1540/A XXVII. GP
Eingebracht am 22.04.2021
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möglich.
Antrag
der Abgeordneten Gabriele Heinisch-Hosek, Mario Lindner,
Genossinnen und Genossen
betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Gleichbehandlungsgesetz und das Gesetz über die Gleichbehandlungskommission und die Gleichbehandlungsanwaltschaft geändert werden
Der Nationalrat wolle beschließen:
Bundesgesetz, mit dem das Gleichbehandlungsgesetz und das Gesetz über die Gleichbehandlungskommission und die Gleichbehandlungsanwaltschaft geändert werden
Der Nationalrat hat beschlossen:
Inhaltsverzeichnis
Artikel Gegenstand
1 Änderung des Gleichbehandlungsgesetzes
2 Änderung des Gesetzes über die Gleichbehandlungskommission und die Gleichbehandlungsanwaltschaft
Artikel 1
Änderung des Gleichbehandlungsgesetzes
Das Gleichbehandlungsgesetz – GlBG, BGBl. I Nr. 66/2004, zuletzt geändert durch das Bundesgesetz BGBl. I Nr. 40/2017, wird wie folgt geändert:
1. Im Inhaltsverzeichnis wird die Überschrift „III. Teil Gleichbehandlung ohne Unterschied des Geschlechts oder der ethnischen Zugehörigkeit in sonstigen Bereichen“ durch „III. Teil Gleichbehandlung ohne Unterschied des Geschlechts, der ethnischen Zugehörigkeit, des Alters oder der sexuellen Orientierung in sonstigen Bereichen“ ersetzt.
2. Die Überschrift des III. Teiles lautet:
„Gleichbehandlung ohne Unterschied des Geschlechts, der ethnischen Zugehörigkeit, des Alters, der sexuellen Orientierung, der Geschlechtsidentität, Geschlechtsausdruck oder Geschlechtsmerkmale in sonstigen Bereichen“
3. § 30 Abs. 1 lautet:
„(1) Für das Merkmal des Geschlechts, des Alters, der sexuellen Orientierung der Geschlechtsidentität, Geschlechtsausdruck und Geschlechtsmerkmale gelten die Bestimmungen dieses Abschnittes für Rechtsverhältnisse einschließlich deren Anbahnung und Begründung und für die Inanspruchnahme oder Geltendmachung von Leistungen außerhalb eines Rechtsverhältnisses beim Zugang zu und bei der Versorgung mit Gütern und Dienstleistungen, die der Öffentlichkeit zur Verfügung stehen, einschließlich Wohnraum, sofern dies in die unmittelbare Regelungskompetenz des Bundes fällt.“
4. § 31 Abs. 1 lautet:
„(1) Auf Grund des Geschlechts, insbesondere unter Bezugnahme auf den Familienstand oder den Umstand, ob jemand Kinder hat, auf Grund der ethnischen Zugehörigkeit, des Alters, der sexuellen Orientierung, der Geschlechtsidentität, Geschlechtsausdruck oder Geschlechtsmerkmale darf niemand unmittelbar oder mittelbar beim Zugang zu und bei der Versorgung mit Gütern und Dienstleistungen, die der Öffentlichkeit zur Verfügung stehen, einschließlich Wohnraum, diskriminiert werden. Diskriminierungen von Frauen auf Grund von Schwangerschaft oder Mutterschaft sind unmittelbare Diskriminierungen auf Grund des Geschlechts.“
5. § 32 Abs. 2 lautet:
„(2) Eine mittelbare Diskriminierung liegt vor, wenn dem Anschein nach neutrale Vorschriften, Kriterien oder Verfahren Personen eines Geschlechts, oder Personen, die einer ethnischen Gruppe angehören, oder Personen eines bestimmten Alters, mit einer bestimmten sexuellen Orientierung, Geschlechtsidentität, Geschlechtsausdruck oder Geschlechtsmerkmalen in besonderer Weise benachteiligen können, es sei denn, die betreffenden Vorschriften, Kriterien oder Verfahren sind durch ein rechtmäßiges Ziel sachlich gerechtfertigt und die Mittel sind zur Erreichung dieses Ziels angemessen und erforderlich.“
6. § 32 Abs. 4 lautet:
„(4) Eine Diskriminierung liegt auch vor, wenn eine Person auf Grund ihres Naheverhältnisses zu einer Person wegen deren Geschlechts, deren ethnischer Zugehörigkeit, deren Alters, deren sexueller Orientierung, Geschlechtsidentität, Geschlechtsausdruck oder Geschlechtsmerkmalen diskriminiert wird.“
7. § 33 samt Überschrift lautet:
„Ausnahmebestimmungen
§ 33. (1) Die Bereitstellung von Gütern oder Dienstleistungen, einschließlich Wohnraum, ausschließlich oder überwiegend für Personen eines Geschlechts, eines bestimmten Alters oder einer bestimmten sexuellen Orientierung ist keine Diskriminierung, wenn dies durch ein rechtmäßiges Ziel gerechtfertigt ist und die Mittel zur Erreichung dieses Ziels angemessen und erforderlich sind. Eine Ungleichbehandlung in diesem Zusammenhang rechtfertigt keine Diskriminierung aus einem anderen Grund.
