1321/A(E) XXVII. GP
Eingebracht am 24.02.2021
Dieser Text wurde elektronisch übermittelt. Abweichungen vom Original sind
möglich.
ENTSCHLIESSUNGSANTRAG
der Abgeordneten Dr. Stephanie Krisper, Ing. Reinhold Einwallner, Dr. Harald Stefan, Kolleginnen und Kollegen
betreffend Notwendige gesetzliche Anpassungen zur Stärkung der österreichischen Spionageabwehr
Im vergangenen Jahr sorgte der Fall des ehemaligen Bundesheeroffiziers, der zumindest 25 Jahre lang Staats- und militärische Geheimnisse dem russischen Militärgeheimdienst preisgegeben und dafür rund 280.000 Euro kassiert haben soll, für öffentliches Aufsehen. Der ehemalige Oberst hat von 1992 bis Ende September 2018 geheime Informationen über das Österreichische Bundesheer weitergegeben. Jüngste Medienberichte enthüllten, dass ein BVT-Beamter Geheimnisse ans Ausland und an Politiker verkauft haben soll. Diese Fälle zeigen in besorgniserregender Weise auf, dass Österreich als neutraler Staat nicht vor Spionageaktivitäten in seinem Hoheitsbereich gefeit ist.
Spionagebedrohungen sind jedoch nicht auf staatliche Akteure beschränkt. Wirtschafts- und Industriespionage stellen ebenso gesetzlich strafbare Handlungen dar, welche geeignet sind, die wirtschaftliche Leistungsfähigkeit Österreichs erheblich zu beeinträchtigen. Neben dem finanziellen Schaden für die österreichische Volkswirtschaft geht damit auch ein Reputationsverlust des Wirtschaftsstandortes Österreich einher.
Der Tatbestand des § 256 StGB, welcher das Einrichten, Betreiben oder Unterstützen geheimer Nachrichtendienste zum „Nachteil“ Österreichs unter Strafe stellt, wird mitunter divergierend ausgelegt, sodass eine einheitliche Strafverfolgung erschwert ist. Ferner liegt im Rahmen der Aufgabenbesorgung des Verfassungsschutzes die erforderliche Anknüpfung an einen „Nachteil“ für die Republik Österreich nicht vor, wenn „fremde“ nachrichtendienstliche Tätigkeiten nicht spezifisch auf einen Nachteil Österreichs ausgerichtet sind. Daneben ist es aufgrund der strafrechtsakzessorischen Aufgabenkonzeption des PStSG für eine seriöse Abwehr von (Wirtschafts-) Spionage nötig, den Verfassungsschutz nicht auf die Abwehr der unmittelbar bevorstehenden konkreten Straftat bzw. auf deren verspätete Aufklärung auszurichten, sondern auch die frühzeitige Erkennung und Vorbeugung von (Wirtschafts-) Spionage auszubauen.
Entsprechend der höchstgerichtlichen Judikatur wird ein Nachrichtendienst zum „Nachteil“ Österreichs betrieben, wenn die Tat objektiv geeignet ist, den Staat in vitalen Interessen zu beeinträchtigen (OGH 06.06.1979, 10 Os 199/78). Ein konkreter Nachteil ieS muss nicht eingetreten sein. Um die Rechtsprechung des OGH auch im Gesetzestext widerzuspiegeln und klarzustellen, dass bereits die „Beeinträchtigung grundlegender Interessen der Republik Österreich“ einen Nachteil darstellt, wird vorgeschlagen, dass diese Formulierung Eingang in § 256 StGB findet.
Ferner braucht es eine derartige inhaltlich-sprachliche Anpassung, die der Klarstellung dient, dass § 256 StGB auch erfüllt sein kann, wenn sich die nachrichtendienstliche Tätigkeit nicht direkt gegen die Republik Österreich, sondern etwa gegen Organe, Einrichtungen oder sonstige Stellen der Europäischen Union richtet und dadurch ein Anknüpfungspunkt an österreichische Interessen gegeben ist. Österreich ist als Mitglied der EU zur unmittelbaren Anwendung bzw. Umsetzung von Unionsrechtsakten verpflichtet und auch auf sonstige Weise an diese gebunden (Beschlüsse, Empfehlungen, Stellungnahmen). Daraus sowie aus dem Umstand, dass in den EU-Institutionen österreichische Vertreter mitwirken, ist erkennbar, dass die Interessen Österreichs mit jenen der EU untrennbar verbunden sind. Es läge daher nicht zuletzt im politischen und wirtschaftlichen Interesse der Republik Österreich, auch die Mitgliedstaaten vor nachrichtendienstlicher Tätigkeit auf österreichischem Hoheitsgebiet zu schützen. So könnten auch durch in Österreich stattfindende nachrichtendienstliche Tätigkeiten gegen Mitgliedstaaten die Interessen Österreichs im entsprechenden Maße beeinträchtigen und im Einzelfall den Tatbestand des § 256 StGB erfüllen.
