1190/A(E) XXVII. GP

Eingebracht am 11.12.2020
Dieser Text wurde elektronisch übermittelt. Abweichungen vom Original sind möglich.

Entschließungsantrag

 

des Abgeordneten Mag. Stefan

und weiterer Abgeordneter

 

betreffend Maßnahmenpaket zum Schutz und zur Hilfe von und für Minderjährige

 

Im heutigen Sommer wurde über den tragischen Tod eines 13-jährigen Mädchens in Telfs durch Suchtmittelmissbrauch medial berichtet, (https://www.krone.at/2210683; https://www.tt.com/artikel/30746844/13-jaehrige-tot-in-wohnung-in-telfs-aufgefunden) Kein Einzelfall, denn bereits 2018 starben 3 Mädchen an den Folgen des Konsums illegaler Substanzen. „Drogensucht, Tabletten- und Alkoholabhängigkeit, kriminelle Delikte, Gewalt - immer wieder geraten Jugendliche in Tirol auf die schiefe Bahn. Doch die Betreuungseinrichtungen sind teils überfüllt, es fehlt in allen Bezirken an Platz. Bis jetzt: Denn noch heuer werden 15 neue Plätze im Betreuten Wohnen geschaffen!“ (Tiroler Kronenzeitung, 11. Juni 2020, Seite 30)

 

Problematisch ist, dass derzeit wenig rechtliche Möglichkeiten zum Schutz bestehen: „Eine Suchterkrankung ist in Österreich kein Kriterium für eine akute Eigen- oder Fremdgefährdung. Liegt somit ein illegaler Konsum vor, aber keine akute Eigen oder Fremdgefährdung, ist es nicht möglich, den Patienten gegen seinen Willen im geschlossenen Bereich zu behandeln“, äußerte die Direktorin der Kinder- und Jugendpsychiatrie Hall, Dr. Kathrin Sevecke, in der Tiroler Kronenzeitung am 05.10.2020, Seite 16, die die rechtliche Situation in Deutschland als Vorbild hernimmt: „Ich finde, dass die Gesetzeslage in Deutschland andere Behandlungsmöglichkeiten zulässt. Dadurch kann manchmal ein sehr gefährliches und tiefes Abgleiten von Kindern und Jugendlichen in schwierigsten Lebensumständen wie etwa Substanzkonsum, Obdachlosigkeit oder Prostitution durch eine längerfristige Unterstützung im geschlossenen Bereich unterbrochen werden.“

 

Zur rechtlichen Situation in Deutschland sei hinzufügt: Zur Inobhutnahme ist das Jugendamt in den folgenden Fällen berechtigt und verpflichtet.

1. Wenn ein Kind oder Jugendlicher darum bittet (sogenannte "Selbstmelder" - § 42 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 SGB VIII)

2. Wenn eine dringende Gefahr für das Wohl des Kindes oder Jugendlichen diese Krisenintervention erfordert und die Personensorgeberechtigten nicht widersprechen oder eine familiengerichtliche Entscheidung nicht rechtzeitig eingeholt werden kann (§ 42 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 SGV III).

 

Widersprechen die Personensorge- oder Erziehungsberechtigten der Inobhutnahme, muss das Jugendamt unverzüglich das Kind oder den Jugendlichen den Personensorge- oder Erziehungsberechtigten übergeben, sofern nach Einschätzung des Jugendamtes das Kindeswohl nicht gefährdet ist oder die Personensorgeberechtigten bereit und in der Lage sind eine Gefährdung abzuwenden (§ 42 Abs. 3 Satz 2 Nr. 1 SGB VIII). Das Jugendamt muss das Familiengericht anrufen, wenn die Personen- oder Erziehungsberechtigten nicht bereit und in der Lage sind die Gefährdung abzuwenden (§ 42 Abs. 3 Satz 2 Nr. 2 SGB VIII). Das Familiengericht trifft dann die notwendigen sorgerechtlichen Maßnahmen im Anschluss an die Inobhutnahme (insbesondere Maßnahmen nach § 1666 BGB wie zum Beispiel die Verpflichtung der Eltern, bestimmte Hilfen in Anspruch zu nehmen, Entzug von Angelegenheiten der elterlichen Sorge und Übertragung auf einen Pfleger). Das Familiengericht ist auch dann einzuschalten, wenn die Personensorge- oder Erziehungsberechtigten nicht erreichbar sind (§ 42 Abs. 3 Satz 3 SGB VIII).

Widersprechen die Personensorge- oder Erziehungsberechtigten nicht, so ist unverzüglich ein Hilfeplanverfahren zur Gewährung einer Hilfe einzuleiten.“ (siehe https://www.bmfsfj.de/bmfsfj/themen/kinder-und-jugend/kinder-und- -jugendschutzfragen-und-antworten-kinder-und-jugendhilfe/fragen-und-antwortenkinder-und-jugendhilfe/86352)

 

Ein weiterer wichtiger Punkt ist das Unterbringungsangebot von Kindern und Jugendlichen, vor allem im Bereich der vollen Erziehung. Ein Budgetposten, der jährlich in Ländern, wie hier dargestellt in Tirol, steigt. Im Jahr 2009 betrugen die Aufwendungen für die Gewährung der vollen Erziehung 17.117.296 Euro. Im Voranschlag sind 2020 28.115.4000 Euro, plus 4.256.300 Euro im Bereich „volle Erziehung in Landeseinrichtungen“ vorgesehen. Kosten, für die Unterbringung „problembehafteter“ Jugendlicher zu Betreuungs- und Therapiezwecken. Es gibt nicht nur zu wenige Plätze, sondern für „problembehaftete Jugendliche“ gibt es schlicht fast kein Angebot für Langzeitplätze. Diese müssen oft im Ausland untergebracht werden (Spanien, Deutschland...). Das ist eine Katastrophe für die familiäre Bindung zu den Eltern. Auch die Jugendkriminalität wird immer mehr zu einem Problem: „Seit 2018 verzeichnet Innsbruck steigende Zahlen in der Jugendkriminalität. Vor zehn Monaten wurde eine eigene Ermittlergruppe eingerichtet. 111 Burschen- und 23 Mädchennamen scheinen seither in den Unterlagen der Polizei auf“, so berichtete die Tiroler Kronenzeitung am 20. 8. 2020 auf Seite 22.

 

Vor diesem Hintergrund stellen die unterzeichnenden Abgeordneten folgenden

 

Entschließungsantrag

 

Der Nationalrat wolle beschließen:

 

Die Bundesregierung, insbesondere die Bundesministerin für Justiz und der Bundesminister für Soziales, Gesundheit, Pflege und Konsumentenschutz, werden aufgefordert

1. festzustellen inwieweit eine gesetzliche Möglichkeit - nach Vorbild der gesetzlichen Regelung in Deutschland - geschaffen werden kann, bei der, wenn eine dringende Gefahr für das Wohl eines Kindes oder Jugendlichen besteht, dieses untergebracht werden kann und

2. mehr Kriseninterventions-, Betreuungs- und Therapieplätze für, problembehaftete‘ Jugendliche in Österreich – vor allem auch im Bereich der ‚vollen Erziehung' – zu schaffen.“

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

Es wird ersucht diesen Antrag dem Justizausschuss zuzuweisen.