(2) Nicht als Diskriminierung gilt insbesondere die Festsetzung eines Höchst- oder Mindestalters für die Inanspruchnahme von Gütern oder Dienstleistungen, einschließlich Wohnraum, sowie die Preisfestsetzung, die auf ein Höchst- oder Mindestalter Bezug nimmt, oder die Festsetzung eines bevorzugten Zugangs für Personen eines bestimmten Alters zu Gütern und Dienstleistungen, einschließlich Wohnraum, wenn die Güter und Dienstleistungen besonders für Personen dieses Alters gestaltet sind.“
8. § 35 Abs. 3 lautet:
„(3) Eine Diskriminierung liegt auch vor, wenn eine Person auf Grund ihres Naheverhältnisses zu einer Person wegen deren Geschlechts, deren ethnischer Zugehörigkeit, deren Alters, deren sexueller Orientierung, Geschlechtsidentität, Geschlechtsausdruck oder Geschlechtsmerkmalen belästigt oder sexuell belästigt wird.“
9. § 37 Abs. 1 lautet:
„(1) Wer Wohnraum entgegen den Bestimmungen des § 36 in diskriminierender Weise inseriert, ist auf Antrag eines/einer Interessenten/Interessentin, des/der Anwalts/Anwältin für die Gleichbehandlung ohne Unterschied des Geschlechts, der ethnischen Zugehörigkeit, des Alters oder der sexuellen Orientierung in sonstigen Bereichen oder des/der Regionalanwalts/Regionalanwältin beim ersten Verstoß von der Bezirksverwaltungsbehörde zu ermahnen und bei weiteren Verstößen mit Geldstrafe bis 360 Euro zu bestrafen.“
10. Im § 37 Abs. 2 wird nach der Wortfolge „des Geschlechts“ das Wort „oder“ durch einen Beistrich ersetzt sowie nach der Wortfolge „der ethnischen Zugehörigkeit“ die Wortfolge „des Alters, der sexuellen Orientierung, Geschlechtsidentität, Geschlechtsausdruck oder Geschlechtsmerkmalen“ eingefügt.
11. Dem § 63 wird folgender Abs. 11 angefügt:
„(11) Das Inhaltsverzeichnis, die Überschrift des III. Teiles, § 30 Abs. 1, § 31 Abs. 1, § 32 Abs. 2 und 4, § 33 samt Überschrift, § 35 Abs. 3 und § 37 Abs. 1 und 2 in der Fassung des Bundesgesetzes BGBl. I Nr. xx/2021 treten mit 1. Juli 2021 in Kraft.“
Artikel 2
Änderung des Bundesgesetzes über die Gleichbehandlungskommission und die Gleichbehandlungsanwaltschaft
Das Bundesgesetz über die Gleichbehandlungskommission und die Gleichbehandlungsanwaltschaft – GBK/GAW-Gesetz, BGBl. Nr. 108/1979, zuletzt geändert durch das Bundesgesetz BGBl. I Nr. 107/2013, wird wie folgt geändert:
1. § 1 Abs. 2 Z 3 lautet:
„3. Senat III für die Gleichbehandlung ohne Unterschied des Geschlechts, der ethnischen Zugehörigkeit, des Alters, der sexuellen Orientierung, Geschlechtsidentität, Geschlechtsausdruck oder Geschlechtsmerkmalen in sonstigen Bereichen (Teil III, 1. Abschnitt GlBG).“
2. Im § 3 Abs. 2 Z 1 lit. c wird statt der Wortfolge „oder der ethnischen Zugehörigkeit“ die Wortfolge „der ethnischen Zugehörigkeit, des Alters, der sexuellen Orientierung, Geschlechtsidentität, Geschlechtsausdruck oder Geschlechtsmerkmalen“ eingefügt.
3. Dem § 21 wird folgender Abs. 14 angefügt:
„(14) § 1 Abs. 2 Z 3 und § 3 Abs. 2 Z 1 lit. c in der Fassung des Bundesgesetzes BGBl. I Nr. xx/2021 treten mit 1. Juli 2021 in Kraft.“
Zuweisungsvorschlag: Ausschuss für Arbeit und Soziales.
