1607/A(E) XXVII. GP
Eingebracht am 19.05.2021
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ENTSCHLIESSUNGSANTRAG
der Abgeordneten Josef Schellhorn, Kolleginnen und Kollegen
betreffend Gewerbeordnung NEU: moderne Rahmenbedingungen statt altem Korsett
Die Pandemie hat uns mehrere Dinge schmerzhaft vor Augen geführt: Die strukturellen Defizite in unserem Land. Dass wir aus unseren Fehlern endlich lernen müssen. Und dass veraltete Muster keine Basis für das Überstehen einer solchen Krise bieten und uns aufhalten, nach vorne zu kommen. Daher braucht es einen echten Neustart. Wie durch ein Brennglas sehen wir nun, wo unsere Schwächen liegen, wo wir an unsere Grenzen gestoßen sind, was man besser machen kann - und soll.
Heilige Kuh Gewerbeordnung: unnötig bürokratisch und unreformierbar
Wenige Reformvorhaben wurden so oft vorgeschlagen, diskutiert und dann wieder fallen gelassen wie die Neugestaltung der Gewerbeordnung 1994. Der Zugang zu gewerblicher Berufsausübung ist in Österreich umfassend geregelt, das diesbezügliche Gesetz ein Musterbeispiel an anachronistisch anmutendem Bürokratismus. Die Debatten um die dringende Notwendigkeit der Reformierung waren somit stets berechtigt, der Wille, alte Privilegien und Pfründe aufzugeben, war besonders bei jenen sehr gering ausgeprägt, die diesen am nächsten standen. Eine umfassende Entlastung der Unternehmer_innen in Österreich blieb somit aus. Aktuell fallen 75 Gewerbearten unter reglementierten Gewerbe und bedürfen somit eines Befähigungsnachweises. Während es unzweifelhaft Gewerbearten gibt, bei denen es eine strenge Qualitätskontrolle braucht, ist das in vielen anderen nicht nötig und auch nicht zeitgemäß. Zahlreiche nationalen wie internationalen Experten haben das derzeitige System mehrfach kritisiert und zu Reformen aufgerufen. Zuletzt analysierte der Rechnungshof 2019 in einem Bericht den Zugang zur gewerblichen Berufsausübung. Aufbauend auf die jahrelangen Empfehlungen der Europäischen Kommission im Rahmen des Europäischen Semesters nach Reformen hielt der Rechnungshof fest, dass eine Evaluierung nach bürokratischen Hemmnissen und ökonomischen Auswirkungen zu erfolgen hätte. In dem Bericht empfiehlt der Rechnungshof eine Neukodifzierung der Gewerbeordnung mit dem Ziel, ein zeitgemäßes, übersichtliches und anwenderfreundliches Regelwerk zu schaffen. Dies wird auch als wichtiger Schritt ausgewiesen, um eine verstärkte Nutzung digitaler Anmeldungen zu ermöglichen. Der Rechnungshof kritisiert auch die Untätigkeit bisheriger Wirtschaftsminister_innen, indem eine verstärkte Nutzung der bestehenden Kompetenzen zur Steuerung im Rahmen der mittelbaren Bundesverwaltung im Hinblick auf eine transparente, bundesweit einheitliche Vollziehung der Gewerbeordnung angeregt wurde. Auch die OECD hat in ihrer Country Note 2021 die Reform der Regulierungen im Dienstleistungssektor angeregt. Genutzt haben all diese sachlichen Empfehlungen leider nicht.
Mitten in der Wirtschaftskrise keine Entlastung der Unternehmen geplant
Die pandemiebedingten Schließungen haben Unternehmen in Österreich schwer belastet. Gerade jetzt wäre eine umfassende Entbürokratisierung und eine Verschlankung der Gewerbeordnung dringender denn je notwendig, um den strauchelnden Unternehmen wieder Luft zum Atmen zu geben. Die Bundesministerin für Digitalisierung und Wirtschaftsstandort hat immer wieder in Ausschüssen wie auch öffentlich betont, dass keine Reform der Gewerbeordnung geplant sei. Laut der zuständigen Bundesministerin Schramböck gebe es laufende Evaluierungen, trotz zahlreicher Verbesserungsvorschläge sah sie aber keinen Reformbedarf. Fadenscheinig wird die Qualitätssicherung der Lehre und der Erhalt des Erfolgsmodells "Duale Ausbildung" als Grund für mangelnde Reformen genannt. Noch absurder erscheint dieses Argument angesichts der jüngsten Äußerungen von Arbeitsminister Kocher und Tourismusministerin Köstinger nach der Notwendigkeit der Reform der Lehre.
