1557/A(E) XXVII. GP

Eingebracht am 22.04.2021
Dieser Text wurde elektronisch übermittelt. Abweichungen vom Original sind möglich.

Entschließungsantrag

 

der Abgeordneten Mag. Christian Drobits,

Genossinnen und Genossen

 

betreffend mehr Bio-Produkte und Lebensmittel aus der Region in Großküchen, Kantinen und anderen Versorgungseinheiten in Einrichtungen des Bundes, der Länder und Gemeinden

 

 

Über den Beschaffungsvorgang der öffentlichen Hand für Großküchen oder im Zuge der Vergabe von Verträgen für Buffets, Kantinen oder Automaten kann erreicht werden, dass die biologische Produktion einen weiteren Auftrieb erhält und durch angepasste regionale Schwerpunktsetzungen Wertschöpfung und gute Arbeitsplätze in der Region gesichert und sogar ausgebaut werden.

 

Bund, Länder und Gemeinden sind Großeinkäufer von Lebensmitteln einerseits und vergeben anderseits viele Aufträge für Dienstleistungen, bei denen Lebensmittel und Getränke eine wichtige Rolle spielen. Es geht nicht nur um eigene Großküchen in Landhäusern, Spitälern oder Pflegeinrichtungen, sondern auch um die Vergabe von Buffets in Schulen, Unis oder auf Sportplätzen, um Verträge mit Unternehmen, die Jause und Mittagessen für Schulen und Kindergärten liefern oder Verträge zur Aufstellung von Automaten in Jugendtreffs, Schulgebäuden oder im Freien. Diese „Power of Procurement“ wird leider derzeit in Österreich noch viel zu wenig als Steuerungsinstrument genutzt, um die Ernährung der so erreichten Bevölkerung gesünder zu machen und bewusst ökologisch und sozial nachhaltigere Produktionsweisen zu fördern.

 

2017 untersuchte das Joint Research Center im Auftrag der Generaldirektion Gesundheit der europäischen Kommission und der maltesischen Ratspräsidentschaft das Potential der öffentlichen Beschaffung und des öffentlichen Auftragswesens zur Verbesserung der Ernährung und der Gesundheitskompetenz der versorgten Kinder und Jugendlichen im Setting Schule. Das Ergebnis war ein klares ja, durch gute Planung und Steuerungen der „Procurement-Prozesse“ und der Umsetzung in der Schule ist die öffentliche Beschaffung und Auftragsvergabe ein wichtiger Hebel zur Zielerreichung „gesunde Kinder“. Es wurden etliche Chancen und Hemmnisse in der Umsetzung guter Schulernährungspolitiken aufgezeigt. In einem technischen Bericht wurden Erkenntnisse und Empfehlungen veröffentlicht. Als stärkste Waffe wurden klare Kriterien für die Beschaffung bzw. Ausschreibungen von Vergaben und „Capacity Building“ auf allen Ebenen identifiziert. Der Bericht ist hier abrufbar:

https://ec.europa.eu/jrc/sites/jrcsh/files/public-procurement-food-health-technical-report.pdf

 

Der genannte Bericht befasst sich zwar nur mit dem Setting Schule und hat die Gesundheit im Focus, ist aber auf alle anderen Bereiche der öffentlichen Beschaffung bzw. der öffentlichen Auftragsvergabe umlegbar. Wer einen höheren – und sukzessive steigenden – Anteil an Bioprodukten und regional erzeugten Lebensmitteln in Schulen, Spitälern, Pflegeinrichtungen etc. haben will, muss klare Kriterien (ernährungsphysiologische, ökologische etc.) für den Einkauf, idealerweise nach Produktkategorien und Machbarkeit – verbindlich festlegen und transparent begründen, Prozesse und möglicherweise auch das Speisen- und Getränkeangebot anpassen und den Anteil der biologischen und/oder regionalen erzeugten Produkte, von bestimmten erwünschten Komponenten in der Ernährung (zB frisches Obst und Gemüse) oder besondere Qualitätsausprägungen (zB gentechnikfrei, höheres Tierwohl etc.) kontinuierlich steigern. Durch Rezeptur- und Speiseplanadaptierungen ist es möglich, die Kosten stabil zu halten.

 

Die biologische Produktion ist ein Aushängeschild Österreichs und findet derzeit in der öffentlichen Beschaffung bzw. Auftragsvergabe zu wenig Berücksichtigung. Auch andere Parameter wie Ernährungsphysiologie (wie zB weniger Fleisch, weniger tierische Produkte, mehr Vollkornprodukte, mehr frisches Obst und Gemüse, mehr Hülsenfrüchte, mehr Fisch), Gentechnikfreiheit, regionale Erzeugung unter guten Arbeitsbedingungen oder höhere Tierwohlstandards – alles gesellschaftlich unstrittige Ziele - werden derzeit nicht berücksichtigt.

