 

·         Armenier haben ein Geschichtsverständnis, das von einem Genozid Anfang des letzten Jahrhunderts geprägt ist. Daraus ergibt sich das Bedürfnis, nicht von der Gunst anderer abhängig zu sein, sondern in ihren eigenen Gebieten unabhängig leben zu dürfen. Dieses Bedürfnis ist verständlich und muss den Staat Armenien wie auch die Region Bergkarabach umfassen.

·         Die Region Bergkarabach – unabhängig, Teil Armeniens oder autonom mit internationalem Schutzstatus – muss durch den Latschin Korridor mit Armenien verbunden bleiben und Aserbaidschan muss dafür volle Sicherheitsgarantien abgeben. 

·         Aserbaidschan muss im Krieg der frühen 1990er Jahre verlorene aseri Gebiete im Gegenzug für Sicherheitsgarantien zurückbekommen und das Recht haben, Flüchtlinge (die immer noch in großer Zahl auf ihre Rückkehr warten) dorthin zurückbringen zu dürfen. 

·         Aserbaidschan muss einen Korridor zur aseri Enklave von Nakitschewan bekommen, der die gleichen Bedingungen und Garantien wie der Latschin Korridor erhält. 

Beide Seiten scheinen zu erkennen, dass ein Frieden, der auf anderen Grundlagen beruht, nur ein Schritt hin zum nächsten Konflikt sein kann. Da Österreich sich bislang relativ neutral verhalten und geäußert hat und mit beiden Konfliktparteien gute Beziehungen pflegt, kann das BMEIA seine good offices in der Erarbeitung eines permanenten Friedens, unter Einbeziehung der Minsker Gruppe, in Wien anbieten. 

Die unterfertigten Abgeordneten stellen daher folgenden

ENTSCHLIESSUNGSANTRAG

 

Der Nationalrat wolle beschließen:

"Die österreichische Bundesregierung, und insbesondere der Bundesminister für europäische und internationale Angelegenheiten, möge die Parteien im Bergkarabachkonflikt nach Österreich in die Bundeshauptstadt Wien zu einer Friedenskonferenz einladen, und die Dienste des BMEIA als honest broker zur Verfügung stellen. Als Ziel soll eine langfristige Lösung des Konflikts auf Basis der gerechtfertigten Ansprüche der Menschen der Region – unter Hintanstellung der Interessen von Machtblöcken, Regierungen und Interessensgruppen – gesetzt werden."

In formeller Hinsicht wird die Zuweisung an den Außenpolitischen Ausschuss vorgeschlagen.