1602/A(E) XXVII. GP

Eingebracht am 19.05.2021
Dieser Text wurde elektronisch übermittelt. Abweichungen vom Original sind möglich.

ENTSCHLIESSUNGSANTRAG

 

der Abgeordneten Mag. Gerald Loacker, Kolleginnen und Kollegen

betreffend Joboffensive Neustart: Weiterbildung neu denken

 

Neustart

Die Pandemie hat uns schmerzhaft vor Augen geführt, welche strukturellen Defizite wir haben und wie wenig in Österreich aus Fehlern gelernt wird. Obwohl sie uns nicht helfen, halten wir aber dennoch an veralteten Mustern fest und kommen daher kaum voran. Um eine Verbesserung zu erreichen, müssen diese Probleme gelöst und ein echter Neustart geschafft werden. Die Krise hat genau aufgezeigt, wo wir an Grenzen gestoßen sind und was besser gemacht werden kann und muss. Bildungspolitik, Arbeitsmarkt, österreichisches Unternehmertum und die Strukturen des Sozialstaats müssen gesamtheitlich betrachtet werden, wir müssen ausstehende Reformen angehen, verrostete Strukturen erneuern, Transparenz schaffen und die Defizite im Bereich der Digitalisierung ausmerzen.

Joboffensive Neustart

Die Kurzarbeit ist eine wichtige Maßnahme zur Abschwächung der wirtschaftlichen Auswirkungen der Covid-19-Pandemie, aber sie ist dezidiert nur eine Überbrückungshilfe und je länger sie eingesetzt wird, desto stärker zeigt sich, dass die Kurzarbeit keine Antwort auf die drängenden Fragen des Arbeitsmarktes darstellt. Es gibt keine ausreichenden Konzepte für den Übergang von Arbeitslosigkeit in normale Beschäftigung und die Entstehung neuer Jobs wird nur unzureichend vorangetrieben. Die Arbeitslosigkeit kann nur dann gesenkt werden, wenn die Wirtschaft beim Hochfahren unterstützt wird und mehr Dynamik auf dem Arbeitsmarkt erzeugt wird. Bisher zeigt die Bundesregierung aber kaum Bereitschaft, diesen Gedankengang auch nur nachzuvollziehen. Was es hier braucht, ist eine treffsichere Maßnahme, um Unternehmen Anreize zu geben, neue Arbeitskräfte einzustellen. Nur Konservierungsmaßnahmen zu leisten, entspricht einer Politik, die an der Realität vorbeigeht. Wir müssen den Wandel des Arbeitsmarktes, der durch die Covid-19-Pandemie teilweise beschleunigt wurde, vorantreiben und müssen die Chance darin nutzen.

Ein Teil der nötigen Schritte ist eine Reform der Eingliederungshilfen. Sie kann aber nur in Kombination mit anderen Maßnahmen wirken, weil der Arbeitsmarkt viel zu komplex ist, als dass vereinzelte Maßnahmen Wege aus der Krise darstellen könnten. Ein weiterer Schritt ist eine Deckung des Bedarfs an sinnvollen Qualifizierungs- und Umschulungsmaßnahmen für Menschen, deren Branche aufgrund der COVID-19-Pandemie einen dauerhaften oder jedenfalls nachhaltigen Einbruch erlitten hat. Der Vorschlag der Regierung, wie dieser Schritt gemacht werden soll, ist die Corona-Joboffensive. Gebetsmühlenartig wird bei jeder Gelegenheit erwähnt, das größte Arbeitsmarktpaket in der zweiten Republik auf den Weg gebracht zu haben. De facto ist die Offensive aber lediglich eine Aufstockung von bestehenden Maßnahmen, die Regierung schreibt alte Strukturen damit weiter fort und hält den nötigen Wandel auf. Zu diesem Schluss kommen auch die OECD, die Europäische Union und der Rechnungshof. Der Länderbericht der Europäischen Union (2019) hält fest, dass besonders ältere Arbeitnehmer_innen und schlecht qualifizierte Personen in Österreich unverhältnismäßig oft von Arbeitslosigkeit und Langzeitarbeitslosigkeit betroffen sind: Mehr als 44% (in 2019) aller Arbeitslosen haben lediglich die Pflichtschule abgeschlossen. Diese Entwicklungen haben sich durch die Covid Pandemie noch verstärkt (siehe Tabelle 1).

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Die OECD empfiehlt Österreich in ihrer neusten Länderempfehlung (2021): "Target government support at the low-skilled and elderly workers would help to address their relatively low participation in further education and training. Austria is adapting to the global digitalisation frontier at a slower pace than in comparable countries. Upskilling the population across all ages in digital technologies is needed". 

Neben der Zustimmung zu OECD und EU-Positionen kritisierte der Rechnungshof aber schon vor Jahren die schwerfällige Struktur des AMS. Die in den Organen des AMS vertretenen Institutionen haben zu vielfältige Interessenslagen, sind sehr aufwendig gestaltet und hinderlich für die Bewältigung der sich rasch verändernden arbeitsmarktpolitischen Anforderungen. Dringliche, teils bereits eingeleitete  Reformprojekte des AMS zur Bewältigung akuter arbeitsmarktpolitischer Probleme waren aufgrund der fehlenden Strategieentscheidung mit dem Risiko behaftet, verspätet bzw. nicht umfassend umgesetzt zu werden. Das liegt auch an der Struktur. So beauftragen die Länderorganisationen des AMS gemäß §16 AMSG jährlich zahlreiche institutionelle Rechtsträger, wodurch das AMS eine beachtliche Marktmacht ausübt. So waren beispielsweise Ende Mai 2014 1,4 Milliarden Euro zugesagt für Projekte mit einem Finanzierungsvolumen von 1 Million EUR bis 7,5 Millionen EUR und einem Planungshorizont bis 2017. Der Rechnungshof kritisierte daran besonders die intransparente Darstellung und regional zersplitterte Trägerförderung, wobei er besonders auf den Aspekt der Korruptionsvermeidung und fehlende Information über die Verwendung von öffentlichen Mitteln hinwies. Weiters waren mangelndes Controlling der Förderungen auf Bundesebene und der mangelnde Gesamtüberblick über diese Förderungen Kritikpunkte. Unter diesen Aspekten sind die Projekte des AMS natürlich nur schwer nachzuvollziehen, was es dem Bund auch schwieriger macht, die Wirkung der einzelnen Maßnahmen abzuschätzen.

