1469/A(E) XXVII. GP
Eingebracht am 26.03.2021
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Entschliessungsantrag
der Abgeordneten Petra Bayr, MA MLS
und GenossInnen
betreffend Stärkung der Istanbul Konvention
In den frühen Morgenstunden des 20. März 2021 hat Präsident Erdogan versucht umzusetzen, was schon lange geplant war: den Ausstieg seines Landes aus der Istanbul Konvention. Per präsidentiellem Dekret versucht er, den zugrundeliegenden Parlamentsbeschluss, die Istanbul Konvention zu ratifizieren, außer Kraft zu setzen. Dies ist nicht nur demokratiepolitisch höchst bedenklich, sondern vor allem zum Schaden der Frauen, die in der Türkei leben: allein bis zum 20. März 2021 sind im heurigen Jahr über 70 Femizide verübt worden. Gerichte gehen oft sehr pfleglich mit den Tätern um, die zumeist aus dem sozialen Nahraum der Frauen kommen, ihre Männer, Verlobte, Brüder oder Väter sind. Sowohl aus der EU als auch aus dem Europarat kamen sofort scharfe Proteste gegen diesen rechtlich fragwürdigen Austritt im Wissen, dass dies die Situation von Frauen, die in der Türkei häuslicher und geschlechtsspezifischer Gewalt ausgesetzt sind, weiter verschlechtern wird. Diesen Verbalnoten müssen nun weitere politische und diplomatische Aktivitäten auf unterschiedlichen Ebenen folgen.
Polen hat ebenfalls seit langem angekündigt, aus der Konvention aussteigen zu wollen und setzt den konkreten Schritt für den 30. März 2021 in Aussicht, nicht ohne auch andere Mitgliedstaaten der EU dabei mitnehmen zu wollen. Es gibt schriftliche Aufforderungen zumindest an Kroatien, Slowenien, die Slowakei und die tschechische Republik, die Istanbul Konvention zu verlassen und einem noch auszuarbeitenden alternativen internationalen Vertrag beizutreten. Dieser soll von allen vorgesehenen Gleichstellungsmaßnahmen der Istanbul Konvention Abstand nehmen und nicht mehr auf das soziale Geschlecht, sondern nur auf das physische abstellen. Darüber hinaus soll die Autonomie der Familie gegenüber Behörden verankert sein, was im Zusammenspiel mit der auch geforderten freien Wahl der Erziehungsmethoden in der Familie nichts Gutes für die Rechte der Frauen und der Kinder erwarten lässt.
Immerhin 13 Mitgliedstaaten des Europarats haben die Istanbul Konvention bisher noch nicht ratifiziert, Aserbaidschan und Russland haben sie nicht einmal unterschrieben. Die Vorwände dies nicht zu tun, sind zumeist die gleichen und haben mit dem eigentlichen Inhalt der Istanbul Konvention des Europarats gar nichts zu tun. So wird etwa ins Treffen geführt, dass damit gleichgeschlechtliche Ehen und Homosexualität gefördert oder die Werte der Familie untergraben werden sollen.
Die Istanbul Konvention ist das modernste völkerrechtliche Instrument, das Frauen auf rechtlicher Ebene von Gewalt schützt. Als „Gewalt“ gilt laut Europarats-Abkommen nicht nur körperliche Gewalt, sondern auch geschlechtsspezifische Diskriminierung, Einschüchterung oder wirtschaftliche Ausbeutung. Die Konvernion legt fest, dass es für die Opfer Beratung und Unterstützung geben muss und die Täter strafrechtlich zu verfolgen sind. Auch die verfassungsrechtliche Gleichstellung der Geschlechter ist vorgesehen, ein Artikel, der dem türkischen Präsidenten Erdogan im Speziellen ein Dorn im Auge zu sein scheint.
Wegen ihres effektiven Schutzes vor Gewalt an Frauen wird auch von immer mehr Nicht-Mitgliedstaaten des Europarats ein Beitritt zur Istanbul Konvention erwogen. So wird gegenwärtig in Tunesien darüber diskutiert, die Konvention zu unterzeichnen und sodann weitere Schritte zur Ratifizierung zu setzen. Die EU hat sie zwar unterzeichnet aber noch nicht ratifiziert, darüber finden momentan konstruktive Gespräche statt.
Die unterzeichneten Abgeordneten stellen daher folgenden
Entschließungsantrag:
Der Nationalrat wolle beschließen:
Die Bundesregierung, insbesondere der Bundesminister für europäische und internationale Angelegenheiten, wird aufgefordert, auf Ebene der Europäischen Union, des Europarats sowie darüber hinaus alle geeigneten diplomatischen und politischen Mittel einzusetzen,
· damit die Türkei wieder der Istanbul Konvention beitritt und so den vollen legalen Schutz der Frauen in der Türkei vor Gewalt gewährleistet;
· dass Polen seine Ankündigung nicht wahr macht und nicht aus der Istanbul Konvention austritt;
· auf andere Mitgliedsstaaten der EU, auf die es von Polen Druck gibt ebenfalls auszutreten und stattdessen einer verwässerten anderen noch zu erarbeitenden Konvention beizutreten, einzuwirken diesen Schritt im Sinne des Schutzes von Frauen vor Gewalt nicht zu setzen;
· Mitgliedsländer des Europarates, der bisher der Istanbul Konvention noch nicht beigetreten sind, zu diesem Schritt zu ermutigen indem dazu beigetragen wird, eine sachliche und evidenzbasierte Diskussion über den Inhalt der Konvention zu führen;
· bei Ländern, die nicht Mitglieder des Europarats sind, für die Unterzeichnung und Ratifizierung der Istanbul Konvention zu werben, da sie das modernste und effektivste legale Mittel gegen geschlechtsspezifische und häusliche Gewalt an Frauen ist.
Zuweisungsvorschlag: Außenpolitischer Ausschuss