1612/A(E) XXVII. GP

Eingebracht am 19.05.2021
Dieser Text wurde elektronisch übermittelt. Abweichungen vom Original sind möglich.

ENTSCHLIESSUNGSANTRAG

der Abgeordneten Mag. Martina Künsberg Sarre, Henrike Brandstötter, Kolleginnen und Kollegen

betreffend Geschlechtersensible Bildung als präventive Maßnahme gegen Gewalt an Frauen

 

Österreich gilt in Sachen Gewaltschutz europaweit noch immer als Vorbild. Gleichzeitig ist Österreich aber das einzige Land innerhalb der EU, in dem es mehr weibliche als männliche Mordopfer gibt. Laut EU-Statistikbehörde Eurostat war Österreich 2017 bspw. das einzige EU-Land, in dem mehr Frauen als Männer durch ein solches Gewaltverbrechen zu Tode kamen. Von 48 Mordopfern waren 27 weiblich.

Auch in den Jahren 2016 und 2015 wies Österreich – im Gegensatz zum EU-Trend – einen Überhang an weiblichen Mordopfern aus. 2016 waren von 44 Ermordeten 26 Frauen, 2015 waren von 50 Mordopfern 30 weiblich.

Gewalt von Männern gegen Frauen ist gesellschaftsimmanent und Alltag in vielen Familien Österreichs. Allein 2019 mussten 19.943 Opfer familiärer Gewalt von Gewaltschutzzentren und Interventionsstellen betreut werden – ca. 90 Prozent der Gefährder waren dabei Männer (laut Wiener Interventionsstelle gegen Gewalt in der Familie (2020): Tätigkeitsbericht 2019). 

Gewalt von Männern gegen Frauen gibt es in allen sozialen Schichten, Nationen, Familienverhältnissen und Berufsgruppen. Im schlimmsten Fall und der letzten Eskalationsstufe führen sie zum Mord an Frauen, auch als Femizid bezeichnet. Es handelt sich dabei weder um „Beziehungsdelikte“ noch um „Private Individualdelikte“; Gewalt gegen Frauen ist ein gesamtgesellschaftliches Problem, hinter dem häufig eine allgemeine Abwertung von Frauen steht, der tief verwurzelte patriarchale Rollenbilder zugrundeliegen.

Um diese gesellschaftlich tief verwurzelten Ursachen von Gewalt gegen Frauen zu überwinden, müssen Prävention und Bekämpfung auch am Bewusstsein der Bürger_innen, durch öffentliche Kampagnen und Sensibilisierungsmaßnahmen in der Gesellschaft, auf dem Arbeitsmarkt, in Unternehmen, vor allem aber auch im Bildungsbereich durch geschlechtersensible Buben- und Mädchenarbeit in Schulen und Kindergärten so früh wie möglich ansetzen.

An Österreichs Schulen bietet der Grundsatzerlass „Reflexive Geschlechterpädagogik und Gleichstellung“ (GZ: BMBWF-15.510/0024-Präs/1/2018) in diesem Zusammenhang einen Orientierungsrahmen für die Realisierung des Unterrichtsprinzips „Reflexive Geschlechterpädagogik und Gleichstellung“ auf den verschiedenen Handlungsebenen des schulischen Lehrens und Lernens. Er enthält Anregungen, wie Fragen der Gleichstellung, in der öffentlichen Schule – vor dem Hintergrund einer pluralistischen, von religiöser, kultureller und sozialer Vielfalt geprägten Gesellschaft – sowohl auf Fach- und Unterrichtsebene als auch auf Ebene der sozialen Beziehungen berücksichtigt werden können. 

Das Unterrichtsprinzip soll dazu beitragen, einen professionellen und reflektierten Umgang mit der Dimension des Geschlechts in der von heterogenen Lebenswelten geprägten Schule zu entwickeln, und zwar auf Grundlage des verfassungsmäßig verankerten Gleichstellungs- und Antidiskriminierungsauftrags. Demnach haben alle Geschlechter dasselbe Recht auf individuelle und selbstbestimmte Persönlichkeitsentwicklung. Den rechtlichen Referenzrahmen bilden neben den staatlich definierten Bildungs- und Erziehungszielen ebenso die universellen Menschen-, Frauen- und Kinderrechte im Sinne der von Österreich ratifizierten UN_Konventionen (CEDAW, CRC) und die sogenannte Istanbul-Konvention des Europarates . Die staatlichen Einrichtungen haben demnach die Verpflichtung, durch geeignete und präventive Maßnahmen auch im Bildungsbereich die Gleichstellung der Geschlechter zu fördern, insbesondere auch durch den Abbau von kulturell tradierten Geschlechterstereotypen und patriarchalen Rollenzuweisungen. https://www.bmbwf.gv.at/Themen/schule/schulrecht/rs/2018_21.html

 

Die unterfertigten Abgeordneten stellen daher folgenden

ENTSCHLIESSUNGSANTRAG




Der Nationalrat wolle beschließen:

"Die Bundesregierung, insbesondere der Minister für Bildung, Wissenschaft und Forschung wird aufgefordert, zum Aufbrechen traditioneller Rollenbilder und im Sinne nachhaltiger gewaltpräventiver Sensibilisierung im Rahmen des Unterrichtprinzips „Reflexive Geschlechterpädagogik und Gleichstellung“ zusätzlich konkrete handlungsanleitende Grundsätze für geschlechtersensible Erziehung, Bildung und Ausbildung in Kindergärten und Schulen zu implementieren und verstärkt entsprechende Sensibilierungsmaßnahmen in Kindergarten und Schule auf den Weg zu bringen."  

 

In formeller Hinsicht wird die Zuweisung an den Unterrichtsausschuss vorgeschlagen.