Die mangelnde Wirkungsorientierung zeigt sich auch in Problemfeldern, die seit Jahren auf nicht verändert werden können - wie etwa im Fachkräftemangel. Um diesem entgegenzuwirken, kann aus den Ergebnissen zahlreicher Studien die Empfehlung abgeleitet werden, Weiterbildungen und Qualifizierungsmaßnahmen zu fördern. Das gilt insbesondere für die Weiterbildung von Geringqualifizierten und die Förderung von Mehrfachqualifikationen. Auch hier kann mit Begleitmaßnahmen und einem wirkungsorientierten Vorgehen besser auf dem Arbeitsmarkt eingegangen werden. Die tatsächlich gelebte Arbeitsmarktpolitik ist allerdings weder treffsicher, noch wird sie den Anforderungen der Wirtschaft gerecht. Daher braucht es Maßnahmen und Lösungen, die sowohl den Bedürfnissen der Arbeitnehmer_innen, als auch jenen der Betriebe entsprechen: 

·         Die Wirtschaft weiß am besten, welche Qualifikationen gebraucht werden: Angesichts der nach wie vor bestehenden Arbeitsmarktprobleme, muss der Prozess zur Verbesserung der Schulungseffektivität wesentlich beschleunigt werden. Dabei sollte das Service für Arbeitskräfte gemeinsam mit dem Service für Unternehmen im AMS vermehrt auf Unternehmen zugehen und bedarfsgerechte Schulungsmaßnahmen entwickeln. Seit dem Jahr 2010 nimmt die Effektivität von arbeitsmarktpolitischen Fördermaßnahmen ab. Somit braucht es konkrete Anpassungen der Corona -Joboffensive. Sie sollen die Treffsicherheit im Hinblick auf branchen-, alters- und vor allem auf ausbildungsspezifische Aspekte erhöhen. Des Weiteren braucht es eine gezielte Unterstützung für Geringqualifizierte und ältere Arbeitnehmer_innen sowie einen Qualifizierungsschwerpunkt auf digitale Technologien.

·         Mehr Treffsicherheit bei der Bildungskarenz: Die Bildungskarenz stellt eine starke aktive arbeitsmarktpolitische Maßnahme dar, die bereits frühzeitig den Zugang zu Qualifizierungsmaßnahmen erleichtert und somit präventiv vor Arbeitslosigkeit schützen kann. Von der Bildungskarenz (und der monetären Förderung durch das Weiterbildungsgeld) sollen Personen profitieren, die ausbildungsbedingt Probleme haben, sich gegen Arbeitslosigkeit abzusichern. Zu diesen Personen gehören überdurchschnittlich oft ältere Arbeitnehmer_innen, Arbeitnehmer_innen mit niedrigen Bildungsabschlüssen und Arbeitnehmer_innen in Branchen, die besonders häufig von Arbeitslosigkeit betroffen sind. Es zeigt sich aber, dass diese Gruppen nur bedingt gefördert werden. Während sich der Anteil jener, die eine akademische Ausbildung haben und Weiterbildungsgeld in Anspruch genommen haben, zwischen 2010 und 2018 von 17% auf 21% gesteigert hat, ist der Anteil derjenigen mit Pflichtschulabschluss gesunken. 2019 lag der Anteil jener, mit maximal Pflichtschulabschluss bei 19 %. Daher müssen die Richtlinien in Hinblick auf ihre Treffsicherheit überarbeitet werden.

 

Die unterfertigten Abgeordneten stellen daher folgenden

ENTSCHLIESSUNGSANTRAG


Der Nationalrat wolle beschließen:

"Die Bundesregierung, insbesondere der Bundesminister für Arbeit, wird aufgefordert, dem Nationalrat eine Regierungsvorlage zuzuleiten, die konkrete Anpassungen der aktiven Arbeitsmarktpolitik vorsieht. Folgende Punkte sollen darin Berücksichtigung finden:

·         Der Prozess zur Verbesserung der Schulungseffektivität im AMS muss wesentlich beschleunigt werden. Dabei sollte das Service für Arbeitskräfte gemeinsam mit dem Service für Unternehmen im AMS vermehrt auf Unternehmen zugehen und bedarfsgerechte Schulungsmaßnahmen entwickeln. 

·         Eine gezielte Unterstützung für Geringqualifizierte und ältere Arbeitnehmer_innen sowie einen Qualifizierungsschwerpunkt auf digitale Technologien.

·         Eine konkrete Anpassung der Vorschriften zur Bildungskarenz,  mit denen die Treffsicherheit im Hinblick auf branchen-, alters- und vor allem aus ausbildungsspezifische Aspekte erhöht wird."



In formeller Hinsicht wird die Zuweisung an den Ausschuss für Arbeit und Soziales vorgeschlagen.