1523/A XXVII. GP

Eingebracht am 21.04.2021
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ANTRAG

 

der Abgeordneten Mario Lindner, Mag.a Selma Yildirim, Genossinnen und Genossen

betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Strafgesetzbuch 1974 geändert wird

 

Der Nationalrat wolle beschließen:

 

Bundesgesetz, mit dem das Strafgesetzbuch 1974 geändert wird

 

Der Nationalrat hat beschlossen:

 

Änderung des Strafgesetzbuches 1974

Das Strafgesetzbuch, BGBl. Nr. 60/1974, zuletzt geändert durch das BGBl. I Nr. xx/xxxx, wird wie folgt geändert:

 

§ 221 lautet samt Überschrift wie folgt:

„Durchführung von Konversionsbehandlungen.

§ 221

(1) Wer eine Konversionsbehandlung an einer Person durchführt, die unter 18 Jahren alt ist, ist mit Freiheitsstrafe bis zu einem Jahr oder mit Geldstrafe bis zu 720 Tagessätzen zu bestrafen.

(2) Ebenso ist zu bestrafen, wer bei Personen, die zwar das 18. Lebensjahr vollendet haben, deren Einwilligung zur Durchführung der Konversionsbehandlung aber auf einem Willensmangel beruht, eine Konversionsbehandlung durchführt.

(3) Als Konversionsbehandlung im Sinn des Abs. 1 und Abs. 2 gelten alle für am Menschen durchgeführten Behandlungen, die auf die Veränderung oder Unterdrückung der sexuellen Orientierung oder der selbstempfundenen geschlechtlichen Identität gerichtet sind.

(4) Abs. 1 und Abs. 2 sind nicht anzuwenden auf die Behandlung von medizinisch anerkannten Störungen der Sexualpräferenz.

(5) Eine Konversionsbehandlung im Sinn des Abs. 3 liegt nicht vor bei operativen medizinischen Eingriffen oder Hormonbehandlungen, die darauf gerichtet sind, die selbstempfundene geschlechtliche Identität einer Person zum Ausdruck zu bringen.

(6) Abs. 1 ist nicht auf Personen anzuwenden, die als Eltern oder Erziehungsberechtigte handeln, sofern sie durch die Tat nicht ihre Erziehungspflicht gröblich verletzen.“

 

 

 

Begründung

 

In der XXVI. Gesetzgebungsperiode, am 2. Juli 2019, hat der Nationalrat auf Initiative des Abg. Mario Lindner (SPÖ) eine einstimmige Entschließung gefasst (82/E), die dezidiert die unverzügliche Ausarbeitung einer Regierungsvorlage fordert, die die Ausübung von sogenannten Konversions- und vergleichbaren „reparativen Therapieformen“ an Minderjährigen verbietet. Obwohl diese Entschließung einstimmig verabschiedet wurde, haben die jeweiligen Regierungsparteien seitdem keine weiteren Schritte in die geforderte Richtung gesetzt.

 

Auch ein Entschließungsantrag der Abgeordneten Yannick Shetty, Kolleginnen und Kollegen (NEOS) mit ähnlicher Zielsetzung, eingebracht am 23.09.2020 (840/AE, XXVII. GP) führte bei den Regierungsparteien zu keinen positiven Handlungen.

 

Die von Abgeordneten Lindner im Entschließungsantrag 557/AE, XXVI. GP. dargelegte Begründung ist nach wie vor stichhaltig und sei auszugsweise hier zitiert:

 

„Konversions- oder „reparative Therapien" sind Versuche, die sexuelle Orientierung von Personen zu verändern. Sie gehören zu „Therapie“-Formen, die von internationalen, wie österreichischen Organisationen und Berufsverbänden seit langem abgelehnt werden. Die Deutsche Gesellschaft für Psychiatrie und Psychotherapie, Psychosomatik und Nervenheilkunde hat in einer Stellungnahme aus dem Jahr 2013 festgestellt: "So genannte Konversions-bzw. „reparative" Verfahren umfassen alle Versuche durch selbsterklärte oder zertifizierte Therapeutinnen und Therapeuten (bzw. "Helfer" im weitesten Sinne) und Laien, Homosexualität in asexuelles oder heterosexuelles Verhalten umzuwandeln (Wolf, 2011). Sie vermitteln den Eindruck, dass Homosexualität eine sexuelle Fehlentwicklung bzw. Erkrankung wäre, die durch Interventionen korrigiert werden könnte. Viele internationale Organisationen wie z.B. die American Psychiatrie Association oder die American Psychological Association (American Psychological Association, 2000; American Psychiatrie Association, 2000) haben sich klar gegen diese Therapieverfahren ausgesprochen (Wagner & Rassel, 2006). Hintergrund sind u.a. Risiken von reparativen Therapien wie z.B. Depressionen, Angsterkrankungen, selbstdestruktives Verhalten bis hin zu Suizidalität (Beckstead & Morrow, 2004; Shidlo & Schroeder, 2002)."[1]

 

