1516/A(E) XXVII. GP
Eingebracht am 21.04.2021
Dieser Text wurde elektronisch übermittelt. Abweichungen vom Original sind
möglich.
Entschließungsantrag
der Abgeordneten Jörg Leichtfried,
Genossinnen und Genossen
betreffend Erhalt der Wiener Zeitung als Tageszeitung
Die „Wiener Zeitung“ wurde 1703 gegründet und ist die älteste noch bestehende Tageszeitung der Welt. Neben den Pflichtveröffentlichungen des Bundes und der Unternehmen im Amtsblatt bietet sie qualitativ hochwertige Berichterstattung zu den wichtigsten politischen, wirtschaftlichen und kulturellen Ereignissen. Das Archiv der „Wiener Zeitung“ wiederum gehört zum UNESCO-Dokumentenerbe. Es zeigt die Entwicklung des Pressewesens sowie des Amtlichen Nachrichtenblattes Österreichs. Die Zeitung selbst wäre auch in den Rang eines schützenswerten Kulturgutes einzuordnen und würde ebenfalls die Zuordnung zum Weltkulturerbe verdienen. Das haben bereits 2019 die unlängst verstorbene Journalistenlegende Hugo Portisch und sein langjähriger Freund Heinz Nußbaumer festgestellt.
Bereits im schwarz-blauen Regierungsprogramm war die Streichung der Pflichtveröffentlichungen des Bundes und der Unternehmen im „Amtsblatt der Wiener Zeitung“ vorgesehen. Im schwarz-grünen Regierungsprogramm ist abermals verankert, die Veröffentlichungspflicht in Papierform in der „Wiener Zeitung“ abzuschaffen. Lediglich die Marke „Wiener Zeitung“ soll als Serviceplattformen des Bundes erhalten bleiben. Die Abschaffung der Veröffentlichungspflicht im gedruckten Amtsblatt wäre das Ende der „Wiener Zeitung“, da der massive Einnahmenausfall nicht kompensiert werden könnte. Das Erscheinen als gedruckte Tageszeitung wäre nicht mehr finanzierbar.
Trotz zahlreicher Versprechen von Seiten der Bundesregierung wurden bisher keine alternativen Finanzierungskonzepte vorgelegt. Bekannt ist nur, dass der derzeitige Geschäftsführer – ein früherer führender Funktionär der Jungen ÖVP, der schon vor seiner Ernennung durch den Bundeskanzler an die Unternehmensspitze als früherer IT-Chef genau für solche Reformen zuständig war –, bisher keines dieser Projekte am Markt positionieren konnte und nicht mehr an den Erhalt der Print-Zeitung glaubt. Das geht aus einem E-Mail des Geschäftsführers an die Belegschaft hervor. In diesem stellt er fest, dass davon auszugehen ist, dass die finanziellen Rahmenbedingungen die Fortführung einer Tageszeitung in der heutigen Form nicht mehr möglich machen. Schon allein aus diesem Grund ist eine rasche Neubestellung der Geschäftsführung notwendig.
Im Gegenteil dazu hieß es noch in einer Antragbeantwortung an die SPÖ im Jahr 2018 (1003/AB von 10.08 2018): „Es gilt nun, neue innovative Geschäftsmodelle für den Entfall der Einnahmen aus Pflichtveröffentlichungen zu finden, die tatsächlich eine nachhaltige Geschäftsgrundlage für die Zukunft des Unternehmens darstellen. Aufgabe des Aufsichtsrates und der künftigen Geschäftsführung wird es sein, ein passendes Zukunftskonzept dazu zu entwickeln und in Folge zu implementieren. Der Entfall von Entgelten für Pflichtveröffentlichungen und die Implementierung von neuen Geschäftsgrundlagen des Unternehmens werden selbstverständlich Hand in Hand gehen.“
Durch eine Einstellung der Wiener Zeitung würde Österreichs bereits karge und stark konzentrierte Medienlandschaft eine weitere Stimme verlieren – darüber hinaus auch bis zu 100 Menschen ihre Arbeitsplätze. Aus diesem Grund haben sich zahlreiche Personen aus der Zivilgesellschaft für einen Fortbestand engagiert. „Auf dem ohnehin sehr kleinen und nur 14 Titel umfassenden Tageszeitungsmarkt Österreichs darf ein besonderes Medium wie die Wiener Zeitung, die für qualitativ hochwertige und ausgewogene Berichterstattung steht, nicht einfach wegfallen", so beispielsweise die Präsidentin von Reporter ohne Grenzen, Rubina Möhring. Auch Medienwissenschaftler warnen vor einem weiteren Vielfaltsverlust am gedruckten Tageszeitungsmarkt. Und die Präsidentin der Salzburger Festspiele Helga Rabl-Stadler auf Social Media: „Die ,Wiener Zeitung‘ ist unverzichtbar, weil Demokratie unabhängigen Journalismus braucht.“
Daher stellen die unterfertigten Abgeordneten folgenden
Entschließungsantrag
Der Nationalrat wolle beschließen:
„Die Bundesregierung wird aufgefordert, rasch eine neue Geschäftsführung der Wiener Zeitung zu bestellen, die in der Lage ist, alternative Finanzierungskonzepte für den Erhalt der Wiener Zeitung als Tageszeitung zu entwickeln, damit – wie angekündigt – der Entfall der Pflichtveröffentlichungen „selbstverständlich“ Hand in Hand mit der Implementierung von neuen Geschäftsgrundlagen gehen kann. Des Weiteren wird sie aufgefordert, die erstellten Finanzierungskonzepte dem Nationalrat bis September 2021 vorzulegen.“
In formeller Hinsicht wird die Zuweisung an den Verfassungsausschuss vorgeschlagen.