 

Auch im Sinne der Klimaverträglichkeit schneiden Bioprodukte in der Regel besser ab als herkömmliche Lebensmittel. Saisonalität und Regionalität bilden bei manchen Produktgruppen wie zB Kartoffeln, Obst oder Gemüse einen weiteren Punkt, der nach und nach in den Procurement-Prozessen abgebildet werden kann und soll. Auch das geförderte Schulmilch- und Schulfruchtprogramm sollte schrittweise ganz auf Bio umgestellt werden und gezuckerte Milchprodukte auslisten (wie zB in Dänemark). Regionale Kreisläufe sollten bevorzugt werden (nicht dringend die Herkunft der Rohstoffe), die Arbeitsbedingungen in der Primärproduktion (ErntehelferInnen, LandarbeiterInnen) ebenfalls eine Rolle spielen. Regionale Kreisläufe halten Wertschöpfung in der Region, sichern gute Arbeitsplätze in der Verarbeitung und sind im Sinne des klimaverträglichen Handelns – ebenso wie ein steigender Anteil an Bioprodukten - auch gut begründbar. Die „Region“ muss vorab klar definiert werden.

Als ein österreichisches Beispiel der Lenkung der Produktion in gewünschte Richtungen sei das Einkaufsprogramm der Stadt Wien, genannt Ökokauf, erwähnt, das seit 1998 besteht und seither immer weiter entwickelt wurde. Es umfasst alle Produkte, die von der Stadt eingekauft werden, von Textilien über Lebensmittel, Wasch- und Desinfektionsmittel Büromaterial und Möbel bis hin zu Baumaterialien. Die wichtigsten Kriterien dabei sind: Schonung der Ressourcen, ökologische Produktion, Energieeffizienz, Reparaturfähigkeit, Vermeidung von Emissionen sowie gefährlicher und toxischer Materialien. Bei den eingekauften Lebensmitteln gilt eine wertmäßig festgelegte „Bio-Quote“ von mindestens 30 % (Kindergarten und Schule: mind. 50%, erdbehaftetes Gemüse 100%[1]), aber auch andere Aspekte wie „gentechnikfrei“, Tierwohlkriterien (Eier) oder die Einhaltung eines Grenzwertes von max. 2% Transfettsäuren in den relevanten Produkten lange bevor in Österreich ein gesetzlicher Grenzwert für Transfettsäuren in Lebensmitteln per Verordnung (2009) festgelegt wurde, sind in den Ökokauf-Kriterien berücksichtigt.

Im Burgenland wird im Rahmen der vom Land gestarteten „Bio-Wende“ gesunde Ernährung der Kinder unterstützt. In Kindergärten und Landesschulen soll die Bio-Quote bis 2024 auf 100 Prozent gesteigert werden. In Volksschulen soll es eine „Bio-Stunde“ pro Monat geben, um das Ernährungs- und Umweltbewusstsein zu fördern.

Es ist an der Zeit, ein klares Konzept für alle Stufen der Beschaffung orientiert an den Zielen (Gesundheit, Klima, Tierwohl, soziale Nachhaltigkeit) zu schaffen und verbindliche Rahmenbedingen und Umsetzungshilfen für diesen sehr wichtigen Hebel der Steuerung der Produktion umzusetzen. Im Regierungsprogramm ist dieses Vorhaben auch im Ansatz erwähnt. Bisher fehlen leider entsprechende konkrete Taten.

 

Die gefertigten Abgeordneten stellen daher den

 

Entschließungsantrag

 

Der Nationalrat wolle beschließen:

 

„Die Bundesregierung wird aufgefordert, dem Nationalrat bis zum Sommer ein schlüssiges Konzept mit einem stufenweisen Umsetzungsplan vorzulegen, der die öffentliche Beschaffung und Auftragsvergabe auf Bundes-, Landes- und Gemeindeebene ökologisch und sozial nachhaltiger und die Ernährung der jeweiligen Zielgruppen gesünder macht. Im ersten Schritt soll unter Berücksichtigung der Vorgaben der EU eine verpflichtende Bioquote von mindestens 30 Prozent festgelegt werden, die je nach Lebensmittelgruppe kontinuierlich erhöht wird.

 

Eine Arbeitsgruppe aus Gesundheits- und NachhaltigkeitsexpertInnen des Bundes, der Länder, der Gemeinden und der Wissenschaft soll weitere Kriterien orientiert an den österreichischen Gesundheitszielen, den EU-Klimazielen und der europäischen Sozialcharta erarbeiten und gemeinsam mit JuristInnen Muster für Ausschreibungen und Verträge erarbeiten, um den verschiedenen Playern in der öffentlichen Beschaffung die Arbeit zu erleichtern und Einheitlichkeit bzw. Vergleichbarkeit in ganz Österreich zu erreichen.

 

Die zuständigen Minister werden aufgefordert, sich auf europäischer Ebene dafür einzusetzen, dass das Vergaberecht solche Vorgaben im Bereich der Lebensmittelbeschaffung zulässt und gesundheitliche Aspekte im Vergabeverfahren besonders berücksichtigt werden können.“

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

Zuweisungsvorschlag: Ausschuss für Konsumentenschutz



[1] dazu zählen: Knollen- und Wurzelgemüse (z. B. Pastinaken, Karotten, Gelbe Rüben, Petersilienwurzeln, Rote Rüben), Kartoffeln, Kohl- & Rübengemüse (z. B. Chinakohl, Rotkraut, Wirsing, Kohl, Weißkraut), sowie Zwiebelgemüse (z. B. Knoblauch, Lauch/Porree, Zwiebel, Schnittlauch)