1219/A(E) XXVII. GP

Eingebracht am 14.01.2021
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ENTSCHLIESSUNGSANTRAG

der Abgeordneten Dr. Stephanie Krisper, Kai Jan Krainer, Dr. Susanne Fürst, Kolleginnen und Kollegen

betreffend Abschaffung der Drei-Tages-Berichtsfrist in clamorosen Fällen im Berichtspflichtenerlass

 

In der Anfragebeantwortung 3328/AB vom 10.11.2020 zu 3321/J (XXVII. GP) wurde hinsichtlich der im Sprengel des OLG Wien bestehenden Berichtspflichten wie folgt ausgeführt:

"Eine „Drei-Tages-Frist“ sieht der Berichtspflichtenerlass der Oberstaatsanwaltschaft Wien nur im Zusammenhang mit gemäß § 8 Abs. 3 letzter Satz StAG zu erstattenden Berichten vor. Nach dieser Gesetzesstelle haben die Staatsanwaltschaften in vorhabensberichtspflichtigen Strafverfahren gemäß § 8 Abs. 1 leg. cit. auch „über bedeutende Verfahrensschritte, insbesondere Zwangsmaßnahmen (§§ 102 Abs. 1 zweiter Satz, 105 Abs. 1 StPO), zu informieren, nachdem diese angeordnet wurden“. Abweichend davon sieht der Erlass der Oberstaatsanwaltschaft Wien für die Vorlage solcher Berichte eine Frist von zumindest drei Werktagen vor der Durchführung solcher Verfahrensschritte vor. Eine Vorlage im Nachhinein ist nur für „zur Gewährleistung der rechtzeitigen Erledigung von keinen Aufschub duldenden Anträgen und Anordnungen“ (§ 6a Abs. 1 StAG) vorgesehen.

Die von den Anfragesteller*innen angesprochene Drei-Tages-Frist bezieht sich also auf Berichte, die bereits aufgrund des Gesetzes vorzulegen sind, bloß zu einem anderen Zeitpunkt. Auf die Anzahl der vorzulegenden Berichte hat diese Regelung somit keinen Einfluss.

Da sich die Berichtspflicht unmittelbar aus dem Gesetz ableitet, gilt sie für alle Staatsanwaltschaften im gesamten Bundesgebiet. Die Sonderregelung der Oberstaatsanwaltschaft Wien betrifft den Berichtszeitpunkt.

Eine statistische Auswertung, wie viele Berichte auf Grundlage dieser gesetzlichen Bestimmung erstattet bzw. wie viele unter diese Berichtspflicht fallende Vorgänge geplant und durchgeführt wurden, ist mangels geeigneter Abfrageparameter mit vertretbarem Aufwand nicht möglich. Allerdings ist dazu erläuternd anzumerken, dass der Inhalt solcher Berichte in der Regel aus einem bloßen Verweis auf die dem Bericht anzuschließende Anordnung besteht.

Bezüglich Änderungen im Zusammenhang mit den berichtspflichten verweise ich auf meine Antwort zu den Fragen 14 bis 16."

Zu angedachten Änderungen dieser Regelung wird in der genannten Anfragebeantwortung wie folgt ausgeführt:

"Diese Problematik wurde von Vertretern der WKStA mir gegenüber am 25. Mai 2020 zur Sprache gebracht. Ich habe dieses Vorbringen durch mein Kabinett prüfen lassen und die Thematik in der Folge mit der Leitung der Oberstaatsanwaltschaft Wien diskutiert.

Im Regierungsprogramm „Aus Verantwortung für Österreich. 2020-2024“ ist eine Stärkung der Staatsanwaltschaften zur unabhängigen Ermittlungsarbeit im verfassungsrechtlichen Rahmen durch Entfall von vermeidbaren Berichten und Transparenz von Erledigungsdauer des internen Berichtswesens im Rahmen des Ermittlungsaktes“ vorgesehen (S. 32).

Überlegungen zur konkreten Ausgestaltung sind bereits unter Einbeziehung der Vereinigung Österreichischer Staatsanwältinnen und Staatsanwälte im Gange, wobei sowohl legistische Maßnahmen im Bereich des StAG als auch eine Überarbeitung des Berichtspflichtenerlasses des BMJ angedacht werden."

Im Untersuchungsausschuss betreffend mutmaßliche Käuflichkeit der türkis-blauen Bundesregierung ("Ibiza"-Untersuchungsausschuss) berichteten die betroffenen Staatsanwält_innen der Wirtschafts- und Korruptionsstaatsanwaltschaft (WKStA) im Rahmen der Befragungen als Auskunftsperson von dieser Problematik.

