1283/A(E) XXVII. GP

Eingebracht am 24.02.2021
Dieser Text wurde elektronisch übermittelt. Abweichungen vom Original sind möglich.

Entschließungsantrag

 

der Abgeordneten Petra Bayr, MA MLS,
Genossinnen und Genossen

betreffend internationale Impfsolidarität stärken

 

Am 12. März 2020 erklärte die Weltgesundheitsorganisation WHO COVID-19 zur einer Pandemie. Das „Licht am Ende des Tunnels“, der „Gamechanger“ in der Pandemiebekämpfung, sollte die COVID-19 Impfung werden. Im Rahmen des gemeinsamen Beschaffungsvorgangs der Europäischen Kommission und der 27 Mitgliedstaaten von COVID-19 Impfstoffen konnte das bislang weltweit größte Portfolio an COVID-19 Impfstoffen einer Einkaufsgemeinschaft aufgestellt werden. Während in Österreich, Deutschland und einigen anderen europäischen Ländern u.a. wegen Lieferschwierigkeiten weniger Impfstoff zur Verfügung steht als geplant, werden die Warnungen immer lauter, dass die wenigen, derzeit verfügbaren Impfstoffe im Globalen Süden noch ein viel knapperes Gut sind. Neue Daten bestätigen diese Sorgen: Während sich reiche Länder 70 Prozent der Impfstoffe gesichert haben, können ärmere Länder womöglich erst 2023 impfen. Bereits Anfang Dezember 2020 hatten Hilfs- und Menschenrechtsorganisationen wie OxfamAmnesty International und Global Justice Now gewarnt, dass ärmere Länder in diesem Jahr womöglich nur ein Zehntel ihrer Bevölkerung gegen Corona immunisieren könnten  (vgl: (Corona-Impfstoff: Ungerechte Impfstoffverteilung könnte die Pandemie verlängern | ZEIT ONLINE). Bereits Ende Jänner aktualisierten Datenanalysten des Economist ihre Prognose, wann welches Land die Immunisierung der breiten Bevölkerung starten könnte. Demnach können über 85 Länder mit niedrigem Einkommen womöglich erst 2023 beginnen, ihre Bevölkerung zu impfen. (More than 85 poor countries will not have widespread access to coronavirus vaccines before 2023 - Economist Intelligence Unit (eiu.com)) Im Guardian sprach die ugandische Ingenieurin und Frauenrechtlerin Winnie Byanyima angesichts der ungleichen Lage gar von einer "Impfstoffapartheid"(https://www.theguardian.com/global-development/2021/jan/29/a-global-vaccine-apartheid-is-unfolding-peoples-lives-must-come-before-profit). Auch der Generaldirektor der WHO, Tedros Adhanom Ghebreyesus, spricht in diesem Zusammenhang von einem „katastrophalen moralischen Versagen“, dessen Preis vor allem im Globalen Süden gezahlt werden wird (WHO Director-General's opening remarks at 148th session of the Executive Board).

Die Pandemie zeigt einmal mehr die globalen Ungleichheiten auf: Während der afrikanische Kontinent vergleichsweise gut durch die erste Welle kam, steigen u.a. auch aufgrund der südafrikanischen Mutation in Teilen Afrikas die Infektionszahlen um mehr als 25 Prozent, die COVID-19 Todesrate liegt bereits über dem globalen Durchschnitt, die vergleichsweise geringen Versorgungs- und Beatmungskapazitäten sind am Limit (vgl. (9+) Impfnationalismus wäre bei Corona fahrlässig - Gastkommentar - Wiener Zeitung Online; Stand: 11.02.2020). Auch die Afrikanische Union warnt, in Afrika könne bis Juni vermutlich nur direkt betroffenes medizinisches Personal geimpft werden. Die globale Durchimpfung dürfte also frühestens 2022/23 erfolgen (vgl. Rich countries will get access to coronavirus vaccines earlier than others - Economist Intelligence Unit (eiu.com); Stand: 11.02.2021).

MedizinerInnen sind sich einig: Eine Pandemie ist ein globales Problem und kann nur global besiegt werden. Die aktuellen Mutationen machen dies einmal mehr deutlich. Eine solidarische Impfstoffverteilung ist damit auch aus Sicht der Pandemiebekämpfung das Gebot der Stunde.

Ein Team an WissenschaftlerInnen in der britischen Fachzeitschrift The Lancet hat eine weitere Datenanalyse präsentiert: Aus den verfügbaren Verkaufszahlen gehe hervor, dass sich reiche Länder, in denen rund 16 Prozent der Weltbevölkerung leben, mit Exklusivverträgen 70 Prozent der verfügbaren Impfstoffmengen gesichert haben (The Lancet: Wouters et al., 2021).

