1520/A(E) XXVII. GP
Eingebracht am 21.04.2021
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ENTSCHLIESSUNGSANTRAG
der Abgeordneten Henrike Brandstötter, Stephanie Krisper, Kolleginnen und Kollegen
betreffend Daten zur Hilfe vor Ort
Die österreichische Bundesregierung setzt in internationalen Krisensituationen auf "Hilfe vor Ort." Dies kann nach Deutung der Regierung bedeuten, Flüchtlinge in Lagern in Griechenland zu versorgen oder in Ursprungsstaaten Maßnahmen gegen Flucht- oder Migrationsursachen zu setzen. Der erklärte Grund für "Hilfe vor Ort" ist, dass diese schneller und daher effizienter bei den Betroffenen ankommt als andere Maßnahmen.
So hat Österreich im September 2020 ein Großraumflugzeug mit 55 Tonnen an Hilfsgütern zur Soforthilfe nach Griechenland geschickt. Die Ladung enthielt:
· 400 Familienzelte inkl. 400 Beleuchtungen,
· 200 Zeltheizungen,
· 7400 Decken,
· 2700 aufblasbare Pölster und Matratzen,
· Bettwäsche, und
· 2000 Hygienepakete.
Die Güter mussten allerdings in Athen zwischengelagert werden, da die Infrastruktur in den Lagern auf Lesbos (damals hauptsächlich Moria, später Kara Tepe) nicht für sie geeignet war. Der Untergrund war nicht ausreichend präpariert für die Großzelte, und fehlende Stromanschlüsse machten (oder machen immer noch) die Heizsysteme unbrauchbar. Auch das SOS Kinderdorf beklagte, dass ein von der Bundesregierung finanziertes und angekündigtes Kinderdorfprojekt unter den gegebenen Umständen vor Ort nicht – zumindest nicht im vorgegebenen Umfang – durchführbar war.
In den Medien, aber auch in der Zivilgesellschaft, unter Religionsvertreter_innen und unter Lokalpolitiker_innen, wird daher schon seit Längerem ein anderer Zugang moniert. Es ist im Sinne der Bundesregierung, Steuergeld so effizient wie möglich einzusetzen. Eine evidenzbasierende Bewertung der kostengünstigsten Maßnahmen im Vergleich zu ihrer Wirkung ist eine notwendige Grundvoraussetzung für eine verantwortliche Verwendung von Steuergeldern, wie auch die einzige Grundlage für die vergleichende Bewertung verschiedener Zugänge zu den Problembereichen Migration und Flüchtlingshilfe.
In seiner verfassungsrechtlichen Kontrollfunktion muss das Parlament informiert sein, wie effizient Steuergelder im In- und Ausland eingesetzt werden. Im Zusammenhang mit der Debatte um "Hilfe vor Ort" für Flüchtlinge in Griechenland, aber auch in verschiedenen Balkanstaaten, müssen eine Vielzahl von Parametern evaluiert und die Ergebnisse dem Parlament vorgelegt werden. Auch müssen die Maßnahmen der ADA zur Fluchtvermeidung und zur Verminderung von Migrationsursachen einer professionellen Kosten-Nutzen Evaluierung unterzogen werden. Beispiele für notwendige Fragestellungen für Evaluatoren sind:
· Evaluierung der Verwendung der per Großraumflugzeug eiligst gelieferten Hilfsgüter:
o Welche dieser Hilfsgüter sind wo im Einsatz?
o Wie lange wurden sie vor Einsatz gelagert?
o Waren die Kosten der Eillieferung durch ein eigens gechartertes Spezialflugzeug in Anbetracht der Verzögerungen bei der Hilfsgüterverwendung angebracht?
o Wie wurden Entscheidungen, welche Güter wie schnell zu liefern sind, getroffen?
o Welche dieser Hilfsgüter sind nicht zum Einsatz gekommen, und warum nicht?
· Projektplanung: Wer hat Ankündigung und Umsetzung von Projekten im BMEIA mit den umsetzenden Organisationen (SOS Kinderdorf) koordiniert, und wie konnten Diskrepanzen wie beim Kinderdorf, aber auch bei der unmittelbaren Verwendbarkeit von eiligst und teuer eingeflogenen Hilfsgütern, für die es noch keine Infrastruktur gab, passieren?
o Welche Lehren werden aus diesen organisatorischen Fehlern gezogen?
o Welche Korrekturmaßnahmen wurden implementiert?
· Welche quantitativen Metrics (Kennzahlen) gibt es für Maßnahmen, die Flucht- und Migrationsursachen in Ursprungsländern vermindern sollen? Können österreichische Projekte mit verminderten Migrations- oder Fluchtzahlen korreliert werden, unter Einbeziehung von den in der Fachliteratur einschlägigen Kontrollvariablen?
· Ist ein wissenschaftlich fundierter, kausaler Konnex zwischen Maßnahme und Migrations- oder Fluchtbewegungsrückgang nach Beurteilung der best practices zu beobachten?
Weitere Problembereiche sind von Expert_innen in den relevanten wissenschaftlichen Feldern zu erstellen.
Die unterfertigten Abgeordneten stellen daher folgenden
Der Nationalrat wolle beschließen:
"Die Bundesregierung, insbesondere der Bundesminister für europäische und internationale Angelegenheiten, wird aufgefordert, eine externe Studie zur Evaluierung der österreichischen "Hilfe vor Ort" für Flüchtlinge in Lagern in Europa sowie zu Maßnahmen der Reduktion von Flucht- und Migrationsursachen in Auftrag zu geben und dem Parlament schnellstmöglich, aber nicht später als am 1. Mai 2022, vorzulegen."
In formeller Hinsicht wird die Zuweisung an den Außenpolitischen Ausschuss vorgeschlagen.