1595/A(E) XXVII. GP
Eingebracht am 19.05.2021
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ENTSCHLIESSUNGSANTRAG
der Abgeordneten Michael Bernhard, Kolleginnen und Kollegen
betreffend individueller Anspruch auf Karenz für jeden Elternteil
Die Lohnschere zwischen Frauen und Männern klafft in Österreich immer noch weit auseinander. Mit einem Gender Pay Gap von 20,1% (vgl. Eurostat 2016) liegt man deutlich über dem EU-Durchschnitt von 16,2%. Zwar werden die Unterschiede sukzessive kleiner, das Tempo reicht aber lange nicht aus. Seit Jahren weiß man, welche Faktoren das Lohnungleichgewicht zwischen Männern und Frauen beeinflussen. Zahlreiche Studien zeigen eindrucksvoll, dass sich die Lohnschere vor allem mit Geburt des ersten Kindes signifikant vergrößert: Grund dafür ist, dass Familien- und Erziehungsarbeit immer noch mehrheitlich Frauensache ist. Gerade in diesem Bereich ist es die Aufgabe der Familienpolitik, tatsächliche gesellschaftliche Veränderungen zu ermöglichen.
Von einer gleichwertigen Aufteilung zwischen Vätern und Müttern sind wir in Österreich nämlich weit entfernt, vorherrschend ist nach wie vor das sogenannte 1,1/2 Modell, in dem Männer Vollzeit arbeiten und Frauen häufig zuerst eine Zeit lang zuhause bleiben und im Anschluss daran in Teilzeitbeschäftigung gehen. Zwar ist die Erwerbsbeteiligung von Frauen in Österreich relativ hoch, die Teilzeitquote ist aber fast europameisterlich: Fast jede zweite Frau arbeitet Teilzeit. Es gibt keine ausreichenden Kinderbetreuungsmöglichkeiten, vor allem für unter 3-Jährige - und Anreize für Väter, sich mehr Zeit für ihre Familie zu nehmen, fehlen. Der Anteil der Väter, die in Karenz gehen und Kinderbetreuungsgeld beziehen, ist nämlich immer noch sehr gering. Nur knapp 3,8% aller Kinderbetreuungsgeldbezieher_innen (KBG-Konto und einkommensabhängige Variante) im Dezember 2019 (für Geburten ab dem 01.03.2018) waren lt. Monatsstatistik des Familienministeriums Männer. Das Bundeskanzleramt selbst verweist in der monatlichen Statistik darauf, dass "aufgrund der im Durchschnitt kürzeren Bezugsdauer der Väter diese deutlich weniger Bezugstage aufweisen als Mütter", und zeigt damit das Problem auf, dass zwar immer mehr Männer Kinderbetreuungsgeld beziehen, wenn, dann aber deutlich kürzer als Frauen.
Jede familienpolitische Maßnahme muss daher einen Anspruch auf gerechtere Verteilung der Betreuungsarbeit zwischen den Elternteilen beinhalten, ansonsten wird sich eine geschlechtergerechte Gesellschaft nicht verwirklichen lassen. Eine bessere Aufteilung der Verantwortung und Arbeit in der Kinderbetreuung zwischen Elternteilen trägt dazu bei, den Gender Pay Gap zu schließen, wie die skandinavischen Staaten erfolgreich vorgelebt haben.
Will man die Lohnschere schließen, kommt man nicht umhin, endlich ein System zu schaffen, das es auch Vätern erleichtert, sich intensiver der Kinderbetreuung zu widmen. Indem man stärkere Anreize für Väter setzt, Verantwortung in der Kindererziehung zu übernehmen, die über das Bild des "Brot-Verdieners" hinausgehen, kann man endlich eine über reine Symptombekämpfungsmaßnahmen hinausgehende Wirkung erzielen.
Skandinavische Staaten haben vorgezeigt, wie ein System der gleichberechtigten Sorge- und Erziehungsarbeit aussehen kann: In Schweden kann man die volle Karenz im Ausmaß von 480 Tagen nur beanspruchen, wenn jeder Elternteil mindestens 90 Tage davon in Anspruch nimmt. Damit schafft man einen Anreiz für Väter und Mütter, sich eher zu gleichen Teilen der Betreuungsarbeit zu widmen.
Durch die Schaffung von individuellen Karenzansprüchen, die zumindest zum Teil nicht auf den anderen Elternteil übertragbar sind, geht man einen wesentlichen Schritt hin zu einer wünschenswerten 50:50 Aufteilung, was Betreuungs- und Sorgearbeit angeht.
Die unterfertigten Abgeordneten stellen daher folgenden
ENTSCHLIESSUNGSANTRAG
Der Nationalrat wolle beschließen:
"Die Bundesregierung, insbesondere die Bundesministerin für Frauen, Familie, Jugend und Integration, wird aufgefordert, dem Nationalrat schnellstmöglich eine Gesetzesvorlage zuzuleiten, die individuelle Karenzansprüche für jeden Elternteil vorsieht, die zumindest zum Teil nicht übertragbar sind."
In formeller Hinsicht wird die Zuweisung an den Ausschuss für Arbeit und Soziales vorgeschlagen.