So führte etwa die Auskunftsperson OStA Mag. Adamovic aus:

"Ich meine, grundsätzlich möchte ich vielleicht voranstellen, dass die WKStA und ich selbst als Staatsanwalt grundsätzlich überhaupt kein Problem mit einer Fachaufsicht haben, die unsere Arbeit auch kritisch unter die Lupe nimmt. Das ist grundsätzlich sogar eine Stärke, dass man im staatsanwaltschaftlichen Bereich mit einem Vieraugen- und manchmal in solchen Verfahren sogar mit einem deutlichen Mehraugenprinzip arbeitet. Dass die Zusammenarbeit hier vielleicht nicht immer so völlig reibungslos geschieht, hat man möglicherweise schon an bisherigen Befragungen gesehen. Für uns problematisch sind insbesondere sehr, sehr umfängliche Berichtspflichten, die einfach viel Arbeitsressourcen binden, und das sind nicht nur die Berichtspflichten, die sich aus dem Gesetz ergeben. Also vielleicht muss man erläutern, dass das ein mehrstufiges System ist: Es gibt Berichtspflichten, die sich aus § 8 Staatsanwaltschaftsgesetz ergeben. Dann gibt es einen eigenen Berichtspflichtenerlass des Justizministeriums, wo das so quasi ausformuliert wird, wo dann konkret - - Dann gibt es aber auch noch Berichtspflichtenerlässe der einzelnen Oberstaatsanwaltschaften; da gibt es beispielsweise eine Berichtspflicht der Oberstaatsanwaltschaft, dass wir über jeden Grundrechtseingriff drei Tage im Vorhinein berichten müssen.

Wie Sie hier in den Akten sehen, haben wir schon sehr viele Durchsuchungen, Sicherstellungen, Rechtshilfeersuchen und dergleichen gemacht; das ist einfach ein sehr großer zeitlicher Aufwand. Wir haben insgesamt im Verfahren Casag und Vereine schon an die 70 Berichte verfasst, und da muss – Sie werden sehen, die haben manchmal zehn, 15 Seiten – jedes Wort stimmen, weil wir sonst für Unrichtigkeiten in Berichten natürlich kritisiert würden. Deswegen muss man das sehr sorgfältig machen, und wenn man für so einen Bericht manchmal einen ganzen Arbeitstag oder manchmal vielleicht zwei braucht - - Sie werden sehen, manchmal haben wir an einem Tag zwei Zeugen vernommen, wenn es sehr wichtige Auskunftspersonen sind, eine.

Das heißt, man könnte vielleicht bei einer etwas maßhaltenderen Ausgestaltung solcher Berichtspflichten über die einzelnen Grundrechtseingriffe schon weiter sein, aber das liegt natürlich nicht in unserer Hand, die zu gestalten. Wir haben das grundsätzlich aber schon thematisiert, auch der Justizministerin gegenüber, dass wir das als problematisch sehen. Sie wissen, dass hier immer wieder auch im Raum stand, dass Informationen weitergegeben werden, auch bei Zwangsmaßnahmen. Wir haben auch schon solche Verfahren wegen Geheimnisverrats amtswegig einleiten müssen, weil beispielsweise mutmaßlich Hausdurchsuchungen frühzeitig bekannt wurden.

Deswegen war es uns auch ein Anliegen, bei der Justizministerin zu deponieren, dass wir zumindest diese Dreitagesberichtspflicht vielleicht nicht so für notwendig erachten, und das ist auch grundsätzlich auf Gehör gestoßen. Also soweit meine Wahrnehmungen dazu sind, ist uns die Justizministerin sehr gewogen und stärkt uns eigentlich regelmäßig den Rücken, und sie hat uns auch zu erkennen gegeben, dass sie sich dafür einsetzt, die vielleicht zu beseitigen.

Vielleicht noch zu der Dreitagesberichtspflicht, weil es auch das Verhältnis zu der Oberstaatsanwaltschaft betrifft und, sagen wir so, ich auch auf einen Problemfall des sogenannten Sachstandsberichtes zurückkommen kann, nämlich der ersten Hausdurchsuchung; vielleicht als Hintergrund: Diese Dreitagesberichtspflicht ist eine Folge der Hausdurchsuchung im sogenannten BVT-Verfahren, seither müssen wir in allen berichtspflichtigen Verfahren über sämtliche Grundrechtseingriffe drei Tage vorher berichten. Ich habe im Eingangsstatement gesagt, dass wir natürlich gerne aus Kritik lernen wollen, und so haben wir uns, nachdem es einen internen Diskussionsprozess um diese sehr heiklen Hausdurchsuchungen in der ersten Welle, bei Herrn Strache, bei Herrn Sidlo, bei Herrn Neumann und so weiter, bei der Novomatic - - Dass das natürlich sehr brisante Amtshandlungen sind, war uns klar, deswegen gab es da einen internen Meinungsbildungsprozess.

