1311/A(E) XXVII. GP

Eingebracht am 24.02.2021
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ENTSCHLIESSUNGSANTRAG

der Abgeordneten Dr. Helmut Brandstätter, Kolleginnen und Kollegen

betreffend Neuorientierung  der Ägyptenpolitik

 

Der 11. Februar markierte den Jahrestag des Sturzes des Mubarak Regimes. Die Freiheit währte nur kurz. Seit 2014 hat sich ein Militärregime durch einen Coup installiert und regiert unter der Führung von Abdel Fatah al-Sisi mit eiserner Hand. Repressalien beinhalten rechtswidrige Verhaftungen, Folter, Mord und auch die großzügige Anwendung der Todesstrafe für politische Vergehen. Gerichte werden vom Regime kontrolliert, Strafandrohungen sind daher ein wirksames Mittel der Einschüchterung, und wo diese nicht wirkt, der Eliminierung von Regimegegnern. Schätzungen zufolge sind in Ägypten etwa 60.000 Menschen aus politischen Gründen eingesperrt; manche von ihnen tauchen erst tot und mit Folterwunden übersät wieder auf.

In vieler Hinsicht ist das al-Sisi Regime repressiver als die Militärjunta in Myanmar, die von Österreich zum Rückzug aus der Politik aufgefordert wurde. In Aleksander Lukaschenkos Belarus ist die Unterdrückung von Demokratieaktivist_innen und Regimegegner_innen zwar allgegenwärtig, aber die Zahl der Todesopfer ist nicht mit der in Ägypten zu vergleichen. Ägypten stellt eines der brutalsten und repressivsten Regime der gegenwärtigen Welt dar. 

Im Widerspruch zu Österreichs Engagement für Frieden und Demokratie und zu den klaren Stellungnahmen der Bundesregierung und des Außenministers zu Belarus, Myanmar und auch Hongkong und Xinjiang genießen al-Sisi und seine Erfüllungsgehilfen aber ein gutes Ansehen unter der österreichischen Regierungsspitze. Und das, obwohl in Ägypten im Unterschied zu den vorgenannten Staaten auch europäische Staatsbürger und Menschen mit Österreichbezug zu den Regimeopfern zählen. Der schlimmste Fall ist wohl der des italienischen Studenten Giulio Regeni, der in Ägypten zu Tode gefoltert wurde. Ägypten verwehrte sogar eine ernsthafte Mithilfe an der Untersuchung des Verbrechens. Nun wurde ein in Österreich studierender Ägypter bei einem Familienbesuch verhaftet und laut seinem Anwalt bei Verhören misshandelt. Ahmad Samir Santawy studiert an der Central European University, deren Rektor und ehemalige kanadische Politiker Michael Ignatieff bereits festgestellt hat, dass akademische Kooperation mit Ägypten unter diesen Bedingungen unmöglich sei.

Zwei weitere im Ausland studierende Ägypter wurden festgenommen: Der Doktorand Walid al-Shobaky von der Universität Washington und der in Italien studierende Patrick George Zaki, der bereits im Februar 2020 direkt bei seiner Ankunft auf dem Flughafen in Kairo verhaftet wurde. 

Aus Regierungskreisen hat sich bislang nur die Grüne Abgeordnete Ewa Ernst-Dziedzic öffentlich für die Freilassung des in Österreich studierenden Santawy geäußert. Nationalratspräsident Wolfgang Sobotka meinte hingegen, „Ägypten ist keine Demokratie nach westlichem Zuschnitt. Wir haben das Recht, die Dinge anzusprechen, aber nicht, ein moralisches Urteil zu fällen.“ Dieser Satz würde auch auf Myanmar, China, Russland und Belarus zutreffen. Er scheint auch nicht den offiziellen Aussagen Österreichs über die Verteidigung international anerkannter Menschenrechte zu entsprechen.

Der Außen- und Europapolitische Bericht 2019, der die Einschätzungen des BMEIA zur Situation in einem Land widerspiegeln sollte, stellt lapidar fest, dass 89% der Bevölkerung für eine Verfassungsänderung gestimmt haben (nichts zur Freiheit von Wahlen, Zugang zu freier Information oder Druck auf Gegner der Regierungsposition), dass Ägypten die Todesstrafe weiterhin anwendet (keine Information, wie sie als politisches Mittel verwendet wird), und dass der Nuclear Test Ban Treaty noch nicht unterzeichnet wurde.

Österreich bleibt wirtschaftlich stark mit Ägypten verbunden. Kritische Worte am Regime sind selten. Das Hauptaugenmerk ist auf Stabilität und die Verhinderung von Flüchtlingsströmen gerichtet. Es ist klar, dass die Unterstützung einer in der Bevölkerung verhassten Diktatur, die sich nur mit Terror und Gewalt an der Macht halten kann, Instabilität wie im Dampfkessel aufbaut und eines Tages zur Explosion führt. Dann sind die Auswirkungen auf Stabilität, menschliches Leid und folglich Flucht exponentiell schlimmer. Die Unterstützung al-Sisis repräsentiert ein Hinausschieben des Problems, keine Lösung. 

Die Bundesregierung muss die Situation in Ägypten genauso ernst nehmen wie die in Belarus oder Russland. In Ägypten gibt es jede Menge Nawalnys – sie sterben eben nicht durch Nervengift, sondern ganz altmodisch durch Tritte und Schläge in den Folterkellern der Diktatur.

Die unterfertigten Abgeordneten stellen daher folgenden

ENTSCHLIESSUNGSANTRAG


Der Nationalrat wolle beschließen:

"Die Bundesregierung, insbesondere der Bundesminister für europäische und internationale Angelegenheiten, wird aufgefordert, die Verletzung von demokratischen Normen und Menschenrechten in Ägypten ebenso ernst zu nehmen, wie in Belarus und Myanmar, wo Österreich die gegenwärtigen Regime aufgrund der schwerwiegenden Verletzungen dieser Rechte und Normen nicht anerkennt. Die Bundesregierung wird aufgefordert, die Beziehungen zum Regime in Ägypten auf allen Ebenen – politisch, wirtschaftlich, kulturell, akademisch – zu evaluieren und Menschenrechte und Demokratie in allen als grundlegend einzustufen. Infolge dieser Neuevaluierung möge der Bundesminister für europäische und internationale Beziehungen dem Parlament ehestmöglich einen Bericht über die Menschenrechtssituation und die Lage der Demokratie in Ägypten vorlegen."

 

In formeller Hinsicht wird die Zuweisung an den Außenpolitischen Ausschuss vorgeschlagen.