Zudem erscheint der Strafrahmen des § 256 nicht nur im Vergleich mit den sonstigen Straftatbeständen des 16. Abschnitts des StGB und im Verhältnis zum Unrechtsgehalt der Tat, sondern auch im internationalen Vergleich als sehr gering. So bedroht etwa Deutschland eine geheimdienstliche Agententätigkeit gemäß § 99 dStGB bereits im Grundtatbestand mit einer Freiheitsstrafe bis zu fünf Jahren, im Erschwerungsfall mit einer Freiheitsstrafe von einem bis zu zehn Jahren. Die österreichische Rechtslage kennt hingegen keine solche Differenzierung. Um Österreich für geheime Nachrichtendienste unattraktiv zu machen, bedürfte es daher einer empfindlichen Anhebung der Strafdrohung. Eine höhere Strafdrohung würde auch eine längere Verjährungsfrist (§ 57 Abs. 3 StGB) bewirken. Dies würde eine adäquate Strafverfolgung ermöglichen, zumal die zuständigen Stellen oft erst spät – zurzeit mitunter zu spät – Kenntnis von einem strafbaren Verhalten nach § 256 StGB erhalten. Aufgrund der geltenden kurzen Verjährungsfrist von drei Jahren ist den Behörden schon des Öfteren die Strafverfolgung erschwert gewesen. Durch eine Erhöhung des Strafrahmens wäre künftig auch eine angemessene Zeit zur Verfolgung solcher im Geheimen agierenden Straftäter, die eine wesentliche Schädigung Österreichs bewirken können, sichergestellt.
Ferner erschwert die strafrechtsakzessorische Konzeption der erweiterten Gefahrenerforschung gemäß § 6 Abs. 1 Z 1 PStSG sowie die für die Aufgabenerfüllung notwendige Einschätzung, dass es „zu mit schwerer Gefahr für die öffentliche Sicherheit verbundener Kriminalität […] kommt“, die frühzeitige Erkennung und Vorbeugung der (Wirtschafts-) Spionage erheblich. Die erforderliche Gefahrenprognose hinsichtlich der schweren Gefahr erfordert, dass für die Aufgabenerfüllung mit einem Verbrechen iSd § 17 StGB (Freiheitsstrafe von mehr als drei Jahren) zu rechnen ist. Die Anpassung des Strafrahmens würde die erweiterte Gefahrenerforschung zur Bekämpfung und Vorbeugung des Phänomens der (Wirtschafts-) Spionage überhaupt erst ermöglichen.
Eine Anpassung der Bestimmung dahingehend, dass bereits eine Beeinträchtigung von grundlegenden Interessen der Republik Österreich strafbar ist, sowie eine angemessene Erhöhung des Strafrahmens würde eine effektive Prävention, Abwehr und Verfolgung von Spionageaktivitäten in Österreich durch die Sicherheits- und Strafverfolgungsbehörden gewährleisten.
Die unterfertigten Abgeordneten stellen daher folgenden
Der Nationalrat wolle beschließen:
"Die Bundesregierung, insbesondere die Bundesministerin für Justiz, wird aufgefordert, dem Nationalrat ehestbald einen Gesetzesentwurf zuzuleiten, mit dem
1. der Tatbestand des § 256 StGB im Sinne „Beeinträchtigung grundlegender Interessen der Republik Österreich“ erweitert wird sowie
2. das Strafmaß des § 256 StGB auf ein dem Unrechtsgehalt der Tat angemessenes Maß angehoben wird, um eine effektive Prävention, Abwehr und Verfolgung von Spionageaktivitäten in Österreich durch die Sicherheits- und Strafverfolgungsbehörden zu gewährleisten."
In formeller Hinsicht wird die Zuweisung an den Justizausschuss vorgeschlagen.