Die begrüßenswerte WHO-Initiative Covax sollte eigentlich Erleichterung schaffen. Dafür haben sich 97 Industrie- und Schwellenländer zusammengeschlossen, um gemeinsam zwei Milliarden Dosen Impfstoff einzukaufen und sie gerecht zu verteilen; das entspricht einer Impfstoffversorgung von 20 Prozent der Bevölkerung (Corona-Impfstoff: Ungerechte Impfstoffverteilung könnte die Pandemie verlängern | ZEIT ONLINE) Die ausreichende Finanzierung von Covax muss ebenso sichergestellt werden, wie eine globale Steigerung der Produktion der COVID-19 Impfstoffe.
Als Lösung für das Problem der ungerechten Impfstoffverteilung, die zuletzt von
mehr als 100 Staaten, 300 Organisationen, zahlreichen Ökonominnen und Ökonomen sowie 900.000 Menschen unterstützt wurde (vgl. Corona-Impfstoff: Reiche Länder blockieren leistbaren Zugang in der WTO | Attac Österreich; Stand:12.02.2021), wird eine Aussetzung des Patentrechtes für COVID-19 Produkte in Pandemiezeiten diskutiert.

Um eine erhöhte Impfstoffproduktion für die und in Ländern des Globalen Südens und kontrollierte Verkaufspreise von COVID-19 Medikamenten, Impfstoffen, Diagnostika und anderen Technologien, einschließlich Masken und Beatmungsgeräten, zu erreichen, ging bereits von Südafrika und Indien ein offizieller Antrag für eine Ausnahmegenehmigung des TRIPS-Abkommen, das Patente und geistiges Eigentum regelt, bei der WTO ein (vgl. Keine Patente in Pandemiezeiten - Die wichtigsten Fragen und Antworten | Ärzte ohne Grenzen - MSF (aerzte-ohne-grenzen.at) Stand: 12.02.2021). Sie forderten damit einen Verzicht auf einige Bestimmungen des TRIPS-Abkommens zur Prävention, Eindämmung und Behandlung von COVID-19. Wenn die Ausnahmegenehmigung erteilt werden würde, könnten in den Ländern, die Mitglieder der WTO sind, für die Dauer der Pandemie Patente und andere geistige Eigentumsrechte im Zusammenhang mit den genannten Produkten ausgesetzt werden. TRIPS-Flexibilitäten ermöglichen bspw. Zwangslizenzen, mit denen Regierungen dritten Herstellern möglich machen können, ein Generikum herzustellen. Zwar bietet das Welthandelsrecht im Rahmen der Welthandelsorganisation (WTO) schon jetzt sogenannte TRIPS-Flexibilitäten, welche z.B. Zwangslizenzen und damit die Möglichkeit, ein Generikum herzustellen, möglich machen würde. Diese sind jedoch nicht ausreichend und für viele Länder gibt es Hürden, sie schnell und effektiv umsetzen zu können (vgl. Keine Patente in Pandemiezeiten - Die wichtigsten Fragen und Antworten | Ärzte ohne Grenzen - MSF (aerzte-ohne-grenzen.at) Stand: 12.02.2021).

Eine aktuelle Studie schätzt, dass eine gerechtere globale Verteilung der Impfstoffe die globalen Todeszahlen halbieren könnte (vgl. global_vax.pdf (mobs-lab.org). Dabei ist die Forderung nach einer gerechten Verteilung von Impfdosen und die rasche Prüfung des Patentschutzes während einer Pandemie mittels adäquater Entschädigungen und eine rasche Ausweitung der Produktionskapazitäten nicht ausschließlich eine Frage der globalen Solidarität. Auch die Forderung nach dem COVID-19 Impfstoff als „globales Gut“ muss unterstützt werden.

 

Die unterzeichneten Abgeordneten stellen daher folgenden

 

 

 

Entschließungsantrag:

Der Nationalrat wolle beschließen:

 

„Die Bundesregierung, insbesondere der Bundesminister für europäische und internationale Angelegenheiten wird aufgefordert,

-       sich in allen internationalen Gremien für einen weltweit fairen, transparenten und bezahlbaren Zugang zu COVID-19 Impfstoffen, Medikamenten und Diagnostik einzusetzen,

-       sich für ein stärker koordiniertes Vorgehen auf internationaler Ebene und mehr Finanzmittel für Covax einzusetzen und in diesem Zusammenhang auch den österreichischen Anteil an der Covax Initiative zu erhöhen,

-       sich gemeinsam mit weiteren Mitgliedern der Bundesregierung für eine Ausweitung der Produktionskapazitäten von Impfstoffen im In- und Ausland mit dem Ziel einzusetzen, möglichst rasch weltweit alle jene impfen zu können, die das möchten,

-       die Neubesetzung der WTO zum Anlass zu nehmen, sich mit den dort verrechtlichten Regeln des globalen Handels auseinanderzusetzen und bei der Weiterentwicklung generell einen Fokus auf ein Wirtschaftssystem zu legen, das allen Menschen und nicht nur wenigen dient. Dabei sollen auch die Regeln für die Nutzung von geistigem Eigentum auf ihre global ausgleichende Wirkung in den Blick genommen werden.

 

 

 

 

 

 

 

 

Zuweisungsvorschlag: Außenpolitischer Ausschuss