1421/A(E) XXVII. GP
Eingebracht am 24.03.2021
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ENTSCHLIESSUNGSANTRAG
der Abgeordneten Yannick Shetty, Helmut Brandstätter, Kolleginnen und Kollegen
betreffend Vergaberichtlinien für die Zukunft: Keine internationalen Sportgroßveranstaltung ohne Menschenrechtsstandards
Sportgroßveranstaltungen ohne Politik, aber nicht ohne Menschenrechte
Die Austragung einer Sportgroßveranstaltung stellt für jeden Gastgeber die einzigartige Gelegenheit dar, der gesamten Weltgemeinschaft die Vorzüge des eigenen Landes zu präsentieren. Nicht selten wurde dies über die Jahrzehnte hinweg auch dazu genutzt, politische Botschaften zu senden oder die Legitimität des Regimes im In- und Ausland zu stärken. In jedem Fall besteht weitgehende Einigkeit darüber, dass Sportgroßveranstaltungen nicht als politische Bühne und Sportler_innen nicht als Botschafter_innen eines Gesellschaftssystems missbraucht werden sollten. Sportler_innen sollten die Möglichkeit bekommen, frei von politischen Botschaften an einem fairen Wettbewerb teilnehmen zu können. Nichts als sportliches Geschick sollte dabei im Fokus stehen. Das alles gilt aber vor allem rund um die konkrete Abhaltung der einzelnen Bewerbe. Die Ausrichtung von Sportgroßereignissen kann nicht als Blankoscheck genutzt werden, um berechtigte Kritik über gravierende Menschenrechtsverstöße in einem Gastgeberland in Bezug auf Vorbereitungsarbeiten oder Umstände abseits des sportlichen Geschehens pauschal beiseite zu räumen. Menschenrechte und deren universelle Geltung sind eine der größten Errungenschaften liberaler Demokratien und haben durch die Allgemeine Erklärung der Menschenrechte der Vereinten Nationen darüber hinaus Bedeutung für die gesamte Weltbevölkerung. Diese Grundsäule unserer Gesellschaft muss somit auch im Sport entsprechende Berücksichtigung finden.
Der Spagat grundlegender Prinzipien und die jüngsten Fälle problematischer Vergaben
Vergaben an Gastgeberländer, gegen die schwere Anschuldigungen in Bezug auf die Verletzung von Menschenrechten erhoben werden, bringen nicht nur Regierungen unter Druck, die politische Unabhängigkeit des Sports mit den von ihnen zu garantierenden Grundwerten im Einklang zu setzen. Es stellt auch eine schwere Belastung für junge Athlet_innen dar, die zwischen ihren sportlichen Lebenszielen und ihrer moralischen Einstellung hin und hergerissen werden. Die Liste solcher zweifelhaften Vergaben ist lang und mit zwei bevorstehenden Veranstaltungen hoch aktuell. Gegen die Organisator_innen der Fußball-Weltmeisterschaft der Männer 2022 in Katar werden schwere Vorwürfe erhoben. Die britische Zeitung The Guardian zeichnete in ihrem jüngsten Artikel dazu ein düsteres Bild. Seit Vergabe starben über 6.500 Menschen bei der Umsetzung der ehrgeizigen Pläne des Golfemirats. Von Anfang an berichteten internationale Medien über sklavenähnliche Beschäftigungszustände - der neueste Bericht bestätigt die anhaltend katastrophalen Arbeitsbedingungen, die dort vorherrschen. In einer Anfrage an Sportminister Kogler forderten NEOS daher die Einrichtung einer international besetzten Menschenrechtskommission zur Untersuchung der erhobenen schweren Vorwürfe und fragten des Weiteren nach den geplanten Konsequenzen vonseiten der Bundesregierung.
Auch Russland bedient sich internationaler Sportveranstaltungen in Zeiten massiver Verletzungen internationalen Rechts. Die Fußball-Weltmeisterschaft 2018 fand zu einer Zeit statt, als Russland wider allen Völkerrechts den Anschluss der Halbinsel Krim an Russland vollendet hatte und in der Ostukraine Rebellen militärisch unterstützte. Trotz internationaler Verurteilung durfte Kriegsherr Vladimir Putin sich im internationale Scheinwerferlicht als erfolgreicher Veranstalter eines der größten Sportevents produzieren – zweifellos zu großem Vorteil für sein politisches Prestige.