Auch die Österreichische Gesellschaft für Psychatrie, Psychotherapie und Psychosomatik gemeinsam mit der Bundesfachgruppe Psychiatrie und psychotherapeutische Medizin sprach sich im April 2018 in einer Stellungnahme klar gegen derartige Konversionstherapien aus und begründete dies neben menschenrechtlichen Aspekten vor allem durch „die potentiellen Risiken von reparativen Therapien“, die von Verunsicherung und Irritation bis zu psychiatrischen Störungen wie Depressionen, Angsterkrankungen, selbstdestruktivem Verhalten und Suizidalität reichen können."[2] Dieser österreichische Berufsverband folgte damit unter anderem den Beschlüssen der World Medical Organisation (WMA) , die auf ihrer jährlichen Versammlung 2013 beschloss, dass Konversions-bzw. „reparative Therapien“ als Verstoß gegen die Menschenrechte zu betrachten seien und als unrechtfertigbare Praktiken „subject to sanctions and penalties“ sein sollten.[3] Auch andere Organisationen wie die American Psychiatrie Association und zahlreiche andere Verbände haben sich klar gegen derartige Praktiken ausgesprochen.“

 

Die Debatte zu diesem Thema ist in der Bundesrepublik Deutschland deutlich weiter fortgeschritten als in Österreich und es ist der vorliegende Gesetzesantrag an einschlägige Gesetzesmaterialien – was deren Straftatbestände betrifft – des deutschen Bundestages angelehnt.

 

Ziel des vorliegenden Initiativantrages ist es, Konversionsbehandlungen bei besonders schutzbedürftigen Personen zu verhindern, die Selbstbestimmung und die Interessen der betroffenen Menschen zu stärken und deren gesellschaftliche Diskriminierung zu bekämpfen. Mit dem Initiativantrag soll eine neue Strafbestimmung im Strafgesetzbuch zum Schutz Minderjähriger, einwilligungsunfähiger volljähriger Personen und volljähriger Personen, deren Einwilligung sonst unter einem Willensmangel leidet, vor Konversionsbehandlungen geschaffen werden.

 

Es soll die Straflosigkeit der Behandlung von medizinisch anerkannten Störungen der Sexualpräferenz nicht in Frage gestellt werden. Unter solche Störungen fallen unter anderem Fetischismus, Exhibitionismus oder Pädophilie. Es wird zudem klargestellt, dass Behandlungen, die darauf gerichtet sind, die selbstempfundene Identität einer Person zum Ausdruck zu bringen, keine Konversionsbehandlungen sind.

Für Eltern oder Erziehungsberechtigte ist die Strafbarkeit begrenzt auf Fälle der gröblichen Verletzung der Obsorge oder Erziehungspflicht.

 

Darüber hinaus gelten die Verbote aber für alle Personen, sowohl für Angehörige von Heilberufen als auch für andere Personenkreise. Denn Konversionsbehandlungen werden häufig von Personen durchgeführt, die nicht Angehörige eines Heilberufes sind. Deshalb wären auch berufsrechtliche Sanktionen gegen Angehörige des Gesundheitssystems nicht ausreichend. Das Beispiel religiöser Gemeinschaften zeigt, dass auch dort Personen Konversionsbehandlungen vornehmen. Wenn sie nicht zugleich Angehörige eines Heilberufes sind, hätten sie keine berufsrechtlichen Konsequenzen zu befürchten, wenn nur solche angedroht wären. Deshalb und weil die Konversionsbehandlungen in die sexuelle und geschlechtliche Entwicklung und Selbstbestimmung sowie in die Körperintegrität des Betroffenen eingreifen, scheint die Schaffung einer neuen Strafbestimmung im Strafgesetzbuch mit angemessener Sanktionsdrohung sachlich gerechtfertigt.

 

Konversionsbehandlungen können bei Minderjährigen bewirken, dass sie ihre sexuelle und geschlechtliche Identität, also einen Teil ihrer Persönlichkeit mit einer behandlungsbedürftigen Krankheit gleichsetzen und ablehnen. Dies kann schwere psychische Belastungen nach sich ziehen.

 

Bei Volljährigen wird grundsätzlich von der Einwilligungsfähigkeit im Hinblick auf die ihre Rechtsgüter betreffenden Entscheidungen ausgegangen. Dies gilt nicht, wenn ein Willensmangel vorliegt. Die Willensfreiheit ist beispielsweise eingeschränkt, wenn bei Konversionsversuchen eine volljährige Person über den therapeutischen Nutzen einer Behandlung getäuscht wird oder aufgrund nicht hinreichender Aufklärung, über vorhandene Risiken oder die nicht bewiesene Wirksamkeit der Behandlung irrt. Darüber hinaus ist die rechtfertigende Wirkung des Betreffenden nicht gegeben, wenn er einwilligungsunfähig ist.

 

 

 

 

 

 

 

 

 

Zuweisungsvorschlag: Justizausschuss

 

In formeller Hinsicht wird gemäß §69 Abs 4 GOG die Durchführung einer Ersten Lesung innerhalb von drei Monaten verlangt.



[1] https://www.dgppn.de/_ Resou rees/Persistent/23 eBa a3eSd3Sb4 feSOd3eSebbB 7geb92eee33a 2d/DG P PN­Referat_Stell u ngna hme _ zu _ Ko nversionstherapi en. pdf

[2] http://www.oegpp.at/news/aktuelles/detail/news/konversions-bzw-reparative-verfahren-bei-mensehen-mit­ve rsch ied ener -sexu eller -0 rientieru ngj

[3] https:! Iwww.wma.net/news-post/wm a-eondemns-portrayal-of-hom osexu al ity-as-a-disease/