1575/A(E) XXVII. GP

Eingebracht am 03.05.2021
Dieser Text wurde elektronisch übermittelt. Abweichungen vom Original sind möglich.

ENTSCHLIESSUNGSANTRAG

 

des Abgeordneten Erwin Angerer

und weiterer Abgeordneter

betreffend Wahrung der Unabhängigkeit der Bundeswettbewerbsbehörde

 

Der am 26.04.2021 zur Begutachtung versandte Ministerialentwurf betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Kartellgesetz 2005 und das Wettbewerbsgesetz geändert werden beinhaltet u.a. eine Berichtspflicht der Bundeswettbewerbsbehörde (BWB) an das zuständige Ministerium (dzt.: Bundesministerium für Digitalisierung und Wirtschaftsstandort). So soll in einem neuen § 1 Abs. 4 Wettbewerbsgesetz (zuletzt geändert durch BGBl. 1 Nr. 57/2021) folgender Passus eingefügt werden:

 

„(4) Die Bundesministerin für Digitalisierung und Wirtschaftsstandort hat das Recht, sich jederzeit über alle Gegenstände der Geschäftsführung und Aufgabenerfüllung der Bundeswettbewerbsbehörde zu unterrichten. Die Bundeswettbewerbsbehörde hat der Bundesministerin für Digitalisierung und Wirtschaftsstandort unverzüglich und auf Verlangen schriftlich alle diesbezüglichen Anfragen zu beantworten, soweit dies nicht der Unabhängigkeit der Bundeswettbewerbsbehörde […] widerspricht.“

 

Entsprechend dieser Gesetzesanpassung würden der Bundesministerin für Digitalisierung und Wirtschaftsstandort umfassende Einsichtsrechte eingeräumt, und der - per se unabhängigen - Wettbewerbsbehörde eine Berichtspflicht auferlegt werden. Dieses Vorgehen stößt auf Expertenseite auf großes Unverständnis, wie der Standard vom 27.04.2021 berichtete:

„Die BWB, deren Chef Theodor Thanner über die Pläne zur Berichtspflicht nicht informiert worden sein will, warnte: Die Informationspflicht sei ohne Einschränkungen. "Daher ist es möglich, Information etwa über Razzien zu erfragen." Auch Whistleblowingmeldungen, Beschwerden über Marktmachtmissbrauch oder Geschäftsgeheimnisse wären betroffen.“

 

Darüber hinaus hat diese Berichtspflicht bereits zu einer Ablehnung durch den Koalitionspartner (GRÜNE) geführt.[1]

So berichtet der Standard an 27. April 2021 wie folgt: „Bei den Grünen beklagt man enormen Zeitdruck, der Koalitionspartner habe sich mit Finalisierung seines, das Wettbewerbsrecht betreffenden Parts, viel zu lange Zeit gelassen. Die Grünen wollen die unabhängige BWB und ihre Ermittlungen jedenfalls erhalten und die entsprechende Gesetzespassage gegebenenfalls ändern, kündigte Wirtschafts-sprecherin Elisabeth Götze an.“

 

Die Erklärung von Bundesministerin Schramböck, dass man sich lediglich an die Praxis in anderen EU-Ländern anpassen wolle, ist zudem schwer nachvollziehbar. Die der geplanten Änderung des Wettbewerbsgesetzes zugrunde liegende EU-Richtlinie (Richtlinie EU 2019/1 zur Stärkung der Wettbewerbsbehörden) sieht eine solche „Einmischung“ nationaler Regierungen in die Geschäftsgebarung der Wettbewerbs-behörden nicht vor, sondern empfiehlt in Absatz 22 lediglich „die Veröffentlichung regemäßiger Tätigkeitsberichte, die die für Wettbewerb zuständigen nationalen Verwaltungsbehörden an eine Stelle der Regierung oder des Parlaments richten.“[2] Zudem wird in Artikel 4 Abs. 1 wie folgt angemerkt:

 

Um die Unabhängigkeit der für Wettbewerb zuständigen nationalen Verwaltungsbehörden bei der Anwendung der Artikel 101 und 102 AEUV zu gewährleisten, stellen die Mitgliedstaaten sicher, dass diese Behörden ihre Aufgaben und Befugnisse — auf der Grundlage verhältnismäßiger Rechenschaftspflichten und unbeschadet der engen Zusammenarbeit zwischen den Wettbewerbsbehörden im Rahmen des Europäischen Wettbewerbsnetzes — unparteiisch und im Interesse der wirksamen und einheitlichen Anwendung dieser Artikel wahrnehmen.[3]

 

Die geplante Gesetzesänderung, die der Wirtschaftsministerin umfassende Einsichtsrechte einräumt und die BWB zur uneingeschränkten Berichtslegung verpflichtet, wie dies auch der Generaldirektor der BWB Theodor Thanner bestätigt, ist demnach ein unverhältnismäßiger Eingriff in die Unabhängigkeit der Wettbewerbsbehörde und ist in dieser Form jedenfalls abzulehnen.

 

Die unterfertigten Abgeordneten stellen daher folgenden

 

ENTSCHLIESSUNGSANTRAG

Der Nationalrat wolle beschließen:

„Die Bundesregierung wird aufgefordert, bei den geplanten Änderungen des Kartellgesetzes 2005 und des Wettbewerbsgesetzes von der Einfügung eines neuen § 1 Abs. 4 im Wettbewerbsgesetz Abstand zu nehmen und damit der Bundesministerin für Digitalisierung und Wirtschaftsstandort keine erweiterten Rechte zur Einsichtnahme in die BWB einzuräumen. Darüber hinaus darf es zu keiner zusätzlichen Informations- und Berichtspflicht seitens der Bundeswettbewerbsbehörde gegenüber der Bundesministerin für Digitalisierung und Wirtschaftsstandort kommen, um jedenfalls die Unabhängigkeit der BWB zu gewährleisten.“

 

 

 

In formeller Hinsicht ersuchen die unterfertigten Abgeordneten um Zuweisung dieses Antrages an den Ausschuss für Wirtschaft, Industrie und Energie.



[1] Vgl. Wiener Zeitung vom 27.04.2021, abrufbar unter: https://www.wienerzeitung.at/nachrichten/wirtschaft/oesterreich/2101973-Gruene-gehen-auf-Distanz-zu-Aenderung-im-Wettbewerbsgesetz.amp.html.

[2] Richtlinie (EU) 2019/1, S. 5, abrufbar unter: https://eur-lex.europa.eu/legal-content/DE/TXT/PDF/?uri=CELEX:32019L0001&from=DE.

[3] Ebd., S. 16.