1513/A(E) XXVII. GP

Eingebracht am 21.04.2021
Dieser Text wurde elektronisch übermittelt. Abweichungen vom Original sind möglich.

Entschließungsantrag

 

des Abgeordneten Mario Lindner, Gabriele Heinisch-Hosek,

Genossinnen und Genossen

 

betreffend freier Zugang zu alternativen Geschlechtseinträgen

 

 

Seit Jahren wird in Österreich und anderen europäischen Staaten über das Recht von Personen, die aufgrund ihrer Geschlechtsidentität, ihres Geschlechtsausdrucks oder ihrer Geschlechtsmerkmale nicht im binären Spektrum zwischen männlich und weiblich leben, auf alternative Geschlechtseinträge diskutiert. Seit dem Entscheid G77/2018 des Verfassungsgerichtshofes ist genau dieses Recht grundlegend verankert. Seit der Vollzugsanleitung des Bundesministeriums für Inneres bez. „Geschlechtseintrag bei Menschen, die weder männlich noch weiblich sind“ haben Menschen mit einer Variante der Geschlechtsentwicklung abseits von männlich und weiblich die Möglichkeit, die Geschlechtseinträge „inter“, „offen“ und „divers“ eintragen zu lassen, sowie auf einen Geschlechtseintrag zu verzichten.

 

Die Kritik von Expert*innen, Menschenrechts- und Selbstvertretungsorganisationen an der aktuellen Umsetzung des VfGH-Bescheid bleibt aber bestehen: Noch immer wird der Zugang zu diesen alternativen Geschlechtseinträgen pathologisiert – intergeschlechtliche Menschen, die einen Zugang zu diesen alternativen Geschlechtseinträgen anstreben, werden weiterhin auf ihre körperlichen Geschlechtsmerkmale reduziert. Die von Betroffenen eingeforderte Selbstbestimmung im Personenstandsrecht ist noch lange nicht verwirklicht.

 

Der Verfassungsgerichtshof hat genau in dieser Frage eine breitere Begründung gewählt. Er bezog, trotz seiner Fokussierung auf die Frage von Intergeschlechtlichkeit, die breitere Fragestellung von Geschlechtsidentitäten, Geschlechtsausdruck und Geschlechtsmerkmalen mit ein. Unter Berufung auf Art.8 EMRK warf das Gericht nicht nur die Thematik von Intergeschlechtlichkeit, sondern auch von Transidentität auf und stellt unter anderem fest:

 

„4.1. Gemäß Art8 Abs1 EMRK hat jedermann Anspruch auf Achtung seines Privat- und Familienlebens. Art8 EMRK stellt die menschliche Persönlichkeit in ihrer Identität, Individualität und Integrität unter Schutz und ist dabei auch auf den Schutz der unterschiedlichen Ausdrucksformen dieser menschlichen Persönlichkeit gerichtet (…). In den von Art8 EMRK geschützten persönlichen Bereich fällt auch die geschlechtliche Identität und Selbstbestimmung (…). Die geschlechtliche Identität bezieht sich dabei auf einen besonders sensiblen Bereich des Privatlebens einer Person (…). Dieses von Art8 Abs1 EMRK gewährleistete Recht auf individuelle Geschlechtsidentität umfasst auch, dass Menschen – nach Maßgabe des Absatzes 2 dieser Verfassungsbestimmung – (nur) jene Geschlechtszuschreibungen durch staatliche Regelung akzeptieren müssen, die ihrer Geschlechtsidentität entsprechen.“[1]

 

Genau damit hat das Gericht der Republik die Möglichkeit eröffnet, beim Zugang zu Geschlechtseinträgen nicht auf bürokratisierende und pathologisierende Kriterien zu setzen, sondern sich an der Selbstbestimmung und der geschlechtlichen Identität der Ansuchenden zu orientieren. Die Umsetzung des Personenstandsrechtes, die genau darauf abzielt, könnte einerseits die Retraumatisierung intergeschlechtlicher Menschen, von denen viele durch medizinisch nicht notwendige Eingriffe im Kindesalter geprägt sind, verhindern und andererseits auch transidenten Personen, die sich nicht im binären Geschlechterspektrum verorten, den Zugang zu alternativen Geschlechtseinträgen und damit die rechtliche Anerkennung ihrer geschlechtlichen Identität zu garantieren. Eine solche Lösung würde zu mehr Sichtbarkeit, Akzeptanz und Anerkennung führen und vielen Menschen in unserem Land endlich die Möglichkeit eröffnen, dass ihr Führerschein und Reisepass auch jene Geschlechtsidentität widerspiegeln, in der sie leben.

 

Die unterfertigenden Abgeordneten stellen daher folgenden

 

Entschließungsantrag

 

 

Der Nationalrat wolle beschließen:

„Die Bundesregierung, insbesondere der Bundesminister für Inneres, wird aufgefordert, unter Einbeziehung von intergeschlechtlichen und transidenten Selbstvertretungsorganisationen umgehend eine neue Vollzugsanleitung für den Zugang zu alternativen Geschlechtseinträgen auf Basis der Grundprinzipien von Selbstbestimmung, Entpathologisierung und der Anerkennung der individuellen Geschlechtsidentität zu erarbeiten und zu veröffentlichen.“

 

 

 

Zuweisungsvorschlag: Gleichbehandlungsausschuss



[1] https://www.ris.bka.gv.at/Dokument.wxe?Abfrage=Vfgh&Dokumentnummer=JFT_20180615_18G00077_00