Begründung
Der Diskriminierungsschutz außerhalb der Arbeitswelt umfasst derzeit nur die Gründe Geschlecht und ethnische Zugehörigkeit. Der sachliche Anwendungsbereich der übrigen Diskriminierungsgründe erstreckt sich derzeit nur auf den Bereich der Arbeitswelt.
Mit dem vorliegenden Entwurf soll für die Diskriminierungsmerkmale Alter oder sexuelle Orientierung der Diskriminierungsschutz auf den Zugang zu und die Versorgung mit Gütern und Dienstleistungen, die der Öffentlichkeit zur Verfügung stehen, inklusive Wohnraum, ausgedehnt werden. Außerdem sollen entsprechend der vom Europarat und der Europäischen Union gesetzten Standards die Diskriminierungsmerkmale Geschlechtsidentität, Geschlechtsausdruck und Geschlechtsmerkmale in diesem Bereich verankert werden. Dazu gehören insbesondere die Ausdehnung des Geltungsbereiches des Gleichbehandlungsgesetzes und der Diskriminierungstatbestände, die Einführung des Diskriminierungstatbestandes der Belästigung, Maßnahmen zur Rechtsdurchsetzung inklusive Schadenersatzregelungen sowie ein Benachteiligungsverbot auch für Zeug/inn/en. Dadurch soll eine Anpassung an den Schutzstandard beim Diskriminierungsmerkmal Geschlecht erfolgen. Für das Merkmal Alter sollen spezifische Ausnahmebestimmungen zur Anwendung kommen. Damit ist eine Erweiterung der Zuständigkeit des für die Gleichbehandlung ohne Unterschied des Geschlechts oder der ethnischen Zugehörigkeit in sonstigen Bereichen zuständigen Senates III der Gleichbehandlungskommission um diese neu hinzukommenden Agenden verbunden. Analog dazu soll der/die Anwalt/Anwältin für die Gleichbehandlung ohne Unterschied des Geschlechts oder der ethnischen Zugehörigkeit in sonstigen Bereichen nunmehr auch für diese Angelegenheiten zuständig sein.
Zu Art. 1 (Änderung des Gleichbehandlungsgesetzes):
Praktische Erfahrungen haben gezeigt, dass eine Ausdehnung des Diskriminierungsschutzes betreffend den Zugang zu Gütern und Dienstleistungen geboten ist, da dieser Bereich in den Anfragen und Beschwerden vermehrt angesprochen wird und insoweit Regelungsbedarf vorliegt. Besonders beim Zugang zu Wohnraum ist im Zusammenhang mit der Diskriminierung auf Grund des Alters, der sexuellen Orientierung, der Geschlechtsidentität, Geschlechtsausdruck oder Geschlechtsmerkmale Handlungsbedarf gegeben. Die Agentur der Europäischen Union für Grundrechte zeigte im Zuge der zweiten europaweiten Erhebung zur Situation von LGBTIQ-Personen deutlich, dass es dringenden Handlungsbedarf beim Schutz vor Diskriminierung gibt. 35 Prozent der befragten LGBTIQ-Personen in Österreich erlebten im letzten Jahr Diskriminierungen außerhalb der Arbeitswelt – 7% der Befragten wurden bei Wohnungssuche diskriminiert, 21% in Bars oder Restaurants, 10% in Geschäften. Eine entsprechende horizontale Richtlinie zur Anwendung des Grundsatzes der Gleichbehandlung ungeachtet der Religion oder Weltanschauung, einer Behinderung, des Alters oder der sexuellen Orientierung wurde von der Europäischen Kommission bereits 2008 vorgeschlagen, wird aber seitdem im Europäischen Rat blockiert. Bereits in ihrem Jahresbericht 2011 stellte die Grundrechteagentur daher, dass trotz der drohenden Verzögerung bei der Verabschiedung dieser horizontalen Richtlinie, doch von wesentlicher Bedeutung ist, dass ihr wichtigstes Ziel, nämlich eine umfassendere Bekämpfung von Diskriminierung, in die Praxis umgesetzt wird. Auch vor diesem Hintergrund forderte die Europäische Union im Zuge der ersten Strategie zur Gleichstellung von LGBTIQ-Personen „Union der Gleichheit“ 2020 die Mitgliedsstaaten zur Sicherstellung wirksamer Antidiskriminierungsgesetzgebung in jenen Bereichen auf, die zum nationalen Recht gehören. Auch die European Commission against Racism and Intolerance (ECRI) formulierte in Hinblick auf das unterschiedliche Schutzniveau in den unterschiedlichen Staaten, sowie den fehlenden Schutz in Ländern wie Österreich wiederholt Kritik.