Entbürokratisierung als Turbo für mehr Unternehmertum in Österreich
Eine schlanke, neue Gewerbeordnung würde nicht nur eine bürokratische und finanzielle Entlastung von Unternehmer_innen in Österreich bedeuten. Durch eine übersichtliche und anwenderfreundliche Ausgestaltung würden Gründungen deutlich erleichtern und damit den Wirtschaftsstandort wesentlich attraktiver gemacht werden. Dies ist gerade in der aktuellen Situation besonders wichtig. Eine ambitionierte Erneuerung in diesem Bereich hätte aber auch positive Effekte auf die Demokratie in Österreich. Die Erledigung eines solchen ewigen Reformvorhabens würde Glauben und Ansehen der Politik in der Bevölkerung erhöhen und als Beweis angesehen werden, dass echte, tief gehende Reformen in Österreich möglich sind.
Neustart Gewerbeordnung: modern, einfach und unbürokratisch
Die österreichische Gewerbeordnung sollte nicht reformiert, sondern komplett neu geschrieben werden. Die Zahl reglementierter Gewerbe muss drastisch gesenkt werden. Eine Regulierung sollte nur dann vorgesehen werden, wo damit Leib und Leben, sowie Vermögen und Umwelt geschützt werden sollen. Mit einer Reduktion auf 26 Branchen würde diesem Prinzip Rechnung getragen werden. Diese schlankere Struktur könnte durch markt-orientierte Tools der Qualitätssicherung ergänzt werden: Zum Beispiel wäre es sinnvoll, dass jeder Gewerbetreibende eine Betriebshaftplichtversicherung abschließt. Diese sollte sämtliche Schäden abdecken, die durch die Ausübung der gewerblichen Tätigkeit oder durch den Betrieb einer Betriebsanlage hervorgerufen werden. Auch andere Werkzeuge erscheinen nach dem Prinzip der Verhältnismäßigkeit als geeigneter als die aktuelle, hoch restriktive Gewerbeordnung. Befähigungsnachweise wären auch weiterhin zur Qualitätssicherung des Angebots wichtig. Eine Liste der Tätigkeiten, die einen Befähigungsnachweis erfordern, sollte vom Parlament beschlossen werden müssen. Diese Festlegung sollte mit einer 5 jährigen Sunset Clause versehen werden, um eine laufende, echte Evaluierung sicherzustellen. Bei neu entstehenden Tätigkeiten wäre bis zu einer Festlegung des Erfordernisses eines Befähigungsnachweises durch das Parlament grundsätzlich keine solche Nachweispflicht gegeben. Allgemein sollte eine neue Gewerbeordnung inhaltlich logisch aufgebaut sein und sollte nicht von den Strukturen der Wirtschaftskammer abhängen. Sie soll für alle unternehmerischen Tätigkeiten gelten und nur den Zugang zum Gewerbe sowie Branchen, Befähigungsnachweise, Ausbildungen und Ausbildungsberechtigungen regeln. Arbeitsrechtliche Bestimmungen oder solche zu Betriebsanlagengenehmigungen, Umweltverträglichkeitsprüfungen, etc. sollten in den entsprechenden Gesetzen geregelt werden. Pro Gewerbetreibenden sollte weiters nur ein Gewerbeschein nötig sein (auch für mehrere Branchen). Neben einer Vereinfachung sollte dadurch auch einer inflationären Gewerbescheinentwicklung samt damit verbundenen höheren Kammerumlagen entgegengetreten werden. Es ist weder sinnvoll noch angebracht, pro Gewerbeschein zusätzliche Kammerumlagen von Unternehmer_innen einzufordern, vor allem angesichts dessen, dass nach der aktuellen Ausgestaltung die allermeisten Unternehmen zur Berufsausübung mehrere Gewerbescheine brauchen. Die schwerste Wirtschaftskrise seit dem 2. Weltkrieg bedarf ambitionierter Reformschritte. Es ist an der Zeit, diese bürokratische Gewerbeordnung hinter uns zu lassen und mit Vollgas an der Attraktivierung von Unternehmertum in unserem Land und damit auch der Weiterentwicklung des Standortes Österreich zu arbeiten.
Die unterfertigten Abgeordneten stellen daher folgenden
Der Nationalrat wolle
beschließen:
"Die Bundesregierung,
insbesondere die Bundesministerin für Digitalisierung und
Wirtschaftsstandort, wird aufgefordert, umgehend einen Prozess zur
Neukodifizierung der Gewerbeordnung unter breiter Einbindung von Experten
und Unternehmer_innen einzuleiten und möglichst rasch
ein übersichtliches und anwenderfreundliches Regelwerks vorzulegen,
dass zur Entlastung der Unternehmer_innen und zur Attraktivierung des
Standortes Österreich beiträgt."
In formeller Hinsicht wird die Zuweisung an den Ausschuss für Wirtschaft‚ Industrie und Energie vorgeschlagen.