1456/A(E) XXVII. GP

Eingebracht am 25.03.2021
Dieser Text wurde elektronisch übermittelt. Abweichungen vom Original sind möglich.

Entschließungsantrag

 

der Abgeordneten Julia Herr,

Genossinnen und Genossen

 

betreffend Ausstieg aus dem Energiecharta-Vertrag

 

Auf dem Weg in die Klimaneutralität sind tiefgreifende Veränderungen notwendig, insbesondere auch im Energiesektor. Das Verbrennen fossiler Energieträger zur Strom- und Wärmegewinnung treibt die CO2-Konzentration in der Atmosphäre immer weiter nach oben und heizt so die Klimakrise immer weiter an. Zugleich ist Atomstrom keine Alternative dazu, sondern selbst eine Gefahr für unsere Zukunft. Die Zukunft liegt in erneuerbaren Energieträgern, die künftig unseren Strom-, Wärme- und Mobilitätsbedarf decken werden. Damit das gelingt, ist noch viel zu tun.

 

Doch genau diese notwendigen Handlungen werden aktuell durch den Energiecharta-Vertrag gehemmt, der 1998 in Kraft trat. Insgesamt sind ihm 51 Länder beigetreten. Eines davon ist Österreich. Während zentrale Aspekte des Energiecharta-Vertrages längst auch von anderen Handelsabkommen abgedeckt werden, bringt ein Teil des Energiecharta-Vertrags bis heute schwerwiegende Folgen: Sonderklagsrechte für Konzerne samt privaten Schiedsgerichten.

 

Der überwiegende Anteil der internationalen Fälle, wo Konzerne Staaten verklagen, findet im Energiesektor statt. Dabei geht es meist um Fälle, wo Staaten Umweltschutzauflagen verstärkten und Konzerne auf entgangene Profite und verlorene Investitionen klagen. Die Folgen sind für den Umwelt- und Klimaschutz fatal: Entweder Regierungen schrecken vor höheren Umwelt- und Klimaschutzstandards gänzlich zurück oder müssen diese, wenn Konzerne gewinnen, zurücknehmen oder hohe Strafzahlungen leisten.

 

Das aktuellste Beispiel dafür ist der Plan der niederländischen Regierung den Kohleausstieg einzuleiten, woraufhin der Energiekonzern RWE eine Milliardenklage startete. Der Energiekonzern Vattenfall wiederum verklagte die Bundesrepublik Deutschland ebenfalls auf Milliardenbeträge, weil die Atomkraftwerke stillgelegt werden sollen.

 

Insgesamt bedeutet das: Wenn alle durch den Energiecharta-Vertrag bisher gedeckten und geschützten Investitionen wie von den Konzernen geplant weiterlaufen, stoßen sie noch unvorstellbare 57 Gigatonnen CO2 aus.[1] Das ist mehr als das doppelte der gesamten CO2-Emissionen, die die EU noch ausstoßen darf, wenn sie das 1,5-Grad-Ziel einhalten will. Läuft der Energiecharta-Vertrag unverändert weiter, können durch weitere Investitionen die von ihm geschützten Emissionen bis 2050 auf 148 Gigatonnen CO2 ansteigen. Der Energiecharta-Vertrag steht damit den Klimaschutz-Zielen diametral entgegen.

 

Auch die finanziellen Beträge, um die es in Summe geht, sind enorm: Laut Investigate Europe[2] beläuft sich das Potenzial möglicher Investoren-Klagen allein in der EU, Großbritannien und der Schweiz auf 344,6 Milliarden Euro. Klagen auf entgangenen Gewinn, wie dies durch den Energiecharta-Vertrag möglich ist, sind in dieser Summe noch gar nicht inbegriffen. Zum Vergleich: 344,6 Milliarden Euro sind mehr als ein Drittel der für den Green Deal der Europäischen Union veranschlagten einen Billion Euro! Für Österreich ermittelte Investigate Europe ein Klage-Potenzial von 5,39 Milliarden Euro. Das sind 605 Euro pro Einwohnerin und Einwohner. Diese Beträge unterlaufen jede Bemühung ausreichend finanzielle Mittel für den Klimaschutz aufzustellen!

 

Eine Reform des Energiecharta-Vertrags steht im Raum, doch die Chancen auf echte Fortschritte im Sinne des Klimaschutzes und ein Ende für Sonderklagsrechte für Konzerne sind gering. Daher muss der Weg eines Ausstiegs aus dem Energiecharta-Vertrag gewählt werden, wie dies mittlerweile auch knapp 500 Energie- und KlimaschutzexpertInnen aus der EU forderten. Dass dies ein gangbarer Weg ist, zeigt Italien, welches bereits 2016 ausgeschieden ist. Der einzige Wermutstropfen eines einseitigen Austritts ist die Sunset Clause. Diese erlaubt es Konzernen auch bei einem Austritt noch für 20 weitere Jahre zu klagen, sofern die Investitionen vor dem Austritt getätigt wurden. Dies kann verhindert werden, in dem mehrere Staaten, beispielsweise alle EU-Mitgliedsländer, austreten und gegenseitig Abkommen schließen, die die Sunset Clause beenden.

 

Doch selbst wenn andere Staaten nicht zu diesem Schritt bereit sind, darf Österreich nicht warten, denn die Klimakrise ist eine wachsende Gefahr. Wenn wir nicht rasch handeln, werden die Folgen immer spürbarer und tödlicher werden. Entschlossenes Handeln ist daher notwendig und darf nicht durch die Profitinteressen von Konzernen gestoppt werden. Während Konzerne allein ihrem kurzfristigen Profit folgen, geht es um die langfristige Zukunft von uns allen!

 

Die unterfertigten Abgeordneten stellen daher folgenden

 

Entschließungsantrag

 

Der Nationalrat wolle beschließen:

 

Die Bundesregierung wird aufgefordert,

1.    den Ausstieg Österreichs aus dem Energiecharta-Vertrag durchzuführen

2.    und sich innerhalb der Europäischen Union sowie bei allen weiteren Mitgliedsstaaten des Energiecharta-Vertrages für einen Ausstieg möglichst vieler Staaten einzusetzen und anschließend ein Abkommen zur Beendigung der Sunset Clause zwischen diesen Staaten zu vereinbaren.

 

 

 

 

 

 

 

Zuweisungsvorschlag: Umweltausschuss



[1] https://www.openexp.eu/sites/default/files/publication/files/ect_rapport-numerique_0.pdf (16.3.2021)

[2] https://www.investigate-europe.eu/de/2021/energiecharta-vertrag-daten/ (16.3.2021)