Ein weiteres Beispiel sind die Olympischen Winterspiele in Beijing 2022. Das chinesische Regime nutzt Großveranstaltungen dieser Art zur Legitimierung seines Machtanspruchs im Inland und zur Festigung hegemonischer Ansprüche in seinen internationalen Beziehungen. Die Vergabe von Großveranstaltungen trotz gleichzeitiger internationaler Kritik, wie zum Beispiel der Internierung großer Teile einer ganzen Bevölkerungsgruppe, der Uiguren, oder der Verletzung von internationalen Verpflichtungen in Hinblick auf die Autonomie von Hongkong, zeigt Nachbarstaaten, dass die Internationale Gemeinschaft keinerlei Einfluss hat (oder sucht) und dass daher Pekings regionale Vorherrschaft besser akzeptiert werden sollte. Viele Nachbarstaaten, zum Beispiel jene mit legitimen Ansprüchen im Südchinesischen Meer, blicken zur Internationalen Gemeinschaft um Unterstützung und sehen in Bildern, in denen die chinesische Führung unter Applaus des Westens (trotz lauter Kritik an Pekings Verhalten) Olympische Spiele eröffnet, einen deutlichen, unangefochtenen Anspruch auf regionale Hegemonie. Das regelbasierende internationale System, wie im Südchinesischen Meer das Urteil des Internationalen Seegerichts, dem sich Peking diskussionslos widersetzt, wird durch solche Bilder geschwächt. Die Bilder solcher Veranstaltungen zeigen der Welt: Might is right.
Vergaberichtlinien für die Zukunft.
Zwar werden von den internationalen Verbänden neuerdings kleine Reformschritte gesetzt, wie durch die FIFA Reform 2016 oder das ganz aktuelle Reformprogramm des IOC vom 12.3.2021, jedoch bleiben konkrete Vergabevorgaben noch außer Reichweite. Verantwortliche in Sportorganisationen verweisen immer wieder auf die begrenzten Einflussmöglichkeiten. Man könne nicht das lösen, was sämtliche internationale politische Gremien nicht zustande bringen, sagt der gerade als IOC-Präsident wiedergewählte Thomas Bach abwehrend in Bezug auf Menschenrechtsverletzungen in Gastgeberländern.1 Auch wenn es stimmt, dass keine überzogenen Erwartungen an internationale Sportorganisationen gestellt werden dürfen, sollten diese ihren Einfluss sowie die legitimierende Wirkung ihrer Zusagen nicht unterschätzen. Durch größtmögliche Transparenz in der Entscheidungsfindung allein könnte ein großer Beitrag in der Verhinderung von Korruption und daraus begünstigten Entscheidungen für gewisse Bewerber vermieden werden. Ein Kriterienkatalog mit Minimalansprüchen zur Vergabe eines Großereignisses sollte von den verantwortlichen Organisationen schon verlangt werden. Gerade im Bereich international anerkannter Grundrechte, der Einhaltung internationaler Konventionen und Normen, und ökologischer oder arbeitsrechtlicher Aspekte bei der Vorbereitung und Abhaltung des Sportereignisses können internationale Verbände ihr Gewicht einsetzen und auf transparente Einhaltung gewisser Richtlinien bestehen. Die Bundesregierung, insbesondere Bundeskanzler Kurz, Sportminister Kogler und Außenminister Schallenberg, sollten daher international, aber besonders auf europäischer Ebene bei ihren Amtskolleg_innen darauf drängen, dass durch Zusammenschluss möglichst vieler demokratischer Staaten Druck auf internationale Sportverbände ausgeübt werde, damit gewisse Grundstandards in Vergaberichtlinien gegossen werden und für deren Einhaltung gesorgt wird.
Österreich bezeichnet sich gerne als Vorreiter in Menschenrechtsfragen. Aber während die Regierungsparteien im Außenpolitischen Ausschuss (16.3.2021) einen Antrag auf Entzug der Winterspiele in Peking ablehnen, nimmt in Norwegen die Bewegung eines Boykotts gegen die WM in Katar Fahrt auf. Das Argument: Menschenleben müssen einen höheren Stellenwert haben als Prestigeveranstaltungen. Und in Katar geht es nicht um Masseninternierungen, Zwangssterilisation und -Abtreibungen, noch um Verbrechen, die bereits als Genozid bezeichnet oder mit einem verglichen werden.
1 https://www.welt.de/newsticker/dpa_nt/infoline_nt/sport_nt/article228182945/IOC-stimmt-fuer-Bachs-neues-Reformprogramm-Agenda-2020-5.html
Die unterfertigten Abgeordneten stellen daher folgenden
Der Nationalrat wolle
beschließen:
"Die Bundesregierung, insbesondere Bundeskanzler, der Bundesminister für Kunst, Kultur, öffentlichen Dienst und Sport und der Bundesminister für europäische und internationale Angelegenheiten, wird aufgefordert, sich international und insbesondere auf europäischer Ebene dafür einzusetzen, dass möglichst strenge Vergaberichtlinien in den internationalen Sportorganisationen erlassen werden und eine Vergabe von Sportgroßveranstaltungen an Gastgeberländer, die unter begründetem Verdacht weitgehender Missachtung von Menschenrechtsstandards stehen, nicht mehr möglich ist."
In formeller Hinsicht wird die Zuweisung an den Sportausschuss vorgeschlagen.