1447/A(E) XXVII. GP

Eingebracht am 25.03.2021
Dieser Text wurde elektronisch übermittelt. Abweichungen vom Original sind möglich.

Entschließungsantrag

 

der Abgeordneten Petra Bayr , MA MLS

und GenossInnen

 

betreffend Anpassung der Arbeitsbedingungen für Gerichtsdolmetscher*innen an COVID-19-Pandemie, Verbesserung der Qualitätsstandards und Anhebung der Gebühren

 

Die Aufgabe von Gerichtsdolmetscher*innen erfordert höchste Konzentration während der gesamten Verhandlungsdauer. Eine Pause nach 90 Minuten bei Konsekutiv-Dolmetschungen während Verhandlungen beziehungsweise Einvernahmen wird leider zumeist nicht eingehalten. Dieser Umstand wird nun durch die Pandemie erschwert, da mit Maske gedolmetscht wird.

 

Gemäß Gebührenanspruch-Gesetz (GebAG) § 54 Abs 1 Z3 beträgt die „Gebühr für Dolmetscherinnen und Dolmetscher für die Zuziehung zu einer Vernehmung oder gerichtlichen Verhandlung für die erste, wenn auch nur begonnene halbe Stunde € 24,50, für jede weitere, wenn auch nur begonnene halbe Stunde € 12,40; handelt es sich um eine besonders schwierige Dolmetschtätigkeit, so erhöhen sich diese Beträge auf € 30,70 beziehungsweise € 15,40. Solange aufgrund der COVID-19-Pandemie Verhandlungen beziehungsweise Vernehmungen mit Maske abgehalten werden müssen, stehen den Gerichtsdolmetscher*innen die erhöhten Gebühren von € 30,70 für die erste begonnene und € 15,40 für jede weitere begonnene halbe Stunde zu. So gut wie alle Gerichtsdolmetscher*innen sind Ein-Personen-Unternehmen, die von ihren Honoraren alle unternehmerischen Ausgaben decken müssen.

 

Gerichtsdolmetscher*innen müssen ihre Honorarnoten binnen 2 Wochen stellen, sonst verfällt ihr Anspruch. Im Gegensatz dazu, können sich die auszahlenden Stellen jahrelang mit der Überweisung Zeit lassen.

 

Nach Addition der einzelnen Gebührenbestandteile gemäß GebAG ergeben sich fast immer Beträge mit Cent-Beträgen. Gemäß § 39 GebAG (2), welcher bei Gericht angewandt wird, sind „Beträge auf volle Euro abzurunden“, gemäß § 53 a Abs. 2 AVG (Allgemeines Verwaltungsverfahrensgesetz1991), der bei polizeilichen Vernehmungen angewandt wird, sind „Gebührenbeträge auf volle 10 Cent aufzurunden“.

 

Ausgenommen vom 1. Lockdown im März 2020 waren und sind Gerichtsdolmetscher*innen durchgehend im Einsatz. Somit sind sie offensichtlich systemrelevant. Wenn ein*e Gerichtsdolmetscher*in bei einer Verhandlung oder Vernehmung nicht erscheint, kann diese nicht durchgeführt werden.

 

Richterinnen und Richter sind sehr bemüht, Verhandlungssäle zu organisieren, die groß genug sind, um Sicherheitsabstände einzuhalten. Allerdings ist es nicht immer möglich, tatsächlich zwei Meter Abstand zur nächsten Person zu halten.

 

Vor allem betagtere Gerichtsdolmetscher*innen verzichten auf Verhandlungen und somit auf Umsätze, um sich keinem Gesundheitsrisiko auszusetzen. Das Durchschnittsalter der Gerichtsdolmetscher*innen beträgt 60 Jahre.

 

Ein*e Gerichtsdolmetscher*in ist an einem Tag in mehreren Gerichtsverhandlungen an unterschiedlichen Gerichten, oft in mehreren Bundesländern im Einsatz – somit hält sich ein*e Gerichtsdolmetscher*in an einem Tag in unterschiedlichen Konstellationen mit diversen Menschen in einem Raum auf.

 

Beim Eingang zu den Gerichtsgebäuden gibt es lediglich eine Fiebermessung, die allerdings nicht aussagekräftig ist, da, wenn man bei Wintertemperaturen ins Gebäude hineingeht und unmittelbar danach einer Fiebermessung unterzogen wird, diese nie über normaler Körpertemperatur anzeigt, oftmals sogar nur 32/33 Grad. Viele Gerichtsdolmetscher*innen lassen sich verantwortungsbewusst und eigeninitiativ regelmäßig testen.

 

Gemäß Artikel 6 (3) e der EMRK hat jede angeklagte Person das Recht, „die unentgeltliche Beiziehung eines Dolmetschers zu verlangen, wenn der Angeklagte die Verhandlungssprache des Gerichts nicht versteht oder spricht.“

 

Es geht bei Gerichtsverhandlungen so gut wie immer um Existenzen, egal ob ein Delikt mit Geld- oder Haftstrafen bedroht ist. Die Dolmetschung muss gewissenhaft, vollständig und korrekt durchgeführt werden.