Die Bestimmungen betreffend die Angleichung des Schutzniveaus sollen in den III. Teil integriert werden. Dazu zählt insbesondere die Ausdehnung des Geltungsbereiches des Gleichbehandlungsgesetzes und der Diskriminierungstatbestände, die Erweiterung des Diskriminierungstatbestandes der Belästigung, Maßnahmen zur Rechtsdurchsetzung inklusive Schadenersatzregelungen sowie ein Benachteiligungsverbot auch für Zeug/inn/en.
Im § 30 ist eine getrennte Definition des Geltungsbereiches für die ethnische Zugehörigkeit einerseits und die übrigen Diskriminierungsmerkmale andererseits auf Grund des schon bisher geltenden unterschiedlichen Umfanges des Geltungsbereiches erforderlich.
§ 33 regelt die Ausnahmebestimmungen. Es soll keine Diskriminierung vorliegen, wenn dies durch ein rechtmäßiges Ziel gerechtfertigt ist und die Mittel zur Erreichung dieses Ziels angemessen und erforderlich sind. Damit soll etwa die Gestaltung von Wohnprojekten für eine bestimmte Bevölkerungsgruppe (z. B. Frauen), die auf die Bedürfnisse dieser Gruppe besonders Rücksicht nimmt, weiterhin möglich sein. Mangels entsprechender Ausnahmemöglichkeit in der Antirassismus-Richtlinie gilt diese Bestimmung nicht für das Merkmal der ethnischen Zugehörigkeit. Dies entspricht der bisherigen Rechtslage.
Die Ausnahmebestimmung enthält außerdem eine Konkretisierung für das Merkmal Alter. Auf Grund der Besonderheiten dieses Merkmals sind die aufgenommenen Ausnahmeregelungen gerechtfertigt. Auch die Gleichbehandlungsrahmenrichtlinie sieht für den Bereich der Arbeitswelt die Möglichkeit vor, für das Merkmal des Alters besondere Ausnahmebestimmungen vorzusehen. Dies erfolgte im Gleichbehandlungsgesetz in § 20. Die vorgesehene Ausnahmeregelung orientiert sich an der Formulierung des § 20 Abs. 3. Erfasst sein sollen davon zum Beispiel Sport- und Kulturveranstaltungen, deren Besuch erst ab dem Erreichen einer bestimmten Altersgrenze erlaubt ist. Bei der Bildung der Altersgruppen soll eine Durchschnittsbetrachtung zulässig sein. Auch im Zusammenhang mit der Preisgestaltung ist ein Abstellen auf ein Höchst- oder Mindestalter möglich. So sollen zum Beispiel günstigere Tarife oder Eintrittspreise für Schüler/innen, Studierende oder Pensionsbezieher/innen gerechtfertigt sein, da diese Gruppen im Durchschnitt eine schlechtere Einkommenssituation als Personen im Erwerbsalter aufweisen, was Ermäßigungen sachlich rechtfertigt. Keine Diskriminierung soll bei einem bevorzugten Zugang von Personen einer bestimmten Altersgruppe zu Einrichtungen der Freizeitwirtschaft (z. B. Kinder-, Erwachsenen- und Seniorenhotels) vorliegen, die besonders für diese Altersgruppen gestaltet sind.
Beschränkungen haben jedoch im Einklang mit den in der Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen Union festgelegten Kriterien angemessen und erforderlich zu sein. Die insoweit zulässige Differenzierung wegen des Alters, der sexuellen Orientierung, der Geschlechtsidentität, des Geschlechtsausdrucks und der Geschlechtsmerkmale darf jedoch nicht als Rechtfertigung für eine Diskriminierung aus einem anderen Grund dienen. Wie erwähnt sind Differenzierungen in der Preisgestaltung nach dem Alter grundsätzlich möglich, dabei darf allerdings keine unterschiedliche Altersgrenze für Frauen und Männer festgelegt werden.
Das Gebot des diskriminierungsfreien Inserierens von Wohnraum (§ 36) umfasst nun auch die Merkmale Alter, sexuelle Orientierung, der Geschlechtsidentität, des Geschlechtsausdrucks und der Geschlechtsmerkmale .
Zu Art. 2 (Änderung des Bundesgesetzes über die Gleichbehandlungskommission und die Gleichbehandlungsanwaltschaft):
Die Regelungen berücksichtigen die Ausdehnung des Anwendungsbereichs des III. Teils des Gleichbehandlungsgesetzes und ordnet diese Aufgaben dem Senat III der Gleichbehandlungskommission zu.