Wir haben damals auch die Oberstaatsanwaltschaft, konkret den Leiter der Oberstaatsanwaltschaft, ersucht, im Sinne der Qualitätssicherung, für die er regelmäßig eintritt, sich da einzubringen, und haben ihm alle Unterlagen übermittelt. Die Antwort war allerdings, dass seiner Ansicht nach der Meinungsbildungsprozess in der WKStA ja noch nicht abgeschlossen sei, und er sich deswegen da nicht einbringt. 

Ich glaube, dass wir uns seither ein bisschen die Frage der Zweckmäßigkeit stellen, weil das natürlich ein gewisses Gegensatzpaar von Interessen ist. Einerseits müssen wir so schnell wie möglich sein, das gebietet der § 9 StPO, ein Beschleunigungsgebot, und andererseits darf die Fachaufsicht sich natürlich über alles Mögliche informieren lassen. Wir meinen, dass dieses Spannungsverhältnis vielleicht überdacht werden sollte."

Auch die Leiterin der WKStA, Mag. Vrabl-Sanda, bestätigte im Rahmen ihrer Befragung als Auskunftsperson, dass auch vor dem Hintergrund der im Raum stehenden Befangenheit des Leiters der Oberstaatsanwaltschaft Wien, Mag. Johann Fuchs, aus ihrer Sicht eine Vorab-Informationspflicht an ebendiesen problematisch sei (Protokoll mangels Veröffentlichung noch nicht zitabel). Die möglichen Vorteile der Berichtspflicht, nämlich Unterstützung vonseiten der OStA, erlebt sie nicht. Umso schwerer wiegen die systematischen Nachteile der Berichtspflicht: Verfahrensverzögerung. In Hinblick auf Kritik bzgl. Verfahrensdauer von Strafverfahren (siehe Fall "Grasser") gilt es hier umso mehr, Berichtspflichten ohne erkennbaren Vorteil zu überdenken. 

Die Berichterstattung vom 13.1.2021 in „Der Standard“, „Profil“ und „ZiB2“, wonach das Justizministerium und die OStA Wien dem Ibiza-Untersuchungsausschuss Beweismittel vorenthalten haben, nährt die gehegten Zweifel an der unbefangenen Vorgehensweise der Oberstaatsanwaltschaft Wien unter der Leitung von Mag. Johann Fuchs, als für die Aktenlieferung an den Untersuchungsausschuss zuständige Stelle.

Die in den Medienberichten genannten E-Mails und Aktenstücke zeigen, dass Sektionschef Pilnacek offenbar die Unwahrheit gesagt hat, als er im Untersuchungsausschuss behauptete, er habe erst nach der Hausdurchsuchung bei Thomas Schmid von dieser erfahren. In Wahrheit belegt ein Memo, dass er bereits vier Tage davor wusste, dass eine Hausdurchsuchung geplant ist. Neben anderen zur neuen Aktenlage widersprüchlichen Aussagen vonseiten Pilnaceks, hat auch Oberstaatsanwalt Fuchs bei der Befragung im U-Ausschuss offenbar die Unwahrheit gesagt, was die Frage nach politischen Einflussnahmen auf die mit dem „Ibiza“-Komplex verbundenen Strafverfahren betrifft. Die neuesten Erkenntnisse erhärten auch darüber hinaus den Verdacht, dass die Berichte nur dazu dienen, über geplante geheime Ermittlungsschritte informiert zu werden, was die Gefahr des Verrates mit sich bringt.

Die Justizministerin hat dafür Sorge zu tragen, dass eine wirklich unabhängige Justizbehörde vollumfassend und unbeeinflusst aufklären kann. Dies kann im "Ibiza"-Verfahrenskomplex nur gewährleistet werden, wenn zumindest die Drei-Tages-Berichtspflicht abgeschafft wird.

Die unterfertigten Abgeordneten stellen daher folgenden

ENTSCHLIESSUNGSANTRAG

 

Der Nationalrat wolle beschließen:

"Die Bundesministerin für Justiz wird aufgefordert, die Drei-Tages-Berichtsfrist in clamorosen Fällen im Berichtspflichtenerlass der OStA Wien in jenen Fällen, in denen bloß aufgrund der Funktion des/der Verdächtigen im öffentlichen Leben ein öffentliches Interesse besteht, abzuschaffen."


In formeller Hinsicht wird die Zuweisung an den Justizausschuss vorgeschlagen.