 

Es ist fahrlässig und eines Rechtsstaates unwürdig, Menschen Dolmetschungen durchführen zu lassen, die weder einschlägige Kompetenz noch Erfahrung haben. Zweisprachig aufgewachsen zu sein oder anzugeben, eine bestimmte Sprache sprechen zu können, ist keine Qualifikation, um den Beruf eines Dolmetschers oder einer Dolmetscherin ausüben zu können. Weiters sind soft skills, wie Präzision und Konzentrationsfähigkeit und Verhaltensregeln wie Objektivität, Verschwiegenheitspflicht und Distanziertheit zu allen Beteiligten, wesentliche Kompetenzen von zertifizierten Gerichtsdolmetscher*innen.

 

Gerichtsdolmetscher*innen verrechnen bei jedem Strafverfahren und bei jedem Verfahren, in dem Verfahrenshilfe gewährt wurde, gemäß GebAG. Das trifft bei ungefähr 90 % der Gebührennoten zu.

 

Die Gebühren für Dolmetscher im GebAG wurden seit 2007 nicht erhöht, auch nicht inflationsangepasst. Es gab hingegen eine Pauschalierung der Gebühr für „Rückübersetzungen“ mit € 20,-. Dies hat zur Folge, dass – aus Verständnis für die Unterbezahlung der Gerichtsdolmetscher*innen - oftmals angeboten wird, dass Niederschriften „zusammengefasst“ rückübersetzt werden sollen. Dies ist sehr bedenklich, da eine exakte Dolmetschung der Niederschrift unumgänglich ist, denn die vernommene Person hat das Recht auf Änderung bzw. Ergänzung und unterschreibt im Anschluss dieses Protokoll.

 

Die Dolmetschung ist ein Menschenrecht, es braucht Kompetenz, Qualifikation und Erfahrung, hohe Mobilität und geistige Flexibilität.

 

Die Dolmetschleistung ist somit eine fordernde, anspruchsvolle und vor allem verantwortungsvolle Aufgabe und essenzieller Baustein im Justizsystem, die auch dementsprechend abgegolten werden muss.

 

Auch der Rechnungshof geht in seinem Bericht „Dolmetsch– und Übersetzungsleistungen im Innenministerium und Justizministerium“ (2020) auf die Notwendigkeit einer Verbesserung der Arbeitsbedingungen von Gerichtsdolmetscher*innen ein.

 

 

 

Die unterzeichneten Abgeordneten stellen daher folgenden

 

 

Entschließungsantrag:

 

 

Der Nationalrat wolle beschließen:

 

Die Bundesregierung, insbesondere die Bundesministerin für Justiz, wird              aufgefordert, dem Nationalrat einen Gesetzesentwurf vorzulegen, der folgende Eckpunkte beinhaltet:

 

1.         Eine fünfzehnminütige Pause bei Verhandlungen (Gericht) beziehungsweise bei Vernehmungen (Polizei) nach 90 Minuten.

 

2.         Solange aufgrund der COVID-19 Pandemie Verhandlungen beziehungsweise Vernehmungen mit Maske abgehalten werden, stehen Gerichtsdolmetscher*innen die erhöhten Gebühren von € 30,70 für die erste begonnene und € 15,40 für jede weitere begonnene halbe Stunde zu.

 

3.         Gebührenbeträge, die nach GebAG kalkuliert wurden, werden auf ganze Euro aufgerundet. (zB € 89,78 werden auf € 90,00 aufgerundet)

 

4.         Gerichtsdolmetscher*innen sollen als systemrelevante Berufsgruppe im Nationalen Impfplan priorisiert berücksichtigt und so rasch wie möglich geimpft werden.

 

5.         Nur Personen, die allgemein beeidet und gerichtlich zertifiziert sind, dürfen an Verhandlungen bei Gericht oder Vernehmungen bei der Polizei hinzugezogen werden.

 

6.         Wenn aus Dolmetschermangel vorläufig noch nicht ausgebildete und zertifizierte Gerichtsdolmetscher*innen beauftragt werden, müssen diese adhoc-beeidet werden und die adhoc-Beeidigung muss protokolliert werden.

 

7.          Die Gebühren der Gerichtsdolmetscher*innen, geregelt im GebAG, sollen wie folgt erhöht werden:

 

·      bei Teilnahme an Verhandlungen/Vernehmungen auf mindestens € 50,- pro angefangener Stunde, jede weitere halbe Stunde auf € 25,-, jeweils netto.

 

·      Die Bestimmung zur Pauschalierung von Rückübersetzung möge aufgehoben werden, so dass in Zukunft die Rückübersetzungen wieder pro Seite verrechnet werden können.

 

·      Eine jährliche Indexanpassung rückwirkend ab 1.1.2008

 

8.    Die Festlegung einer Frist für die Auszahlung von gestellten Honorarnoten   auf drei Monate.

 

 

 

 

Zuweisungsvorschlag: Justizausschuss